Atheisten sind Sozialmuffel
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Freigeisterhaus -> Heidenspaß statt Höllenqual

#391:  Autor: Marcellinus BeitragVerfasst am: 03.07.2018, 12:26
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fwo hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
@fwo
Ich wußte gar nicht, daß es atheistische Traditionen gibt. Ist die Sache mit Darwin auch nur so ein Mythos?

Deshalb steht da ja auch "die Traditionen, die sie nicht haben". zwinkern

Atheistische Gemeinschaften, die es nicht gibt, geben Traditionen weiter, die sie nicht haben. Ja, darauf könnten wir uns einigen. Sehr glücklich

Einig sind wir uns da ja wohl schon länger, aber ich finde es abseits dieser Einigkeit nicht erfreulich.

Wenn man mal von ihrem steinzeitlichen Wirtschaftsliberalismus absieht, in dem sie fossile Züge trägt: Die Thematisierung des kirchlichen Staates ist auch ein Gebiet, in dem die FDP punktet, und in dem die früher mal antiklerikale SPD inzwischen von der CDU kaum mehr zu unterscheiden ist, oder sogar, wie im gerade angeführten Beispiel mit den Lehrstühlen für muslimische Theologie, noch hinter die CDU zurückfällt.

Allerdings hat das weniger etwas mit der mangelnden Kuscheligkeit „atheistischer Gemeinschaften“ zu tun, sondern mit der mangelnden Kampagnenfähigkeit der säkularen Szene, deren geringer Organisationsgrad in merkwürdigem Kontrast zu ihrem Anteil an der Bevölkerung steht. Ich kann daraus nur schließen, daß die Konfessionslosen außer der unbestreitbaren Tatsachen, daß sie keiner der offiziellen Konfessionen angehören, kaum gemeinsame Interessen haben, an denen ihnen soviel läge, daß sie bereit wären, dafür einzutreten.

#392:  Autor: Kramer BeitragVerfasst am: 03.07.2018, 12:44
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Marcellinus hat folgendes geschrieben:

Allerdings hat das weniger etwas mit der mangelnden Kuscheligkeit „atheistischer Gemeinschaften“ zu tun, sondern mit der mangelnden Kampagnenfähigkeit der säkularen Szene, deren geringer Organisationsgrad in merkwürdigem Kontrast zu ihrem Anteil an der Bevölkerung steht.


Ich vermute mal, es hat auch etwas damit zu tun, dass die säkulare Position nicht dazu geeignet ist, einen populistischen Shitstorm zu entfachen. Ich habe kaum Zweifel, dass man mit einer AfD-gerechten Argumentation a la "Die Muslime übernehmen erst unsere Universitäten und als nächstes islamisieren sie unser christliches Abendland" mehr Menschen empören kann, als mit der Erörterung der Frage, ob es noch zeitgemäss ist, religiöse Glaubensinhalte im Rahmen eines Universitätsstudiums zu lehren.

Vielleicht ist ja das Projekt Säkularismus "nicht kampagnenfähig" - jedenfalls nicht in dem Sinne, wie es z.B. Fremdenfeindlichkeit ist. Es ist nicht geeignet, für den schnellen populistischen Erfolg - es verlangt Geduld, weil es langsamer wirkt - aber dafür am Ende nachhaltiger.

#393:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 03.07.2018, 12:54
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Marcellinus hat folgendes geschrieben:
... Ich kann daraus nur schließen, daß die Konfessionslosen außer der unbestreitbaren Tatsachen, daß sie keiner der offiziellen Konfessionen angehören, kaum gemeinsame Interessen haben, an denen ihnen soviel läge, daß sie bereit wären, dafür einzutreten.

Ich vermute, dass da noch ein Zusammenhang mit der kaum vorhandenen Konfliktfähigkeit mit der Elterngeneration existiert, unsere evolutionär vorhandene sehr starke Tendenz, den Unsinn der Eltern zu wiederholen. Das, was ich regelmäßig damit umschreibe, dass Kulturen sehr träge Dampfer sind, sehr träge Dampfer sein müssen, weil sie sonst die Genetik nicht hätten ablösen können.

Du musst im Gedächtnis behalten, dass Du selbst noch in eine Gesellschaft geboren wurdest, die zu über 90% kirchlich organisiert war, und das nicht als neue politische Erscheinung, sondern über so viele Generationen, dass Gottesfurcht keine leere Vokabel war, sondern Furcht das Gefühl war, das zu der Vokabel Gott gehörte.

Selbst im relativ heidnischen Schleswig-Holstein ist die Initiative, einen Gott wieder in die Verfassung aufzunehmen, nur knapp gescheitert.

#394:  Autor: Marcellinus BeitragVerfasst am: 03.07.2018, 13:00
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Kramer hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:

Allerdings hat das weniger etwas mit der mangelnden Kuscheligkeit „atheistischer Gemeinschaften“ zu tun, sondern mit der mangelnden Kampagnenfähigkeit der säkularen Szene, deren geringer Organisationsgrad in merkwürdigem Kontrast zu ihrem Anteil an der Bevölkerung steht.


Ich vermute mal, es hat auch etwas damit zu tun, dass die säkulare Position nicht dazu geeignet ist, einen populistischen Shitstorm zu entfachen. Ich habe kaum Zweifel, dass man mit einer AfD-gerechten Argumentation a la "Die Muslime übernehmen erst unsere Universitäten und als nächstes islamisieren sie unser christliches Abendland" mehr Menschen empören kann, als mit der Erörterung der Frage, ob es noch zeitgemäss ist, religiöse Glaubensinhalte im Rahmen eines Universitätsstudiums zu lehren.

Vielleicht ist ja das Projekt Säkularismus "nicht kampagnenfähig" - jedenfalls nicht in dem Sinne, wie es z.B. Fremdenfeindlichkeit ist. Es ist nicht geeignet, für den schnellen populistischen Erfolg - es verlangt Geduld, weil es langsamer wirkt - aber dafür am Ende nachhaltiger.


Ja, das liest sich alles sehr schön, incl. der „unauffällig“ untergebrachten Publikumsbeschimpfung. Hat nur den einen Nachteil, daß es außer einem warmen Gefühl nichts bringt, und das bekommt man auch von einer vollen Hose. Oder etwas sachlicher formuliert: das Projekt „Säkularismus“ gibt es überhaupt nicht. Vielmehr gibt es ein ganze Hand voll von unschiedlichen Säkularismen, die sich gegenseitig nicht das Schwarze unter den Fingernägeln gönnen, und nur eins gemeinsam haben: ihre geringe Außenwirkung. Läßt sich selbst hier, in diesem kleinen „Bestiarium“ prächtig bewundern. Sorry, aber so ist es.

#395:  Autor: Kramer BeitragVerfasst am: 03.07.2018, 13:16
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Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Ja, das liest sich alles sehr schön, incl. der „unauffällig“ untergebrachten Publikumsbeschimpfung. Hat nur den einen Nachteil, daß es außer einem warmen Gefühl nichts bringt, und das bekommt man auch von einer vollen Hose.


Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, wenn säkulare Bestrebungen warme Gefühle auslösen würden. Das ist aber nicht mein Eindruck. Die emotionale Attraktivität des Säkularismus liegt m.E. in etwa gleichauf mit der eines guten Mathebuches.

#396:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 03.07.2018, 13:17
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Kramer hat folgendes geschrieben:
....
Vielleicht ist ja das Projekt Säkularismus "nicht kampagnenfähig" - jedenfalls nicht in dem Sinne, wie es z.B. Fremdenfeindlichkeit ist. Es ist nicht geeignet, für den schnellen populistischen Erfolg - es verlangt Geduld, weil es langsamer wirkt - aber dafür am Ende nachhaltiger.

Wir stehen zwar bei diesem Thema auf der selben Seite, aber ich möchte mal grundsätzlich bemerken:
Der Vorwurf des Populismus wird ausgerechnet in Demokratien erhoben., weil das Volk dort nichts zu sagen haben sollte?

Er ist immer nur das Eingeständnis des jeweiligen Meinungsführers (bzw, dessen, der das gerne wäre), dass er gerade eine neue Meinung aufziehen sieht, die ihm bedrohlich erscheint, weil er ihr evtl. wenig entgegenzusetzen hat, was auch ankommt. Der Vorwurf des Populismus sagt immer mehr über den, der ihn äußert, als über den, gegen den er benutzt wird.

#397:  Autor: Kramer BeitragVerfasst am: 03.07.2018, 13:29
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fwo hat folgendes geschrieben:

Der Vorwurf des Populismus wird ausgerechnet in Demokratien erhoben., weil das Volk dort nichts zu sagen haben sollte?


Ich habe den Begriff Populismus in diesem Zusammenhang nicht als Vorwurf gemeint, sondern rein deskriptiv. Populistisch wäre es, auf schnelle Erfolge zu zielen, auch wenn man dabei grundsätzliche Positionen in Frage stellt. Es geht dabei auch nicht um die Frage, was das Volk sagen darf, sondern was man selber dem Volk sagen möchte.

#398:  Autor: Kramer BeitragVerfasst am: 03.07.2018, 13:50
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Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Vielmehr gibt es ein ganze Hand voll von unschiedlichen Säkularismen, die sich gegenseitig nicht das Schwarze unter den Fingernägeln gönnen, und nur eins gemeinsam haben: ihre geringe Außenwirkung. Läßt sich selbst hier, in diesem kleinen „Bestiarium“ prächtig bewundern. Sorry, aber so ist es.


Ja, das mag sein. Aber eben auch nicht. Denn was Du da beschreibst, ist keine exklusive Eigenschaft der säkularen Szene, sondern kommt in allen Familien vor. Schau Dir doch nur mal an, wie zerstritten die katholische Szene im Internet ist. Die gegenseitigen Animositäten hinterlassen sogar hier im FGH ihre Spuren. Ist das so, weil das Christen sind? Oder Katholiken? Nö, weil es Menschen sind. Das hat mit der Weltanschauung nicht viel zu tun, da spielen ganz andere Gründe eine Rolle.

Ich glaube auch keinen Moment lang, das Kirchengemeinden ein Hort der Harmonie sind. Ich weiss von einem Fall, in dem sich ein evangelischer Gesangskreis total zerstritten hat, weil eine Dame ein ziemlich intrigantes Spiel getrieben hat. Sowas wäre aber in einem atheistischen Gesangsverein genauso möglich.

#399:  Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 03.07.2018, 19:27
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Kramer hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:

Allerdings hat das weniger etwas mit der mangelnden Kuscheligkeit „atheistischer Gemeinschaften“ zu tun, sondern mit der mangelnden Kampagnenfähigkeit der säkularen Szene, deren geringer Organisationsgrad in merkwürdigem Kontrast zu ihrem Anteil an der Bevölkerung steht.


Ich vermute mal, es hat auch etwas damit zu tun, dass die säkulare Position nicht dazu geeignet ist, einen populistischen Shitstorm zu entfachen. Ich habe kaum Zweifel, dass man mit einer AfD-gerechten Argumentation a la "Die Muslime übernehmen erst unsere Universitäten und als nächstes islamisieren sie unser christliches Abendland" mehr Menschen empören kann, als mit der Erörterung der Frage, ob es noch zeitgemäss ist, religiöse Glaubensinhalte im Rahmen eines Universitätsstudiums zu lehren.

Vielleicht ist ja das Projekt Säkularismus "nicht kampagnenfähig" - jedenfalls nicht in dem Sinne, wie es z.B. Fremdenfeindlichkeit ist. Es ist nicht geeignet, für den schnellen populistischen Erfolg - es verlangt Geduld, weil es langsamer wirkt - aber dafür am Ende nachhaltiger.


Tja, Säkularismus - das heisst doch hier und heute, Eulen nach Athen zu transportieren.

Oder anders gefragt: Wie oft soll denn das Abendland noch säkularisiert werden?

Das reisst doch niemanden vom Hocker.

Religionskritik ist Voraussetzung aller Kritik, aber eben nur die Voraussetzung. Wer bei Religionskritik stehen bleibt, der hat grundsätzlich mit Kritik nicht viel am Hut.

Die politische Musik spielt heute ganz woanders, allgemein gesagt, spielt sie nicht im Denken, sondern in den materiellen gesellschaftlichen Verhältnissen.

Das heisst natürlich nicht, dass die kulturellen Verheerungen christlicher Herrschaft heute bedeutungslos geworden wären.

Die kryptoreligiösen Herrschaftsideologien unserer Zeit finden sich allerdings in anderen Formen wieder; sie sind mit früheren christlichen Herrschaftsideologien auch nicht einfach 1:1 identisch, von den Inhalten her, sondern auch amalgamiert mit *modernen* Herrschaftslegitimationen und - Verschleierungen.

Was beim Islam sozusagen noch *naturbelassen* ist, hat sich in der kryptochristlichen Kultur der bürgerlichen Gesellschaft der westlichen Hemisphäre in neue Gewänder gekleidet.

Die Verschleierung der Herrschaftsverschleierung sozusagen.

Somit trägt der Kryptochrist von heute sein Kopftuch nicht auf, sondern sozusagen im Kopf - als Verschleierung des eigenen Denkens vor sich selbst.

Entsprechend oberflächlich sieht denn auch bisweilen die Kritik der Politik aus, welche es oft gerade mal bis hin zu einer Kritik der politischen Gesichter des Staates schafft. (Auch hier bleibt Kritik stehen - bei einer bloßen Staatskritik.)

Wenn Kritik nicht stehen bleiben und sich nicht selbst kasteien möchte, muss sie die materiellen Verhältnisse selbst aufs Korn nehmen.

Insofern besteht die Aufgabe des Gartenzwergkritikers darin, seine apolitische und herrschaftskonforme Religionskritik zu überwinden - nicht, um Kritik an sich zu überwinden, sondern um überhaupt erst in den Strafraum einer die Herrschenden (ver)störenden Kritik zu gelangen.

Weshalb also haben Atheisten wenig Gemeinsamkeiten?

Die Antwort ergibt sich aus dem Geschriebenen:

Weil sie unterschiedlich weit gehen mit ihrer Kritik an der herrschaftlichen Verhältnissen.

Die einen bleiben bei ihrer Kritik des Theismus stehen und *argumentieren* dabei eifrig mit heraus hängender Zunge gegen Theisten.

Andere sind vielleicht schon darüber hinaus und interessierten sich für SPD, Chulz und Trumpel.

Wieder andere gucken noch ein wenig tiefer auf wesentliche Komponenten der Verhältnisse.

usw.

Deswegen gibt es unter Atheisten keine Gemeinschaft.

#400:  Autor: Marcellinus BeitragVerfasst am: 03.07.2018, 19:51
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Kramer hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Ja, das liest sich alles sehr schön, incl. der „unauffällig“ untergebrachten Publikumsbeschimpfung. Hat nur den einen Nachteil, daß es außer einem warmen Gefühl nichts bringt, und das bekommt man auch von einer vollen Hose.


Nicht, dass ich etwas dagegen hätte, wenn säkulare Bestrebungen warme Gefühle auslösen würden. Das ist aber nicht mein Eindruck. Die emotionale Attraktivität des Säkularismus liegt m.E. in etwa gleichauf mit der eines guten Mathebuches.


Wie hoch schätzt du die Attraktivität von „guten Mathebüchern“ in % der Bevölkerung? zwinkern

Kramer hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Vielmehr gibt es ein ganze Hand voll von unschiedlichen Säkularismen, die sich gegenseitig nicht das Schwarze unter den Fingernägeln gönnen, und nur eins gemeinsam haben: ihre geringe Außenwirkung. Läßt sich selbst hier, in diesem kleinen „Bestiarium“ prächtig bewundern. Sorry, aber so ist es.


Ja, das mag sein. Aber eben auch nicht. Denn was Du da beschreibst, ist keine exklusive Eigenschaft der säkularen Szene, sondern kommt in allen Familien vor. Schau Dir doch nur mal an, wie zerstritten die katholische Szene im Internet ist. Die gegenseitigen Animositäten hinterlassen sogar hier im FGH ihre Spuren. Ist das so, weil das Christen sind? Oder Katholiken? Nö, weil es Menschen sind. Das hat mit der Weltanschauung nicht viel zu tun, da spielen ganz andere Gründe eine Rolle.

Ich glaube auch keinen Moment lang, das Kirchengemeinden ein Hort der Harmonie sind. Ich weiss von einem Fall, in dem sich ein evangelischer Gesangskreis total zerstritten hat, weil eine Dame ein ziemlich intrigantes Spiel getrieben hat. Sowas wäre aber in einem atheistischen Gesangsverein genauso möglich.


Nein, Kirchengemeinden sind vermutlich kein Hort der Harmonie. Aber zum einen haben Kirchenmitglieder die Möglichkeit, sich einer anderen Gemeinde anzuschließen, oder einfach wegzubleiben (was die meisten tun).

Der wesentliche, der ganz wesentliche Unterschied zwischen den Kirchenmitgliedern und den Mitgliedern säkularer Vereine ist ihre schlichte Zahl. Während die ev. und kath. Kirche jeweils zwischen 20 und 25 Mio. Mitglieder haben, liegt die Zahl der organisierten Säkularen irgendwo zwischen 25 und 30 Tausend. Will heißen: auf jedes Mitglied eines säkularen Vereins kommen fast 1000 Ev. und 1000 Kath. Das ist ein Verhältnis von 1 : 2000! wobei sich der eine Säkulare statistisch auf ca. 10 Vereine aufteilt, die 2000 Christen aber nur auf 2 Kirchen. Wenn man diese Zahlen mal auf sich wirken läßt, dann ist die Außenwirkung der organisierten Nichtreligiösen im Verhältnis zu ihrer Zahl eigentlich sogar erstaunlich groß, was an ihrer Wirkungslosigkeit natürlich nichts ändert. Du siehst, ich mache den Selbstbetrug, sich die Konfessionslosen als „anonyme Atheisten“ anzurechnen, einfach nicht mit.

Eigentlich könnte uns das alles egal sein. Es ist nun mal wie es ist, und keiner von uns wird daran etwas ändern, und ich vermute, die allermeisten von uns leben trotz oder vielleicht sogar wegen dieser Verhältnisse nicht wirklich schlecht.

Wenn da nicht ein kleines Problem wäre. Du hast geschrieben:

Kramer hat folgendes geschrieben:

Vielleicht ist ja das Projekt Säkularismus "nicht kampagnenfähig" - jedenfalls nicht in dem Sinne, wie es z.B. Fremdenfeindlichkeit ist. Es ist nicht geeignet, für den schnellen populistischen Erfolg - es verlangt Geduld, weil es langsamer wirkt - aber dafür am Ende nachhaltiger.


Nur genau von diesem „nachhaltiger“ merke ich nichts. Du hast oben, wie ich finde zutreffend, die Attraktivität des „Säkularismus“ mit der Mathematik verglichen. Ich denke, das trifft es. Die geht nämlich auch gegen Null. Es gibt ein paar Fachleute, die sich dafür begeistern, aber der überwiegende Rest des Publikums wendet sich mit Grausen.

Das ist im Falle des Säkularismus kein wirkliches Problem, solange die Zeiten ruhig sind. Die Menschen bauen ihren Kohl, und lassen die Kirche im Dorf. Aber die Zeiten sind nicht mehr ruhig, und es sieht nicht so aus, als wenn das in den nächsten Jahren besser werden würde. Überall um uns herum entstehen autoritäre Regierungen, bieten den Religionsvereinen die einmalige Chance, wieder ihre alte Machtposition zu erreichen - und bisher hat keiner abgelehnt, weder in Russland, noch in Polen, in Ungarn nicht und nicht in der Türkei. Ich vermute, das wäre auch bei uns nicht anders.

Und da kommt die mangelnde Kampagnenfähigkeit der Nichtreligiösen ins Spiel. Auf die politischen Parteien können wir uns nicht verlassen, die haben schon jetzt ihren Frieden mit den Kirchen gemacht, von ganz links bis ganz rechts. Linke, Grüne, SPD, und die C-Parteien sowieso. Und die FDP ist für jeden, der sie bezahlt. Ich vermute, daß die Anhänger eines säkularen Lebensstils dem wenig entgegenzusetzen haben. Ich befürchte, Säkularismus, wie wir ihn kennen, ist eine vorübergehende Erscheinung.

#401:  Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 03.07.2018, 20:13
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Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Und da kommt die mangelnde Kampagnenfähigkeit der Nichtreligiösen ins Spiel. Auf die politischen Parteien können wir uns nicht verlassen, die haben schon jetzt ihren Frieden mit den Kirchen gemacht, von ganz links bis ganz rechts. Linke, Grüne, SPD, und die C-Parteien sowieso. Und die FDP ist für jeden, der sie bezahlt. Ich vermute, daß die Anhänger eines säkularen Lebensstils dem wenig entgegenzusetzen haben. Ich befürchte, Säkularismus, wie wir ihn kennen, ist eine vorübergehende Erscheinung.


Als wenn es keine bürgerliche Diktatur ohne Kirche gibt. Man sehe sich doch nur die USA an, wo der Neofaschismus bereits vorsichtig an die Türe klopft.

Die herrschende Baggage hat es nicht unbedingt mit der Religion und dennoch steuern sie sehr zielstrebig auf eine offene Diktatur zu.

Und deswegen ist dieses Starren nur auf die Kirche genau so von gestern wie die Kirche selbst.

#402:  Autor: Marcellinus BeitragVerfasst am: 03.07.2018, 20:22
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fwo hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
... Ich kann daraus nur schließen, daß die Konfessionslosen außer der unbestreitbaren Tatsachen, daß sie keiner der offiziellen Konfessionen angehören, kaum gemeinsame Interessen haben, an denen ihnen soviel läge, daß sie bereit wären, dafür einzutreten.

Ich vermute, dass da noch ein Zusammenhang mit der kaum vorhandenen Konfliktfähigkeit mit der Elterngeneration existiert, unsere evolutionär vorhandene sehr starke Tendenz, den Unsinn der Eltern zu wiederholen. Das, was ich regelmäßig damit umschreibe, dass Kulturen sehr träge Dampfer sind, sehr träge Dampfer sein müssen, weil sie sonst die Genetik nicht hätten ablösen können.

Du musst im Gedächtnis behalten, dass Du selbst noch in eine Gesellschaft geboren wurdest, die zu über 90% kirchlich organisiert war, und das nicht als neue politische Erscheinung, sondern über so viele Generationen, dass Gottesfurcht keine leere Vokabel war, sondern Furcht das Gefühl war, das zu der Vokabel Gott gehörte.

Selbst im relativ heidnischen Schleswig-Holstein ist die Initiative, einen Gott wieder in die Verfassung aufzunehmen, nur knapp gescheitert.


Ja, ein sehr träger Dampfer. Aber du scheinst, ebenso wie Kramer, zu unterstellen, daß er wenn auch langsam so doch immer in die gleiche Richtung fährt, nämlich in die Richtung auf weniger Religion.

Aber die Religionsvereine haben ganz offensichtlich nicht die Absicht, ihrem eigenen Verschwinden tatenlos zuzuschauen. Sie suchen nach immer neuen Wegen, ihren Einfluß auf die Menschen wieder zu vergrößern. Woher nimmst du also den Optimismus, daß der „Unsinn der Eltern“ nicht wieder einen größeren Einfluß auf die Kinder bekommt? Besonders, wenn als Alternative ein Lebensstil „winkt“, der die Attraktivität der Mathematik hat (um dieses schöne Bild von Kramer aufzugreifen).

Und dann sind da noch ganz andere „Sinnangebote“ am Start, die sich die Neigung der Menschen zum „Unsinn“ zu Nutze machen könnten. Ein paar dieser „Sinnangebote“ haben wir ja in den letzten Jahren in großer Zahl importiert.

#403:  Autor: Samson83 BeitragVerfasst am: 03.07.2018, 20:42
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Ich finde ein Mathebuch ästhetisch. Ich habe kürzlich ein „Kurzlehrbuch@ (950 Seiten) durchgeblättert. Ich habe vielleicht ein Fünftel verstanden. Aber diese Klarheit. Diese reine Sprache. Kein subjektiv -emotionales geblubber. Logik in reinster Form. Dass sich dies der Mehrheit nicht erschließt liegt an der Vermittlung nicht an der Sache

#404:  Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 03.07.2018, 20:49
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Samson83 hat folgendes geschrieben:
Ich finde ein Mathebuch ästhetisch. Ich habe kürzlich ein „Kurzlehrbuch@ (950 Seiten) durchgeblättert. Ich habe vielleicht ein Fünftel verstanden. Aber diese Klarheit. Diese reine Sprache. Kein subjektiv -emotionales geblubber. Logik in reinster Form. Dass sich dies der Mehrheit nicht erschließt liegt an der Vermittlung nicht an der Sache


Ja, aber Kramer war halt früher in der Schule nicht gut in Mathe. Deswegen findet er Mathebücher nun mal langweilig.

#405:  Autor: Kramer BeitragVerfasst am: 03.07.2018, 22:23
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Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Ja, aber Kramer war halt früher in der Schule nicht gut in Mathe.


Im letzten Schuljahr hatte ich 10 Punkte im Mathe Grundkurs. Das ist nicht ruhmreich, aber auch nicht wirklich schlecht.

#406:  Autor: Kramer BeitragVerfasst am: 03.07.2018, 22:31
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Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Ja, ein sehr träger Dampfer. Aber du scheinst, ebenso wie Kramer, zu unterstellen, daß er wenn auch langsam so doch immer in die gleiche Richtung fährt, nämlich in die Richtung auf weniger Religion.


Ja, in diese Richtung fährt der Dampfer. Und das hat einen Grund: Wir haben die besseren Argumente. Wir haben nur gerade eine Flaute, weil alle Bälle bei den Religiösen liegen und die sich nicht trauen, sie zurück zu spielen. Die hängen lieber Kreuze auf und tun so, als hätten sie noch alles im Griff.

#407:  Autor: Kramer BeitragVerfasst am: 03.07.2018, 22:42
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Marcellinus hat folgendes geschrieben:

Der wesentliche, der ganz wesentliche Unterschied zwischen den Kirchenmitgliedern und den Mitgliedern säkularer Vereine ist ihre schlichte Zahl.


Nein, der wesentliche Unterschied ist, dass Religion vorgibt, eine eierlegende Wollmilchsau zu sein, während Unglaube nur eine Weltanschauung ist. Die traditionelle Funktion der Religion ist es, multifunktional zu sein. Sie erklärt, woher die Welt kommt, ist Stifterin der Moral, schafft Gemeinschaft, kümmert sich um die Leidenden, Alten und Kranken, begleitet den Menschen in Lebensbelangen von der Taufe bis ins Grab... Das kann der Atheismus nicht leisten, weil er sich für das alles nicht zuständig sieht. De Atheismus kann keinen Bogen spannen vom Ursprung der Welt bis zur Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod, weil er genau dieses Narrativ nicht bedient. Das heisst nicht, dass Menschen, die Atheisten sind, sich nicht ebenfalls um solche Fragen kümmern. Aber wenn sie es tun, dann eben nicht in ihrer Funktion als Atheisten.

#408:  Autor: Marcellinus BeitragVerfasst am: 03.07.2018, 23:25
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Kramer hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:

Der wesentliche, der ganz wesentliche Unterschied zwischen den Kirchenmitgliedern und den Mitgliedern säkularer Vereine ist ihre schlichte Zahl.


Nein, der wesentliche Unterschied ist, dass Religion vorgibt, eine eierlegende Wollmilchsau zu sein, während Unglaube nur eine Weltanschauung ist. Die traditionelle Funktion der Religion ist es, multifunktional zu sein. Sie erklärt, woher die Welt kommt, ist Stifterin der Moral, schafft Gemeinschaft, kümmert sich um die Leidenden, Alten und Kranken, begleitet den Menschen in Lebensbelangen von der Taufe bis ins Grab... Das kann der Atheismus nicht leisten, weil er sich für das alles nicht zuständig sieht. De Atheismus kann keinen Bogen spannen vom Ursprung der Welt bis zur Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod, weil er genau dieses Narrativ nicht bedient. Das heisst nicht, dass Menschen, die Atheisten sind, sich nicht ebenfalls um solche Fragen kümmern. Aber wenn sie es tun, dann eben nicht in ihrer Funktion als Atheisten.

Das ist schon ziemlich nah dran. Ja, Religionen haben ein Narrativ, das die Ordnung der Welt beschreibt, und daraus verbindliche Verhaltensnormen ableitet, und damit dem gesamten Leben der Menschen als Teil dieser Ordnung einen „Sinn“ verleiht.

Die religiöse Welterklärung, die religiöse Ordnung der Welt ist als Erklärungsmodell gescheitert, vor allem an wissenschaftlichen Erklärungsmodellen wie der Evolutionstheorie. Deshalb wird sie bis heute in der einen oder anderen Form von Religiösen bekämpft (oder vereinnahmt).

Hier haben die Nichtreligiösen offenbar die Oberhand gewonnen, und sie werden ja auch nicht müde, darauf hinzuweisen. Nur ergibt sich aus dieser Ordnung nicht nur kein „Sinn“, sie ist geradezu vom Kern her „sinnlos“.

Wo Nichtreligiöse einen anderen „Sinn“ angeboten haben, war er Ausdruck einer Ideologie, die selbst wieder ein Glaubenssystem war, wie der Kommunismus.

Du hast vollkommen Recht. Der Atheismus (der noch einmal etwas anderes ist als nicht religiös zu sein) kann einen solchen „Sinn“ nicht liefern, weil er eigentlich nichts anderes ist als die Nicht-Glauben an Götter (was immer das sein mag).

Über alles, was darüber hinausgeht, sind sich die Nichtreligiösen nicht einig. Und weil sie sich nicht einig sind, können sie kein gemeinsames Narrativ anbieten, wollen es vermutlich auch gar nicht. Damit aber sind sie den Religiösen von vornherein unterlegen. In dem Augenblick, in dem das wissenschaftliche Erklärungsmodell seine Anziehungskraft verliert, und angesichts von Fake-News sieht es danach aus, bleibt nichts, was man den Unentschlossenen anzubieten und den Religiösen entgegenzusetzen hätte.

#409:  Autor: swifty BeitragVerfasst am: 03.07.2018, 23:33
    —
Kramer hat folgendes geschrieben:

Ja, in diese Richtung fährt der Dampfer. Und das hat einen Grund: Wir haben die besseren Argumente.

So wie Hillary Clinton? Lachen

#410:  Autor: Kramer BeitragVerfasst am: 03.07.2018, 23:50
    —
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Damit aber sind sie den Religiösen von vornherein unterlegen.


Das sehe ich nicht. Die Religion verliert vor allem bei jungen Menschen an Bedeutung. Und zwar trotz des nicht unerheblichen Aufwandes, den Religionen betreiben, um schon bei Kindern für sich zu werben.

#411:  Autor: Marcellinus BeitragVerfasst am: 03.07.2018, 23:53
    —
Kramer hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Damit aber sind sie den Religiösen von vornherein unterlegen.


Das sehe ich nicht. Die Religion verliert vor allem bei jungen Menschen an Bedeutung. Und zwar trotz des nicht unerheblichen Aufwandes, den Religionen betreiben, um schon bei Kindern für sich zu werben.

Dann ist ja alles gut.

#412:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 04.07.2018, 12:26
    —
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
... Ich kann daraus nur schließen, daß die Konfessionslosen außer der unbestreitbaren Tatsachen, daß sie keiner der offiziellen Konfessionen angehören, kaum gemeinsame Interessen haben, an denen ihnen soviel läge, daß sie bereit wären, dafür einzutreten.

Ich vermute, dass da noch ein Zusammenhang mit der kaum vorhandenen Konfliktfähigkeit mit der Elterngeneration existiert, unsere evolutionär vorhandene sehr starke Tendenz, den Unsinn der Eltern zu wiederholen. Das, was ich regelmäßig damit umschreibe, dass Kulturen sehr träge Dampfer sind, sehr träge Dampfer sein müssen, weil sie sonst die Genetik nicht hätten ablösen können.

Du musst im Gedächtnis behalten, dass Du selbst noch in eine Gesellschaft geboren wurdest, die zu über 90% kirchlich organisiert war, und das nicht als neue politische Erscheinung, sondern über so viele Generationen, dass Gottesfurcht keine leere Vokabel war, sondern Furcht das Gefühl war, das zu der Vokabel Gott gehörte.

Selbst im relativ heidnischen Schleswig-Holstein ist die Initiative, einen Gott wieder in die Verfassung aufzunehmen, nur knapp gescheitert.


Ja, ein sehr träger Dampfer. Aber du scheinst, ebenso wie Kramer, zu unterstellen, daß er wenn auch langsam so doch immer in die gleiche Richtung fährt, nämlich in die Richtung auf weniger Religion.

Aber die Religionsvereine haben ganz offensichtlich nicht die Absicht, ihrem eigenen Verschwinden tatenlos zuzuschauen. Sie suchen nach immer neuen Wegen, ihren Einfluß auf die Menschen wieder zu vergrößern. Woher nimmst du also den Optimismus, daß der „Unsinn der Eltern“ nicht wieder einen größeren Einfluß auf die Kinder bekommt? Besonders, wenn als Alternative ein Lebensstil „winkt“, der die Attraktivität der Mathematik hat (um dieses schöne Bild von Kramer aufzugreifen).

Und dann sind da noch ganz andere „Sinnangebote“ am Start, die sich die Neigung der Menschen zum „Unsinn“ zu Nutze machen könnten. Ein paar dieser „Sinnangebote“ haben wir ja in den letzten Jahren in großer Zahl importiert.

Ich bin nicht so pessimistisch wie Du, weil ich beide Entwicklungen sehe: Das Lauterwerden und Einfluss in der Politik nehmen der Kirchen, aber auch das Zunehmen der nicht kirchlich Organisierten. Ich habe die Hoffnung noch nicht verloren, dass die Politik irgendwann nicht mehr darum herumkommt, auf diesen Widerspruch zu reagieren. In den Schulen sind zwar immer noch regelmäßig Lehrer von offenem Atheismus beleidigt, aber sein selbstbewusstes Auftreten dort ist inzwischen +- normal - zumindest hier in unsrem Ort und nicht nur bei meinen Kindern.

#413:  Autor: Grey BeitragVerfasst am: 04.07.2018, 12:30
    —
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Aber die Religionsvereine haben ganz offensichtlich nicht die Absicht, ihrem eigenen Verschwinden tatenlos zuzuschauen.
Na Und!

Würdest du das?

#414:  Autor: Grey BeitragVerfasst am: 04.07.2018, 12:37
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
In den Schulen sind zwar immer noch regelmäßig Lehrer von offenem Atheismus beleidigt,


Dann haben die den Auftrag eines Lehrers nicht wirklich verstanden.

#415:  Autor: Kramer BeitragVerfasst am: 04.07.2018, 12:56
    —
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Woher nimmst du also den Optimismus, daß der „Unsinn der Eltern“ nicht wieder einen größeren Einfluß auf die Kinder bekommt? Besonders, wenn als Alternative ein Lebensstil „winkt“, der die Attraktivität der Mathematik hat (um dieses schöne Bild von Kramer aufzugreifen).


Die Alternative zum religiösen Lebensstil ist nicht das Mathebuch, nicht irgendein atheistischer Lebensstil, sondern ein beliebiger, nicht von der Religion bestimmter Lebensstil. In das Mathebuch muss nur derjenige schauen, der seine Abkehr vom (oder fehlende Zuwendung zum) religiösen Lebensstil rechtfertigen möchte oder muss. Das ist aber gar nicht mehr zwingend nötig, heute reicht meist schon ein "Mit Kirche/Religion habe ich nichts am Hut" als Begründung. So weit sind wir schon.

Vielleicht haben wir uns schon so sehr an das Erreichte gewöhnt, dass wir es gar nicht mehr wertschätzen.

#416:  Autor: Marcellinus BeitragVerfasst am: 04.07.2018, 13:07
    —
fwo hat folgendes geschrieben:

Ich bin nicht so pessimistisch wie Du, weil ich beide Entwicklungen sehe: Das Lauterwerden und Einfluss in der Politik nehmen der Kirchen, aber auch das Zunehmen der nicht kirchlich Organisierten. Ich habe die Hoffnung noch nicht verloren, dass die Politik irgendwann nicht mehr darum herumkommt, auf diesen Widerspruch zu reagieren. In den Schulen sind zwar immer noch regelmäßig Lehrer von offenem Atheismus beleidigt, aber sein selbstbewusstes Auftreten dort ist inzwischen +- normal - zumindest hier in unsrem Ort und nicht nur bei meinen Kindern.


Optimismus ist ein Grundirrtum, der aller Wahrheit den Weg vertritt.
(Arthur Schopenhauer, deutscher Philosoph (1788-1860)) Sehr glücklich

Nun, ich sehe einfach ein Verhältnis der Kirchenmitglieder zu den Mitgliedern säkularer Organisationen von 2000 zu 1. Da muß man nicht besonders pessimistisch sein, um eine Erklärung für die Einflußlosigkeit der letzteren zu haben. Es ist keine Frage von Optimismus oder Pessimismus, sondern einfach eine Tatsachenfeststellung.

Eine Tatsachenfeststellung ist auch, daß immer noch jedes Jahr zahlreiche Menschen ihre jeweiligen Kirchen verlassen, sei es durch Tod oder durch Austritt, und daß weit weniger in sie eintreten, so daß netto ein Rückgang zustande kommt. Soweit, so gut. Nur hilft das offenbar den organisierten Nichtreligiösen nicht. Und, das erscheint mir noch viel schlimmer, es ist zwar ein Trend weg vom organisierten Obskurantismus, aber nicht hin zu mehr Vernunft und Sachorientierung (die ähnlich attraktiv wie Mathematik zu sein scheint - Hallo Kramer, vielen Dank noch mal für das Bild!), sondern hin zu einem unorganisierten Obskurantismus. Die Esoterik-Ecken in den Buchhandlungen wie im Netz sind seit Jahrzehnten ein Dauerbrenner.

Das ist meine eigentliche Befürchtung. Sollte irgendwann eine neue religiöse Mode durchs Land schwappen, sehe ich niemanden, der das aufhält - außer vielleicht den Kirchen, und das wäre nun wirklich den Bock zum Gärtner machen. Es wird immer so viel von der "aufgeklärten Bürgergesellschaft" gesprochen, hier wie in anderen Ländern, nur es gibt sie nicht! Was es gibt, sind unterschiedliche Lager, befeuert von ihren jeweils eigenen sozialen Fantasien, und der Subjektivismus, individuell wie kollektiv, feiert fröhlichen Urstände, und zwar auf allen Seiten, die nur eins gemeinsam haben, die Verachtung für Tatsachen unabhängig von ihren Träumen.

#417:  Autor: Marcellinus BeitragVerfasst am: 04.07.2018, 13:13
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Kramer hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Woher nimmst du also den Optimismus, daß der „Unsinn der Eltern“ nicht wieder einen größeren Einfluß auf die Kinder bekommt? Besonders, wenn als Alternative ein Lebensstil „winkt“, der die Attraktivität der Mathematik hat (um dieses schöne Bild von Kramer aufzugreifen).


Die Alternative zum religiösen Lebensstil ist nicht das Mathebuch, nicht irgendein atheistischer Lebensstil, sondern ein beliebiger, nicht von der Religion bestimmter Lebensstil. In das Mathebuch muss nur derjenige schauen, der seine Abkehr vom (oder fehlende Zuwendung zum) religiösen Lebensstil rechtfertigen möchte oder muss. Das ist aber gar nicht mehr zwingend nötig, heute reicht meist schon ein "Mit Kirche/Religion habe ich nichts am Hut" als Begründung. So weit sind wir schon.

Vielleicht haben wir uns schon so sehr an das Erreichte gewöhnt, dass wir es gar nicht mehr wertschätzen.

Oh, ich weiß das Erreichte sehr zu schätzen, nur hatten wir das, die "Abkehr vom religiösen Lebensstil", schon vor 50 Jahren erreicht, oder länger. Selbst ich bin ein meiner Familie schon damit aufgewachsen.

Aber seitdem sind wir nicht weitergekommen, und wenn man nicht weiterkommt, dann steht man in der Gefahr, zurückzufallen. Das beobachte ich allenthalben. Nur deshalb mein Einwurf.

#418:  Autor: Grey BeitragVerfasst am: 04.07.2018, 13:17
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Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Sollte irgendwann eine neue religiöse Mode durchs Land schwappen, sehe ich niemanden, der das aufhält -


Keine Angst! Ich bin doch da! Lachen

#419:  Autor: Kramer BeitragVerfasst am: 04.07.2018, 13:20
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Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Aber seitdem sind wir nicht weitergekommen, und wenn man nicht weiterkommt, dann steht man in der Gefahr, zurückzufallen.


Das ist doch Blödsinn. In den letzten 50 Jahren wurde einiges erreicht. Das mag nicht alles im Sinne des Nietzsche und Schopenhauer zitierenden reaktionären Bildungspöbels gewesen sein, aber es muss sich ja nicht immer alles um Euch drehen, nicht wahr?

#420:  Autor: SkeptikerWohnort: 129 Goosebumpsville BeitragVerfasst am: 04.07.2018, 13:37
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Kramer hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Aber seitdem sind wir nicht weitergekommen, und wenn man nicht weiterkommt, dann steht man in der Gefahr, zurückzufallen.


Das ist doch Blödsinn. In den letzten 50 Jahren wurde einiges erreicht. Das mag nicht alles im Sinne des Nietzsche und Schopenhauer zitierenden reaktionären Bildungspöbels gewesen sein, aber es muss sich ja nicht immer alles um Euch drehen, nicht wahr?


So ist es! Daumen hoch!



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