Freigeisterhaus Foren-Übersicht
 FAQFAQ   SuchenSuchen   MitgliederlisteMitgliederliste   NutzungsbedingungenNutzungsbedingungen   BenutzergruppenBenutzergruppen   LinksLinks   RegistrierenRegistrieren 
 ProfilProfil   Einloggen, um private Nachrichten zu lesenEinloggen, um private Nachrichten zu lesen   LoginLogin 

Modernes Strafrecht
Gehe zu Seite Zurück  1, 2, 3, 4, 5, 6 ... 19, 20, 21  Weiter
 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen   Drucker freundliche Ansicht    Freigeisterhaus Foren-Übersicht -> Kultur und Gesellschaft
Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  
Autor Nachricht
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1354890) Verfasst am: 04.09.2009, 18:21    Titel: Re: Abschaffung der Justiz mit Hilfe von "Hirnforschung" und "Phy Antworten mit Zitat

Sanne hat folgendes geschrieben:
Was sind denn das für Idioten?

Ich sehe da genau 3 Idioten: Den Verfasser des Artikels, den Richter und diesen Markowitsch. Und fast alles komplett spekulativ und auf Bildzeitunsniveau.
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
zelig
Kultürlich



Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#1354916) Verfasst am: 04.09.2009, 19:03    Titel: Antworten mit Zitat

Deine Distanzierung von Markowitisch finde ich wohltuend.

Hier ist nochmal ein Ausschnitt eines Gesprächs mit ihm aus dem Spiegel, welches nach meiner Einschätzung überhaupt ihn und den von ihm vertretenen Standpunkt einigermaßen bekannt machten.

Zitat:
Markowitsch: Etwas Ähnliches soll, noch nach Tony Blairs Plänen, in Großbritannien eingeführt werden: Tests für alle Schulkinder, um diejenigen mit besonders vielen Risikofaktoren für späteres kriminelles Verhalten zu erkennen. Für diese Kinder gibt es dann gezielte Präventionsprogramme.

SPIEGEL: Der Plan brachte Blair den Vorwurf ein, einen "wild gewordenen Gouvernantenstaat" installieren zu wollen.

Markowitsch: Kriminelles Verhalten lässt sich aber tatsächlich ziemlich gut voraussagen. In einer älteren Studie hat man in den USA 15-jährige Schüler auf Variablen untersucht, die prädiktiv für die spätere Straffälligkeit sein könnten. Man zeigt ihnen viele normale, harmlose Bilder und dazwischen ab und zu ein nacktes Mordopfer, Unfallopfer, alle möglichen Gewaltszenen. Bei einigen dieser jungen Menschen maß man kaum psychophysische Reaktionen auf diese Reize: Die Pulsrate blieb niedrig, die Muskelaktivität auch, die Leitfähigkeit der Haut veränderte sich nicht.

Und tatsächlich wurde die überwiegende Mehrzahl dieser Jugendlichen später straffällig. Gerade der Typus des Soziopathen ist sehr gut identifizierbar. Wenn wir ihn im frühen Stadium erkennen könnten, wie eine somatische Krankheit - müssen wir nicht sogar versuchen, auf ihn einzuwirken?

SPON-Link

Ich finde das veranschaulicht ganz gut, warum eine gehörige Portion Skepsis gegenüber falschen Schlüssen und den daraus abgeleiteten Forderungen nach praktischen Konsequenzen begründet ist. Der Mensch soll schon im Kindesalter auf sein kriminelles Potential gescannt werden, und bei Bedarf präventiv behandelt werden. Und zwar nicht erst aufgrund irgendeines konkreten Anhaltspunktes, sondern als Objekt einer Maßnahme, der generell alle Kinder unterworfen sein sollen. Die Begründung dafür im weiteren Gespräch ("Ritalin damit Kinder nicht rumzappeln") spricht Bände. Das sind genau die Äußerungen und Standpunkte, die einer innerwissenschaftlichen Erörterung und derer Kritik bedürfen. Schon im Interesse der Naturwissenschaften selber. Leider, soweit ich das beurteilen kann, Fehlanzeige.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1354923) Verfasst am: 04.09.2009, 19:17    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
... "absichtlich" bedeutet bei mir nicht mehr, als daß das Gehirn eine Handlungsentscheidung aufgrund einer Entscheidung traf, deren Präferenzgrundlage bewußt wurde.

... Entweder findest Du es plausibel, dass man zwischen beiden Fällen unterscheidet (dann bist Du mE Kompatibilist und kein "harter" Determinist mehr [denn der denkt, dass alles wegen TNR unbeeinflussbar geschieht]) oder Du findest es nicht richtig.

Natürlich existiert auch für den Deterministen faktisch ein Unterschied zwischen "absichtlich" und "unabsichtlich", wie ich ja bereits schrieb. Der Unterschied liegt in der Art der (jeweils komplett determinierten) Entscheidungsvorgänge.

Inwiefern spielt die "Art" hier eine Rolle und inwiefern unterscheiden sich die Arten?

Übrigens spielt der Unterschied zwischen "absichtlich" und "unabsichtlich" für einen "harten" Deterministen eigentlich keine Rolle (könnte bei Bedarf ein Zitat von Singer hier bringen, der sagt: "beruht alles gleichemaßen auf neuronalen Prozessen und es gibt daher keinen Unterschied - ist alles eins").

Meine Unterscheidung ("Determinist" <-> "harter Determinist") sollte man übrigens beachten, keine Ahnung, wieso Du das permanent nicht tust.

step hat folgendes geschrieben:
Nur ist dieser Unterschied eben mE nicht mehr "fundamentaler" Natur und begründet nicht per se eine vergeltende Bestrafung im präferenten Fall.

Doch, der ist fundamentaler Natur, darauf basiert nämlich moralische Verantwortung, d.h. persönliche Zuschreibung von Handlungen. Zum Beispiel beim Schadensersatz. Ob das aber auch vergeltende Bestrafung begründen kann, ist eine andere Frage. Diese Fragen sollte man aber nicht vermischen.

step hat folgendes geschrieben:
Man erwartet von ihm kein konformes Verhalten, also mißt man ihm in diesem Punkt keine Verantwortung zu. [...] Einem als normal eingeschätzen Mitmenschen weist man diese Verantwortung zu, weil/indem man erwartet, daß er sich diesbezüglich konform verhält. [...] Er ["wollen" und "können"] würde keinen Unterschied machen auf neurologischer, physikalischer Ebene: nicht wollen = nicht können. Er würde aber natürlich einen Unterschied machen in bezug auf die Art der zu wählenden Maßnahme, denn wenn der Abwaschverweigerer etwa eine körperliche Blockade (z.B. keine Arme) hat, muß die anders gelöst werden, als wenn er eine psychische Blockade (z.B. Spülmittelphobie) oder eine für die Anderen ungünstig determinierte Präferenz (z.B. mangelnde Hilfsbereitschaft) hat.

Mein Problem ist nun aber immer noch, dass ich nicht so recht sehen kann, inwiefern sich Deine Auffassung von "Verantwortung" von der üblichen Auffassung unterscheidet.

Nehmen wir doch mal die Wiki-Definition:

Verantwortung hat folgendes geschrieben:
Verantwortung bedeutet die Möglichkeit, dass eine Person für die Folgen eigener oder fremder Handlungen Rechenschaft ablegen muss. Sie drückt sich darin aus, bereit und fähig zu sein, später Antwort auf mögliche Fragen zu deren Folgen zu geben. Eine Grundvoraussetzung hierfür ist die Fähigkeit zur bewussten Entscheidung.

Du betrachtest nun eher die Nutzenfunktion, aber das an sich ist ja noch kein Unterschied, sondern das bestätigt das Konzept doch wohl eher. Wo genau siehst Du nun die Differenz?

Auch wird mir immer weniger klar, was Du gegen den im Eingangsbeitrag verlinkten Aufsatz einzuwenden hast.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Das ist nicht ganz korrekt, wenn ich Deine obigen Ausführungen betrachte (die Kriterien für eine Schadensersatzverpflichtung), denn dabei geht es eben nicht um Prävention, sondern um den Ausgleich eines entstandenen Schadens. Für den muss wohl auch deiner Ansicht nach erst mal eine verschuldete Handlung festgestellt werden, es gibt bestimmte Kriterien, die festgelegt sind und demnach überprüft werden müssen. Und dabei spielt der Unterschied zwischen absichtlichen / unabsichtlichen Handlung die grundlegende Rolle. Und das bedeutet eben schuldhaftes Verhalten in meinem Sinne.

Sehe ich anders. Ich habe oben extra versucht (jedenfalls in dem formaleren Beitrag mit den Punkten 1.-4.), den Schadensausgleichsaspekt von der Verursacherfrage zu trennen und letztere nur für die Ermittlung geeigneter Präventionsmaßnahmen heranzuziehen.

Du meinst wohl diesen:

step hat folgendes geschrieben:
OK, ich skizziere mal noch einen - evtl. unausgereiften - Vorschlag:

1. Der Schaden, sofern überhaupt ersetzbar, wird grundsätzlich von der Gemeinschaft getragen, z.B. in Form einer Versicherung.
2. Zusätzlich wird untersucht, welcher der Beteiligten sich in Zukunft in ähnlichen Situationen anders verhalten soll. In Deinem Fall wird das sicher A, evtl. C, und sicher nicht B sein.
3. Je nach Erfolgswahrscheinlichkeit und Verhältnismäßigkeit wird mit diesen Personen präventiv gearbeitet.
4. Ein Aspekt, um Vertrauen wiederherzustellen, kann sein, daß A sich an den Gemeinskosten für Schadensersatz und Prävention beteiligt.

Da stellen sich natürlich ein paar Fragen.

zu 1.: Welche Schäden genau sollen eigentlich von der Gesellschaft ersetzt werden? Wenn ich mir zum Beispiel selber absichtlich ein Loch ins Knie bohre oder wenn ein Orkan das Dach meines Hauses wegbläst? Doch wohl kaum, also: was sind eigentlich die Kriterien hierbei?
zu 2.: Warum? Genauer gefragt: warum nur die und warum nicht beliebige andere, die zwar nichts getan haben, von denen man aber annehmen könnte, dass sie sich in Zukunft falsch verhalten könnten?
zu 3.:
- Was bedeutet "Verhältnismäßigkeit" in diesem Zusammenhang? Worauf bezieht sich das? Auf die konkrete Tat, deren Ablehnungswürdigkeit? Oder auf die angenommene zukünftige Gefährdung? Oder auf die Höhe des entstandenen Schadens?
- Was geschieht, wenn die Person nicht zusammenarbeiten will, sich verweigert? Wird dann einfach gesagt: "dann halt nicht" und das war's?
4.: Was heißt denn "kann sein"? Ist das so oder nicht oder hängt das von weitere Kriterien ab? Wenn ja: welchen?

----

Und, noch 'ne Frage zu einer anderen Differenz von uns, nämlich dazu, dass Du Generalprävention ablehnst.

Mal ein simples Beispiel (Du möchtest ja gerne ausschließlich Kapitalverbrechen betrachten, ansonsten hätte ich auch ein anderes Beispiel nehmen können) dazu: X tötet seine Schwester, weil er meint, die habe die Familienehre beschmutzt. Seine Familie hat ihn vielleicht dabei unterstützt, aber das weiß man nicht so genau, man kann es jedenfalls nicht nachweisen. Von X geht keinerlei weitere Gefahr aus, er ist keine Bedrohung für andere, negative Spezialprävention fällt flach. Nur die Familienehre, nach seiner moralischen Auffassung leicht endgültig verloren durch weibliche unverheiratete Familienmitglieder, war wichtig. Aber er hatte nur eine Schwester, die jedoch nun tot ist. Positive Spezialprävention (Therapie oder dergleichen) kommt auch nicht in Frage, denn X verweigert sich in der Hinsicht. Er ist von der Rechtmäßigkeit seines Tuns überzeugt.

Was schlägst Du vor?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1355248) Verfasst am: 05.09.2009, 11:42    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Deine Distanzierung von Markowitisch finde ich wohltuend. Hier ist nochmal ein Ausschnitt eines Gesprächs mit ihm aus dem Spiegel, welches nach meiner Einschätzung überhaupt ihn und den von ihm vertretenen Standpunkt einigermaßen bekannt machten.[...]

Ich hatte außer in diesem Interview nie von ihm gehört, obwohl ich mich durchaus für das Thema interessiere und schon einiges darüber gelesen habe. Ich muß Dich aber gleich wieder enttäuschen, nachdem ich das Interview jetzt noch einmal gelesen habe. Idiotisch finde ich eigentlich nur die Vorstellung, durch einfache Hirnscans ließen sich flächendeckend Verbrechen voraussagen, sowie das auch schon von Dir erwähnte Ritalin (idZ hätte man durchaus auf Nebenwirkungen und auch Mißbrauch hinweisen können).

Aber nochmal: Ich verstehe nicht, warum Ihr Euch alle so an der Präventivmaßnahmendiskussion festbeißt, obwohl es mir primär darum geht, das vergeltende Strafrecht abzuschaffen. Anstatt bißfeste Begründungen für Haftstrafen zu liefern, werden ständig Orwell-Horrorszenarien an die Wand gemalt.

Daher jetzt zu der immer noch fehlenden Begründung für vergeltende Strafe. Schauen wir mal, was Reemtsma, Markowitsch's Gegner im o.g. Interview, dazu sagt:

Zitat:
Reemtsma: Wir strafen, um abzuschrecken und um gesellschaftliche Normen zu bestätigen. ...

Letzteres ist ja ein Euphemismus für "Vergeltung", jedenfalls wenn es nicht bei einer Bestätigung bleibt, sondern zu einer Bestrafung kommt. Und beides ist keine Begründung für jahrelange Haftstrafen. So gehen wir nichtmal mit Hunden um.

Tja, und dann noch die Idee, den Schuldbegriff (im Sinne des schlechten Gewissens) aufrechtzuhalten. Da sind sich beide einig:

Zitat:
Reemtsma: Im Übrigen wird dabei auch ein erzieherisches Strafrecht nie auf den Schuldbegriff verzichten können, schon deshalb, weil er in unserer Innenperspektive so real ist. Man wird zu einem jugendlichen Tunichtgut nicht sagen: Du fühlst dich zwar schuldig, aber tröste dich, du kannst nichts dafür, dein Hirn war's.

Markowitsch: Das sehe ich ähnlich. Schuld kann durchaus kultiviert werden. Als Gefühl hat es ja evolutionär einen Sinn.

Ich persönlich sehe das allerdings etwas radikaler, ich würde auch in der Erziehung lieber ein Gefühl kultivieren, das reflektiert an Kooperation und Hilfsbereitschaft appelliert, ohne den scheinbar einfachen und wirkmächtigen Umweg über Schuldgefühle.

Danach wird dann wieder kräftig auf das Volksbedürfnis nach Rache verwiesen:

Zitat:
Reemtsma: Dann werden Sie große Probleme bekommen, Menschen zu erklären, warum ein Raser, der ihre Familie ausgerottet hat, die gleiche Umerziehung bekommt wie einer, der bloß geblitzt wurde. Eine wichtige Einsicht in der Juristerei ist, dass das Gerechtigkeitsgefühl und die tatsächliche Rechtsprechung nicht allzu weit auseinanderdriften dürfen.

Dabei wäre die Erklärung ganz einfach und plausibel: Gleiche Behandlung, weil die Gefahr für die Zukunft die gleiche ist.

Also wieder nichts.
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1355263) Verfasst am: 05.09.2009, 12:26    Titel: Absicht, Verantwortung, Schuld Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Natürlich existiert auch für den Deterministen faktisch ein Unterschied zwischen "absichtlich" und "unabsichtlich", wie ich ja bereits schrieb. Der Unterschied liegt in der Art der (jeweils komplett determinierten) Entscheidungsvorgänge.
Inwiefern spielt die "Art" hier eine Rolle und inwiefern unterscheiden sich die Arten?

- Die "Art" des E-Vorgangs spielt eine Rolle bei der Beurteilung, wie man ihn für die Zukunft optimal beeinflußt. Z.B. ob gar keine, eine physiologische oder eine psychologische Therapie Sinn macht.

- Unterschiede auf emergenter Ebene liegen z.B. in der Präferenzbasiertheit und Bewußtheit der Entscheidung. Vereinfacht ausgedrückt, findet das IF()-ELSE() woanders statt und hat auch andere Inputparameter.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Übrigens spielt der Unterschied zwischen "absichtlich" und "unabsichtlich" für einen "harten" Deterministen eigentlich keine Rolle (könnte bei Bedarf ein Zitat von Singer hier bringen, der sagt: "beruht alles gleichemaßen auf neuronalen Prozessen und es gibt daher keinen Unterschied - ist alles eins"). Meine Unterscheidung ("Determinist" <-> "harter Determinist") sollte man übrigens beachten, keine Ahnung, wieso Du das permanent nicht tust.

Weil es keine wirkliche Rolle spielt. Ob man einen faktischen Unterschied einen "wirklichen Unterschied" nennt oder nicht, ist reine Geschmackssache oder Konvention.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Verantwortung hat folgendes geschrieben:
Verantwortung bedeutet die Möglichkeit, dass eine Person für die Folgen eigener oder fremder Handlungen Rechenschaft ablegen muss. Sie drückt sich darin aus, bereit und fähig zu sein, später Antwort auf mögliche Fragen zu deren Folgen zu geben. Eine Grundvoraussetzung hierfür ist die Fähigkeit zur bewussten Entscheidung.
Du betrachtest nun eher die Nutzenfunktion, aber das an sich ist ja noch kein Unterschied, sondern das bestätigt das Konzept doch wohl eher. Wo genau siehst Du nun die Differenz?

Die Unterschiede scheinen auf den ersten Blick in der Tat klein, solange man nicht eine Bestrafung daraus folgert (sondern nur das Beantworten von Fragen).

- Konzentration auf die Vergangenheit statt Zukunft (wiki: Rechenschaft ablegen - ich: Erwartung erfüllen)

- inkonsistente Definition: "Möglichkeit", "muss" usw. definieren nicht wirklich, was Verantwortung ist, ob es eine Wesenseigenschaft, eine Zuweisung durch Dritte, oder eine Begleiterscheinung bewußter Entscheidungen ist.

- Ich bin mir nicht sicher, ob die "Fähigkeit zur bewussten Entscheidung" wirklich eine Voraussetzung für die Zuweisung von Verantwortung ist. Ich denke eher nicht. Für einfache Formen von Verantwortung reicht mE das (auch unbewußte) Wissen darüber, was die Anderen von mir erwarten.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Auch wird mir immer weniger klar, was Du gegen den im Eingangsbeitrag verlinkten Aufsatz einzuwenden hast.

Das habe ich ja ausführlich dargelegt. Burkhardt scheitert mE an dem Versuch, mittels kompatibilistischer Deutungen zu zeigen, warum sich die vergeltenden Aspekte des Strafrechts bei deterministischer Sichtweise nicht ändern müssen. Oder anders ausgedrückt, er scheitert mE daran, eine plausible Legitimation für vergeltende Strafen anzugeben.
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.


Zuletzt bearbeitet von step am 05.09.2009, 12:28, insgesamt einmal bearbeitet
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1355264) Verfasst am: 05.09.2009, 12:27    Titel: Schadensersatz Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Ich habe oben extra versucht ..., den Schadensausgleichsaspekt von der Verursacherfrage zu trennen und letztere nur für die Ermittlung geeigneter Präventionsmaßnahmen heranzuziehen.

Du meinst wohl diesen:

step hat folgendes geschrieben:
OK, ich skizziere mal noch einen - evtl. unausgereiften - Vorschlag:

1. Der Schaden, sofern überhaupt ersetzbar, wird grundsätzlich von der Gemeinschaft getragen, z.B. in Form einer Versicherung.
2. Zusätzlich wird untersucht, welcher der Beteiligten sich in Zukunft in ähnlichen Situationen anders verhalten soll. In Deinem Fall wird das sicher A, evtl. C, und sicher nicht B sein.
3. Je nach Erfolgswahrscheinlichkeit und Verhältnismäßigkeit wird mit diesen Personen präventiv gearbeitet.
4. Ein Aspekt, um Vertrauen wiederherzustellen, kann sein, daß A sich an den Gemeinkosten für Schadensersatz und Prävention beteiligt.

zu 1.: Welche Schäden genau sollen eigentlich von der Gesellschaft ersetzt werden? Wenn ich mir zum Beispiel selber absichtlich ein Loch ins Knie bohre oder wenn ein Orkan das Dach meines Hauses wegbläst? Doch wohl kaum, also: was sind eigentlich die Kriterien hierbei?

Einziges Kriterium wäre, daß der Schaden als hinreichend schädlich angesehen wird. Also in den beiden von Dir genannten Fällen wäre das wohl der Fall.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
zu 2.: Warum? Genauer gefragt: warum nur die und warum nicht beliebige andere, die zwar nichts getan haben, von denen man aber annehmen könnte, dass sie sich in Zukunft falsch verhalten könnten?

Das wäre eine rein pragmatisch-wahrscheinlichkeitsgetriebene Entscheidung. Es wäre also tatsächlich auch denkbar, daß ein solcher Vorfall, besonders wenn er häufiger vorkommt, zum Anlaß genommen wird, über eine Änderung von Lehrplänen, über Schutzimpfungskampagnen, Rauchverbote oder über die allgemeine Gurtpflicht nachzudenken.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
zu 3.: - Was bedeutet "Verhältnismäßigkeit" in diesem Zusammenhang? Worauf bezieht sich das? Auf die konkrete Tat, deren Ablehnungswürdigkeit? Oder auf die angenommene zukünftige Gefährdung? Oder auf die Höhe des entstandenen Schadens?

Das bezieht sich auf Übelzufügung durch die Maßnahme vs. angenommene zukünftige Gefährdung.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
- Was geschieht, wenn die Person nicht zusammenarbeiten will, sich verweigert? Wird dann einfach gesagt: "dann halt nicht" und das war's?

Dann muß man wieder abwägen: mehr Übelzufügung durch die Maßnahme vs. Inkaufnahme zukünftiger Gefährdung

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
4.: Was heißt denn "kann sein"? Ist das so oder nicht oder hängt das von weitere Kriterien ab? Wenn ja: welchen?

Naja, das kann ja nur dann ein Aspekt sein,
- wenn A die dazu nötigen Mittel hat oder zukünftig aufbringen kann
- wenn es eine vermutete Korrelation zwischen den Determinanten der Tat und der Rücksichtslosigkeit gegenüber Anderen gibt (z.B. bei Betrügern)
- evl. weitere Kriterien, habe ich noch nicht im Detail darüber nachgedacht
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
zelig
Kultürlich



Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#1355266) Verfasst am: 05.09.2009, 12:29    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Deine Distanzierung von Markowitisch finde ich wohltuend. Hier ist nochmal ein Ausschnitt eines Gesprächs mit ihm aus dem Spiegel, welches nach meiner Einschätzung überhaupt ihn und den von ihm vertretenen Standpunkt einigermaßen bekannt machten.[...]

Ich hatte außer in diesem Interview nie von ihm gehört, obwohl ich mich durchaus für das Thema interessiere und schon einiges darüber gelesen habe. Ich muß Dich aber gleich wieder enttäuschen, nachdem ich das Interview jetzt noch einmal gelesen habe. Idiotisch finde ich eigentlich nur die Vorstellung, durch einfache Hirnscans ließen sich flächendeckend Verbrechen voraussagen, sowie das auch schon von Dir erwähnte Ritalin (idZ hätte man durchaus auf Nebenwirkungen und auch Mißbrauch hinweisen können).

Aber nochmal: Ich verstehe nicht, warum Ihr Euch alle so an der Präventivmaßnahmendiskussion festbeißt, obwohl es mir primär darum geht, das vergeltende Strafrecht abzuschaffen. Anstatt bißfeste Begründungen für Haftstrafen zu liefern, werden ständig Orwell-Horrorszenarien an die Wand gemalt.

Daher jetzt zu der immer noch fehlenden Begründung für vergeltende Strafe. Schauen wir mal, was Reemtsma, Markowitsch's Gegner im o.g. Interview, dazu sagt:

Zitat:
Reemtsma: Wir strafen, um abzuschrecken und um gesellschaftliche Normen zu bestätigen. ...

Letzteres ist ja ein Euphemismus für "Vergeltung", jedenfalls wenn es nicht bei einer Bestätigung bleibt, sondern zu einer Bestrafung kommt. Und beides ist keine Begründung für jahrelange Haftstrafen. So gehen wir nichtmal mit Hunden um.

Tja, und dann noch die Idee, den Schuldbegriff (im Sinne des schlechten Gewissens) aufrechtzuhalten. Da sind sich beide einig:

Zitat:
Reemtsma: Im Übrigen wird dabei auch ein erzieherisches Strafrecht nie auf den Schuldbegriff verzichten können, schon deshalb, weil er in unserer Innenperspektive so real ist. Man wird zu einem jugendlichen Tunichtgut nicht sagen: Du fühlst dich zwar schuldig, aber tröste dich, du kannst nichts dafür, dein Hirn war's.

Markowitsch: Das sehe ich ähnlich. Schuld kann durchaus kultiviert werden. Als Gefühl hat es ja evolutionär einen Sinn.

Ich persönlich sehe das allerdings etwas radikaler, ich würde auch in der Erziehung lieber ein Gefühl kultivieren, das reflektiert an Kooperation und Hilfsbereitschaft appelliert, ohne den scheinbar einfachen und wirkmächtigen Umweg über Schuldgefühle.

Danach wird dann wieder kräftig auf das Volksbedürfnis nach Rache verwiesen:

Zitat:
Reemtsma: Dann werden Sie große Probleme bekommen, Menschen zu erklären, warum ein Raser, der ihre Familie ausgerottet hat, die gleiche Umerziehung bekommt wie einer, der bloß geblitzt wurde. Eine wichtige Einsicht in der Juristerei ist, dass das Gerechtigkeitsgefühl und die tatsächliche Rechtsprechung nicht allzu weit auseinanderdriften dürfen.

Dabei wäre die Erklärung ganz einfach und plausibel: Gleiche Behandlung, weil die Gefahr für die Zukunft die gleiche ist.

Also wieder nichts.


Zum Horrorszenario. Diese Ängste werden doch durch solcherart Vorschläge wie den Generalscann erst geschürt. Ich habe keine prinzipiellen Vorbehalte gegen in Einzelfällen begründete, und zudem der Freiwilligkeit unterliegenden präventiven Maßnahmen. Ein gutes Beispiel dafür, das ich befürworte, ist das Angebot der Charité in Berlin an Menschen mit pädophilen Neigungen, sich präventiv behandeln zu lassen, um einer Straftat vorzubeugen. Das finde ich absolut sinnvoll. Das ist freiwillig und auf begründete Einzellfälle beschränkt. Wenn Du sowas vor Augen hast, dann bin ich auf deiner Seite.

Zur Schuld. Ich finde die Verwendung dieses Begriffs im Kontext von rechtsphilosophischen Diskussionen sowieso antiquiert. Man kann nach meinem Dafürhalten darauf verzichten. Worauf wir nicht verzichten können, ist das Verantwortungs-Prinzip.

Zur Rache. Auch der Rachegedanke ist mir im Kontext dieser Diskussionen fremd. Können wir drauf verzichten.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1355267) Verfasst am: 05.09.2009, 12:29    Titel: Generalprävention Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und, noch 'ne Frage zu einer anderen Differenz von uns, nämlich dazu, dass Du Generalprävention ablehnst.

Mal ein simples Beispiel ...: X tötet seine Schwester, weil er meint, die habe die Familienehre beschmutzt. Seine Familie hat ihn vielleicht dabei unterstützt, aber das weiß man nicht so genau, man kann es jedenfalls nicht nachweisen.

Naja, in jedem Fall haben sie ihm den kulturellen Kontext weitergegeben. Ein möglicher Ansatz für eine Maßnahme, falls die Familie noch weitere Söhne hat.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Von X geht keinerlei weitere Gefahr aus, er ist keine Bedrohung für andere, negative Spezialprävention fällt flach. Nur die Familienehre, nach seiner moralischen Auffassung leicht endgültig verloren durch weibliche unverheiratete Familienmitglieder, war wichtig. Aber er hatte nur eine Schwester, die jedoch nun tot ist.

Das sehe ich anders, X wird diese Auffassung vermutlich an seine Söhne weitergeben. Es sollte versucht werden, hier erzieherisch einzugreifen, ob nun bei X (was schwierig wird, siehe Deine Bemerkung unten), bei seinen Kindern, oder bei allen Kindern.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Positive Spezialprävention (Therapie oder dergleichen) kommt auch nicht in Frage, denn X verweigert sich in der Hinsicht. Er ist von der Rechtmäßigkeit seines Tuns überzeugt. Was schlägst Du vor?

Wenn alle spezialpräventiven Maßnahmen unmöglich sind und diese Situation mit einer gewissen Regelmäßigkeit auftritt, schlage ich vor, positive Generalprävention (heißt das so?) zu betreiben, also z.B. (nagel mich nicht auf diese Maßnahme fest, ist nur ein Beispiel) Ganztagsschulen mit spezieller Berücksichtigung der Ehre/Macho/Schlampe-Thematik.

Und Du bzw. unser heutiges Strafrecht?

PS/Edit: Übrigens ist das Beispiel keineswegs simpel, da es den Bereich divergierender Grundwerte (Kulturen) berührt. Da funktionieren viele unserer sozialen Determinations-Mechanismen nicht mehr richtig, bis hin zu scheinbar allgültigen Faustregeln wie etwa dem kategorischen Imperativ.
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.


Zuletzt bearbeitet von step am 05.09.2009, 12:46, insgesamt einmal bearbeitet
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1355272) Verfasst am: 05.09.2009, 12:43    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Zum Horrorszenario: Diese Ängste werden doch durch solcherart Vorschläge wie den Generalscann erst geschürt.

Ja, und zwar vor allem durch Medien und Politiker, selten durch einen Forscher vielleicht. Aber wie gesagt: Mein eigentlicher Punkt war, daß präventive Maßnahmen wenigstens prinzipiell begründbar sind, vergeltende Strafe dagegen nicht (mehr).

zelig hat folgendes geschrieben:
... Zur Schuld. Ich finde die Verwendung dieses Begriffs im Kontext von rechtsphilosophischen Diskussionen sowieso antiquiert. Man kann nach meinem Dafürhalten darauf verzichten.

Burkhardt baut aber seine ganze Begründung darauf auf. Und er durchzieht nicht nur unsere Rechtssprechung, sondern auch unsere Religionen, unsere Erziehung usw.

zelig hat folgendes geschrieben:
Worauf wir nicht verzichten können, ist das Verantwortungs-Prinzip.

Das sehe ich ebenso und habe deshalb eine kompatibilistische Variante des V-Prinzips angeboten, die ohne Schuld und ohne metaphysische Wesensmerkmale auskommt.

zelig hat folgendes geschrieben:
Zur Rache. Auch der Rachegedanke ist mir im Kontext dieser Diskussionen fremd. Können wir drauf verzichten.

Im Prinzip gern. Ich benutze den Begriff "Rache" manchmal polemisch, um herauszustellen, daß der Vergeltungsaspekt im heutigen Strafrecht im Prinzip dieses archaische Bedürfnis bedient, wenn auch in einer institutionalisierten, teilweise gezähmten Form. Sowohl Reemtsmas wie auch Burkhardts Einlassungen belegen das.

Ach, und wo wir schon mal bei den pejorativen Begriffen sind: Ich werde mal drauf achten und habe dann bestimmt auch noch ein paar Vorschläge ...
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
zelig
Kultürlich



Anmeldungsdatum: 31.03.2004
Beiträge: 25405

Beitrag(#1355284) Verfasst am: 05.09.2009, 13:13    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Zum Horrorszenario: Diese Ängste werden doch durch solcherart Vorschläge wie den Generalscann erst geschürt.

Ja, und zwar vor allem durch Medien und Politiker, selten durch einen Forscher vielleicht. Aber wie gesagt: Mein eigentlicher Punkt war, daß präventive Maßnahmen wenigstens prinzipiell begründbar sind, vergeltende Strafe dagegen nicht (mehr).

zelig hat folgendes geschrieben:
... Zur Schuld. Ich finde die Verwendung dieses Begriffs im Kontext von rechtsphilosophischen Diskussionen sowieso antiquiert. Man kann nach meinem Dafürhalten darauf verzichten.

Burkhardt baut aber seine ganze Begründung darauf auf. Und er durchzieht nicht nur unsere Rechtssprechung, sondern auch unsere Religionen, unsere Erziehung usw.

zelig hat folgendes geschrieben:
Worauf wir nicht verzichten können, ist das Verantwortungs-Prinzip.

Das sehe ich ebenso und habe deshalb eine kompatibilistische Variante des V-Prinzips angeboten, die ohne Schuld und ohne metaphysische Wesensmerkmale auskommt.

zelig hat folgendes geschrieben:
Zur Rache. Auch der Rachegedanke ist mir im Kontext dieser Diskussionen fremd. Können wir drauf verzichten.

Im Prinzip gern. Ich benutze den Begriff "Rache" manchmal polemisch, um herauszustellen, daß der Vergeltungsaspekt im heutigen Strafrecht im Prinzip dieses archaische Bedürfnis bedient, wenn auch in einer institutionalisierten, teilweise gezähmten Form. Sowohl Reemtsmas wie auch Burkhardts Einlassungen belegen das.

Ach, und wo wir schon mal bei den pejorativen Begriffen sind: Ich werde mal drauf achten und habe dann bestimmt auch noch ein paar Vorschläge ...


Frage. Das von mir genannte Beispiel, hast Du solche oder so ähnliche Maßnahmen im Sinn, wenn Du darüber diskutierst? Und lehnst Du den Vorschlag Markowitschs also ab?

Damit keine Missverständnisse aufkommen. Ich verzichte nicht vollständig auf den Schuldbegriff. Sondern nur im Kontext dieser Diskussion. Auch ich halte Schuld für ein metaphysisches Konzept. Das aber hier keine Rolle spielen sollte.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1355296) Verfasst am: 05.09.2009, 13:35    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Zum Horrorszenario: Diese Ängste werden doch durch solcherart Vorschläge wie den Generalscann erst geschürt.
Ja, und zwar vor allem durch Medien und Politiker, selten durch einen Forscher vielleicht. Aber wie gesagt: Mein eigentlicher Punkt war, daß präventive Maßnahmen wenigstens prinzipiell begründbar sind, vergeltende Strafe dagegen nicht (mehr).
Das von mir genannte Beispiel, hast Du solche oder so ähnliche Maßnahmen im Sinn, wenn Du darüber diskutierst? Und lehnst Du den Vorschlag Markowitschs also ab?

Du meinst einen allgemeinen Gehirnscan, aus dem dann irgendwelche Maßnahmen abgeleitet werden? - Das lehne ich nicht prinzipiell ab, man muß bedenken, daß es eben nicht mit einer stigmatisierenden Schuldzuweisung durch Generalverdacht oder einer sozialen Selektion verbunden wäre (obwohl wir das natürlich immer sofort assoziieren), sondern eher den Charakter einer Vorsorgeuntersuchung hätte. Ich halte es aber für wenig erfolgversprechend, weil ich meine, daß die Determinanten für zukünftige Straftaten vorerst (und evtl. sogar dauerhaft) gar nicht durch neurologische Scans erkannt werden können, außer vielleicht in ganz extremen Einzelfällen wie den genannten Tumoren.

Wenn wir also schon bei flächendeckenden Maßnahmen sind, würde ich im Moment eher für eine Verstärkung pädagogischer Bemühungen eintreten, durch die ja soziale Auffälligkeiten verminderbar und auch auffindbar sind.
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
L.E.N.
im falschen Film



Anmeldungsdatum: 25.05.2004
Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg

Beitrag(#1355347) Verfasst am: 05.09.2009, 15:22    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
@Skeptiker: Linkes oder rechtes Hetzblatt, macht dann auch schon keinen Unterschied mehr, gell?

- die "neurowissenschaftliche These vom „geborenen Verbrecher“" - welcher angesehene Neurowissenschaftler vertritt die, bitte Beleg. Von Roth und Singer habe ich das noch nie gelesen.

- Und wer hier im Forum vertritt die These, "dass menschliche Handlungen vom limbischen System gesteuerte Naturgeschehen sind, deren Abläufe bereits vor der Geburt determiniert sind"?

- Und wie kommt es, daß ständig von Sicherungsverwahrung geschrieben wird, als ob die Hirnforscher nichts lieber täten? Schreib Du jetzt mal konkret, was Du mit einem hochgradig wiederholungsgefährdeten Sexualstraftäter im Sozialismus machen würdest!


du weisst doch, strohmänner eignen sich besser zum abfackeln. Lachen
_________________
Ich will Gott lästern dürfen! Weg mit §166 StGB!
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden ICQ-Nummer
Skeptiker
"I can't breathe!"



Anmeldungsdatum: 14.01.2005
Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#1355364) Verfasst am: 05.09.2009, 15:45    Titel: Vorsorgeuntersuchungen Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Zum Horrorszenario: Diese Ängste werden doch durch solcherart Vorschläge wie den Generalscann erst geschürt.
Ja, und zwar vor allem durch Medien und Politiker, selten durch einen Forscher vielleicht. Aber wie gesagt: Mein eigentlicher Punkt war, daß präventive Maßnahmen wenigstens prinzipiell begründbar sind, vergeltende Strafe dagegen nicht (mehr).
Das von mir genannte Beispiel, hast Du solche oder so ähnliche Maßnahmen im Sinn, wenn Du darüber diskutierst? Und lehnst Du den Vorschlag Markowitschs also ab?

Du meinst einen allgemeinen Gehirnscan, aus dem dann irgendwelche Maßnahmen abgeleitet werden? - Das lehne ich nicht prinzipiell ab, man muß bedenken, daß es eben nicht mit einer stigmatisierenden Schuldzuweisung durch Generalverdacht oder einer sozialen Selektion verbunden wäre (obwohl wir das natürlich immer sofort assoziieren), sondern eher den Charakter einer Vorsorgeuntersuchung hätte.


Der war jetzt gut! Manchmal bist Du wirklich ein Komiker. Gröhl...

step hat folgendes geschrieben:
Ich halte es aber für wenig erfolgversprechend, weil ich meine, daß die Determinanten für zukünftige Straftaten vorerst (und evtl. sogar dauerhaft) gar nicht durch neurologische Scans erkannt werden können, außer vielleicht in ganz extremen Einzelfällen wie den genannten Tumoren.

Wenn wir also schon bei flächendeckenden Maßnahmen sind, würde ich im Moment eher für eine Verstärkung pädagogischer Bemühungen eintreten, durch die ja soziale Auffälligkeiten verminderbar und auch auffindbar sind.


Warum schiebst Du eigentlich alles den Menschen in die Schuhe? Um die Verhältnisse aus der Schusslinie zu nehmen und Sündenböcke zu finden? Das ist eine ganz alte Methode, die früher nur anders "begründet" wurde, z.B. mit "Biologie" oder mit "Besessenheit" oder einfach mit dem "Wesen".

Mit diesen Ansätzen kann man die sozialen Ursachen von Gewalt und Verbrechen einfach ausblenden und lässt alles so, wie es ist. Deshalb sind diese Schuldabschaffer auch durch die Bank extrem strukturkonservativ. Man lese dazu auch:

Zitat:
Es gibt eine neues unternehmensnahes Expertengremium, das Reformvorschläge für Deutschland erarbeiten soll, den „Frankfurter Zukunftsrat“. Gegründet hat es der Historiker Manfred Pohl, der früher für alle Stiftungsaktivitäten der Deutschen Bank verantwortlich war. Der Zukunftsrat soll Deutschland auf „Reformkurs“ bringen und zunächst zu folgenden drei Themen arbeiten: Erziehung und Bildung, Integration und Migration sowie Wirtschaft und Politik. „Es muss ein Ruck durch das Volk gehen“, forderte Pohl laut Medienberichten – und verweist damit auf die Ruck-Rede des ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog. Dieser ist seit 2003 die Galionsfigur des Konvents für Deutschland, den Pohl mit dem ehemaligen BDI-Präsidenten Hans-Olaf Henkel und dem Unternehmensberater Roland Berger ins Leben gerufen hatte (mehr zum Konvent weiter unten). (...)

Wer steckt hinter dem Zukunftsrat?

Neben Manfred Pohl und dem Unternehmensberater Roland Berger finden sich die üblichen Verdächtigen aus der Politik wieder:
der frühere Grüne Oswald Metzger (...), der noch SPDler Wolfgang Clement, ebenfalls Mitglied im Konvent für Deutschland und früherer INSM-Botschafter, und Friedrich Merz von der CDU, u.a. für eine große Wirtschaftskanzlei tätig und Mitglied im Förderverein der INSM.

Ebenfalls dabei ist Rudolf Scharping, der inzwischen seine eigene Beratungs- und Lobbyagentur betreibt (Rudolf Scharping Beratung Kommunikation, RSBK) und für Public Private Partnerships Lobbyarbeit macht.

Dazu kommen eine Reihe von Wissenschaftlern wie der Hirnforscher Wolf Singer, der Philosoph Peter Sloterdijk, der Arzt Dietrich Grönemeyer oder der konservative Bildungsforscher Bernhard Bueb („Das Lob der Disziplin“), Wirtschaftsvertreter und Leute aus dem Kulturbereich, die auch im Frankfurter Kultur Komitee tätig sind.


http://www.lobbycontrol.de/blog/index.php/2008/03/der-frankfurter-zukunftsrat-eine-neue-altvertraute-reforminitiative/


Das Paradigma der Zeit ist eine verstärkte politische Prävention sprich Kontrolle der Bevölkerung bis hin zu Versuchen, die politische Dispositon per Hirnscans zu ermitteln.

Zu Deiner Frage von oben:

step hat folgendes geschrieben:
@Skeptiker: Linkes oder rechtes Hetzblatt, macht dann auch schon keinen Unterschied mehr, gell?


Mir ging es um die sachlichen Infos. Gut finde ich übrigens auch die Kommentare dort:

Kommentare

step hat folgendes geschrieben:
- die "neurowissenschaftliche These vom „geborenen Verbrecher“" - welcher angesehene Neurowissenschaftler vertritt die, bitte Beleg. Von Roth und Singer habe ich das noch nie gelesen.


Der "geborene Verbrecher" ist nur eine andere Formulierung für den "determinierten Verbrecher". Die Idee dahinter ist identisch.

step hat folgendes geschrieben:
- Und wer hier im Forum vertritt die These, "dass menschliche Handlungen vom limbischen System gesteuerte Naturgeschehen sind, deren Abläufe bereits vor der Geburt determiniert sind"?


Es geht um die angebliche Determination als solche und weniger darum, wie die zustande gekommen sein soll. Im Endeffekt kommt es auf das Gleiche heraus.

Dabei liegt einer unter diversen Widersprüchen darin, dass man 1. zugibt, dass man die Determination (- von der man genau wisse, dass es sie gibt -) nicht berechnen könne, welche aber 2. trotzdem dafür herhalten muss, Individuen als Individuen zu prognistizieren und "richtig" , also konform zu "determinieren", bzw. deren Gehirn, wie Du schreibst..

step hat folgendes geschrieben:
- Und wie kommt es, daß ständig von Sicherungsverwahrung geschrieben wird, als ob die Hirnforscher nichts lieber täten? Schreib Du jetzt mal konkret, was Du mit einem hochgradig wiederholungsgefährdeten Sexualstraftäter im Sozialismus machen würdest!


Zunächst mal geht es um die Qualität einer Straftat. Ein Gewalttäter ist anders zu bewerten als ein Parksünder oder Kaufhausdieb. Je gefährlicher jemand nachgewiesenermaßen ist, desto drastischer müssen auch die Maßnahmen ausfallen zum Schutz der Menschen (oder ggf. Tiere).

In dem Bereich gibt es aber bereits ganz gute Methoden, etwa - vorbildhaft - in der Schweiz, betreffend Sexualstraftätern. Die dort angestellten Therapien sollen auch wirksam sein.

Das hängt aber davon ab, wie hoch das Aggressions- und Destruktionspotenzial von jemandem ist. Es ist also in jedem Fall zu prüfen. Aber nur verwahren kann es auch nicht sein.

Insgesamt holt sich ein moderner Sozialismus die modernsten und besten Methoden aus der alten Gesellschaft, um nicht von Null an zu beginnen. (Es sei denn es ist nötig.)

Zusammenfassend: Wirklich verbrecherische Täter werden selbstverständlich eingesperrt, kranke Täter werden therapiert sofern möglich. Das entspricht den modernsten juristischen Standards.

Skeptiker
_________________
Free Julian Assange! Lock up the Killers!

Populismus ist keine Verschwörungstheorie

Informationsstelle Militarisierung e.V.


Zuletzt bearbeitet von Skeptiker am 05.09.2009, 15:58, insgesamt einmal bearbeitet
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Skeptiker
"I can't breathe!"



Anmeldungsdatum: 14.01.2005
Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#1355369) Verfasst am: 05.09.2009, 15:55    Titel: Re: Abschaffung der Justiz mit Hilfe von "Hirnforschung" und "Phy Antworten mit Zitat

Sanne hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Quelle: F.A.Z., 09.01.2008, Nr. 7 / Seite 29
[/r


Geschockt

Danke für den Link.
Was sind denn das für Idioten? Das Gehirn alleine reicht ja wohl nicht aus, um kriminelle oder sonstige Taten zu begehen, dafür braucht man ja nun auch noch die entsprechenden Umweltbedingungen.


Völlig richtig. Aber eine neue Gattung von "Forschern" wollen ihren Reduktionismus aka Gehirnfetischismus zur Grundlage für ein "modernes" Strafrecht machen.

Sanne hat folgendes geschrieben:
Und ich bezweifle, daß ein Neurologe anhand eines Gehirnscans sämtliche Umweltbedingungen voraussehen kann. Und erst recht nicht bei den Gehirnen von Kleinkindern oder Ungeborenen: Da müßte man sämtliche Umstände und Umweltbedingungen voraussagen, unter welchen sich das Gehirn erstmal entwickeln wird, bis es überhaupt in dem Alter ist, eine kriminelle Tat zu begehen.

Die Annahme, menschliches Verhalten sei determiniert, ist von der Behauptung, man könne exakte Vorhersagen über das Verhalten eines bestimmten Menschen in ferner Zukunft treffen, logischerweise eigentlich ein paar Galaxien weit entfernt, weil man eben für exakte Vorhersagen unendlich viele Informationen benötigt.


Dabei ist es bekannt, dass die soziale Prävention die mit Abstand wirksamste und wissenschaftlich am besten begründete Methode ist, die man auch politisch umsetzen könnte, wenn man das nur wollte ...-!

Skeptiker
_________________
Free Julian Assange! Lock up the Killers!

Populismus ist keine Verschwörungstheorie

Informationsstelle Militarisierung e.V.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1355377) Verfasst am: 05.09.2009, 16:18    Titel: Re: Vorsorgeuntersuchungen Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Warum schiebst Du eigentlich alles den Menschen in die Schuhe?

So ein Unsinn, in meinem Weltbild spielten die Einflüsse des Umfelds (seien sie nun genetisch, sozial oder sonstwie) schon immer eine in Summe viel größere Rolle als der Freie Wille und die aktuelle persönliche Absicht. Und erinnerst Du Dich noch, wer von uns beiden hier gegen das Konzept der persönlichen Schuld antritt, und wer im Gegensatz dazu ständig Menschen beschuldigt, wenn auch natürlich nur ganz bestimmte?

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
... Zukunftsrat ...

Was hat mein Strafrechtsthema damit zu tun? Mach doch nen neuen thread auf zum Thema "Die sinistren Ziele des Zukunftsrats".

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
- die "neurowissenschaftliche These vom „geborenen Verbrecher“" - welcher angesehene Neurowissenschaftler vertritt die, bitte Beleg. Von Roth und Singer habe ich das noch nie gelesen.
Der "geborene Verbrecher" ist nur eine andere Formulierung für den "determinierten Verbrecher". Die Idee dahinter ist identisch.

So ein Quatsch - "determiniert" umfaßt auch gesellschaftliche Einflüsse, Erziehung, Hirntumoren, usw. - der Vorwurf ist also unhaltbar.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
- Und wer hier im Forum vertritt die These, "dass menschliche Handlungen vom limbischen System gesteuerte Naturgeschehen sind, deren Abläufe bereits vor der Geburt determiniert sind"?
Es geht um die angebliche Determination als solche und weniger darum, wie die zustande gekommen sein soll. Im Endeffekt kommt es auf das Gleiche heraus.

Auch diese Beahuptung ist also unhalbar. Nein, derartige Falschdarstellungen und haltlose Übertreibungen sind bei diesem sensiblem Thema unangebracht. Ich würde fast sagen, Du bist überhaupt nicht geeignet, um ein solches Thema zu diskutieren.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Dabei liegt einer unter diversen Widersprüchen darin, dass man 1. zugibt, dass man die Determination (- von der man genau wisse, dass es sie gibt -) nicht berechnen könne, welche aber 2. trotzdem dafür herhalten muss, Individuen als Individuen zu prognistizieren und "richtig" , also konform zu "determinieren", bzw. deren Gehirn, wie Du schreibst..

Ich sehe da keinen WIderspruch. Analoges macht man jetzt auch schon, z.B. in der Erziehung, Psychotherapie oder Werbung. Nur mit anderen Mitteln. Und (teilweise!) zu anderen Zwecken

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
- Und wie kommt es, daß ständig von Sicherungsverwahrung geschrieben wird, als ob die Hirnforscher nichts lieber täten? Schreib Du jetzt mal konkret, was Du mit einem hochgradig wiederholungsgefährdeten Sexualstraftäter im Sozialismus machen würdest!
Zunächst mal geht es um die Qualität einer Straftat. Ein Gewalttäter ist anders zu bewerten als ein Parksünder oder Kaufhausdieb. Je gefährlicher jemand nachgewiesenermaßen ist, desto drastischer müssen auch die Maßnahmen ausfallen zum Schutz der Menschen (oder ggf. Tiere). In dem Bereich gibt es aber bereits ganz gute Methoden, etwa - vorbildhaft - in der Schweiz, betreffend Sexualstraftätern. Die dort angestellten Therapien sollen auch wirksam sein. Das hängt aber davon ab, wie hoch das Aggressions- und Destruktionspotenzial von jemandem ist. Es ist also in jedem Fall zu prüfen. Aber nur verwahren kann es auch nicht sein. ... Zusammenfassend: Wirklich verbrecherische Täter werden selbstverständlich eingesperrt, kranke Täter werden therapiert sofern möglich. Das entspricht den modernsten juristischen Standards.

Schön. Dazu zwei Fragen:
- Wie willst Du die Gefährlichkeit "nachweisen", da sie sich doch immer auf die Zukunft bezieht?
- Wo habe ich drastischere Maßnahmen gefordert?
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1355654) Verfasst am: 06.09.2009, 00:02    Titel: Antworten mit Zitat

@step

Fassen wir mal zusammen.

Wenn ich richtig verstehe, kann es Deiner Auffassung nach in einer determinierten Welt nicht das geben, was man normalerweise unter moralischer Verantwortung versteht. Du möchtest zwar das Wort an sich beibehalten, möchtest aber die Bedeutung ungefähr so ändern:

"Verantwortung = Zuschreibung von Rechten aufgrund einer Erwartungshaltung zukünftigen Verhaltens. Daraus folgt kein Anspruch auf Rechtfertigung vergangenen Verhaltens, (denn eine solche kann es dAn in einem Determinismus nicht geben, ist daher überflüssig, bzw. nur die Frage: "wie kam es faktisch dazu?" - die Klärung der reinen Umstände insofern sie eventuell für Zukünftiges eine Bedeutung haben können - ergibt noch Sinn, nicht mehr die Frage: "wie stehst Du zu Deiner Handlung, warum hast Du das getan, obwohl Du wusstest, dass das falsch war, wie bewertest Du das?"); daraus folgt jedoch das Recht für die Gesellschaft, bei Fehlverhalten Rechte zu entziehen, der Sicherheit wegen."

Und wenn ich richtig verstehe, lehnst Du auch Schadensersatz im üblichen Sinne, (persönliche Verpflichtung zur Ersetzung eines entstandenen Schadens bei schuldhaftem - d.i. absichtliches und willentliches, nicht unter Zwang geschehenem - Verhalten), in einer determinierten Welt ab. Das ist natürlich konsequent, denn wenn man dabei nicht unterscheiden will zwischen absichtlichen und unabsichtlichen Handlungen, (bzw. lediglich insofern, als man eventuell die Absicht im konkreten Falle als Zukunftsprognose bezüglich der künftigen Gefährlichkeit einschätzt), dann kann man auch keinen persönlichen Vorwurf wegen bewussten Fehlverhaltens mehr erheben, auf dem eine Schadensersatzforderung heute beruht.

Nur Deine Aussage: "Naja, das [jemand soll Schadensersatz bezahlen] kann ja nur dann ein Aspekt sein, [...] wenn es eine vermutete Korrelation zwischen den Determinanten der Tat und der Rücksichtslosigkeit gegenüber Anderen gibt (z.B. bei Betrügern)" passt jetzt noch nicht so richtig dazu. Dein Grund dafür: "das kann Vertrauen herstellen" wäre mE nur bei freiweilliger Zahlung evtl. plausibel, nicht bei einer zwangsweiser. Naja, man könnte jedoch mE berechtigterweise anzweifeln, ob bei einer hypothetischen zukünftigen allgemeinen Meinung, niemand könnte etwas für seine Handlungen, weil die determiniert seien, das tatsächlich Vertrauen herstellen könnte. Aber diesen letzten Einwand nur nebenbei; und ich finde Deine Ansicht, die Gesellschaft solle unbesehen für alle "hinreichend schädlichen" Schäden aufkommen, übrigens erst mal ziemlich fragwürdig. Aber das ist wohl ein anderer Thread.

Conclusio wäre jetzt für mich, dass Du Schadensersatz im üblichen Sinne ablehnst, Deine Punkte haben damit mE nichts mehr zu tun. Das solltest Du auch fürderhin so sagen. Was ja auch, wie gesagt, konsequent bei deiner Ansicht ist, denn eine Schadensersatzverpflichtung wird ja auch heute nur bei vorwerfbarem Verhalten als gerechtfertigt angesehen, wenn es also keine Vorwerfbarkeit mehr gibt, dann folgerichtigerweise auch keine Schadensersatzpflicht mehr.

Eine Sache mal zwischendurch, die mich hier an der Diskussion ein bisschen stört: es gibt sehr verschiedene Ausprägungen von "Prävention", die man nicht alle einfach in einen Topf schmeißen sollte. Es sollte doch hoffentlich evident sein, dass primäre Prävention (Sanierung von Slums, sexuelle Aufklärung, Drogenprävention etc.) etwas anderes ist als bestimmte Arten von tertiärer Prävention (Strafen, Entziehung des Sorgerechtes, Maßnahmen der Sicherung und Besserung etc.) denn Letztere sind Einschränkungen von persönlichen Rechten / Übelzufügungen, Erstere nicht. Es ist mE ziemlich unredlich, so zu tun, als ob dennoch Beides gleich zu bewerten sei, nur weil es gleichermaßen "Prävention" heißt.

Jetzt mal zu meinem Beispiel mit dem Kapitalverbrechen (X tötet seine Schwester wegen einer von ihm gesehenen Beschmutzung der Familienehre).

Wenn ich richtig verstehe, würdest Du folgendermaßen vorgehen: es soll geprüft werden, ob die Familie verpflichtet werden kann, an einem Aufklärungskurs über die hiesigen Moralvorstellungen teilzunehmen. Obgleich nichts Konkretes hinreichend nachgewiesen werden kann. Was ist mit anderen Familien aus vergleichbaren kulturellen Kontexten, vielleicht aus dem selben Dorf? Sollten die auch solchen Maßnahmen unterworfen werden dürfen?

Dann soll bei X erzieherisch eingegriffen werden und auch bei seinen Kindern (zwangsweise oder freiwillig)?

Und dann sollten eventuell noch primäre präventive Maßnahmen ergriffen werden (wenn sich solche Fälle häufen).

Du fragst, wie ich und wie unser heutiges Strafrecht diesen Fall bewerten würde und wie vorgegangen werden sollte. Zum Strafrecht kann ich jetzt nichts sagen, da bin ich nicht kompetent. Das sollte wohl besser ein Jurist machen.

Aber meine Einschätzung als Otto Normalbürger kann ich natürlich geben: die Handlung von X geschah absichtlich und willentlich. Sie war geplant und geschah nicht im Affekt. X kannte, wie er selber zugab, die Unrechtmäßigkeit seines Handeln. Dass er sich selber im Recht wähnte, ist daher unerheblich. Es kann von jedem freien Bürger erwartet werden, sich an die geltenden Gesetze zu halten. Selbstjustiz ist nicht zulässig und kann nicht geduldet werden. Die Tat ist somit X persönlich vorwerfbar, da alle Voraussetzungen dafür gegeben sind, Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich und wurden nicht vorgetragen. Daher ist er des Mordes schuldig. Er wird zu einer Gefängnisstrafe im Rahmen des Gesetzes verurteilt. Eine Aussetzung der Strafe kommt aufgrund der Höhe der Schuld nicht in Frage, sie wäre ein Signal an andere mit derselben moralischen Auffassung und auch an potentielle Opfer, dass diese Art Verbrechen hier geduldet würde. Der Familie von X konnte eine Tatbeteiligung nicht nachgewiesen werden. Sie kann daher nicht belangt werden.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Skeptiker
"I can't breathe!"



Anmeldungsdatum: 14.01.2005
Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#1355660) Verfasst am: 06.09.2009, 00:27    Titel: Re: Vorsorgeuntersuchungen Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Warum schiebst Du eigentlich alles den Menschen in die Schuhe?

So ein Unsinn, in meinem Weltbild spielten die Einflüsse des Umfelds (seien sie nun genetisch, sozial oder sonstwie) schon immer eine in Summe viel größere Rolle als der Freie Wille und die aktuelle persönliche Absicht. Und erinnerst Du Dich noch, wer von uns beiden hier gegen das Konzept der persönlichen Schuld antritt, und wer im Gegensatz dazu ständig Menschen beschuldigt, wenn auch natürlich nur ganz bestimmte?


Du hattest oben irgendwas in Richtung Eugenik gesagt. Schon vergessen?

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
... Zukunftsrat ...

Was hat mein Strafrechtsthema damit zu tun? Mach doch nen neuen thread auf zum Thema "Die sinistren Ziele des Zukunftsrats".


Hirnforscher Singer ist als wichtiger Repräsentant der "neuen Philosophie" des unfreien Willens Mitglied einer politischen Agentur zur rücksichtslosen Durchsetzung von Kapitalinteressen. Wo bitte schön bleiben da die Interessen des Humanum?

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
- die "neurowissenschaftliche These vom „geborenen Verbrecher“" - welcher angesehene Neurowissenschaftler vertritt die, bitte Beleg. Von Roth und Singer habe ich das noch nie gelesen.
Der "geborene Verbrecher" ist nur eine andere Formulierung für den "determinierten Verbrecher". Die Idee dahinter ist identisch.

So ein Quatsch - "determiniert" umfaßt auch gesellschaftliche Einflüsse, Erziehung, Hirntumoren, usw. - der Vorwurf ist also unhaltbar.


Jedes zweite Wort von Dir ist "Quatsch". Wenn Du "gesellschaftliche Einflüsse" so wichtig findest, wieso hast Du noch nie eine Silbe von sozialer Prävention verloren und sprichst statt dessen von Genen und Gehirnen und anderen rein biologischen Faktoren?

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
- Und wer hier im Forum vertritt die These, "dass menschliche Handlungen vom limbischen System gesteuerte Naturgeschehen sind, deren Abläufe bereits vor der Geburt determiniert sind"?
Es geht um die angebliche Determination als solche und weniger darum, wie die zustande gekommen sein soll. Im Endeffekt kommt es auf das Gleiche heraus.

Auch diese Beahuptung ist also unhalbar. Nein, derartige Falschdarstellungen und haltlose Übertreibungen sind bei diesem sensiblem Thema unangebracht. Ich würde fast sagen, Du bist überhaupt nicht geeignet, um ein solches Thema zu diskutieren.


Das hättest Du sicher gerne, dass man Dich nicht beim Wort nimmt. Warum weichst Du ständig aus vor Deinen eigenen Aussagen?

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Dabei liegt einer unter diversen Widersprüchen darin, dass man 1. zugibt, dass man die Determination (- von der man genau wisse, dass es sie gibt -) nicht berechnen könne, welche aber 2. trotzdem dafür herhalten muss, Individuen als Individuen zu prognistizieren und "richtig" , also konform zu "determinieren", bzw. deren Gehirn, wie Du schreibst..

Ich sehe da keinen WIderspruch. Analoges macht man jetzt auch schon, z.B. in der Erziehung, Psychotherapie oder Werbung. Nur mit anderen Mitteln. Und (teilweise!) zu anderen Zwecken


Du siehst da keinen Widerspruch? Ich würde sagen, es ist ein gefährlicher Widerspruch, der durch die Begriffe "Anmaßung" bis "Größenwahn" zu bezeichnen wäre. Nicht umsonst sprach ich vom "großen Determinator".

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
- Und wie kommt es, daß ständig von Sicherungsverwahrung geschrieben wird, als ob die Hirnforscher nichts lieber täten? Schreib Du jetzt mal konkret, was Du mit einem hochgradig wiederholungsgefährdeten Sexualstraftäter im Sozialismus machen würdest!
Zunächst mal geht es um die Qualität einer Straftat. Ein Gewalttäter ist anders zu bewerten als ein Parksünder oder Kaufhausdieb. Je gefährlicher jemand nachgewiesenermaßen ist, desto drastischer müssen auch die Maßnahmen ausfallen zum Schutz der Menschen (oder ggf. Tiere). In dem Bereich gibt es aber bereits ganz gute Methoden, etwa - vorbildhaft - in der Schweiz, betreffend Sexualstraftätern. Die dort angestellten Therapien sollen auch wirksam sein. Das hängt aber davon ab, wie hoch das Aggressions- und Destruktionspotenzial von jemandem ist. Es ist also in jedem Fall zu prüfen. Aber nur verwahren kann es auch nicht sein. ... Zusammenfassend: Wirklich verbrecherische Täter werden selbstverständlich eingesperrt, kranke Täter werden therapiert sofern möglich. Das entspricht den modernsten juristischen Standards.

Schön. Dazu zwei Fragen:
- Wie willst Du die Gefährlichkeit "nachweisen", da sie sich doch immer auf die Zukunft bezieht?
- Wo habe ich drastischere Maßnahmen gefordert?


Die Gefährlichkeit zeigte sich in der Vergangenheit. Bei kranken Tätern geht es darum, diese Vergangenheit zuerst aufzuarbeiten, bevor man in die Zukunft guckt. Dies erfordert ein aktives Mitwirken des Straftäters und ist nicht mit einem "Scan" des Therapeuten zu machen.

Die Maßnahmen, die angewendet werden, müssen zum Fall passen und den modernsten juristischen Erkenntnissen angemessen sein. Die sogenannte "Hirnforschung" bietet zwar moderne technische Verfahren, ist aber von der Philosophie ihrer Vertreter her mittelalterlich.

Skeptiker
_________________
Free Julian Assange! Lock up the Killers!

Populismus ist keine Verschwörungstheorie

Informationsstelle Militarisierung e.V.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1355746) Verfasst am: 06.09.2009, 09:37    Titel: Antworten mit Zitat

@AP, ich kommentiere mal in Deinem Text:

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn ich richtig verstehe, kann es Deiner Auffassung nach in einer determinierten Welt nicht das geben, was man normalerweise unter moralischer Verantwortung versteht. Du möchtest zwar das Wort an sich beibehalten, möchtest aber die Bedeutung ungefähr so ändern:

"Verantwortung = Zuschreibung von Rechten [step: und Pflichten] aufgrund einer Erwartungshaltung zukünftigen Verhaltens. Daraus folgt kein Anspruch auf Rechtfertigung vergangenen Verhaltens, (denn eine solche kann es dAn in einem Determinismus nicht geben, ist daher überflüssig, bzw. nur die Frage: "wie kam es faktisch dazu?" - die Klärung der reinen Umstände insofern sie eventuell für Zukünftiges eine Bedeutung haben können - ergibt noch Sinn, nicht mehr die Frage: "wie stehst Du zu Deiner Handlung, warum hast Du das getan, obwohl Du wusstest, dass das falsch war, wie bewertest Du das?") [step: doch, auch die Frage nach den subjektiven Motiven macht noch Sinn, wenn sie dem Verständnis der Determinanten und Ansatzpunkte für die Zukunft dient]; daraus folgt jedoch das Recht für die Gesellschaft, bei Fehlverhalten Rechte zu entziehen, der Sicherheit wegen." [step: Dieses Recht folgt nicht daraus, sondern aus der Maxime der Minimierung des Gesamtübels für die Zukunft.]


AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und wenn ich richtig verstehe, lehnst Du auch Schadensersatz im üblichen Sinne, (persönliche Verpflichtung zur Ersetzung eines entstandenen Schadens bei schuldhaftem - d.i. absichtliches und willentliches, nicht unter Zwang geschehenem - Verhalten), in einer determinierten Welt ab. [step: Ja, wobeil ich hier selbst die Schwierigkeit sehe, wie man etwa bei vertraglichen Situationen damit umgehen sollte.] Das ist natürlich konsequent, denn wenn man dabei nicht unterscheiden will zwischen absichtlichen und unabsichtlichen Handlungen, (bzw. lediglich insofern, als man eventuell die Absicht im konkreten Falle als Zukunftsprognose bezüglich der künftigen Gefährlichkeit einschätzt), dann kann man auch keinen persönlichen Vorwurf wegen bewussten Fehlverhaltens mehr erheben, auf dem eine Schadensersatzforderung heute beruht.

Nur Deine Aussage: "Naja, das [jemand soll Schadensersatz bezahlen] kann ja nur dann ein Aspekt sein, [...] wenn es eine vermutete Korrelation zwischen den Determinanten der Tat und der Rücksichtslosigkeit gegenüber Anderen gibt (z.B. bei Betrügern)" passt jetzt noch nicht so richtig dazu. Dein Grund dafür: "das kann Vertrauen herstellen" wäre mE nur bei freiweilliger Zahlung evtl. plausibel, nicht bei einer zwangsweiser. [step: Ja, genau.] Naja, man könnte jedoch mE berechtigterweise anzweifeln, ob bei einer hypothetischen zukünftigen allgemeinen Meinung, niemand könnte etwas für seine Handlungen, weil die determiniert seien, das tatsächlich Vertrauen herstellen könnte. [step: Du kannst statt "Vertrauen gewinnen" auch "Hinweis auf geänderte Präferenzen erhalten" einsetzen.] Aber diesen letzten Einwand nur nebenbei; und ich finde Deine Ansicht, die Gesellschaft solle unbesehen für alle "hinreichend schädlichen" Schäden aufkommen, übrigens erst mal ziemlich fragwürdig. Aber das ist wohl ein anderer Thread. [step: Ja. Aber Du solltest Dir abgewöhnen, in einer scheinbar ergebnisoffen geführten Diskussion immer wieder kleine Übertreibungen, Schlechtmacher usw. einzufügen, z.B. "unbesehen", "unterworfen".]

Conclusio wäre jetzt für mich, dass Du Schadensersatz im üblichen Sinne ablehnst, Deine Punkte haben damit mE nichts mehr zu tun. Das solltest Du auch fürderhin so sagen. [step: Damit habe ich, auch bei Dir, schon schlechte Erfahrung gemacht. Wenn ich schreibe, ich lehne Schadensersatz ab, kommt sofort jemand und unterstellt mir, ich würde die Opfer hängen lassen!] Was ja auch, wie gesagt, konsequent bei deiner Ansicht ist, denn eine Schadensersatzverpflichtung wird ja auch heute nur bei vorwerfbarem Verhalten als gerechtfertigt angesehen, wenn es also keine Vorwerfbarkeit mehr gibt, dann folgerichtigerweise auch keine Schadensersatzpflicht mehr. [step: Genau.]


AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Eine Sache mal zwischendurch, die mich hier an der Diskussion ein bisschen stört: es gibt sehr verschiedene Ausprägungen von "Prävention", die man nicht alle einfach in einen Topf schmeißen sollte. Es sollte doch hoffentlich evident sein, dass primäre Prävention (Sanierung von Slums, sexuelle Aufklärung, Drogenprävention etc.) etwas anderes ist als bestimmte Arten von tertiärer Prävention (Strafen, Entziehung des Sorgerechtes, Maßnahmen der Sicherung und Besserung etc.) denn Letztere sind Einschränkungen von persönlichen Rechten / Übelzufügungen, Erstere nicht. Es ist mE ziemlich unredlich, so zu tun, als ob dennoch Beides gleich zu bewerten sei, nur weil es gleichermaßen "Prävention" heißt. [step: Unredlich finde ich es nicht, da es doch hier um Begründungen geht und alle diese Präventionsarten letztlich dieselbe, zukunftsgerichtete Begründung haben. Sie unterscheiden sich in bezug auf das Maß der individuellen Übelzufügung (da appelliere ich immer an die Verhältnismäßigkeit) und in bezug auf die Identität von Präventionsziel vs. Präventionsobjekt. Wenn diese Unterschiede relevant sind für die Begründung, dann kann und muß man sie natürlich auch ansprechen. Umgekehrt empfinde ich es als unredlich, wenn ich den Begriff Prävention verwende und mir sofort unterstellt wird, ich wolle alle Kinder gehirnscannen und danach in Sicherheitsverwahrung sperren.]


AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Jetzt mal zu meinem Beispiel mit dem Kapitalverbrechen (X tötet seine Schwester wegen einer von ihm gesehenen Beschmutzung der Familienehre).

Wenn ich richtig verstehe, würdest Du folgendermaßen vorgehen: es soll geprüft werden, ob die Familie verpflichtet werden kann, an einem Aufklärungskurs über die hiesigen Moralvorstellungen teilzunehmen. Obgleich nichts Konkretes hinreichend nachgewiesen werden kann. Was ist mit anderen Familien aus vergleichbaren kulturellen Kontexten, vielleicht aus dem selben Dorf? Sollten die auch solchen Maßnahmen unterworfen werden dürfen? [step: Wie ich bereits schrieb, muß abgewogen werden zwischen Kosten, Nutzen und Übelzufügung. Macht eine Schulung überhaupt Sinn? Ist das Problem so verbreitet, daß man flächendeckend etwas unternehmen muß?]

Dann soll bei X erzieherisch eingegriffen werden und auch bei seinen Kindern (zwangsweise oder freiwillig)? [step: Bei den Kindern im Rahmen der Primärpravention. Du selbst hast mal geschrieben, daß bei Kindererzeihung Freiwilligkeit kein Thema sei, weil der Zwang für alle gelte und Kinder sowieso unmündig seien. Ich sehe das zwar anders, aber für hier sollte es reichen, daß dies im Rahmen von Integrations- und Schulmaßnahmen für alle stattfinden sollte. Und Eingriffe bei X hattest Du selbst bereits durch die Startbedingungen (nützt nichts) ausgeschlossen.]

Und dann sollten eventuell noch primäre präventive Maßnahmen ergriffen werden (wenn sich solche Fälle häufen). [step: Genau.]


AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Aber meine Einschätzung als Otto Normalbürger kann ich natürlich geben: die Handlung von X geschah absichtlich und willentlich. Sie war geplant und geschah nicht im Affekt. X kannte, wie er selber zugab, die Unrechtmäßigkeit seines Handeln. Dass er sich selber im Recht wähnte, ist daher unerheblich. Es kann von jedem freien Bürger erwartet werden, sich an die geltenden Gesetze zu halten. Selbstjustiz ist nicht zulässig und kann nicht geduldet werden. Die Tat ist somit X persönlich vorwerfbar, da alle Voraussetzungen dafür gegeben sind, Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich und wurden nicht vorgetragen. Daher ist er des Mordes schuldig. Er wird zu einer Gefängnisstrafe im Rahmen des Gesetzes verurteilt.

Es spielt demnach für Dich keine Rolle, daß er "mit dieser Schande nicht leben konnte" (z.B. weil er so erzogen wurde), sondern es zählt nur, daß er wußte, daß es verboten war. Und da ist unser Dissens, ich finde das eine - ethsich gesehen - schlechte Begründung, bzw. gar keine.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Eine Aussetzung der Strafe kommt aufgrund der Höhe der Schuld nicht in Frage, sie wäre ein Signal an andere mit derselben moralischen Auffassung und auch an potentielle Opfer, dass diese Art Verbrechen hier geduldet würde.

Auch das kann ich als ethische Begründung nicht nachvollziehen, auch wenn glaube, daß die meisten Leute tatsächlich so empfinden, aufgrund ihres Bedürfnisses nach "Heimzahlung". Warum muß der soziale Tadel eine ansonsten völlig nutzlose lange Haftstrafe beinhalten? Wären verstärkte Präventionsbemühungen nicht ein ebensogutes Signal, daß wir dieses Verhalten nicht wünschen?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Der Familie von X konnte eine Tatbeteiligung nicht nachgewiesen werden. Sie kann daher nicht belangt werden.

Sie kann nicht betstraft werden.

Interessanterweise äußerst Du Dich überhaupt nicht dazu, wie Du in diesem Fall die Prävention (deren verschiedene Arten) siehst. Handelt es sich um ein flächendeckendes Problem oder reicht Dir die harte Bestrafung des Einzeltäters X? Wo sollte man eingreifen, bei der Erziehung? Oder immer warten, bis man wieder einen bestrafen kann?
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1355750) Verfasst am: 06.09.2009, 09:48    Titel: Re: Vorsorgeuntersuchungen Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Warum schiebst Du eigentlich alles den Menschen in die Schuhe?
So ein Unsinn, in meinem Weltbild spielten die Einflüsse des Umfelds (seien sie nun genetisch, sozial oder sonstwie) schon immer eine in Summe viel größere Rolle als der Freie Wille und die aktuelle persönliche Absicht. Und erinnerst Du Dich noch, wer von uns beiden hier gegen das Konzept der persönlichen Schuld antritt, und wer im Gegensatz dazu ständig Menschen beschuldigt, wenn auch natürlich nur ganz bestimmte?
Du hattest oben irgendwas in Richtung Eugenik gesagt. Schon vergessen?

Du meinst meine Frage, ob der Sozialist zur Änderung der gesellschaftlichen Zustände und der Errichtung der klassenlosen Gesellschaft auch bereit wäre, das menschliche Genom zu verändern, gesetzt das wäre technisch machbar und würde den Menschen weniger kapitalistisch machen? Was hat das mit meiner persönlichen Meinung zur primären sozialen Prävention zu tun?

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Wenn Du "gesellschaftliche Einflüsse" so wichtig findest, wieso hast Du noch nie eine Silbe von sozialer Prävention verloren und sprichst statt dessen von Genen und Gehirnen und anderen rein biologischen Faktoren?

Ich vermute deshalb, weil wir uns in diesem thread (AP, Burkhardt, zelig, ich ...) bei der primären sozialen Prävention alle prinzipiell einig sind. Gestritten wird hier ja über die Legitimation vegeltender Strafe durch persönliche Schuld.

Wie siehst Du das eigentlich? Ein Verbrecher (jetzt mal egal aus welcher Klasse), der eine Tat absichtlich beging: Schuld und Sühne? Oder nur Arbeiten an den (gesellschaftlichen und sonstigen) Umständen?
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Skeptiker
"I can't breathe!"



Anmeldungsdatum: 14.01.2005
Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#1355870) Verfasst am: 06.09.2009, 12:59    Titel: Re: Vorsorgeuntersuchungen Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Warum schiebst Du eigentlich alles den Menschen in die Schuhe?
So ein Unsinn, in meinem Weltbild spielten die Einflüsse des Umfelds (seien sie nun genetisch, sozial oder sonstwie) schon immer eine in Summe viel größere Rolle als der Freie Wille und die aktuelle persönliche Absicht. Und erinnerst Du Dich noch, wer von uns beiden hier gegen das Konzept der persönlichen Schuld antritt, und wer im Gegensatz dazu ständig Menschen beschuldigt, wenn auch natürlich nur ganz bestimmte?
Du hattest oben irgendwas in Richtung Eugenik gesagt. Schon vergessen?

Du meinst meine Frage, ob der Sozialist zur Änderung der gesellschaftlichen Zustände und der Errichtung der klassenlosen Gesellschaft auch bereit wäre, das menschliche Genom zu verändern, gesetzt das wäre technisch machbar und würde den Menschen weniger kapitalistisch machen?


Das mit den Kommunisten hast Du ja nachgeschoben zuerst fragtest Du:

step hat folgendes geschrieben:
Hab nicht den gesamten thread gelesen, aber wude schon diskutiert, ob es zur Veränderung der herrschenden Verhältnisse und Verbesserung des Menschen auch legitim wäre, an seiner genetischen Disposition zu arbeiten, gesetzt den Fall das wäre technisch möglich?


Die "genetische Disposition" - sofern man sich mal darauf einlässt - wäre nicht hinreichend, um die meisten & wesentlichen Verbrechen zu erklären. Auch ist es keine "genetische Disposition", die den Menschen zu einem Kapitalisten oder Kapitalistenanhänger macht, ganz sicher nicht.

Dabei denkst Du aber wahrscheinlich an den "neuen Menschen", wie ihn sich Trotzky und Lenin vorstellen. Nun, dann hängst Du der üblichen bürgerlichen Vulgarisierung dieses Wortes an:

Zitat:
Um dort eine sozialistische Gesellschaft zu errichten, sah Trotzki zwei Hebel. Zum einen galt es, die Revolution in den entwickelten Ländern Europas voranzutreiben, um Sowjetrußland aus der Isolation zu befreien. Innerhalb des Landes war gleichzeitig die Hebung des kulturellen Niveaus, eine Kulturrevolution, notwendig, um die Massen zu aktiven Trägern des sozialistischen Aufbaus zu machen.

Dieses in den ersten Jahren der Sowjetmacht von Trotzki und den Bolschewiki vertretene Konzept von der Schaffung des »neuen Menschen« unterschied sich gewaltig von der »Umgestaltung des Menschen«, wie sie in den 30er Jahren unter Stalin propagiert wurde. Dabei wendet sich Trotzki sowohl gegen diejenigen Utopisten, die vertreten, daß sich als Voraussetzung für den Sozialismus zuerst die egoistische Psyche des Menschen ändern müsse, wie auch gegen das später unter Stalin praktizierte Modell einer Erziehungsdiktatur durch die »Schreckensgestalt des Gebieters mit dem großen Knüttel«.

Trotzkis Schlußfolgerung lautete im Sinne der Marxschen Erkenntnis, wonach das gesellschaftliche Sein das Bewußtsein bestimmt, daß die Schaffung sozialistischer Lebensbedingungen die Voraussetzung einer sozialistischen Psychologie des Menschen ist. »Die Entwicklung der Produktivkräfte ist kein Selbstzweck. Nicht zuletzt benötigen wir sie, um eine Persönlichkeit heranzubilden, einen bewußten Menschen, der keinen Herren auf der Erde über sich hat und keinen Herren, aus der Furcht geboren, im Himmel; einen Menschen, der alles Schöne und Gute, das die verflossenen Jahrhunderte schufen, in sich aufnimmt, der solidarisch mit allen anderen vorwärts schreitet, neue kulturelle Kostbarkeiten schafft, neue persönliche Beziehungen anknüpft und die bestehenden in der Familie neu orientiert, höhere, vornehmere als die, die auf dem Boden der Versklavung der Klassen entstanden sind.«


http://www.nikolaus-brauns.de/Der_neue_Mensch_Trotzki_Moral_Alltagsleben.htm


Demnach ist es Ausdruck von Wahnsinn, wenn man meint, man könne, um die Gesellschaft zu verbessern (- hier: von Verbrechen zu befreien -), ihre Gehirne konformer determinieren oder die berüchtigten Menschenzuchtsfantasien von der Leine lassen.

Ohne grundlegende gesellschaftliche Veränderungen wird man immer der "Kriminalitätsbekämpfung" hinterherhecheln.

Und deshalb ist die Betonung auf Verhaltensprävention einerseits folgererichtig beim bürgerlichen Individuum, andererseits auch dazu da, um den blinden Fleck der großenteils in dieser Maximalprofit-Gesellschaft grundsätzlich unmöglichen Verhältnisprävention zu übertünchen.

Deshalb schallt der Ruf nach den großen Erziehern, den großen Züchtern oder dem großen Determinator durch die hohlen Gänge wie mittelalterliche Klostergesänge.

step hat folgendes geschrieben:
Was hat das mit meiner persönlichen Meinung zur primären sozialen Prävention zu tun?


Wie sieht die nochmal aus?

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Wenn Du "gesellschaftliche Einflüsse" so wichtig findest, wieso hast Du noch nie eine Silbe von sozialer Prävention verloren und sprichst statt dessen von Genen und Gehirnen und anderen rein biologischen Faktoren?

Ich vermute deshalb, weil wir uns in diesem thread (AP, Burkhardt, zelig, ich ...) bei der primären sozialen Prävention alle prinzipiell einig sind. Gestritten wird hier ja über die Legitimation vegeltender Strafe durch persönliche Schuld.


Ich will's mal so sagen: Eine echte soziale Prävention hätte, wenn man sie zuvor betrieben hätte, so manches Unglück verhindern können. Deshalb reicht es nicht, zu sagen: Jetzt vergessen wir die Vergangenheit, jetzt blicken wir nur in die Zukunft. Denn die Wurzeln der Kriminalität bleiben.

Und um an die Wurzeln zu kommen, bleibt einem nichts übrig, als radikal zu sein. (radix=Wurzel)

Alles andere bleibt Ersatz. Die Justiz kann nicht aufräumen, was der Kapitalismus an Scherben immer wieder neu produziert.

step hat folgendes geschrieben:
Wie siehst Du das eigentlich? Ein Verbrecher (jetzt mal egal aus welcher Klasse), der eine Tat absichtlich beging: Schuld und Sühne? Oder nur Arbeiten an den (gesellschaftlichen und sonstigen) Umständen?


Also erstens Analyse der gesamten Ursachen und systematische Erforschung vom Einzelfall verallgemeinernd. Darauf hin Erhebung der entsprechenden politischen Forderungen, die aber sehr teuer sein würden für alle Staaten, die sich darauf einließen.

Beim Verbrecher würde ich gucken, wo sind erklärende, mildernde Umstände, etwa Krankheit oder Stress oder Affekthandlung, so wie das moderne Richter und Gesetze auch vorsehen, wenn auch in ewas vergröberter Weise.

Ansonsten finde ich es schon wichtig, schwere Verbrechen nicht mit Lapalien gleichzusetzen. Deshalb müssen die Strafen auch unterschiedlich und angemessen sein.

Die Strafe als Androhung kann nur wirken, wenn das Individuum auch in der Lage ist, sich diese Androhung zu Herzen zu nehmen. Da müsste man vielleicht etwas mehr Fantasie einsetzen, um die Androhung der Strafe im Bewusstsein der Menschen besser zur Wirkung kommen zu lassen, was vielleicht auch die Arten der Strafen betrifft, welche da angedroht werden. Damit meine ich nicht einfach die Schwere der Strafe, sondern die Unannehmlichkeit im Bewusstsein der Betreffenden je nach Handeln, so dass eine innerliche Abwägung eher präventiv wirkt als es oft der Fall ist. Aber das ist Aufgabe der Abschreckungsforschung. Ich habe den Eindruck, die dort tätigen Leute besitzen nicht besonders viel Fantasie, sondern kennen nur 1 und 0.

Weiter entwickeln können sich die Individuen nur, wenn sich die Gesellschaft weiter entwickelt in Richtung sozialer, demokratischer und atheistischer Gesellschaft. Dann erst können Pädagogik und Justiz ihre Aufgaben erfolgreich und sinnvoll ausüben.

Skeptiker
_________________
Free Julian Assange! Lock up the Killers!

Populismus ist keine Verschwörungstheorie

Informationsstelle Militarisierung e.V.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1355880) Verfasst am: 06.09.2009, 13:15    Titel: Re: Vorsorgeuntersuchungen Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Wie siehst Du das eigentlich? Ein Verbrecher (jetzt mal egal aus welcher Klasse), der eine Tat absichtlich beging: Schuld und Sühne? Oder nur Arbeiten an den (gesellschaftlichen und sonstigen) Umständen?
Also erstens Analyse der gesamten Ursachen und systematische Erforschung vom Einzelfall verallgemeinernd. Darauf hin Erhebung der entsprechenden politischen Forderungen, die aber sehr teuer sein würden für alle Staaten, die sich darauf einließen.

Verstehe ich das richtig, Du würdest jedes Verbrechen zu einem internationalen Politikum machen? Geschockt

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Beim Verbrecher würde ich gucken, wo sind erklärende, mildernde Umstände, etwa Krankheit oder Stress oder Affekthandlung, so wie das moderne Richter und Gesetze auch vorsehen, wenn auch in ewas vergröberter Weise. Ansonsten finde ich es schon wichtig, schwere Verbrechen nicht mit Lapalien gleichzusetzen. Deshalb müssen die Strafen auch unterschiedlich und angemessen sein. ...

Jetzt mal konkret, an AP's Beipsiel (Ehrenmord): Soll X wegen Mordes zu einer langen Haftstrafe verknackt werden oder nicht? Und welche präventiven Maßnahmen sollen getroffen werden?
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1356020) Verfasst am: 06.09.2009, 18:24    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Umgekehrt empfinde ich es als unredlich, wenn ich den Begriff Prävention verwende und mir sofort unterstellt wird, ich wolle alle Kinder gehirnscannen und danach in Sicherheitsverwahrung sperren.

In Ordnung, einverstanden. Schmeißen wir also beide nicht mehr alle Arten von Prävention in einen Topf. Folgende Aussage möchte erst mal noch zurückweisen, bevor ich ein bisschen zusammenfasse und Allgemeineres zum Thema sage, denn so habe ich das nicht gesagt:

step hat folgendes geschrieben:
Du selbst hast mal geschrieben, daß bei Kindererzeihung Freiwilligkeit kein Thema sei, weil der Zwang für alle gelte und Kinder sowieso unmündig seien.

Nun mal die zusammenfassenden Anmerkungen:

Ich habe ganz grundsätzliche Einwände gegen Dein Modell, gegen Dein Menschenbild. Die noch nicht einmal etwas damit zu tun haben müssen, ob es durch die Annahme eines Determinismus hinreichend begründet werden kann, (das kann es mE nicht), meine Einwände gehen noch tiefer. Ich halte die Ansicht, Menschen könnten nichts für ihre Handlungen und daher seien sie ihnen auch nicht zurechenbar, für in sich widersprüchlich.

Betrachten wir erst einmal die Konsequenzen dessen: das hieße nicht nur, dass die Begriffe "Schuld", "Strafe", "Schadensersatz" und "moralische Verantwortung" fallen gelassen werden müssten, wie schon besprochen, es bedeutete auch, dass der Begriff "Recht" insgesamt sinnlos würde, Verträge z.B. hätten keine Grundlage mehr. Es ergäbe noch nicht mal mehr Sinn, von einer "Normverletzung" zu reden. Es gäbe auch keine "moralisch / ethisch richtige / falsche" Handlungen mehr. All dies erfordert nämlich die Annahme von rationalen Wesen, die in der Lage dazu sind, eigenverantwortlich zu handeln, d.h. ihre Handlungen bestimmen und zu diesen stehen zu können, d.h. sie nicht lediglich als unbeeinflussbare Ereignisse zu sehen, die ihnen einfach nur zustoßen. Selbst der Begriff "Handlung" in seiner heutigen Bedeutung wäre hinfällig.

Es ist meiner Ansicht nach gar nicht möglich, andere Menschen immer von einem objektiven Standpunkt aus zu betrachten und zu behandeln, so wie man das zum Beispiel gegenüber ganz kleinen Kindern oder gegenüber stark geistig behinderten Menschen oder gegenüber Junkies tut, so man sie für nicht hinreichend selbststeuerungsfähig ansieht. Jedenfalls dann nicht, wenn man auf gleichberechtigte Beziehungen zu anderen Menschen Wert legt. Und man kann mE einen solchen objektiven Standpunkt sich selbst gegenüber nur dann konsistent einnehmen, wenn man Fatalist ist. Weil man sich dann selber als ohnmächtigen Homunkulus sieht, als reinen äußeren Beobachter des Weltgeschehens, als Zuschauer im Film seines Lebens.

Die grundlegenden Fehler in Deinem Modell sind nun Folgende: a) wenn niemand eigenverantwortlich handeln kann, wenn man ihnen also ihre Handlungen nie zuordnen kann, dann kannst Du das für Dich auch nicht tun und daher kommst Du mE aufgrund dessen in arge Argumentationsnöte und b) berücksichtigst Du überhaupt nicht den Wandel in den allgemeinen Einstellungen, der entstehen würde, wenn Dein Modell als gültig akzeptiert werden würde. Du argumentierst teilweise, als ob die heutige Annahme des eigenverantwortlichen Menschen weiter bestehen würde, aber das wäre ja nicht der Fall.

Das Postulat der Möglichkeit eigenverantwortlichen Handels ist mAn schlicht eine grundnotwendige Annahme in einer freiheitlichen Gesellschaft, denn darauf beruht das gesamte Recht. Und es kann mE konsistent auch nicht bestritten werden, denn dabei verheddert man sich unweigerlich in unauflösbare Selbstwidersprüche.

Der einzige Ausweg aus diesem grundlegenden Dilemma wäre vielleicht eine Abschwächung insofern, als dass man sagen würde, man selber habe einen besseren Durchblick als andere, man selber könne selbstbestimmt handeln, aber zum Beispiel Kriminelle könnten das generell nicht, nur die seien falsch entwickelt. Aber das erschiene nun mE auf den ersten Blick nun auch nicht so besonders einleuchtend.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1356049) Verfasst am: 06.09.2009, 19:11    Titel: Antworten mit Zitat

Ich habe das mal gesplittet, damit das oben nicht zu lang wird und weil das zwei unterschiedliche Themen sind.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Aber meine Einschätzung als Otto Normalbürger kann ich natürlich geben: die Handlung von X geschah absichtlich und willentlich. Sie war geplant und geschah nicht im Affekt. X kannte, wie er selber zugab, die Unrechtmäßigkeit seines Handeln. Dass er sich selber im Recht wähnte, ist daher unerheblich. Es kann von jedem freien Bürger erwartet werden, sich an die geltenden Gesetze zu halten. Selbstjustiz ist nicht zulässig und kann nicht geduldet werden. Die Tat ist somit X persönlich vorwerfbar, da alle Voraussetzungen dafür gegeben sind, Entschuldigungsgründe sind nicht ersichtlich und wurden nicht vorgetragen. Daher ist er des Mordes schuldig. Er wird zu einer Gefängnisstrafe im Rahmen des Gesetzes verurteilt.

Es spielt demnach für Dich keine Rolle, daß er "mit dieser Schande nicht leben konnte" (z.B. weil er so erzogen wurde), sondern es zählt nur, daß er wußte, daß es verboten war.

Doch, das spielt schon eine Rolle. Die Anforderung an ihn, sich an die geltenden Gesetze zu halten, ist sicher höher als an jemanden, der das entsprechende Gesetz bzw. die zugehörige moralische Einstellung eh als richtig ansieht und daher gar nicht erst einen solchen Gesetzesbruch erwägen würde. Aber dennoch kann es mAn von einem freien Bürger erwartet werden, sich an die Gesetze zu halten. Ein entschuldigender Faktor kann es mAn nicht sein, dass das Gesetz einfach nicht akzeptiert wird. Aus Freiheit ergeben sich nicht nur Rechte, es ergeben sich auch Pflichten daraus. ("Pflicht" wäre in Deiner Sicht wohl ebenfalls ein hinfälliger Begriff).

step hat folgendes geschrieben:
Und da ist unser Dissens, ich finde das eine - ethsich gesehen - schlechte Begründung, bzw. gar keine.

Ja, natürlich nicht, das unterscheidet uns eben.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Eine Aussetzung der Strafe kommt aufgrund der Höhe der Schuld nicht in Frage, sie wäre ein Signal an andere mit derselben moralischen Auffassung und auch an potentielle Opfer, dass diese Art Verbrechen hier geduldet würde.

Auch das kann ich als ethische Begründung nicht nachvollziehen, auch wenn glaube, daß die meisten Leute tatsächlich so empfinden, aufgrund ihres Bedürfnisses nach "Heimzahlung". Warum muß der soziale Tadel eine ansonsten völlig nutzlose lange Haftstrafe beinhalten? Wären verstärkte Präventionsbemühungen nicht ein ebensogutes Signal, daß wir dieses Verhalten nicht wünschen?

Nein, ich denke nicht. Es geht dabei auch um die Höhe des sozialen Tadels, d.h. um die Einordnung der Schwere des moralischen Fehlverhaltens.

"Sozialer Tadel" wäre noch ein Begriff, der in Deinem Modell entfallen würde.

Und ob die Haftstrafe nutzlos ist, sehe ich erst mal als strittig an.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Der Familie von X konnte eine Tatbeteiligung nicht nachgewiesen werden. Sie kann daher nicht belangt werden.

[...] Interessanterweise äußerst Du Dich überhaupt nicht dazu, wie Du in diesem Fall die Prävention (deren verschiedene Arten) siehst. Handelt es sich um ein flächendeckendes Problem oder reicht Dir die harte Bestrafung des Einzeltäters X? Wo sollte man eingreifen, bei der Erziehung? Oder immer warten, bis man wieder einen bestrafen kann?

Jegliche Prävention, die nicht in Grundrechte eingreift, ist mE zu begrüßen. Da gibt es sicher einige Möglichkeiten, über die man verstärkt nachdenken sollte. Zelig nannte ja z.B. oben das Beispiel des kostenlosen Angebotes der Therapie der Charité.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Skeptiker
"I can't breathe!"



Anmeldungsdatum: 14.01.2005
Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#1356054) Verfasst am: 06.09.2009, 19:23    Titel: Re: Vorsorgeuntersuchungen Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Wie siehst Du das eigentlich? Ein Verbrecher (jetzt mal egal aus welcher Klasse), der eine Tat absichtlich beging: Schuld und Sühne? Oder nur Arbeiten an den (gesellschaftlichen und sonstigen) Umständen?
Also erstens Analyse der gesamten Ursachen und systematische Erforschung vom Einzelfall verallgemeinernd. Darauf hin Erhebung der entsprechenden politischen Forderungen, die aber sehr teuer sein würden für alle Staaten, die sich darauf einließen.

Verstehe ich das richtig, Du würdest jedes Verbrechen zu einem internationalen Politikum machen? Geschockt


Es wird doch heute ohnehin schon jeder 10000 Meilen entfernte Terroranschlag zu einem Politikum in der ganzen westlichen Sphäre gemacht, was u.a. den berüchtigten (und teuren) "Krieg gegen Terror" rechtfertigen soll, welcher auch als Vorwand für den Abbau diverser Grundrechte benutzt wird.

Ich will nur, dass die gesellschaftlich verursachten und periodisch auftretenden Verbrechen - ob das Gewaltverbrechen sind oder Kapitalverbrechen - die so typisch sind für die bürgerliche westliche Welt, nicht nur in der kleinen Provinz als jeweiliges unzusammenhängendes Einzelereignis abgehandelt, weggeschlossen oder gar "fehldeterminierten Gehirnen" in die nicht vorhandenen Schuhe geschoben werden, sondern zu politischen und institutionellen Veränderungen all dieser Gesellschaften führen, die sich gewaschen haben!

Als Beispiel nenne ich mal die kriminellen Spekulationsgeschäfte oder auch die Amokläufe, welche untrennbar mit dieser derzeitigen Gesellschaftsstruktur zusammen hängen.

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Beim Verbrecher würde ich gucken, wo sind erklärende, mildernde Umstände, etwa Krankheit oder Stress oder Affekthandlung, so wie das moderne Richter und Gesetze auch vorsehen, wenn auch in ewas vergröberter Weise. Ansonsten finde ich es schon wichtig, schwere Verbrechen nicht mit Lapalien gleichzusetzen. Deshalb müssen die Strafen auch unterschiedlich und angemessen sein. ...

Jetzt mal konkret, an AP's Beipsiel (Ehrenmord): Soll X wegen Mordes zu einer langen Haftstrafe verknackt werden oder nicht? Und welche präventiven Maßnahmen sollen getroffen werden?


So ein Ehrenmord ist ein Verbrechen, gegen das jeder zivile Staat Abschreckungsmittel errichten sollte, ähnlich wie gegen Morde an Ausländern. Es sollte ganz laut und ganz klar für jedermanns Ohren deutlich gemacht werden: Wenn Du so etwas tust, dann werden wir Dir die Ohren so lang ziehen wie noch nie in Denem Leben. Du wirst nicht so einfach davon kommen.

Das sollte einen Einfluss auf die Entscheidung haben, so etwas zu tun.

Des weiteren und grundsätzlicher brauchen wir auf der Welt endlich die Beseitigung rückständiger Ideologien und Kulturen, welche aber wiederum auf der Basis unterentwickelter Ökonomien und Mileus wachsen. Zivile Entwicklungspolitik, das Einreissen der ökonomischen Mauern zwischen Industrie-, Schwellen- und Armutsländern ist die materielle Grundlage für eine nachhaltige Änderung des Bewusstseins, so wie man es in Aserbeidschan oder Kaschstan durch die Sowjetunion sieht. In diesen Regionen kommt so etwas wie "Ehrenmord" nicht mehr vor. Die Religion ist dort genau so unbedeutend geworden wie in Ostdeutschland - zumindest bis dato.

Was die präventiven Maßnahmen nach einem Mord betrifft, so könnten sie sich natürlich auch nur auf Mord beziehen und nicht auf Schwarzfahren oder Steuerhinterziehung. Im übrigen nennt sich das Resozialisierung. Diese kann u.U. gewährt werden. Aber ohne Abschreckung geht es nicht in dieser Gesellschaft hier.

Eventuell könnte man auch solche Gestalten wie Merkel oder Ackermann resozialisieren.

In einer fortschrittlicheren Gesellschaft sollten eine Art Gechworenengerichte samt guten Psychologen über den jeweiligen Einzelfall entscheiden.

Skeptiker
_________________
Free Julian Assange! Lock up the Killers!

Populismus ist keine Verschwörungstheorie

Informationsstelle Militarisierung e.V.


Zuletzt bearbeitet von Skeptiker am 07.09.2009, 08:40, insgesamt 3-mal bearbeitet
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
Skeptiker
"I can't breathe!"



Anmeldungsdatum: 14.01.2005
Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#1356240) Verfasst am: 07.09.2009, 08:31    Titel: step: und Pflichten Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Doch, das spielt schon eine Rolle. Die Anforderung an ihn, sich an die geltenden Gesetze zu halten, ist sicher höher als an jemanden, der das entsprechende Gesetz bzw. die zugehörige moralische Einstellung eh als richtig ansieht und daher gar nicht erst einen solchen Gesetzesbruch erwägen würde. Aber dennoch kann es mAn von einem freien Bürger erwartet werden, sich an die Gesetze zu halten. Ein entschuldigender Faktor kann es mAn nicht sein, dass das Gesetz einfach nicht akzeptiert wird. Aus Freiheit ergeben sich nicht nur Rechte, es ergeben sich auch Pflichten daraus. ("Pflicht" wäre in Deiner Sicht wohl ebenfalls ein hinfälliger Begriff).


Nein, AgentProvocateur, da täuscht Du Dich. step ist es in erster Linie an Pflichten des Individuums gelegen. Allerdings wohl weniger gegenüber anderen Individuen und ihren Menschenrechten, sondern mehr gegenüber dem Staat oder einer abstrakt verstandenen Gesellschaft:

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
"Verantwortung = Zuschreibung von Rechten [step: und Pflichten] aufgrund einer Erwartungshaltung zukünftigen Verhaltens.


Und das ist ein klassisches statement der politisch Konservativen, dass sie immer dann, wenn von (Menschen-)Rechten die Rede ist, mit ihren Pflichten (- des Individuums gegenüber dem Staat -) angewedelt kommen. Stichwort: "Konformität".

Ansonsten finde ich Deine Ausführungen interessant und zum großen Teil richtig.

edit: Das ist so ähnlich wie im Christentum, wo der Mensch keine Schuld gegenüber seinen Mitmenschen sondern nur Verantwortung gegenüber "Gott" hat.

Alles läuft auf einen amoralischen Staat hinaus, der sich in die Kumpanei mit Verbrechern begibt und ihnen feuchtfröhlich und augenzwinkernd schon vorab Amnestie zusichert. Da wird ein bewusster Mord mit Schwarzfahren in der U-Bahn gleichgestellt und somit zu einem Kavaliersdelikt. Man könnte auch sagen, das wäre ein echt christlicher Staat ...- zwinkern

Skeptiker
_________________
Free Julian Assange! Lock up the Killers!

Populismus ist keine Verschwörungstheorie

Informationsstelle Militarisierung e.V.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden Website dieses Benutzers besuchen
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1356320) Verfasst am: 07.09.2009, 12:47    Titel: Antworten mit Zitat

@AP: Ich denke, außer Deinem Gundvorwurf (siehe nächster Beitrag) ist nicht mehr viel offen. Bei der Prävention sind wir uns in vielen Teilen einig, und neue Begründungen für vergeltende Strafen gab es auch nicht.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Aber dennoch kann es mAn von einem freien Bürger erwartet werden, sich an die Gesetze zu halten. ... Aus Freiheit ergeben sich nicht nur Rechte, es ergeben sich auch Pflichten daraus. ("Pflicht" wäre in Deiner Sicht wohl ebenfalls ein hinfälliger Begriff)

In meinem Modell ergeben sich die Rechte und Pflichten ebenfalls, wenn auch nicht aus der Freiheit, sondern aus der Zuweisung durch die Anderen, ähnlich wie auch die Verantwortung. Bei mir ergibt sich allerdings - mangels Schuld - aus eine Pflichtverletzung keine Sühne oder vergeltende Strafe.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
"Sozialer Tadel" wäre noch ein Begriff, der in Deinem Modell entfallen würde.

Nein, wie schon geschrieben. Es wäre auch in meinem Modell wichtig, dem Individuum und den Dreitten zu signalisieren, welches Verhalten moralisch unerwünscht ist.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Jegliche Prävention, die nicht in Grundrechte eingreift, ist mE zu begrüßen. Da gibt es sicher einige Möglichkeiten, über die man verstärkt nachdenken sollte. Zelig nannte ja z.B. oben das Beispiel des kostenlosen Angebotes der Therapie der Charité.

Da sind wir uns einig. Aber jetzt konkret im Fall X: Sollte die Gesellschaft auf die Erziehung von Kindern aus Ehrenmordkulturen (oder kleinen Nazis, oder Fundamentalistenkindern) einwirken, die noch nichts verbrochen haben, auch wenn damit gewisse Grundrechte, z.B. der Eltern, eingeschränkt wären?
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1356331) Verfasst am: 07.09.2009, 13:17    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... das hieße nicht nur, dass die Begriffe "Schuld", "Strafe", "Schadensersatz" und "moralische Verantwortung" fallen gelassen werden müssten, wie schon besprochen, ...

"moralische Verantwortung" gäbe es weiterhin, wie schon besprochen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... es bedeutete auch, dass der Begriff "Recht" insgesamt sinnlos würde, Verträge z.B. hätten keine Grundlage mehr.

Verträge würden genauso funktionieren wie bisher, nur der Umgang mit Vertragsbrechern wäre ein anderer. Die Grundlage von Verträgen wäre die Prognose (und letztlich die Häufigkeit der Tatsache), daß die Partner verläßlich sind.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Es ergäbe noch nicht mal mehr Sinn, von einer "Normverletzung" zu reden. Es gäbe auch keine "moralisch / ethisch richtige / falsche" Handlungen mehr.

Jetzt übertreibst Du aber, das hatten wir auch schon mehfach: Eine "Normverletzung" liegt effektiv vor, wenn eine Person gegen eine Norm verstößt.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
All dies erfordert nämlich die Annahme von rationalen Wesen, die in der Lage dazu sind, eigenverantwortlich zu handeln, d.h. ihre Handlungen bestimmen und zu diesen stehen zu können, d.h. sie nicht lediglich als unbeeinflussbare Ereignisse zu sehen, die ihnen einfach nur zustoßen. Selbst der Begriff "Handlung" in seiner heutigen Bedeutung wäre hinfällig.

Naja, er würde entschlackt um seinen ehemals letztverursachenden Kontext (den der Kompatibilist ja angeblich sowieso schon überwunden hat). "Individuelle Handlung" als wesentlich lokal umgesetzt, präferente Entscheidung würde bleiben.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Die grundlegenden Fehler in Deinem Modell sind nun Folgende: a) wenn niemand eigenverantwortlich handeln kann, wenn man ihnen also ihre Handlungen nie zuordnen kann, dann kannst Du das für Dich auch nicht tun und daher kommst Du mE aufgrund dessen in arge Argumentationsnöte ...

Sehe nicht, wo ich da in Nöte komme, die nicht bereits Deine Sicht voraussetzen. Ich benötige ja nur die Zuweisung wesentlicher Teile einer Kausalkette zu funktionalen Instanzen, etwa für die Prävention und auch für den ethischen Diskurs. Zum Beispiel ist es in meinem Modell durchaus wichtig, daß eine präferenzbasierte Entscheidung mit den individuellen Präferenzen zu tun hat. Nicht weil diese nicht durch die Umwelt determiniert wären, sondern weil sie den zentralen Ansatztpunkt (für Lob/Tadel, für Forschung, für Prävention usw.) darstellen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... und b) berücksichtigst Du überhaupt nicht den Wandel in den allgemeinen Einstellungen, der entstehen würde, wenn Dein Modell als gültig akzeptiert werden würde. Du argumentierst teilweise, als ob die heutige Annahme des eigenverantwortlichen Menschen weiter bestehen würde, aber das wäre ja nicht der Fall.

Du argumentierst, also ob Mein Modell dazu führen würde, daß viele Menschen Verbrecher und Fatalisten würden, aber das wäre ja nicht der Fall.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Das Postulat der Möglichkeit eigenverantwortlichen Handels ist mAn schlicht eine grundnotwendige Annahme in einer freiheitlichen Gesellschaft, denn darauf beruht das gesamte Recht.

Glaube ich nicht, daß das grundnotwendig ist, auch wenn das heutige Recht wohl tatsächlich auf der Annahme des "hätte-auch anders-handeln-können" (FW), der Wesenswürde und anderen Anachronismen beruht. Und zwar glaube ich das deshalb nicht, weil es mE ausreichen würde, wenn die Menschen ein hinreichend aufgeklärtes Selbstbild haben und ein bißchen "guten Willen", also Kooperationsbereitschaft und Empathie, mitbringen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Der einzige Ausweg ... wäre vielleicht eine Abschwächung insofern, als dass man sagen würde, man selber habe einen besseren Durchblick als andere, man selber könne selbstbestimmt handeln, aber zum Beispiel Kriminelle könnten das generell nicht, nur die seien falsch entwickelt. Aber das erschiene nun mE auf den ersten Blick nun auch nicht so besonders einleuchtend.

Das wäre für mich nicht akzeptbel.
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1356339) Verfasst am: 07.09.2009, 13:28    Titel: Re: step: und Pflichten Antworten mit Zitat

Skeptiker an AP hat folgendes geschrieben:
step ist es in erster Linie an Pflichten des Individuums gelegen.

Was soll ich dazu noch sagen? Warum verleumdest Du mich ständig?

Skeptiker an AP hat folgendes geschrieben:
Allerdings wohl weniger gegenüber anderen Individuen und ihren Menschenrechten, sondern mehr gegenüber dem Staat oder einer abstrakt verstandenen Gesellschaft:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
"Verantwortung = Zuschreibung von Rechten [step: und Pflichten] aufgrund einer Erwartungshaltung zukünftigen Verhaltens.

Also um den Staat geht es hier offensichtlich schon mal nicht, sondern um eine beliebige, von mir aus auch eine klassenlose, Gesellschaft oder soziale Gruppe. Und die agiert auch nur als Abstraktum, in Wirklichkeit aber repräsentiert sie (in der Ethik) die Interessen jedes "anoymen Dritten". Und so gelten die Rechte und Pflichten letztlich immer Individuen gegenüber, auch wenn die Gesellschaft (und je nach System mglw. durch den Staat) dies schützt und garantiert, wiederum im Auftrag der Mehrheit der Individuen.

Skeptiker an AP hat folgendes geschrieben:
Und das ist ein klassisches statement der politisch Konservativen, dass sie immer dann, wenn von (Menschen-)Rechten die Rede ist, mit ihren Pflichten (- des Individuums gegenüber dem Staat -) angewedelt kommen. Stichwort: "Konformität".... Das ist so ähnlich wie im Christentum ... Alles läuft auf einen amoralischen Staat hinaus, der sich in die Kumpanei mit Verbrechern begibt und ihnen feuchtfröhlich ...

Du bist ja völlig fixiert und merkbefreit ...
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1356471) Verfasst am: 07.09.2009, 16:37    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
"moralische Verantwortung" gäbe es weiterhin, wie schon besprochen. [...] Verträge würden genauso funktionieren wie bisher, nur der Umgang mit Vertragsbrechern wäre ein anderer. Die Grundlage von Verträgen wäre die Prognose (und letztlich die Häufigkeit der Tatsache), daß die Partner verläßlich sind.
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Es ergäbe noch nicht mal mehr Sinn, von einer "Normverletzung" zu reden. Es gäbe auch keine "moralisch / ethisch richtige / falsche" Handlungen mehr.

Jetzt übertreibst Du aber, das hatten wir auch schon mehfach: Eine "Normverletzung" liegt effektiv vor, wenn eine Person gegen eine Norm verstößt.

Nein, ich bin mir ziemlich sicher, dass ich nicht übertreibe. All dies wäre mE die notwendige Konsequenz aus der Ansicht, Menschen könnten ihre Handlungen nicht kontrollieren und deswegen seien sie ihnen nicht persönlich zurechenbar.

Nehmen wir, um das näher zu betrachten, einfach nochmal eines meiner Beispiele von oben: A schubst B absichtlich auf C, C wird verletzt. B beging keine Normverletzung, weil es nicht eine von ihm kontrollierte Handlung war. Darin sind wir uns sicher einig.

Aber in Deiner Sicht beging A ja auch keine Normverletzung, er konnte ja ebenfalls nichts für seine Handlung, (so wie niemand). Und wenn dem so ist, dann ergibt es einfach keinen Sinn mehr, ihn dafür zu tadeln. Oder jemand anderen für etwas zu loben.

Alles geschieht dann nur noch, wie es eben geschieht. Dann bleibt nur noch, zu schauen, ob zukünftige Schäden verhindert bzw. vermindert werden können. Und dennoch entstandene Schäden durch Zahlungen der Gesellschaft zu mindern, so wie es Dein Vorschlag war, aber an jemanden, der nichts kontrollieren kann, überhaupt noch moralische Forderungen zu stellen, wird einfach sinnlos. Man kann versuchen, ihn zu "programmieren", das ja, aber das ist etwas ganz anderes als unser normales heutiges soziales Miteinander. Und Tadel und Lob wäre einfach hinfällig, wenn sich Menschen selber nur als reine Beobachter von sich selber ansähen. Dann könnten sie Lob und Tadel nicht akzeptieren, so wie es B oben nicht akzeptieren würde, wenn man ihn tadelte.

Und Deine Begriffe von "Verantwortung", "Recht" und "Pflicht" haben sich ganz entscheidend zu der heutigen Bedeutung geändert, sie sind mE ihrer Grundbedeutung entkleidet und sollten dann nicht mehr verwendet werden. Die Begriffe kann man dann gleichermaßen auf jedes Tier anwenden. Nehmen wir mal als Beispiel einen Fuchs.

Füchse wären nach Deinem Begriff dafür verantwortlich, Menschen nicht zu beißen. Sie hätten die Pflicht, das nicht zu tun. Sie hätten das Recht, frei im Wald herumzulaufen. Tun sie es doch (edit: das Beißen), dann entzieht man ihnen ihre Verantwortung, man kann einen Vertrag mit dem Fuchs abschließen: all dies kann ich nun einfach so sagen, wenn ich Deine Begriffe verwende. Aber ich finde das absurd, das hat gar nichts mehr mit den ursprünglichen Begriffen zu tun.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... und b) berücksichtigst Du überhaupt nicht den Wandel in den allgemeinen Einstellungen, der entstehen würde, wenn Dein Modell als gültig akzeptiert werden würde. Du argumentierst teilweise, als ob die heutige Annahme des eigenverantwortlichen Menschen weiter bestehen würde, aber das wäre ja nicht der Fall.

Du argumentierst, also ob Mein Modell dazu führen würde, daß viele Menschen Verbrecher und Fatalisten würden, aber das wäre ja nicht der Fall.

Nein, so argumentiere ich nicht.

Ich argumentiere so wie oben gesagt. Meiner Ansicht nach ist es einfach für unseren Umgang miteinander unerlässlich, uns gegenseitig als rationale, selbstbestimmt handelnde Wesen anzusehen. Was genau passieren würde, wenn Menschen glaubten, sie seien nur ohnmächtige Zuschauer im Film ihres Lebens, nur ein kleines Männchen in ihrem Kopf ohne Handlungsmöglichkeit, weiß ich nicht im Einzelnen.

Ich bin mir aber ziemlich sicher, wie oben schon gesagt, dass moralische Forderungen, Lob, Tadel usw. dann ins Leere laufen würden.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Das Postulat der Möglichkeit eigenverantwortlichen Handels ist mAn schlicht eine grundnotwendige Annahme in einer freiheitlichen Gesellschaft, denn darauf beruht das gesamte Recht.

Glaube ich nicht, daß das grundnotwendig ist, auch wenn das heutige Recht wohl tatsächlich auf der Annahme des "hätte-auch anders-handeln-können" (FW), der Wesenswürde und anderen Anachronismen beruht. Und zwar glaube ich das deshalb nicht, weil es mE ausreichen würde, wenn die Menschen ein hinreichend aufgeklärtes Selbstbild haben und ein bißchen "guten Willen", also Kooperationsbereitschaft und Empathie, mitbringen.

Was ist aber ein "hinreichend aufgeklärtes Selbstbild"? Dass alles für den Einzelnen unbeeinflussbar abläuft wie ein Uhrwerk, dass der Einzelne völlig ohnmächtig dem nur zuschauen kann, dass das Gefühl, man selber oder andere sei/en insofern moralisch verantwortlich für sein/ihr Tun, als dass man es sich/ihnen auch zurechnen kann, nur eine Illusion sei?
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1356532) Verfasst am: 07.09.2009, 18:09    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
A schubst B absichtlich auf C, C wird verletzt. B beging keine Normverletzung, weil es nicht eine von ihm kontrollierte Handlung war. Darin sind wir uns sicher einig.

Jawohl.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Aber in Deiner Sicht beging A ja auch keine Normverletzung, ...

Doch, er entscheidet zwar determiniert, aber "falsch" - also in diesem Fall wissentlich unerwünscht, daher Normverletzung.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Und wenn dem so ist, dann ergibt es einfach keinen Sinn mehr, ihn dafür zu tadeln. Oder jemand anderen für etwas zu loben. ... Und Tadel und Lob wäre einfach hinfällig, wenn sich Menschen selber nur als reine Beobachter von sich selber ansähen. Dann könnten sie Lob und Tadel nicht akzeptieren, so wie es B oben nicht akzeptieren würde, wenn man ihn tadelte.

Der Sinn von Lob/Tadel besteht dann (idealisiert betrachtet) einzig darin, verstärkend oder verhindernd determinierenden Einfluß zu nehmen. Der Mensch (und zwar nicht dessen kompatibilistisches Zerrbild) würde sich in der Tat mehr als bisher als Beobachter seiner selbst ansehen, aber nicht nur, denn er weiß, daß er von Entscheidungen betroffen ist, die "in" ihm ablaufen. Er kann (und muß mE sogar) seine Entscheidungsfunktionen (Präferenzen usw.) hinterfragen und ggf. beeinflussen, angestoßen (determiniert) u.a. von sozial kommunizierten Erwartungen. Moral als Agent der Anderen im Individuum. Warum sollte dieses Modell dem Menschen nicht stimmig und würdig erscheinen, wenn er mal ein paar narzisstische Fehlschlüsse überwunden hat?

Warum akzeptieren eigentlich die Menschen im heutigen Verantwortungsmodell Tadel und Lob?
- weil Tadel mit Gefängnisstrafen verbunden ist?
- weil sie an die freie Wahl glauben?
- ...?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und Deine Begriffe von "Verantwortung", "Recht" und "Pflicht" haben sich ganz entscheidend zu der heutigen Bedeutung geändert, sie sind mE ihrer Grundbedeutung entkleidet und sollten dann nicht mehr verwendet werden. Die Begriffe kann man dann gleichermaßen auf jedes Tier anwenden. Nehmen wir mal als Beispiel einen Fuchs. Füchse wären nach Deinem Begriff dafür verantwortlich, Menschen nicht zu beißen.

Nein, denn Verantwortung bedeutet in meinem Modell wie schon oft geschrieben, von einem Mitglied einer sozialen Gruppe moralisch konformes Verhalten zu erwarten. Erwarten bedeutet hier natürlich nicht nur wünschen, sondern auch für wahrscheinlich halten. Da ich von dem Fuchs nicht erwarte, daß er die Nichtbeißnorm versteht, geschweige denn hinreichend wahrscheinlich ist, daß seine Präferenzen konform determiniert sind, und ich auch nicht erwarten kann, daß er seine Präferenzen ändert, z.B. weil er mich als empathisches Mitwesen hinreichend gut simulieren kann, weise ich ihm idZ keine Verantwortung zu.

Übigens war das nicht immer und überall so. Tieren wurde auch Verantwortung, ja sogar Schuld zugewiesen, und sie wurden bestraft.

Interessant übrigens idZ, wie Leute mit Haustieren, insb. Hunden umgehen. Sind sie einemal "erzogen" und einigermaßen berechenbar, neigen viele Leute intuitiv dazu, ihnen eine Personalität bis hin zu Verantwortung und Schuld zuzuweisen, auch wenn sie im Recht wie Sachen behandelt werden.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Was genau passieren würde, wenn Menschen glaubten, sie seien nur ohnmächtige Zuschauer im Film ihres Lebens, nur ein kleines Männchen in ihrem Kopf ohne Handlungsmöglichkeit, weiß ich nicht im Einzelnen.

Das ist doch schon wieder ein Strohmann. Das kleine autonome Männchen entspricht ja eher der klassisch-libertätren FW-Sichtweise, in meinem Modell würde sich niemand als kleines Männchen im Kopf ansehen, und auch nicht als ohnmächtig, sondern als determinierter (und von außen und innen determinierbarer) Entscheider, als lernendes Expertensystem, das temporär Teile von sich selbst beobachten und analysieren kann.
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen   Drucker freundliche Ansicht    Freigeisterhaus Foren-Übersicht -> Kultur und Gesellschaft Alle Zeiten sind GMT + 1 Stunde
Gehe zu Seite Zurück  1, 2, 3, 4, 5, 6 ... 19, 20, 21  Weiter
Seite 5 von 21

 
Gehe zu:  
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht mitmachen.



Impressum & Datenschutz


Powered by phpBB © 2001, 2005 phpBB Group