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GWUP: Diskussion um den sogenannten _Wokeismus_
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3525

Beitrag(#2303919) Verfasst am: 03.03.2024, 19:52    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:

Ich habe dieses Beispiel erwähnt, eben weil der Artikel nichts dergleichen über die aggressive Vorgehensweise der linksradikalen Sittenwächter berichtet. Er erweckt den falschen Eindruck, dass sich hinter dem Vorwurf der Cancel Culture nichts weiter verbirgt als ein von Rechten aufgestellter Popanz zur Verhinderung "progressiver" Politik.

Eine angebliche "Cancel Culture" - das heißt eine angeblich bestehende ganze Kultur, in der es darum ginge, missliebige Meinungen einer bestimmten Richtung ohne Argumente zum Schweigen zu bringen - ist auch genau dieser Popanz. Es ist ein Popanz, mit dem idR genau das gemacht wird, was er angeblich beklagt: Unerwünschte Meinungen zum Schweigen zu bringen.


Der Ausdruck "Cancel Culture" ist eigentlich ein Unwort, weil hier das Wort "Kultur" in höchst seltsamer Weise gebraucht wird. Ich verstehe aber, dass damit eine systematische Strategie zur Bekämpfung der ideologischen Gegner gemeint ist (siehe unteres Zitat!). "Cancel Culture" bedeutet also eigentlich "Cancel Politics", d.h. es steht für zensur- oder sanktionspolitische Praktiken, die im "Culture War" gezielt eingesetzt werden—sowohl von Linken als auch von Rechten.

Dafür, dass insbesondere auch aufseiten der Wachen Linken eine illiberale Zensur- und Sanktionspolitik gegen deren erklärte Feinde betrieben wird (zu denen nicht nur Rechte zählen!), gibt es mittlerweile viele Belege (wie den Fall Stock).

Zitat:
"The term ‘Cancel Culture’, however, suggests that such individual actions now amount to a systematic form of oppression, suppressing dissenting voices and behaviors. What began as a defensive reaction against discrimination, then, is now stylized as a concerted act of discrimination in itself."

Quelle: https://www.cultural-studies.uni-kiel.de/current-issues-in-cultural-studies/cancel-culture


tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Beispiel aus den letzten Tagen: Das Otfried-Preußler-Gymnasium in Pullach will sich umbenennen. Es fängt schon damit an, dass ich absichtlich schreiben muss "will sich umbenennen" statt "soll umbenannt werden", wie es in rechten Publikationen zu lesen ist: Letzteres hört sich so an, als wären es irgendwelche anonymen, böswilligen Mächte, die von außen auf das Gymnasium zugreifen wollen; faktisch sind es aber die Schüler, die Eltern und die Lehrer der Schule, die das aus eigenem Antrieb, nach eigener, gründlicher Recherche und Diskussion so beschlossen haben, und der Gemeinderat hat sich dem mit großer Mehrheit angeschlossen. Es läuft also genau so, wie es in einer Demokratie laufen sollte: Die Schulgemeinde und die Kommune entscheiden in einem demokratischen Prozess nach inhaltlicher Debatte über den Namen ihrer Schule.

Und dagegen gibt es jetzt eine bundesweite Kampagne rechter Einflussnehmer, die diese Entscheidung als untragbare "Cancel Culture" hinstellen. Leute, die diese Entscheidung einen absoluten Scheißdreck angeht, wollen sich also mithilfe dieses Begriffs "Cancel Culture" in die demokratische Entscheidung derer, die es angeht, einmischen und sie verhindern. Ideologisch unliebsame Bücher oder Aufsätze sollen nicht veröffentlicht oder zurückgezogen werden.

Ob wir selbst diese Entscheidung so fällen würden, müssen wir gar nicht diskutieren (ich habe auch keine abschließende Meinung und muss auch keine haben, weil es mich nichts angeht), denn die Schulgemeinde hat zumindest gute Argumente dafür: Preußler war in seiner Jugend Nazi, hat einen dementsprechenden Propaganda-Jugendroman veröffentlicht und sich mit dieser Vergangenheit nicht öffentlich auseinandergesetzt. Es gibt natürlich auch Gegenargumente ("Jugendsünde!" vs das spätere, wesentlichere Werk Preußlers), und deswegen würde ich auch keinesfalls sagen, dass alle Otfried-Preußler-Schulen umbenannt werden müssten. Das fordert aber mW auch niemand (oder niemand relevantes).

Und solche Fälle, in denen Reaktionäre eine Debatte mithilfe des Schlagworts "Cancel Culture" statt mit inhaltlichen Argumenten ihre kulturelle Deutungshoheit durchsetzen wollen, haben ich und, denke ich, der Autor des Artikels vor Augen. Natürlich kann man in den konkreten Debatten auch unterschiedliche Positionen vertreten, so man denn gute Argumente für seine Position hat. Aber der Begriff Cancel Culture dient eben dazu, die Debatten abzuwürgen statt sie zu führen.


Ja, das ist teilweise wahr. Mir ist nicht entgangen, dass Rechte oftmals "Cancel Culture!" schreien, sobald irgendwelche Entscheidungen getroffen oder Änderungen vorgenommen werden—und sei es auf demokratische Weise—, die ihnen gegen den ideologischen Strich gehen.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es sehr wohl eine linksradikale Zensur- und Sanktionspolitik gibt (zu deren Praxis Sprachregelungen, Denunziation, Diffamierung und Mobbing gehören), die von einem selbstgerechten moralischen Manichäismus und Rigorismus angefeuert wird und unsere Grundfreiheiten tatsächlich bedroht. Diskussionen, Debatten oder Diskurse (und selbst Forschungsprojekte), die mit der linksidentitären Ideologie nicht konform gehen und als "problematisch" (= gefährlich) gebrandmarkt werden, sollen verhindert, gestört, abgebrochen/unterbrochen oder gar gesetzlich verboten werden. "Problematische" Bücher oder Aufsätze sollen aus Gründen der "Antidiskriminierung" und des "Opferschutzes" nicht veröffentlicht oder zurückgezogen werden.

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Und um zu deinem Beispiel zurückzukommen: Natürlich kann man auch im Fall Kathleen Stock eine konkrete Debatte führen. Dann kann man die Geschichte aber auch ganz anders erzählen: Philosophieprofessorin wirft sich plötzlich auf ein Thema, mit dem sie sich vorher nie befasst hat und dementsprechend wenig Expertise hat, und vertritt dabei transfeindliche Positionen; wird gleichzeitig als transfeindliche Aktivistin aktiv, mischt sich in politische und gesellschfatliche Debatten zur Frage ein und verzerrt dabei teilweise in böswilliger Weise gegnerische Positionen bis hin zur klaren Lüge (einen Fall haben wir in diesem Thread diskutiert); wird dann, ziemlich offenkundig für diesen transfeindlichen Aktivismus, von reaktionären Politiker:innen ausgezeichnet; bekommt dementsprechenden Gegenwind von Transaktivist:innen; hält den Gegenwind nicht aus und tritt von ihrer Position zurück, obwohl sie von ihrer Unileitung gestützt wird.
(Und ja, ich kenne das Gegenargument: "Aber Stock ist ganz lieb und überhaupt nicht transfeindlich!" Nee, klar. Außer in allen konkrten Streitfragen, zu denen sie Stellung genommen hat, aber sonst ist sie nicht transfeindlich ...)
Dass man das auch wieder ganz anders sehen kann, will ich nicht bestreiten. Der Punkt ist aber, dass man die konkrete Debatte inhaltlich führen muss, statt mit dem Hammer "Cancel Culture" draufzuhauen. Aber mit dieser konkreten Debatte haben wir hier eigentlich nicht so arg viel zu tun.


(Soweit ich weiß, stimmt es nicht, dass die Leitung ihrer (ehemaligen) Uni Stock tatkräftig unterstützt und vor den militanten Transaktivisten beschützt hat. Man hat sie letztlich im Regen stehen lassen!)

Es wird dich sicher nicht überraschen, wenn ich erwidere, dass es sich bei deiner alternativen "Erzählung" des Falles um ein Märchen handelt. Die Behauptung, Stock wäre eine bösartige und gemeingefährliche "Transphobikerin", die es verdient hätte, "gecancelt" zu werden, ist eine glatte Lüge!
Wirklich niederträchtig ist es, jede/n Genderkritiker/in als "transfeindlich" hinzustellen! Ebenso moralisch verwerflich ist die gnadenlose Art und Weise, wie die Gender-Guerilla mit ihren erklärten Feinden umspringt!

Man muss eine ideologische Zerrbrille tragen, um das Folgende als Ausdruck von Transphobie lesen zu können:

Zitat:
"In this book, I’ve rejected gender identity theory. Since current trans activism enthusiastically embraces gender identity theory, it follows that I don’t believe ordinary trans people are well served by current trans activism. Trans people are trans people. We should get over it. They deserve to be safe, to be visible throughout society without shame or stigma, and to have exactly the life opportunities non-trans people do. Their transness makes no difference to any of this. What trans people don’t deserve, however, is to be publicly misrepresented in philosophical terms that make no sense; nor to have their everyday struggles instrumentalised in the name of political initiatives most didn’t ask for, and which alienate other groups by rigidly encroaching on their hard-won rights. Nor do trans people deserve to be terrified by activist propaganda into thinking themselves more vulnerable to violence than they actually are.
Current trans activism needs a different vision and agenda. Equally, I think, ordinary women haven’t been well served by recent mainstream feminism."

(Stock, Kathleen. Material Girls: Why Reality Matters for Feminism. London: Fleet, 2021.)
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Beitrag(#2303920) Verfasst am: 03.03.2024, 20:24    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
"Problematische" Bücher oder Aufsätze sollen aus Gründen der "Antidiskriminierung" und des "Opferschutzes" nicht veröffentlicht oder zurückgezogen werden.

Du meinst so wie in tausenden Bibliotheken im Bible Belt aufgrund gesetzlichen und staatlichen Zwanges? ...Ach nee, das kommt ja von rechts und nicht von links. Gehört dann wohl nicht zur Cancel Culture, muss man nicht drüber reden...?

Der Begriff Cancel Culture ist nämlich in gewisser Weise schon nicht ganz falsch, wenn es um linke Bestrebungen geht. Linke haben dafür nämlich üblicherweise lediglich "kulturelle" Mittel wie z. B. Mundpropaganda zur Erzeugung lokaler Graswurzel-Aktionen zur Verfügung, während Rechte für ihre Zensurbestrebungen (zusätzlich zu in ihren Zwecken und Methoden vergleichbarer massiver kultureller und medialer Einflussnahme natürlich) tatsächlich Cancel Politics betreiben, nämlich zum Zweck der Zensur politischer Gegner die geballte Macht der Staatsgewalt einsetzen, wo immer man sie lässt. Nur um mal klarzustellen, wie hier die tatsächlichen Machtverhältnisse und auch die tatsächlichen Unterschiede sowohl in der Verfügbarkeit als auch in der Wahl der Mittel liegen.
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Beitrag(#2303923) Verfasst am: 03.03.2024, 21:18    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Und um zu deinem Beispiel zurückzukommen: Natürlich kann man auch im Fall Kathleen Stock eine konkrete Debatte führen. Dann kann man die Geschichte aber auch ganz anders erzählen: Philosophieprofessorin wirft sich plötzlich auf ein Thema, mit dem sie sich vorher nie befasst hat und dementsprechend wenig Expertise hat, und vertritt dabei transfeindliche Positionen; wird gleichzeitig als transfeindliche Aktivistin aktiv, mischt sich in politische und gesellschfatliche Debatten zur Frage ein und verzerrt dabei teilweise in böswilliger Weise gegnerische Positionen bis hin zur klaren Lüge (einen Fall haben wir in diesem Thread diskutiert); wird dann, ziemlich offenkundig für diesen transfeindlichen Aktivismus, von reaktionären Politiker:innen ausgezeichnet; bekommt dementsprechenden Gegenwind von Transaktivist:innen; hält den Gegenwind nicht aus und tritt von ihrer Position zurück, obwohl sie von ihrer Unileitung gestützt wird.
(Und ja, ich kenne das Gegenargument: "Aber Stock ist ganz lieb und überhaupt nicht transfeindlich!" Nee, klar. Außer in allen konkrten Streitfragen, zu denen sie Stellung genommen hat, aber sonst ist sie nicht transfeindlich ...)
Dass man das auch wieder ganz anders sehen kann, will ich nicht bestreiten. Der Punkt ist aber, dass man die konkrete Debatte inhaltlich führen muss, statt mit dem Hammer "Cancel Culture" draufzuhauen. Aber mit dieser konkreten Debatte haben wir hier eigentlich nicht so arg viel zu tun.

(Soweit ich weiß, stimmt es nicht, dass die Leitung ihrer (ehemaligen) Uni Stock tatkräftig unterstützt und vor den militanten Transaktivisten beschützt hat. Man hat sie letztlich im Regen stehen lassen!)

Es wird dich sicher nicht überraschen, wenn ich erwidere, dass es sich bei deiner alternativen "Erzählung" des Falles um ein Märchen handelt. Die Behauptung, Stock wäre eine bösartige und gemeingefährliche "Transphobikerin", die es verdient hätte, "gecancelt" zu werden, ist eine glatte Lüge!
Wirklich niederträchtig ist es, jede/n Genderkritiker/in als "transfeindlich" hinzustellen! Ebenso moralisch verwerflich ist die gnadenlose Art und Weise, wie die Gender-Guerilla mit ihren erklärten Feinden umspringt!

Jetzt wisch dir mal den Schaum vom Maul. Ist dir überhaupt aufgefallen, dass in tillichs Gegendarstellung das Wort "transphob" oder "Transphobiker" noch nicht mal vorkommt? Mit den Augen rollen
(Der ganze andere Quatsch übrigens auch nicht. Deine Zusammenfassung des sogenannten "Märchens" in tillichs Beitrag ist vor allem selbst ein Märchen über tillichs Beitrag.)

Erzähl doch mal, wer deiner Meinung nach überhaupt jemals legitim als transfeindlich zu bezeichnen wäre. Hast du dafür mal ein Beispiel?

Myron hat folgendes geschrieben:
Zitat:
"In this book, I’ve rejected gender identity theory. Since current trans activism enthusiastically embraces gender identity theory, it follows that I don’t believe ordinary trans people are well served by current trans activism. Trans people are trans people. We should get over it. They deserve to be safe, to be visible throughout society without shame or stigma, and to have exactly the life opportunities non-trans people do. Their transness makes no difference to any of this. What trans people don’t deserve, however, is to be publicly misrepresented in philosophical terms that make no sense; nor to have their everyday struggles instrumentalised in the name of political initiatives most didn’t ask for, and which alienate other groups by rigidly encroaching on their hard-won rights. Nor do trans people deserve to be terrified by activist propaganda into thinking themselves more vulnerable to violence than they actually are.
Current trans activism needs a different vision and agenda.
Equally, I think, ordinary women haven’t been well served by recent mainstream feminism."

(Stock, Kathleen. Material Girls: Why Reality Matters for Feminism. London: Fleet, 2021.)

Ich kenne die Frau nicht, aber das ist mindestens extrem patronizing, wie man im Englischen sagt. Wer hat die Frau eigentlich dazu berufen, Trans-Personen vorschreiben zu können, was gefälligst deren Interessen und Agenda zu sein haben?
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Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 03.03.2024, 21:31, insgesamt einmal bearbeitet
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tillich (epigonal)
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Beiträge: 21821

Beitrag(#2303925) Verfasst am: 03.03.2024, 21:30    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
"Cancel Culture" bedeutet also eigentlich "Cancel Politics", d.h. es steht für zensur- oder sanktionspolitische Praktiken, die im "Culture War" gezielt eingesetzt werden—sowohl von Linken als auch von Rechten.

Immerhin räumst du damit schon mal ein, dass es problematische Versuche, Meinungsäußerungen zu beschränken, mindestens genauso auf der Rechten gibt, wie du es von der Linken behauptest. Jetzt müsstest du nur noch erkennen, dass tatsächliche staatliche Machtmittel, um Zensur durchzusetzen, in aller Regel nur rechten Politiker:innen zur Verfügung stehen, während linken Aktivist:innen mit evtl. überzogenen Forderungen nur Protest bleibt und linke Politiker:innen in Machtpositionen (soweit man von "links" sprechen kann) sowas idR einfach nicht machen.

Myron hat folgendes geschrieben:
Dafür, dass insbesondere auch aufseiten der Wachen Linken eine illiberale Zensur- und Sanktionspolitik gegen deren erklärte Feinde betrieben wird (zu denen nicht nur Rechte zählen!), gibt es mittlerweile viele Belege (wie den Fall Stock).

Ach ja? Dann gib doch mal tatsächliche Beispiele für eine durchgesetzte Zensur von linker Seite, wie es zB die von tarvoc angesprochenen Bibliothekssäuberungen in einigen US-Bundesstaaten oder auch das dortige Verbot, im Schulunterricht über LGBTQ-Themen zu sprechen, sind.
Der Fall Stock ist kein Fall von Zensur, denn Stock wurde von staatlicher Seite für ihre Positionen nicht zensiert, sondern im Gegenteil belobigt. Es gab -zugegeben heftige - Proteste, denen sie dann nachgegeben hat, aber keine Zensur.

Myron hat folgendes geschrieben:
Ja, das ist teilweise wahr. Mir ist nicht entgangen, dass Rechte oftmals "Cancel Culture!" schreien, sobald irgendwelche Entscheidungen getroffen oder Änderungen vorgenommen werden—und sei es auf demokratische Weise—, die ihnen gegen den ideologischen Strich gehen.

Aha. Immerhin räumst du schon mal ein, dass es das gibt. Damit bist du ja schon fast bei der zentralen These des von dir verlinkten Artikels angekommen, dass genau das die wesentliche Funktion des Begriffs "Cancel Culture" ist.

Myron hat folgendes geschrieben:
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es sehr wohl eine linksradikale Zensur- und Sanktionspolitik gibt (zu deren Praxis Sprachregelungen, Denunziation, Diffamierung und Mobbing gehören), die von einem selbstgerechten moralischen Manichäismus und Rigorismus angefeuert wird und unsere Grundfreiheiten tatsächlich bedroht. Diskussionen, Debatten oder Diskurse (und selbst Forschungsprojekte), die mit der linksidentitären Ideologie nicht konform gehen und als "problematisch" (= gefährlich) gebrandmarkt werden, sollen verhindert, gestört, abgebrochen/unterbrochen oder gar gesetzlich verboten werden. "Problematische" Bücher oder Aufsätze sollen aus Gründen der "Antidiskriminierung" und des "Opferschutzes" nicht veröffentlicht oder zurückgezogen werden.

Dann bring doch mal a) Beispiele, wo das über die im gesellschaftlichen Meinungsstreit legitimen Formen von Protest hinausgeht.
Und zeig vor allem b), dass diese Beispiele dann eine ganze herrschende "Kultur" wären, wie es der Begriff behauptet, und nicht Streitfälle, wie sie in der Gesellschaft nun mal vorkommen und die man als Streitfälle auch aushalten muss.

Myron hat folgendes geschrieben:
Es wird dich sicher nicht überraschen, wenn ich erwidere, dass es sich bei deiner alternativen "Erzählung" des Falles um ein Märchen handelt.

Dass man das anders sehen (heißt: anders bewerten) kann, schrieb ich ja selbst. Aber das ist dann eben eine andere Bewertung. Sachlich falsch war an der möglichen anderen Bewertung, die ich darstellte (und die nicht unbedingt meine ist, dafür interessiert mich der Fall zu wenig), aber nichts.

Myron hat folgendes geschrieben:
Die Behauptung, Stock wäre eine bösartige und gemeingefährliche "Transphobikerin", die es verdient hätte, "gecancelt" zu werden, ist eine glatte Lüge! [...]

Man muss eine ideologische Zerrbrille tragen, um das Folgende als Ausdruck von Transphobie lesen zu können:
Zitat:
"In this book, I’ve rejected gender identity theory. Since current trans activism enthusiastically embraces gender identity theory, it follows that I don’t believe ordinary trans people are well served by current trans activism. Trans people are trans people. We should get over it. They deserve to be safe, to be visible throughout society without shame or stigma, and to have exactly the life opportunities non-trans people do. Their transness makes no difference to any of this. What trans people don’t deserve, however, is to be publicly misrepresented in philosophical terms that make no sense; nor to have their everyday struggles instrumentalised in the name of political initiatives most didn’t ask for, and which alienate other groups by rigidly encroaching on their hard-won rights. Nor do trans people deserve to be terrified by activist propaganda into thinking themselves more vulnerable to violence than they actually are.
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Ja nun, das ist dann eben das "Aber Stock ist ganz lieb und überhaupt nicht transfeindlich!", das ich schon erwähnte. Nur ist sie eben gegen Self-ID, gegen die Akzeptanz von Trans-Personen in entsprechenden Räumen entsprechend ihrer geschlechtlichen Identität, gegen die Zugehörigkeit von Transpersonen zur LGBTQ- bzw eben nur LGB-Bewegung usw. Sprich: Theoretisch will sie ganz lieb sein, aber praktisch positioniert sie sich bei jeder Streitfrage transfeindlich. Man könnte auch sagen: Klassische "Ich hab ja nichts gegen ..., aber ..."-Rhetorik.

----------------------------------------------

Um es noch einmal klarzustellen: Natürlich mag es Streitfälle geben, wo linke Protestierende übers Ziel hinausschießen, unangemessene Kritik üben und/oder unangemessene Forderungen erheben. Es wäre merkwürdig, wenn es das nicht gäbe. Aber das sind eben Streitfälle, die zu einer offenen Gesellschaft dazugehören und ausgetragen werden müssen und keine angeblich herrschende "Cancel Culture". Letztere ist einfach nur ein Kampfbegriff von Reaktionären, die den offenen Streit eben nicht austragen, sondern im Ansatz ersticken wollen.
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(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)


Zuletzt bearbeitet von tillich (epigonal) am 03.03.2024, 21:35, insgesamt einmal bearbeitet
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Beitrag(#2303926) Verfasst am: 03.03.2024, 21:33    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Zitat:
"In this book, I’ve rejected gender identity theory. Since current trans activism enthusiastically embraces gender identity theory, it follows that I don’t believe ordinary trans people are well served by current trans activism. Trans people are trans people. We should get over it. They deserve to be safe, to be visible throughout society without shame or stigma, and to have exactly the life opportunities non-trans people do. Their transness makes no difference to any of this. What trans people don’t deserve, however, is to be publicly misrepresented in philosophical terms that make no sense; nor to have their everyday struggles instrumentalised in the name of political initiatives most didn’t ask for, and which alienate other groups by rigidly encroaching on their hard-won rights. Nor do trans people deserve to be terrified by activist propaganda into thinking themselves more vulnerable to violence than they actually are.
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Ja nun, das ist dann eben das "Aber Stock ist ganz lieb und überhaupt nicht transfeindlich!", das ich schon erwähnte.

Na ja... wie ich oben schon erwähnte, halte ich auch das schon allein dem Wortlaut nach für sehr viel ambivalenter als man auf den ersten Blick vielleicht meinen könnte.
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Beitrag(#2303927) Verfasst am: 03.03.2024, 21:38    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Zitat:
"In this book, I’ve rejected gender identity theory. Since current trans activism enthusiastically embraces gender identity theory, it follows that I don’t believe ordinary trans people are well served by current trans activism. Trans people are trans people. We should get over it. They deserve to be safe, to be visible throughout society without shame or stigma, and to have exactly the life opportunities non-trans people do. Their transness makes no difference to any of this. What trans people don’t deserve, however, is to be publicly misrepresented in philosophical terms that make no sense; nor to have their everyday struggles instrumentalised in the name of political initiatives most didn’t ask for, and which alienate other groups by rigidly encroaching on their hard-won rights. Nor do trans people deserve to be terrified by activist propaganda into thinking themselves more vulnerable to violence than they actually are.
Current trans activism needs a different vision and agenda. Equally, I think, ordinary women haven’t been well served by recent mainstream feminism."

(Stock, Kathleen. Material Girls: Why Reality Matters for Feminism. London: Fleet, 2021.)

Ja nun, das ist dann eben das "Aber Stock ist ganz lieb und überhaupt nicht transfeindlich!", das ich schon erwähnte.

Na ja... wie ich oben schon erwähnte, halte ich auch das schon allein dem Wortlaut nach für sehr viel ambivalenter als man auf den ersten Blick vielleicht meinen könnte.

Stimmt. Dass das auch paternalistisch ist (kann man "patronizing" so übersetzen?), ist eine gute Beobachtung.
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Beitrag(#2303928) Verfasst am: 03.03.2024, 22:22    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Stimmt. Dass das auch paternalistisch ist (kann man "patronizing" so übersetzen?), ist eine gute Beobachtung.

Leo Dictionary gibt mir für "to patronize" die hier relevanten Übersetzungen "bevormunden" oder "gönnerhaft oder herablassend behandeln". Das passt m. E. beides hier, "bevormunden" vielleicht noch besser. "To patronize" hat aber so wie ich die Verwendung kennengelernt habe wohl auch die Konnotationen von "gegen oder ohne dessen Einverständnis für jemand anderen sprechen" oder auch sowas wie "jemandem seine eigene Lebenswirklichkeit und Interessen erklären wollen".
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Myron
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Beiträge: 3525

Beitrag(#2303929) Verfasst am: 03.03.2024, 22:30    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
"Problematische" Bücher oder Aufsätze sollen aus Gründen der "Antidiskriminierung" und des "Opferschutzes" nicht veröffentlicht oder zurückgezogen werden.

Du meinst so wie in tausenden Bibliotheken im Bible Belt aufgrund gesetzlichen und staatlichen Zwanges? ...Ach nee, das kommt ja von rechts und nicht von links. Gehört dann wohl nicht zur Cancel Culture, muss man nicht drüber reden...?


Zitat:
"Cancel Culture" bedeutet also eigentlich "Cancel Politics", d.h. es steht für zensur- oder sanktionspolitische Praktiken, die im "Culture War" gezielt eingesetzt werden—sowohl von Linken als auch von Rechten." – Myron


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Der Begriff Cancel Culture ist nämlich in gewisser Weise schon nicht ganz falsch, wenn es um linke Bestrebungen geht. Linke haben dafür nämlich üblicherweise lediglich "kulturelle" Mittel wie z. B. Mundpropaganda zur Erzeugung lokaler Graswurzel-Aktionen zur Verfügung, während Rechte für ihre Zensurbestrebungen (zusätzlich zu in ihren Zwecken und Methoden vergleichbarer massiver kultureller und medialer Einflussnahme natürlich) tatsächlich Cancel Politics betreiben, nämlich zum Zweck der Zensur politischer Gegner die geballte Macht der Staatsgewalt einsetzen, wo immer man sie lässt. Nur um mal klarzustellen, wie hier die tatsächlichen Machtverhältnisse und auch die tatsächlichen Unterschiede sowohl in der Verfügbarkeit als auch in der Wahl der Mittel liegen.


Dort, wo die SPD, die Grünen oder die Linke (auf Bundes- oder Landesebene) mitregieren, stehen ihnen auch andere Mittel zur Verfügung. Was hältst du beispielsweise hiervon:

Zitat:
"Das grüne Familienministerium unterstützt mit Steuergeldern eine Website der Amadeu-Antonio-Stiftung, bei der «antifeministisches» Verhalten gemeldet werden soll. So wird es kinderleicht, Eltern und konservative Politiker anzuschwärzen."

Quelle: https://www.nzz.ch/meinung/der-andere-blick/antifeminismus-meldestelle-ein-problem-fuer-die-demokratie-ld.1726891


Zensurpolitik muss nicht von der Regierung oder anderen staatlichen Institutionen ausgehen, denn sie kann auch privatwirtschaftlich oder zivilgesellschaftlich betrieben werden (z.B. in Unternehmen wie Verlagen, sozialen Medien wie Facebook und Twitter/X, in Vereinen).

Ich bestreite nicht, dass ein Unterschied zwischen harter Zensurpolitik (à la Russland, China, Nordkorea) und vergleichsweise weicher Zensurpolitik besteht. Nichtsdestoweniger kann auch die substaatliche soft cancel culture der radikalen kulturellen Linken für den einzelnen Betroffenen erhebliche negative berufliche und andere gesellschaftliche Folgen haben (sofern er/sie noch lebt und nicht posthum "gecancelt" wird). "Weich" ist nicht gleich "harmlos"! Und wenn es ihnen gelingt, die staatliche Gesetzgebung in ihrem ideologischen Sinn zu beeinflussen, dann kann daraus eine hard cancel culture werden, die Verstöße mit Geldbußen oder gar Gefängnisstrafen sanktioniert.
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Myron
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Beitrag(#2303930) Verfasst am: 03.03.2024, 23:13    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:

Zensurpolitik muss nicht von der Regierung oder anderen staatlichen Institutionen ausgehen, denn sie kann auch privatwirtschaftlich oder zivilgesellschaftlich betrieben werden (z.B. in Unternehmen wie Verlagen, sozialen Medien wie Facebook und Twitter/X, in Vereinen).


Wenn man das Wort "Zensurpolitik" auf staatliche Zensurpraktiken beschränken will, dann kann man zwischen solchen und nichtstaatlichen Zensurpraktiken unterscheiden.
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Myron
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Anmeldungsdatum: 01.07.2007
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Beitrag(#2303931) Verfasst am: 03.03.2024, 23:35    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:

Jetzt wisch dir mal den Schaum vom Maul. Ist dir überhaupt aufgefallen, dass in tillichs Gegendarstellung das Wort "transphob" oder "Transphobiker" noch nicht mal vorkommt?


Ist Transfeindlichkeit etwas anderes als Transphobie? (Ja, ich weiß, "Transphobie" bedeutet wortwörtlich "Transfurcht"; aber es wird de facto als Synonym von "Transfeindlichkeit" gebraucht, oder nicht?)

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Erzähl doch mal, wer deiner Meinung nach überhaupt jemals legitim als transfeindlich zu bezeichnen wäre. Hast du dafür mal ein Beispiel?


Faschos, Nazis, Erzkatholen. Wer Transsexuelle oder Transvestiten als solche allgemein hasst oder verabscheut, sie als solche herabwürdigt oder erniedrigt, der ist transfeindlich/transphob gesinnt.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Zitat:
"In this book, I’ve rejected gender identity theory. Since current trans activism enthusiastically embraces gender identity theory, it follows that I don’t believe ordinary trans people are well served by current trans activism. Trans people are trans people. We should get over it. They deserve to be safe, to be visible throughout society without shame or stigma, and to have exactly the life opportunities non-trans people do. Their transness makes no difference to any of this. What trans people don’t deserve, however, is to be publicly misrepresented in philosophical terms that make no sense; nor to have their everyday struggles instrumentalised in the name of political initiatives most didn’t ask for, and which alienate other groups by rigidly encroaching on their hard-won rights. Nor do trans people deserve to be terrified by activist propaganda into thinking themselves more vulnerable to violence than they actually are.
Current trans activism needs a different vision and agenda.
Equally, I think, ordinary women haven’t been well served by recent mainstream feminism."

(Stock, Kathleen. Material Girls: Why Reality Matters for Feminism. London: Fleet, 2021.)

Ich kenne die Frau nicht, aber das ist mindestens extrem patronizing, wie man im Englischen sagt. Wer hat die Frau eigentlich dazu berufen, Trans-Personen vorschreiben zu können, was gefälligst deren Interessen und Agenda zu sein haben?


Ich lese ihre Worte als Ausdruck von sympathizing und nicht von "patronizing", von aufrichtiger Mitempfindung und nicht von herablassender Bevormundung.
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Beitrag(#2303932) Verfasst am: 04.03.2024, 00:34    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Ich lese ihre Worte als Ausdruck von sympathizing und nicht von "patronizing", von aufrichtiger Mitempfindung und nicht von herablassender Bevormundung.

Wer mit jemandem sympathisiert, versucht nicht, ihm vorzuschreiben, welche Agenda er gefälligst zu haben hat und welche nicht. Wer mit einer Gruppe sympathisiert, versucht auch nicht, die Gewalt herunterzuspielen, die die betreffenden Personen erfahren.

Mal zum Vergleich: Das hier sagt Kathleen Stock:
Zitat:
Nor do trans people deserve to be terrified by activist propaganda into thinking themselves more vulnerable to violence than they actually are.


Das hier sagt The Guardian:
Zitat:
A record number of hate crimes were committed against transgender people last year in England and Wales, even as racist and homophobic hate crimes recorded by police fell for the first time on record.

In the year ending March 2023, 4,732 hate crimes against transgender people were recorded – a rise of 11% on the previous year.


Wir haben hier jetzt drei Optionen: Entweder The Guardian gehört zu diesen linken Aktivisten, von denen Kathleen Stock spricht, und versucht aufgrund einer finsteren Agenda, Transgender-Personen einzureden, sie wären viel gefährdeter als sie es wirklich sind. Kann ja sein, immerhin wird das Blatt als linksliberal eingestuft. Dann müsste es allerdings ein Leichtes sein, die Darstellung im Artikel mit Zahlen und Fakten zu widerlegen, was Stock oder du dann gerne tun dürfen. Oder Stock ist zwar eine genuine Sympathisantin von Trans-Personen, aber so unwissend über deren Lage, dass sie schlichtweg keine Ahnung hat, wovon sie spricht - in welchem Fall sie erstmal ihre Hausaufgaben machen sollte, bevor sie den Mund zum Thema aufmacht, wie sich das für eine Wissenschaftlerin eigentlich gehört. Oder Stock sagt über das Ausmaß der Gefahr absichtlich die Unwahrheit. Ich weiß nicht, welche Motivation sie dafür haben könnte, aber die Handlung selbst zeugt gelinde gesagt nicht gerade von Sympathie für Trans-Personen.

Das sind die drei Möglichkeiten. Pick one.

Nur als kleines Bonmot noch dazu:

Zitat:
Transgender- and disability-based hate crimes were less likely to result in a charge or court summons than hate crimes based on a person’s race, religion or sexual orientation.

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Myron
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Beitrag(#2303933) Verfasst am: 04.03.2024, 04:41    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Mal zum Vergleich: Das hier sagt Kathleen Stock:
Zitat:
Nor do trans people deserve to be terrified by activist propaganda into thinking themselves more vulnerable to violence than they actually are.


Das hier sagt The Guardian:
Zitat:
A record number of hate crimes were committed against transgender people last year in England and Wales, even as racist and homophobic hate crimes recorded by police fell for the first time on record.

In the year ending March 2023, 4,732 hate crimes against transgender people were recorded – a rise of 11% on the previous year.


Wir haben hier jetzt drei Optionen: Entweder The Guardian gehört zu diesen linken Aktivisten, von denen Kathleen Stock spricht, und versucht aufgrund einer finsteren Agenda, Transgender-Personen einzureden, sie wären viel gefährdeter als sie es wirklich sind. Kann ja sein, immerhin wird das Blatt als linksliberal eingestuft. Dann müsste es allerdings ein Leichtes sein, die Darstellung im Artikel mit Zahlen und Fakten zu widerlegen, was Stock oder du dann gerne tun dürfen. Oder Stock ist zwar eine genuine Sympathisantin von Trans-Personen, aber so unwissend über deren Lage, dass sie schlichtweg keine Ahnung hat, wovon sie spricht - in welchem Fall sie erstmal ihre Hausaufgaben machen sollte, bevor sie den Mund zum Thema aufmacht, wie sich das für eine Wissenschaftlerin eigentlich gehört. Oder Stock sagt über das Ausmaß der Gefahr absichtlich die Unwahrheit. Ich weiß nicht, welche Motivation sie dafür haben könnte, aber die Handlung selbst zeugt gelinde gesagt nicht gerade von Sympathie für Trans-Personen.

Das sind die drei Möglichkeiten. Pick one.


Stock geht in ihrem Buch auf das Thema Gewalt gegen Transgender (& die vorgelegten Statistiken) ausführlicher ein. Ich kann das hier aber nicht alles zitieren. Es wäre also gut, wenn du ihr Buch selbst läsest.

Sie wirft bestimmten Transorganisationen vor, mit Statistiken wirklichkeitsverzerrende Propaganda zu betreiben, wobei sie nicht leugnet, dass "transphobic violence does happen in the UK", und dass es "a genuine social problem of aggression towards trans people" gibt. ABER:

Zitat:
"Beyond information about criminal convictions, to get a true picture of the extent to which violence towards trans people is a social problem in the UK, what we really need is data that isn’t produced by trans activist organisations for the purposes of lobbying. We need data that conforms with (gold) standard academic norms for knowledge production. Whether we can get this in a climate in which most universities are also Stonewall Diversity Champions is another matter.
Such instances of propaganda by trans activist organisations encourage non-trans and trans people alike to think of trans people as unusually and extremely vulnerable to being murdered, attacked or dying by suicide. The propaganda is aimed at non-trans people in particular, and is designed to get them on board with the activist agenda."

(Stock, Kathleen. Material Girls: Why Reality Matters for Feminism. London: Fleet, 2021.)


Du erwähnst oben einen Artikel aus dem Guardian. Da dieser 2023 erschienen ist und ihr Buch 2021, konnte sie darauf logischerweise nicht eingehen. Sie erwähnt aber einen Guardian-Artikel zum selben Thema von 2019. Darin geht es um "the number of hate crimes reported to police". (Im Artikel von 2023 ist von "hate crimes recorded by police" die Rede.) Die Anzahl der Anzeigen bei der Polizei ist aber nicht mit der Anzahl der gerichtlichen Verurteilungen wegen eines nachgewiesenen Hassverbrechens identisch. Wie sieht denn die Statistik bei Letzterem aus?

Zum richtigen Verständnis muss man überdies wissen, dass die britische Polizei und der Crown Prosecution Service "Hassverbrechen" offiziell wie folgt definieren:

Zitat:
"Any criminal offence which is perceived by the victim or any other person, to be motivated by hostility or prejudice, based on a person's disability or perceived disability; race or perceived race; or religion or perceived religion; or sexual orientation or perceived sexual orientation or transgender identity or perceived transgender identity."

Quelle: https://www.cps.gov.uk/crime-info/hate-crime


Diese Definition macht die subjektive Wahrnehmung vermeintlicher Opfer oder von Zeugen zum wesentlichen Maßstab, was bereits fragwürdig ist. Denn wenn eine Transperson beleidigt, bedroht oder angegriffen wird, dann bedeutet dies nicht unbedingt, dass Transfeindlichkeit das Motiv ist.
Was die Definition noch schwammiger macht, ist, dass:

Zitat:
"There is no legal definition of hostility so we use the everyday understanding of the word which includes ill-will, spite, contempt, prejudice, unfriendliness, antagonism, resentment and dislike."

Quelle: https://www.cps.gov.uk/crime-info/hate-crime


Außerdem:

Zitat:
"Hate crime can fall into one of three main types: physical assault, verbal abuse and incitement to hatred."

Quelle: https://www.met.police.uk/advice/advice-and-information/hco/hate-crime/what-is-hate-crime/


Stock spricht aber nicht über alle drei Haupttypen von Hassverbrechen, sondern nur über physische Gewalt gegen Transgender, wozu ausschließlich Fälle von Körperverletzung, Totschlag oder Mord zählen. Über die Mordrate an Transgendern in Großbritannien schreibt sie (im Jahr 2021):

Zitat:
"When we look at the murder rate of trans people in the UK over a decade it turns out it is, on average, around one a year as an absolute value. No trans people have been murdered in the UK in the last two years. Generally speaking, roughly 1 per 100,000 people are murdered on average in the UK every year. As indicated in my introduction, according to Stonewall, their ‘best estimate’ of how many trans people there are in the UK is ‘about 600,000 trans and non-binary people in Britain, out of a population of over 60 million’. If that’s right, this means the murder rate for trans people is lower than for the general population as a whole. Needless to say, this isn’t a message you’re ever likely to get from attending a TDOR [Transgender Day of Remembrance] event in the UK."

(Stock, Kathleen. Material Girls: Why Reality Matters for Feminism. London: Fleet, 2021.)


Zwei abschließende Zitate, die belegen, dass ihr die körperliche Unversehrtheit von Transgendern keineswegs gleichgültig ist:

Zitat:
"Trans people deserve lives free from fear. They deserve laws and policies that properly protect them from discrimination and violence. But as I will argue, laws and policies based around gender identity are not the right route."

"I am not arguing against legal protections for trans people against violence, discrimination or coercive surgeries. I enthusiastically support these protections."

(Stock, Kathleen. Material Girls: Why Reality Matters for Feminism. London: Fleet, 2021.)
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Myron
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Beitrag(#2303934) Verfasst am: 04.03.2024, 07:25    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
"Cancel Culture" bedeutet also eigentlich "Cancel Politics", d.h. es steht für zensur- oder sanktionspolitische Praktiken, die im "Culture War" gezielt eingesetzt werden—sowohl von Linken als auch von Rechten.

Immerhin räumst du damit schon mal ein, dass es problematische Versuche, Meinungsäußerungen zu beschränken, mindestens genauso auf der Rechten gibt, wie du es von der Linken behauptest. Jetzt müsstest du nur noch erkennen, dass tatsächliche staatliche Machtmittel, um Zensur durchzusetzen, in aller Regel nur rechten Politiker:innen zur Verfügung stehen, während linken Aktivist:innen mit evtl. überzogenen Forderungen nur Protest bleibt und linke Politiker:innen in Machtpositionen (soweit man von "links" sprechen kann) sowas idR einfach nicht machen.


Na klar, die Rechten sind immer die Bösen und die Linken immer die Guten. zwinkern

Linke Parteien wie die Linke, die Grünen und die SPD verfügen übrigens als Teile von Bundes- oder Landesregierungen über staatliche Macht.

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Dafür, dass insbesondere auch aufseiten der Wachen Linken eine illiberale Zensur- und Sanktionspolitik gegen deren erklärte Feinde betrieben wird (zu denen nicht nur Rechte zählen!), gibt es mittlerweile viele Belege (wie den Fall Stock).

Ach ja? Dann gib doch mal tatsächliche Beispiele für eine durchgesetzte Zensur von linker Seite, wie es zB die von tarvoc angesprochenen Bibliothekssäuberungen in einigen US-Bundesstaaten oder auch das dortige Verbot, im Schulunterricht über LGBTQ-Themen zu sprechen, sind.


Um bei Büchern zu bleiben, die "Rakulis" (radikalen kulturellen Linken) wollen "problematische" Literatur (wozu für sie genderkritische Werke gehören) am liebsten ebenfalls "canceln". Rechtsradikale, die über die Macht verfügen, das einfach per Gesetz zu vollziehen, sind ihnen gegenüber natürlich im Vorteil, solange sie nicht selbst Regierungsmacht besitzen.

* https://www.gbnews.com/news/yorkshire-news-censorship-trans-books-calderdale-mein-kampf

* https://www.gbnews.com/news/cancel-culture-row-cambridge-university-blacklists-books

Ich habe vor Kurzem Alex Byrne's neues (genderkritisches) Buch Gender Trouble gelesen, das ursprünglich bei Oxford University Press erscheinen sollte. Der Verlag cancelte den bereits mit Byrne abgeschlossenen Publikationsvertrag jedoch mit der Begründung, "that the book does not treat the subject in a sufficiently serious and respectful way." (Quelle) Diese Behauptung ist nachweislich unzutreffend; aber wenn es um politische Korrektheit geht, sind Fakten bekanntlich nebensächlich.

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Der Fall Stock ist kein Fall von Zensur, denn Stock wurde von staatlicher Seite für ihre Positionen nicht zensiert, sondern im Gegenteil belobigt. Es gab -zugegeben heftige - Proteste, denen sie dann nachgegeben hat, aber keine Zensur.


Es waren nicht friedliche Proteste, die sie schließlich dazu bewogen haben "nachzugeben", sondern organisierter Psychoterror bis hin zur Androhung physischer Gewalt!

Stock bzw. ihre Bücher/Aufsätze/Zeitungsartikel wurden zwar nicht vonseiten des Staates zensiert, aber der Begriff "Cancel Culture" umfasst offenkundig auch andere Arten negativer Sanktionen (auf substaatlicher Ebene). Welche genau, das ist allerdings die Frage. Zensur zählt sicher dazu, aber was noch alles? Boykott, Sabotage, Mobbing, Denunziation, Diffamierung…? Es ist zugegebenermaßen unsinnig, jegliche Art politischen Protestes als Cancel Culture zu bezeichnen.
Der (unbekannte) Autor eines bereits erwähnten Artikels hat nicht unrecht, wenn er schreibt:

Zitat:
"In how far such a thing as a ‘Cancel Culture’ actually exists, in how far a variety of incidences add up to the formation of a structured pattern, however, is open to debate. In fact, it is not even clear what should fall under the category. To un-invite or de-platform someone from a talk or an exhibition because some members of the public object to the speaker’s or artist’s political positions? To call out a comedian for his sexist jokes and gross behavior on Twitter? To accuse a bestselling author, whose books continue to fly off the shelves, of transphobia? To put a disclaimer in front of some old Muppet Show episode? Despite such vagueness in application, most of today’s users of the term ‘Cancel Culture’ deliver an evaluation without caring much about constituting a coherent phenomenon[.]"

Quelle: https://www.cultural-studies.uni-kiel.de/current-issues-in-cultural-studies/cancel-culture


Etymologisch ist das englische Verb "to cancel" vom lateinischen Verb "cancellare" abgeleitet, das "gitterförmig machen, gittern; mit Gittern (×) durchstreichen, kanzellieren" bedeutet. Das ebenfalls davon abgeleitete deutsche Verb "kanzellieren" bedeutet entsprechend "(Geschriebenes) durch Durchkreuzen ungültig machen", also "aus-/durchixen". Es gibt aber unterschiedliche Arten und Weisen der "Aus-/Durchixung" von Menschen oder Sachen aus ideologischen Motiven.

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Ja, das ist teilweise wahr. Mir ist nicht entgangen, dass Rechte oftmals "Cancel Culture!" schreien, sobald irgendwelche Entscheidungen getroffen oder Änderungen vorgenommen werden—und sei es auf demokratische Weise—, die ihnen gegen den ideologischen Strich gehen.

Aha. Immerhin räumst du schon mal ein, dass es das gibt. Damit bist du ja schon fast bei der zentralen These des von dir verlinkten Artikels angekommen, dass genau das die wesentliche Funktion des Begriffs "Cancel Culture" ist.


Tja, es kommt darauf an, wer ihn wie gebraucht; aber die "Kanzellierungskultur" ist gewiss kein Getreide, das nur auf linken Äckern wächst.

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass es sehr wohl eine linksradikale Zensur- und Sanktionspolitik gibt (zu deren Praxis Sprachregelungen, Denunziation, Diffamierung und Mobbing gehören), die von einem selbstgerechten moralischen Manichäismus und Rigorismus angefeuert wird und unsere Grundfreiheiten tatsächlich bedroht. Diskussionen, Debatten oder Diskurse (und selbst Forschungsprojekte), die mit der linksidentitären Ideologie nicht konform gehen und als "problematisch" (= gefährlich) gebrandmarkt werden, sollen verhindert, gestört, abgebrochen/unterbrochen oder gar gesetzlich verboten werden. "Problematische" Bücher oder Aufsätze sollen aus Gründen der "Antidiskriminierung" und des "Opferschutzes" nicht veröffentlicht oder zurückgezogen werden.

Dann bring doch mal a) Beispiele, wo das über die im gesellschaftlichen Meinungsstreit legitimen Formen von Protest hinausgeht.
Und zeig vor allem b), dass diese Beispiele dann eine ganze herrschende "Kultur" wären, wie es der Begriff behauptet, und nicht Streitfälle, wie sie in der Gesellschaft nun mal vorkommen und die man als Streitfälle auch aushalten muss.


Wie gesagt, das Wort "Kanzellierungskultur" steht für verschiedene Praktiken oder Modi Operandi, die in negativen sozialen Sanktionen gegenüber erklärten ideologischen Feinden bestehen, sei es auf staatlicher oder außerstaatlicher Ebene.

Die Frage ist, welche Formen von Protest oder Widerstand in einer liberaldemokratischen, "offenen" Gesellschaft legitim sind und welche nicht. Linke wie rechte Radikale/Extremisten neigen ihrer Natur nach zu einem hohen Maß an Intoleranz und zu illiberalen Vorgehensweisen.

"Berliner Humboldt-Universität: Israelfeindliche Studenten erzwingen den Abbruch einer Veranstaltung mit einer Richterin aus Israel"

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:

Um es noch einmal klarzustellen: Natürlich mag es Streitfälle geben, wo linke Protestierende übers Ziel hinausschießen, unangemessene Kritik üben und/oder unangemessene Forderungen erheben. Es wäre merkwürdig, wenn es das nicht gäbe. Aber das sind eben Streitfälle, die zu einer offenen Gesellschaft dazugehören und ausgetragen werden müssen und keine angeblich herrschende "Cancel Culture". Letztere ist einfach nur ein Kampfbegriff von Reaktionären, die den offenen Streit eben nicht austragen, sondern im Ansatz ersticken wollen.


Ja, es ist auch ein Kampfbegriff von Rechten, aber nicht nur; denn die radikalen Linksidentitären wollen "den offenen Streit" ebenfalls "nicht [liberaldemokratisch] austragen, sondern im Keim ersticken"!

Zitat:
"Projekt der Aufklärung: Demokratie? – Vom öffentlichen Vernunftgebrauch und einer vitalen Zivilkultur

Das Ideal der deliberativen Demokratie ist der herrschaftsfreie Diskurs. Es gibt keine Hierarchie zwischen den Diskursteilnehmern, alle haben die gleiche Möglichkeit, ihren Standpunkt zu Gehör zu bringen und zu begründen, niemand wird zum Schweigen gebracht, niemand beansprucht für sich die Diskurshoheit. Die Teilnehmer an einem Diskurs begegnen sich auf Augenhöhe, sie hören einander zu, schneiden sich nicht das Wort ab und beenden die Kommunikation nicht willkürlich.

Der Rückzug in die Zitadelle der eigenen Gewissheiten, die durch entgegenstehende Auffassungen nicht erschüttert werden, weil diese nicht mehr Teil des Diskurses sein dürfen, die Beschränkung des Austausches auf die Gemeinschaft Gleichgesinnter und der Versuch, die Meinungsäußerungen derjenigen, die nicht dazugehören, zu unterdrücken, markiert den Weg in die voraufklärerische Vergangenheit gefestigter Dogmen und weltanschaulicher Autoritäten.

Ohne den öffentlichen Vernunftgebrauch und eine vitale Zivilkultur, die diesen trägt, kann die Demokratie als Staats- und Gesellschaftsform nicht bestehen. Wenn dieser öffentliche Vernunftgebrauch durch Ausgrenzung, Parzellierung, Diskriminierung, Intoleranz und Cancel Culture zugrunde ginge, wäre die Demokratie als eine Form der kollektiven Selbstbestimmung der Gleichen und Freien nicht zu retten."

Julian Nida-Rümelin: https://politikkultur.de/aktuelle-meldungen/projekt-der-aufklaerung-demokratie/
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Tarvoc
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Beitrag(#2303939) Verfasst am: 04.03.2024, 14:49    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Zitat:
"Trans people deserve lives free from fear. They deserve laws and policies that properly protect them from discrimination and violence. But as I will argue, laws and policies based around gender identity are not the right route."

(Stock, Kathleen. Material Girls: Why Reality Matters for Feminism. London: Fleet, 2021.)

Was ist denn für Stock der richtige Weg?
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VanHanegem
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Beitrag(#2303949) Verfasst am: 05.03.2024, 11:09    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Aha. Kannst du den Zusammenhang auch begründen?

Ich habe bereits auf fwo's link verwiesen. Wer lesen kann ist klar im Vorteil
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fwo
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Beitrag(#2303953) Verfasst am: 05.03.2024, 15:51    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Sie sind in unseren Medien ziemlich lautstark vertreten, nicht unbedingt in Diskussionen, aber hinreichend mit ihren Aktionen, sonst könnten sie weder von den Konservativen angefeindet noch von ein paar Linken beklatscht werden.

Das hört sich jetzt so an: "Es wird doch ganz viel über diese Leute geschrieben, also kommen sie doch zu Wort!"

Wollte ich auch gerade schreiben.

Jetzt sollte man aber auch in Betracht ziehen, was von ihnen berichtet wird:
Da geht es um Mobbing, glücklicherweise meist noch nicht um körperliches Mobbing, sondern um Nachrichten, die sie verbreiten. Sie stellen also ihre Position dar und werden dabei über die Berichterstattung auch von allen wahrgenommen. Und nur, weil sie so lautstark sind, sind sie doch überhaupt Thema.
Allerdings ist es so, dass sie nur in bestimmten, nicht allen, linken Kreisen Zustimmung erfahren.

Es handelt sich nicht um Strömungen, die breit in der Gesellschaft vertreten sind, da treffen sie überwiegend auf Unverständnis, aber in den Universitäten sind sie sehr lautstark und verbreiten - das war aus der Diskussion zu entnehmen - durchaus bei Teilen des Lehrkörpers auch Furcht.

Der Artikel aus der NZZ, den ich verlinkt habe, gibt ein noch stärkeres Bild für Frankreich.

Wäre ja schön, wenn ihr mal darauf eingehen würdet, anstatt euch darüber zu beschweren, dass die ja gar nicht zu Wort kommen.

Könntest du vorher selbst kurz darstellen, was du in dem Artikel aus der NZZ besonders bemerkenswert findest? Oder entsprechend in dem Gespräch?

Jetzt hört sich das nämlich präziser so an: "Es wird doch ganz viel über diese Leute geschrieben, also kommen sie doch zu Wort! Und das, obwohl es nur negative Sachen über sie zu schreiben gibt und sie eigentlich total irrelevant sind!" Wirkt nicht wie der Versuch einer unvoreingenommenen Auseinandersetzung.

Nur vorneweg: Eine unvoreingenommene Auseinandersetzung bedeute nicht, dass beide Seite zu Wort kommen müssen - ich muss mir bei der Sachlage nicht Putin anhören, um den russischen Krieg verurteilen zu können. Genauso gibt es bestimmte Sachlagen auch an den Universitäten. Die an der Diskussion Beteiligten sprechen von ihren praktischen Erfahrungen als Lehrende - da geht es nicht um einen theoretischen Streit.

Dass jemand nicht unbedingt 45 Minuten einer Diskussion anhören mag, kann ich ja noch verstehen, auch wenn mich die Reserviertheit gerade gegenüber diesen Gesprächsteilnehmern etwas verwundert. Aber beim Artikel einer Tageszeitung zuerst ein Referat des Inhalts zu verlangen, weil so ein Artikel ja viel zu lang ist, um da selbst reinzusehen... Ich würde sagen, deutlicher kann man es kaum machen, dass man sich mit diesem Thema nicht in einer Weise beschäftigen möchte, die theoretisch geeignet sein könnte, an den eigenen Vorurteilen zu kratzen. Warum antwortest Du dann überhaupt?

Aber hier mal ein paar wirklich herausragende Vorfälle, die auch bundesweit durch die Presse gingen. Ich nehme davon die letzten ab 2014 bis 2021 und nur die von links (rechte, die ähnlich wirken, gibt es auch.) Der Hauptteil der Liste stammt von Nida-Rümelin, aber mir sind auch noch welche eingefallen, die da reingehören. (Der direkte Zusammenhang dieser Vorfälle mit dem Thema wird erst am Ende deutlich - lies also bis bis zum Ende)

2014 Der Historiker Jörg Baberowski wurde als Rassist beschimpft und erhielt Morddrohungen.
2015 Das Satire-Magazin Charlie Hebdo veröffentlicht eine Mohammed-Karikatur: Radikalisierte Muslime töteten 12 Mitarbeiter aus der Redaktion und verletzten 20 weitere.
Das habe ich u.a. wegen des nächsten Punktes unter links aufgezählt.
2016 lud die Uni Augsburg Hamed abdel-Samad mit der Begründung aus, er habe schon auf Einladung der AfD gesprochen
2018 wurde an der Uni Siegen Professor Dieter Schönecker die Verwendung von Haushaltsmitteln für eine Einladung Thilo Sarrazins und des AfD-Politikers Marc Jongen im Rahmen einer Diskussionsveranstaltung zur Meinungsfreiheit untersagt. "Ungeachtet dessen, dass langjährige Mitarbeiter versicherten, dass Schönecker Welten von rechtspopulistischen und nationalistischen Vorstellungen entfernt sei, und selbstredend solchen Positionen auch keine propagandistische Bühne hätte bieten wollen, konnten die Vorträge nur unter Polizeischutz stattfinden. Es gab Störversuche, Diffamierungen und Morddrohungen gegen Schönecker".
2019 wurde ein Vortrag von Thomas de Maiziere im Rahmen des Literaturherbstes durch Demonstranten verhindert.
2019 haben Studenten versucht, das "Nazi-Schwein" Bernd Lucke davon abzuhalten, seine Vorlesungen zu halten - die Uni hat sich damals nur sehr halbherzig von den Mobbern distanziert.
2019 gab es einen Versuch, die Ethnologin Susanne Schröter an der Veranstaltung einer Diskussion mit dem Titel "Das islamische Kopftuch - Symbol der Würde oder der Unterdrückung?" zu hindern. Stattdessen forderte man ihren Rücktritt wegen Rassismus und Islamophobie.
2020 wurde in Frankreich ein Lehrer von einem islamistischen Lehrer enthauptet, weil er eine Karikatur des Propheten im Unterricht gezeigt hatte.
2021 wurde ein Auftrittsverbot für die Ressortleiterin der FAZ bei einer Veranstaltung zum Thema "Verletzungen von Minderheiten" gefordert.
2021 Die Stadt Hannover sagte eine Veranstaltung ab, auf der der emeritierte Professor Helmut Bley für neuere und afrikanische Geschichte an der Leibnitzuniversität Hannover einen Vortrag mit dem Titel "Kolonialgeschichte von Afrikaneren und Afrikanerinnen her denken" halten sollte. Grund: Die Initiative für Diskriminierungssensibilität und Rassismuskritik hatte etwas dagegen, dass ein alter weißer Mann, der sich nicht in afrikanische Verhältnisse hineindenken und einfühlen könne, zu diesem Thema sprechen sollte.
2021: Die Philosophin Kathleen Stock, die an der Universität von Sussex lehrte, sah sich nach eigenen Angaben nach jahrelangem Druck durch Studierende gezwungen, zu kündigen. Diese warfen ihr transphobe Ansichten vor, weil Stock eine feministische Philosophie vertritt, die auf der Anerkennung eines biologischen Geschlechts basiert.
2021 In einer englischen Kleinstadt wurde ein Lehrer suspendiert, weil er einer Schulklasse im Rahmen einer Unterrichtsstunde über Religion die Mohammed-Karikaturen aus Charlie Hebdo gezeigt hatte und muslimische Eltern deshalb die Entlassung gefordert hatten.

Die islamistischen Vorfälle habe ich hier mit aufgezählt, weil der besondere "Minderheiten-Schutz für Muslime" nicht beim militanten Islamismus aufhört - siehe das letzte Beispiel oder die einseitige Verurteilung Israels beim momentanen Krieg.

Diese Liste ist mit Sicherheit alles andere als vollständig, und natürlich zeigt sie nur die Extreme. Was diese Vorfälle nur bedingt zeigen, das ist die dauernde Auswirkung auf das Klima an den Hochschulen. Etwas ist davon zu sehen an den zögerlichen Reaktionen der Uni Hamburg beim Mobbing gegen Lucke. Was hier auch fehlt sind die Boykott-Aufrufe und Forderungen für Auftrittsverbote von z.B. Sängern, die man der "kulturellen Aneignung" für schuldig hält - Musik ist nicht mein Thema.

Bei der von mir verlinkten Diskussion geht es hauptsächlich um diese Stimmung, die Bedrohung von Dozenten, die Verhinderung von Diskussionen. Der Artikel der NZZ hat den selben Gegenstand in Form einer Reportage direkt von einer französischen Uni und entstand teilweise in der Begleitung einer konservativen Studentin.
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fwo
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Beitrag(#2303954) Verfasst am: 05.03.2024, 16:02    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Zitat:
"Trans people deserve lives free from fear. They deserve laws and policies that properly protect them from discrimination and violence. But as I will argue, laws and policies based around gender identity are not the right route."

(Stock, Kathleen. Material Girls: Why Reality Matters for Feminism. London: Fleet, 2021.)

Was ist denn für Stock der richtige Weg?

Im Gegensatz zu Myron finde ich Stocks Meinung relativ uninteressant, ich bin auch nicht geneigt, ihr zuzustimmen. Aber das ist auch nicht Gegenstand dieses Threads.
Was für mich am Fall Kathleen Stock interessant ist und thematisch auch in diesen Thread gehört, ist, dass sie wegen ihrer Meinung durch persönliche Drohungen dazu gedrängt wurde, ihren Job an der Uni aufzugeben. Deshalb ist sie auch in der kleinen Liste hierdrüber mit aufgezählt.
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narr
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Beitrag(#2303955) Verfasst am: 05.03.2024, 16:07    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Sie sind in unseren Medien ziemlich lautstark vertreten, nicht unbedingt in Diskussionen, aber hinreichend mit ihren Aktionen, sonst könnten sie weder von den Konservativen angefeindet noch von ein paar Linken beklatscht werden.

Das hört sich jetzt so an: "Es wird doch ganz viel über diese Leute geschrieben, also kommen sie doch zu Wort!"

Wollte ich auch gerade schreiben.

....
Diese Liste ist mit Sicherheit alles andere als vollständig, ...


Es wird auch egal sein, wie viel man hier auflistet. tillich (epigonal) und Tarvoc werden behaupten es handele sich um Anekdoten und wahllos verknüpfte Vorfälle, die nichts miteinander zu tun haben. Alles was nicht in den Kram passt sind Behauptungen nur sie bringen "Fakten". Wer sich die Arbeit machen wollte kann da sicher rabulistische Tendenzen aufzeigen. Den beiden geht es nicht darum sich offen über eine, imo gefährliche, Strömung in der Gesellschaft auszutauschen, sondern darum aggressiv ihre Meinung zu verkaufen.
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Myron
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Beitrag(#2303958) Verfasst am: 05.03.2024, 18:25    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
…2019 gab es einen Versuch, die Ethnologin Susanne Schröter an der Veranstaltung einer Diskussion mit dem Titel "Das islamische Kopftuch - Symbol der Würde oder der Unterdrückung?" zu hindern. Stattdessen forderte man ihren Rücktritt wegen Rassismus und Islamophobie.…


Ein Interview mit Schröter zum Thema Islamo-gauchisme:

https://www.nzz.ch/international/susanne-schroeter-der-weisse-westen-als-gemeinsamer-feind-schliesst-woke-linke-und-islamisten-zusammen-ld.1814912
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Tarvoc
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Beitrag(#2303959) Verfasst am: 05.03.2024, 19:14    Titel: Antworten mit Zitat

narr hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) und Tarvoc werden behaupten es handele sich um Anekdoten und wahllos verknüpfte Vorfälle, die nichts miteinander zu tun haben.

Wie kommst du darauf, dass ich mich diesbezüglich überhaupt zu irgendeiner definitiven Behauptung versteigern würde oder müsste? Es kann ja durchaus sein, dass es da eine Verbindung gibt. Ich möchte aber schon darauf hinweisen, dass diejenigen, die eine Verbindung behaupten, diesbezüglich auch in der argumentativen Bringschuld sind, und nicht die, die dagegen skeptisch sind. Das heißt, ich würde dann schon ganz gerne diese Verknüpfung genau dargelegt haben, und zwar mit besseren Argumenten als "Islamistische Morde zählen auch zu der Liste, weil Linke das in Wahrheit doch voll geil finden, wenn Muslime Ungläubige abschlachten!!" Ich sehe jedenfalls nicht, dass fwo diesbezüglich irgendein überzeugendes Argument gebracht hätte, und das obwohl einiges andere an seinem Beitrag durchaus gut argumentiert ist und ich an der Aufnahme vieler anderer Punkte in seine Liste nichts auszusetzen habe. Dass Linke irgendwann mal die Enthauptung von Lehrern für das Zeigen von Mohammedbildern gutgeheißen hätten, geschweige denn dass so eine Meinung jemals auch nur eine signifikante Minderheit innerhalb der Linken gewesen wäre, hätte fwo dann aber doch erst noch zu belegen. Wenn dem nicht so ist, dann kann der betreffende Vorfall nämlich ehrlicherweise auch nicht in eine Liste mit Vorfällen "von links" aufgenommen werden. Es ist keine Verleugnung der Realität, nach Belegen und Argumenten für Zusammenhänge zu fragen und ansonsten gegenüber solchen Behauptungen skeptisch zu bleiben.

Ach ja: Der Versuch, andere Gesprächsteilnehmer durch Unterstellungen zu diskreditieren, bevor diese überhaupt Gelegenheit hatten, sich zur Sache zu äußern, ist übrigens ein ziemlich mieser eristischer Handgriff namens Poisoning the Well.

narr hat folgendes geschrieben:
Alles was nicht in den Kram passt sind Behauptungen nur sie bringen "Fakten".

Was ist das bitte für eine unsinnige begriffliche Gegenüberstellung? Dir ist schon klar, dass alle Behauptungen per definitionem Behauptungen von Fakten sind und dass auch Behauptungen von Fakten, die tatsächlich zutreffen, immer noch Behauptungen sind, die man zu belegen hat (nämlich gerade um ihr Zutreffen zu erweisen)? Oder sind dir schon diese grundlegenden epistemologischen Begrifflichkeiten und Konzepte unklar? Übrigens: Die Liste von fwo besteht weitestgehend aus nachprüfbar faktisch korrekten Behauptungen. Mit den Augen rollen

narr hat folgendes geschrieben:
Wer sich die Arbeit machen wollte kann da sicher rabulistische Tendenzen aufzeigen.

Put your money where your mouth is.
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Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 05.03.2024, 21:54, insgesamt einmal bearbeitet
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Myron
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Beitrag(#2303961) Verfasst am: 05.03.2024, 20:17    Titel: Antworten mit Zitat

Begriffliches:
Eve Ng unterscheidet in ihrem Buch über die (sogenannte) Kanzellierungskultur sinnvollerweise zwischen Kanzellierungszielen ("K-Zielen"), Kanzellierungspraktiken ("K-Praktiken") und Kanzellierungsdiskursen erster und zweiter Ordnung ("K-Diskurse", "K-Metadiskurse"). Kanzellierungskultur ("K-Kultur") umfasst für sie sowohl K-Praktiken als auch K-Diskurse.

Zitat:
"It is useful at this point to define a number of terms that will recur throughout. First, there is the cancel target, which can be an individual, brand, or company that is subject to what I refer to as “cancelling” or “cancel practices.” Some cancelling/cancel practices revolve around media, including social media posts, both those that explicitly use the term “cancelled” (e.g. #Elleniscancelled, #Youarecancelled), or posts that mean the same thing, such as the “Get out. BTS is dead” post. Other cancel practices involve withdrawing public support from the cancel target, such as unfollowing them on social media, no longer buying the brands in question or those promoted by a targeted celebrity, no longer watching the television/films or listening to the music they are associated with, and so on. At the institutional level, cancel practices may involve literal cancelling, such as networks cancelling television shows (or series or films in the works) of stars who have behaved problematically. Corporations may completely terminate their public associations with cancelled targets, or take less drastic measures, such as in response to the BTS Van Fleet award speech incident; conversely, celebrities may terminate their sponsorship agreements with companies deemed problematic. State-level actors may also be involved in cancel practices, such as the PRC government’s ban on Lady Gaga performing in mainland China after she met with the Dalai Lama in 2016. Employers may terminate employees, whether for famous celebrities, such as Roseanne Barr being fired from the revival of her ABC sitcom Roseanne in 2018 for racist tweets, and ordinary people, such as a white woman, Amy Cooper, losing her job after a May 2020 video of her interactions with a Black male birdwatcher, Christian Cooper, in New York City’s Central Park went viral.

Cancel discourses are discussions and commentary about cancel practices and their aftermath. Some cancel discourses, which can be thought of as “first-order” (cancel) discourses, occur on the same platform as the one where the original cancelling occurred; for example, a user retweeting a cancel tweet and adding their own comment to it (whether they are supporting or challenging the cancelling). Other (second-order) cancel discourses emerge outside of the digital spaces where the cancelling originated; news reports about the social media outrage to BTS’s Van Fleet award speech, for instance, or blog posts about cancelling events.

Finally, then, cancel culture, which, as other scholars have pointed out, is now commonly used in a pejorative sense within mainstream commentary. Thus, in noting that cancelling and related practices such as “calling out” are rooted in Black digital practices and, prior to that, Black oral traditions, media studies scholar Meredith Clark argued that these have been problematically “counter-framed through application of the reductive and malignant label ‘cancel culture’.” For example, Alan Dershowitz,
the prominent liberal lawyer and political commentator, identified cancel culture as the “illegitimate descendant” of both McCarthyism and Stalinism, and blamed it for stifling political free speech and artistic creativity, as well as derailing the careers of prominent politicians, business executives, and academics. And, from another point of the political spectrum, Kristian Jenkins defined cancel culture as “the process where activists drive opinion[,] forcing institutions to ‘cancel’ long dead luminaries because of sins committed when they were alive that contravene contemporary woke ethics, such as failing to condemn racism back then with sufficient zeal. Or when people are set upon by online mobs for breakingn woke codes, often leading to them losing their jobs,” claiming, among various purported victims, former U.S. President Donald Trump for being “impeached by the US Congress on false pretences because his political opponents hate him and what he stands for.”

In contrast, in this book, “cancel culture” encompasses both cancel practices and cancel discourses, and is used as an analytic term rather than one signaling a particular political standpoint. While this means that the term necessarily encompasses a heterogeneous set of practices and texts, it is a useful shorthand for referencing the relevant phenomena under consideration. In the social sciences, culture at large is often defined as a system of shared meanings and beliefs. For critical media and cultural studies, much of the focus is on how such meanings and beliefs are produced, consumed, and—importantly—contested on an uneven playing field. The fact that much mainstream commentary of “cancel culture” frames it in negative terms, even though, as I will discuss, cancel practices emerged from historically marginalized communities, is itself an example of this contestation.

Much cancelling activity occurs on social media platforms, and as such, there is an enormous amount of data; for even just a single case, there may be thousands, tens of thousands, or more cancel tweets, not to mention first-order and second-order discourses about the cancelling. A significant body of media studies research makes use of “big data” approaches to social media, which include methods for collecting, analyzing, and representing data, as well as considerations about research design and ethics specific to investigating large amounts of data that have varying levels of public-private access status. There are also qualitative methods, including online interviews and digital ethnography, that have partial roots in offline modes of research. Several scholars have advocated for mixed methods or multimodal approaches to studying social media. Whether quantitative, qualitative, or a combination of both, the goals of such research typically center on gaining understanding about various dimensions of social media, including those to do with users (e.g. motivations, practices, and effects), platform technologies, and broader economic, political, and legal aspects, in order to better theorize technology and society, as well as specific areas such as interpersonal interactions, identity and community formation, social activism and political engagement, and policy and regulation, just to name a few.

My approach to primary data in this book is intentionally eclectic, in order to cover multiple areas where the practices and discourses of cancel culture have emerged and proliferated. Some of the comments or posts I refer to have appeared in published articles and commentary essays; these are often selected by the authors for having high numbers of likes or reposts or for being one of the first instances of a particular cancel post (these two often overlap). I also refer to the few empirical studies that have begun to be published on cancel cases. In addition, I have gathered data myself from news article comment threads, and posts on Twitter and YouTube for U.S. cancel cases, and on the Chinese Weibo platform for the mainland Chinese cases. However, I do not take a quantitative “big data” approach, and my aim is not to be comprehensive, but reasonably representative of the opinions expressed at key digital sites. Thus, although I have not conducted full thematic analyses, for some case studies I identify comments, replies, or reposts that have garnered the most likes/recommendations from other users in order to analyze what perspectives they expressed, as well as noting other themes present in the comment threads overall. Second-order discourses are also important, i.e. commentaries about cancel posts and practices that frame mainstream understandings of “cancel culture.”"

(Ng, Eve. Cancel Culture: A Critical Analysis. Cham, CH: Palgrave Macmillan, 2022. pp. 5-7)
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Myron
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Beitrag(#2303963) Verfasst am: 05.03.2024, 21:20    Titel: Antworten mit Zitat

Was die (angeblichen) Fälle von Cancel Culture betrifft, haben wir es dabei bloß mit einem mehr oder weniger zusammenhangslosen Sammelsurium an Anekdoten zu tun, oder sind sie Beispiele für einen wirklichen "structural/systemic cancellism" vonseiten der Wachen Linken?

Ich bin auf ein sehr interessantes Buch von Adrian Daub gestoßen: Cancel Culture Transfer: Wie eine moralische Panik die Welt erfasst (2022)

Ich unterschreibe nicht alles darin, und sein Gesamturteil ist mir zu bagatellisierend (in Bezug auf den linksradikalen Illiberalismus); aber sehr lesenswert ist sein Buch allemal.

"Die Debatte um die „Cancel Culture“ wird vehement geführt, besonders in den USA. Der Literaturwissenschaftler Adrian Daub hat sich nun genauer mit dem Phänomen auseinandergesetzt – von dem nach seiner Analyse nicht viel übrig bleibt.…"

Quelle: https://www.deutschlandfunkkultur.de/cancel-culture-transfer-adrian-daub-100.html

Dort findet sich auch ein Radiointerview mit Daub!

Zitat:
"Dieses Buch ist Ausdruck meiner Sorge, dass oft selektiv und partiell argumentiert wird, wenn von Cancel Culture die Rede ist. Aus wichtigen gesellschaftlichen Verschiebungen, auf die wir dringend Antworten benötigen, werden bestimmte Strömungen, Tendenzen und Einzelfälle herausgepickt und andere geflissentlich ignoriert. Im Endeffekt haben wir es nicht mit hilfreichen Lösungsansätzen zu tun, wenn vor Cancel Culture gewarnt wird, sondern eher mit einer moralischen Panik. Diese hängt vor allem mit dem zusammen, was ich Aufmerksamkeitsökonomie nennen werde: Man redet über Cancel Culture, um nicht über anderes reden zu müssen, um bestimmte Diskurse, Positionen und Autoritäten zu legitimieren und andere zu delegitimieren. Das Problem am Diskurs um Cancel Culture ist, dass er reale Probleme in einer Art Jahrmarktspiegel verzerrt."

(Daub, Adrian. Cancel Culture Transfer: Wie eine moralische Panik die Welt erfasst. Frankfurt/Main: Suhrkamp, 2022. S. 10)

"Angesichts des angeblichen Umfangs und Facettenreichtums des Problems stellt sich natürlich die Frage, wie sich die Wahrnehmung zur »Wirklichkeit« verhält. Allein: Die Frage nach der Realität, sie geht leider selbst an der Realität vorbei. Cancel-Culture-Diagnosen werden fast komplett an einzelnen Anekdoten festgemacht, und diese Storys, wie PC-Storys vor ihnen, stellen keine unschuldigen Datenpunkte dar; vielmehr sind sie tendenziös gestrickte, häufig nur auf einer einzigen Gewährsperson basierende Fabeln, die im amerikanischen Fall oft genug von eindeutig politisch motivierten Akteur:innen lanciert werden. All das muss ignorieren, wer diese Storys überhaupt als Datenpunkte behandelt. Marc Fabian Erdl hat das 2004 als »unkritische Quellenrezeption« vonseiten des PC-Diskurses kritisiert. Definitiv lässt sich sagen: Solche Anekdoten werden in den letzten Jahren wieder gehäuft zur Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit gebracht. Nur sagt das eben nichts darüber aus, ob sich solche Vorfälle häufen.

Eine erste Schwierigkeit besteht nämlich darin, dass die Art Vorfälle, auf die die Beschreibung »Cancel Culture« passen soll, zutiefst heterogen ist. In den USA existieren etwa ein halbes Dutzend Onlinedatenbanken, die verschiedene Fälle von Cancel Culture dokumentieren sollen. Im Juli 2022 standen auf der Liste von Canceledpeople.com 173 Fälle, auf der der National Association of Scholars (NAS) 228, die Foundation for Individual Rights and Expression hatte 715 zusammengetragen und CollegeFix sogar 1566. So alarmierend diese Zahlen auch aussehen mögen, die Listen legen genauer besehen eher nahe, dass offenbar äußerst verschiedene Definitionen von Canceln zugrunde gelegt werden. Nur 387 Fälle kommen in mehr als einer dieser Listen vor. Selbst die, die vor Cancel Culture warnen, scheinen sich also nicht ganz einig zu sein, wovor sie nun eigentlich warnen.

Die erwähnte Webseite Canceledpeople.com zum Beispiel listet unter den vermeintlichen Opfern der Cancel Culture den 2020 von einem Islamisten getöteten französischen Lehrer Samuel Paty, den 1991 ermordeten japanischen Literaturwissenschaftler Hitoshi Igarashi und Ex-Präsident Donald Trump auf. Was angesichts solch grundverschiedener Vorfälle die Vokabel vom Canceln überhaupt noch bedeuten soll, ist äußerst unklar: Paty wurde Opfer eines Gewaltverbrechens. Igarashi wurde wahrscheinlich ermordet, weil er Salman Rushdies Die satanischen Verse ins Japanische übersetzt hatte. Doch der Fall ist bis heute nicht aufgeklärt, den oder die Täter:innen kann man also schlecht nach seinem oder ihrem »Wokeness«-Level befragen. Und Donald Trump ist – zumindest zum Zeitpunkt der Entstehung dieses Buches – die vielleicht einflussreichste Figur in der Republikanischen Partei, angehimmelt von Millionen und auf bestem Wege, erneut Präsident der USA zu werden."

(Daub, Adrian. Cancel Culture Transfer: Wie eine moralische Panik die Welt erfasst. Frankfurt/Main: Suhrkamp, 2022. S. 41-3)

"Aber selbst auf dem Unicampus ist nicht immer klar, was Gecancelt-Werden denn nun genau bedeuten soll."

(Daub, Adrian. Cancel Culture Transfer: Wie eine moralische Panik die Welt erfasst. Frankfurt/Main: Suhrkamp, 2022. S. 44)

"Mein Punkt ist nicht, dass alle diese Fälle in Wahrheit völlig unproblematisch seien. Mein Punkt ist, dass das Gesamtbild, das sie ergeben, zutiefst uneindeutig ist."

(Daub, Adrian. Cancel Culture Transfer: Wie eine moralische Panik die Welt erfasst. Frankfurt/Main: Suhrkamp, 2022. S. 46)

"[D]ie Panik um politische Korrektheit war von Anfang an ihr Kontrapunkt: eine Möglichkeit, die Probleme auf eine Art und Weise anzusprechen, die sicherstellte, dass die Probleme nie wirklich angegangen werden können. Warnungen vor Cancel Culture (wie die PC-Warnungen vor ihnen) sagen nie genau, was eigentlich aufgrund der von ihnen beschriebenen Missstände geschehen soll. Dadurch erlauben sie es Konservativen (ob Neo- oder Paläokonservativen), liberal zu klingen, und umgekehrt Liberalen (Neo- wie Paläo-), wie Konservative zu klingen. In dieser Stasis liegt ein Stützpfeiler der globalen Ordnung in den westlichen Demokratien seit 1989. Der Kampf gegen Cancel Culture mag sich als Speerspitze eines wehrhaften Liberalismus verstehen. In Wahrheit ist er Teil des Backlash, der die liberale Demokratie überhaupt erst bedroht."

(Daub, Adrian. Cancel Culture Transfer: Wie eine moralische Panik die Welt erfasst. Frankfurt/Main: Suhrkamp, 2022. S. 341)
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Myron
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Beitrag(#2303964) Verfasst am: 05.03.2024, 21:25    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:

Zitat:
"…Eine erste Schwierigkeit besteht nämlich darin, dass die Art Vorfälle, auf die die Beschreibung »Cancel Culture« passen soll, zutiefst heterogen ist. In den USA existieren etwa ein halbes Dutzend Onlinedatenbanken, die verschiedene Fälle von Cancel Culture dokumentieren sollen. Im Juli 2022 standen auf der Liste von Canceledpeople.com 173 Fälle, auf der der National Association of Scholars (NAS) 228, die Foundation for Individual Rights and Expression hatte 715 zusammengetragen und CollegeFix sogar 1566. So alarmierend diese Zahlen auch aussehen mögen, die Listen legen genauer besehen eher nahe, dass offenbar äußerst verschiedene Definitionen von Canceln zugrunde gelegt werden. Nur 387 Fälle kommen in mehr als einer dieser Listen vor. Selbst die, die vor Cancel Culture warnen, scheinen sich also nicht ganz einig zu sein, wovor sie nun eigentlich warnen.…"

(Daub, Adrian. Cancel Culture Transfer: Wie eine moralische Panik die Welt erfasst. Frankfurt/Main: Suhrkamp, 2022. S. 41-3)


Hier sind die Links zu den erwähnten Websites mit Listen (angeblicher) K-Kultur-Vorfälle:

1. https://canceledpeople.org/cancellations/

2. https://www.nas.org/blogs/article/tracking-cancel-culture-in-higher-education

3. https://www.thefire.org/research-learn/scholars-under-fire

4. https://www.thecollegefix.com/cancel-culture-database/
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Tarvoc
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Beitrag(#2303965) Verfasst am: 05.03.2024, 21:39    Titel: Antworten mit Zitat

Von Daub kenne ich das Buch über die Ideologie des Silicon Valley, das ich sehr lesenswert fand. Das Buch über Cancel Culture werde ich dann wohl auch mal lesen.

Nachtrag:
Myron hat folgendes geschrieben:
"Mein Punkt ist nicht, dass alle diese Fälle in Wahrheit völlig unproblematisch seien. Mein Punkt ist, dass das Gesamtbild, das sie ergeben, zutiefst uneindeutig ist."

(Daub, Adrian. Cancel Culture Transfer: Wie eine moralische Panik die Welt erfasst. Frankfurt/Main: Suhrkamp, 2022. S. 46)

Das ist übrigens so ziemlich genau der Punkt, den ich auch bezüglich fwos Liste machen würde. (Und nein, das ist nicht das selbe wie die tillich und mir von narr untergeschobene Behauptung, dass es auf gar keinen Fall irgendeine Verbindung zwischen Fällen auf der Liste gäbe oder geben könne.)
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Myron
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Beitrag(#2303966) Verfasst am: 05.03.2024, 22:57    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
"Unlike some on the left, I have never doubted that “cancel culture” exists, fuelled by political intolerance and the toxic anonymity of social media. The great myth about cancel culture, however, is that it exists only on the left."

—David Olusoga: https://www.theguardian.com/commentisfree/2021/jan/03/cancel-culture-is-not-the-preserve-of-the-left-just-ask-our-historians


Es ist in der Tat lächerlich zu behaupten, politische Intoleranz und Illiberalität wären nur auf der linken Seite zu finden.
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Myron
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Beitrag(#2303967) Verfasst am: 06.03.2024, 05:32    Titel: Antworten mit Zitat

Für Alan Dershowitz ist die Cancel Culture zwar "ein Kind der gegenwärtigen Woke-Generation," aber "ein unehelicher Nachkomme sowohl des rechtsextremen McCarthyismus als auch des linksextremen Stalinismus."
Zitat:

"Cancel culture, though a child of the current woke generation, is an illegitimate descendant of both hard-right McCarthyism and hard-left Stalinism.
The difference, of course, is that both McCarthyism and Stalinism employed the power of government, whereas cancel culture employs the power of public opinion, social media, threats of economic boycotts, and other constitutionally protected forms of private action. This power is magnified by the pervasiveness and speed of the internet and social media, which are the weapons of choice deployed by cancel culture."

(Dershowitz, Alan. Cancel Culture: The Latest Attack on Free Speech and Due Process. New York: Hot Books, 2020.)


Im Folgenden wird der Begriff Cancel Culture definiert als "die Anwendung von Einschüchterung durch ein moralisch selbstherrliches Bündnis zur Ausgrenzung und unverhältnismäßigen Bestrafung eines angeblichen Missetäters." Hm…

Zitat:
"* Our definition of cancel culture is “The use of intimidation by a morally absolute coalition to isolate and disproportionately punish an alleged transgressor.”

* The Cancel Culture Curse identifies six elements that are hallmarks of cancel culture, which can be remembered using the acronym CANDEM:
Collective considered victim of the crime
Arises and accelerates quickly
Nature of the offense is trivial, minor, or fabricated
Disproportionate response is enacted
Everyone afraid to get involved
Moral absolutism by those doing the canceling

* The Six Elements of Cancel Culture provides a means by which to evaluate incidents and correctly classify them as cancel culture or otherwise."

(Nierman, Evan, and Mark Sachs. The Cancel Culture Curse: From Rage to Redemption in a World Gone Mad. New York: Skyhorse, 2023.)


[Fußnote: Laut den Autoren soll "CANDEM" wie das Verb "condemn" ausgesprochen werden.]

Zitat:
"On the Left, there is a tendency to downplay the impact of cancel culture or deny that it is really a problem. In some quarters, cancel culture is praised. It is seen as a necessary tool for holding powerful people accountable and mobilizing the masses to ensure that those in positions of influence cannot get away with whatever they wish. The Right, on the other hand, uses cancel culture as a political weapon. It decries it as a creation of the “woke” movement on the Left, brushing off scandals involving a conservative as the result of a so-called cancel culture campaign. To the Right, cancel culture is a buzzword, a natural successor to political correctness run amok, put on steroids, and activated by the liberal media and leftist elites."

(Nierman, Evan, and Mark Sachs. The Cancel Culture Curse: From Rage to Redemption in a World Gone Mad. New York: Skyhorse, 2023.)


In Daubs Buch kommt "die Tendenz" zum Vorschein, "die Auswirkungen der [linken] Cancel Culture herunterzuspielen oder zu leugnen, dass sie wirklich ein Problem darstellt."
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Myron
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Beitrag(#2303968) Verfasst am: 06.03.2024, 05:44    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Ich habe heute [23.2.] eine E-Mail an Pfister gesendet. Mal sehen, ob er antwortet.


Tja, bis jetzt hat er es nicht getan. Ich rechne auch nicht mehr damit. Schade!
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fwo
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Beitrag(#2303974) Verfasst am: 06.03.2024, 13:04    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
... Dass Linke irgendwann mal die Enthauptung von Lehrern für das Zeigen von Mohammedbildern gutgeheißen hätten, geschweige denn dass so eine Meinung jemals auch nur eine signifikante Minderheit innerhalb der Linken gewesen wäre, hätte fwo dann aber doch erst noch zu belegen. ....

Ich habe auf die eigenartige Blindheit vieler Linker weltweit hingewiesen, die die Raketen und Morde der Hamas offensichtlich nicht wahrnehmen, sondern sich ab dem ersten Tag der israelischen Reaktion nur gegen die Israelis wenden.
Für einen lautstarken Teil der Linken ist es anscheinend so, dass z.B. der Kampf gegen Israel alles rechtfertigt. Es ist ein blindes Agieren gegen alles, was von Islamisten als islamophob bezeichnet werden könnte, anders sind auch die Aktionen gegen Susanne Schröter nicht erklärbar. Allein die Übernahme der Vokabel islamophob zeigt diese Haltung. Oder kennst Du Linke, die christliche Fundamentalisten unterstützen, wenn die sich darüber beschweren, in ihrer besonderen Auslegung des Christentums beeinträchtigt zu werden? Wo sind die Demos gegen christianophobe Professoren?

Womit Du recht hast, das ist, dass niemand von den Linken die Enthauptung von Lehrern für das Zeigen von Mohammedbildern gutgeheißen hat (zumindest hab ich davon nichts gehört). Die andere Frage ist, wo Du eine Verurteilung derartiger Taten siehst? Nach dem Überfall der Hamas auf Israel jedenfalls kaum. Das Kriegsziel der Hamas bestand ja vom Überfall an erkennbar nicht in einem militärischen Sieg, der war unmöglich, sondern darin, weltweit die Linke gegen das Israel zu mobilisieren, das sich natürlich wehren würde. Nach diesem Überfall war Israel auch wieder leichter zu dämonisieren, weil unter diesen Bedingungen das Militär bzw. Teile davon seine Distanzierung von Netanjahu nicht weiter würde durchführen können - man hat das Militär wieder mit der Regierung geeint.
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Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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fwo
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Beitrag(#2303975) Verfasst am: 06.03.2024, 13:50    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Ich habe heute [23.2.] eine E-Mail an Pfister gesendet. Mal sehen, ob er antwortet.


Tja, bis jetzt hat er es nicht getan. Ich rechne auch nicht mehr damit. Schade!

Was hast Du da erwartet?

Auch die Spitzenleute des SPIEGEL schreiben mal Mist. Wenn Du ihnen den dann explizit unter die Nase hältst, erkennen die den auch als solchen. Aber die Größe, das dann auch zuzugeben, wirst Du in dieser Narzissten-Zucht nicht finden.

Btw: Ich les nicht mehr viel SPIEGEL, aber wenn ich da heute reingucke, werde ich den Eindruck nicht los, dass sie den Mann, der mal die Schlussredaktion gemacht hat, inzwischen eingespart haben.
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Beiträge: 44194

Beitrag(#2303978) Verfasst am: 06.03.2024, 15:00    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Womit Du recht hast, das ist, dass niemand von den Linken die Enthauptung von Lehrern für das Zeigen von Mohammedbildern gutgeheißen hat (zumindest hab ich davon nichts gehört). Die andere Frage ist, wo Du eine Verurteilung derartiger Taten siehst?

Äh bitte?? Also muss jetzt buchstäblich jede Einzelperson und jede Gruppe eine hochoffizielle Verurteilung der Tat herausgeben, sobald irgendwo jemand ermordet wird, oder ansonsten mit der Tat assoziiert werden, auch wenn sie ansonsten buchstäblich überhaupt nichts damit zu tun hat? fwo, solche Forderungen stellst du an keine andere Gruppe oder politische Richtung. Dass jemand einen effektiv grundlosen kaltblütigen Mord verurteilt, kann vorausgesetzt werden, solange er sich nicht gegenteilig äußert. Ansonsten hätte ich nämlich auch eine ganze Liste von Verbrechen aus ganz verschiedenen Richtungen, zu denen ich von dir noch nie ein Wort der Verurteilung gelesen habe. Das mit der Hamas ist ja ein gutes Argument, bei dem ich dir übrigens sogar zustimme, aber das hier ist einfach nur Bullshit. Die willkürliche Inklusion einer Tat wie dieser aus islamistischen Motiven und ohne jeden echten sachlichen Bezug zu irgendwelchen Linken in eine Liste linker Vorfälle ist einfach durch nichts zu rechtfertigen. Vor allem kann ich mir wirklich nicht vorstellen, dass du nicht selber ganz genau weißt, dass ein solches Argument wie dieses hier nicht ziehen kann. Ich muss mich also ernsthaft fragen, warum du sowas überhaupt schreibst.

fwo hat folgendes geschrieben:
Nach dem Überfall der Hamas auf Israel jedenfalls kaum.

Das kommt sehr darauf an, welchen Teil der Linken man fragt. Das ist nämlich zumindest hier in Deutschland in enormem Maße eine Generationenfrage innerhalb der Linken. Bei Linken aus den älteren Jahrgängen hast du wohl leider Recht. Umgekehrt sind Linke aus meiner eigenen und auch den nachfolgenden Generationen eher in die andere Richtung parteiisch. Von denen hört man eher mindestens genauso lautstarke einseitige und übertriebene Rechtfertigungen der Reaktion Israels, inklusive sämtlicher ziviler Opfer. Ich erinnere mich noch, dass ich mit meinem universitären linken Stammtisch (in dem alle Generationen von Boomern bis Gen Z vertreten sind) nur kurz nach dem Angriff bereits genau darüber extrem hitzige Streitgespräche hatte, bei denen ich selbst übrigens auf der pro-Israel-Seite positioniert war. Übrigens hoffe ich doch sehr, dass ich nicht extra sagen muss, dass der Angriff der Hamas ohne Einschränkung zu verurteilen ist (was aber eben nicht heißt, dass ich an der Reaktion nichts zu kritisieren hätte).

Im Übrigen nutzen hier in Deutschland beide Seiten innerhalb der Linken Strategien, die du und Myron unter "Cancel Culture" fassen würden.

fwo hat folgendes geschrieben:
Das Kriegsziel der Hamas bestand ja vom Überfall an erkennbar nicht in einem militärischen Sieg, der war unmöglich, sondern darin, weltweit die Linke gegen das Israel zu mobilisieren, das sich natürlich wehren würde.

Mit Verlaub: Quark. Es stimmt zwar, dass einer der Zwecke weltweite Mobilisierung von Israelgegnern aller Art war, aber dafür, dass das spezifisch auf Linke zielte, also in größerem Maße als auf andere Gruppen potenzieller Sympathisanten, hätte ich gerne einen Beleg. Das halte ich nämlich aus einer ganzen Reihe von Gründen für eine extrem kontraintuitive Behauptung. Die Haupt-Zielgruppe dürften meiner Einschätzung nach andere Muslime gewesen sein.

fwo hat folgendes geschrieben:
Nach diesem Überfall war Israel auch wieder leichter zu dämonisieren, weil unter diesen Bedingungen das Militär bzw. Teile davon seine Distanzierung von Netanjahu nicht weiter würde durchführen können - man hat das Militär wieder mit der Regierung geeint.

Also nach dem, was ich aus dem israelischen Militär gehört und gelesen habe, kann davon gar keine Rede sein. Gerade aus den Reihen der IDF und auch ehemaliger IDF-Offiziere bekommt Netanyahu nach wie vor dafür Kritik, dass seine Reaktion auf den Angriff militärisch und politisch ineffektiv sei und der Hamas nur weitere Rekruten in die Arme treibe (was übrigens meiner eigenen Einschätzung entspricht). Siehe z. B. hier oder hier. Von Nir Barkat, der ja auch lange im IDF gedient hat, hört man ähnliches. Also es kann ja durchaus sein, dass das ein Ziel der Hamas mit der Aktion war, aber zumindest mit diesem Ziel sind sie wohl eher gescheitert.
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