Transhumanismus
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Freigeisterhaus -> Kultur und Gesellschaft

#151:  Autor: Sinuhe BeitragVerfasst am: 15.10.2007, 18:22
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Semnon: Mir fällt auf, dass du zu wenig differenzierst, wenn es um die Strömung des Transhumanismus geht. Wie in vielerlei Gesellschaften gibt es Extreme, die aber nicht für die ganzheitliche Identitätsdeutung herhalten sollten.

Mit freundlichem Gruß
Sinuhe

#152:  Autor: Argáiþ BeitragVerfasst am: 15.10.2007, 19:02
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Wenn du das bloße Erwägen von Verbesserungen des Menschen meinst, hast du sicherlich Recht. Ich weigere mich jedoch, wie schon ein par Mal erwähnt, das als Definitionsgrundlage des Transhumanismus zuzulassen, wie andere es zB nicht akzeptieren, dass die Gefahr in Religionen auf den letztendlichen Handlungsansweisungen beruht, die aus ihnen resultieren. Ich bin hier bewußt nicht dieser Ansicht, da die den Transhumanismus auszeichnenden Züge (d.h. diejenigen, die ihn überhaupt zu einem eigenständigen Begriff werden lassen) eben sehr wohl in dem oben dargelegten Sinn ausfallen, was viele Technologiefreunde (gegen die ich an und für sich nichts habe) offenbar bisweilen einfach nicht wahrnehmen, bzw nicht wahr haben wollen. Der historische Prozess des Transhumanismus, der ihn zu einer irrationalen Rechtfertigung für Autogenozid werden ließ, ist ausserdem viel zu kurz und viel zu linear, um ihm eine ausreichende Variabilität, kulturelle Breite und (daher) Moderatheit zuzubilligen. Die Vordenker, die ja immer noch am Leben sind und die wesentlichen philosophischen Kräfte dahinter haben letztlich alle hochgradig technokratischen und ideologischen Charakter.

#153:  Autor: Roter BallonWohnort: München BeitragVerfasst am: 15.10.2007, 20:27
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Zwischenfrage:

Kann man annehemen, das der Fokus auf den "technisch" aufgehübschten Maschinenmenschen vielleicht auch etwas damit zu tun hat, das das Christentum seid 2000 Jahren alles "schleim-blut-sperma" artige mit Begriffen wie Erbsünde kontaminiert hat?

Sozusagen sich von dem menschlich körperlichen Makel befreien?

Dann hätte der Trans-H schon etwas messianisches, oder nicht?

#154:  Autor: Argáiþ BeitragVerfasst am: 15.10.2007, 21:03
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Das stellt sich mir nicht so dar, bzw in deutlich anderer Form. Der Transhumanismus entstand aus einem wissenschaftlich-technologisch libertären Meinungskonglomerat, das vor allem auf ethische Veränderungen abzielte. Bis es zu diesem geistigen Substrat überhaupt kam, fanden eine Reihe humanistisch orientierter Umbrüche statt, die eine Pufferzone zu der dem vorausgehenden christlichen Wertedogmatismus herstellten, so dass der Transhumanismus deutlich nicht etwa als eine direkte Konterreaktion auf theozentristische Menschenbilder aufgefasst werden kann. Viel mehr entwickelte sich der Transhumanismus offenbar aus einer postmodernen Beobachterperspektive, die die (im Sinne der transhumanistischen Perspektive hypothetische) humanistische Vorphase und die sich im Folgenden entwickelnden post-theozentrischen totalitären Gesellschaftsformen, wie dem Faschismus oder Kommunismus, als Versagen auffasste, das allein durch einen technischen Eingriff in das Sozialverhalten selbst behoben werden kann und muss. Bestätigung wurde hier wohl aus dem technologisch und industriell bedingten Siegeszug der USA (und des übrigen "Westens" in Teilen) bezogen, bzw. dies war ein wesentlicher Aktuator für die Motivation, den Menschen selbst im Sinne der Wunschvorstellungen des aktuellen Menschen technisch umzugestalten.

#155:  Autor: Roter BallonWohnort: München BeitragVerfasst am: 15.10.2007, 21:47
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20. Februar 1909
Filippo Tommaso Marinetti:

Futurismus hat folgendes geschrieben:
# Wir wollen die Liebe zur Gefahr besingen, die Vertrautheit mit Energie und Verwegenheit.
# Mut, Kühnheit und Auflehnung werden die Wesenselemente unserer Dichtung sein.
# Bis heute hat die Literatur die gedankenschwere Unbeweglichkeit, die Ekstase und den Schlaf gepriesen. Wir wollen preisen die angriffslustige Bewegung, die fiebrige Schlaflosigkeit, den Laufschritt, den Salto mortale, die Ohrfeige und den Faustschlag.
# Wir erklären, daß sich die Herrlichkeit der Welt um eine neue Schönheit bereichert hat: die Schönheit der Geschwindigkeit. Ein Rennwagen, dessen Karosserie große Rohre schmücken, die Schlangen mit explosivem Atem gleichen... ein aufheulendes Auto, das auf Kartätschen zu laufen scheint, ist schöner als die Nike von Samothrake.
# Wir wollen den Mann besingen, der das Steuer hält, dessen Idealachse die Erde durchquert, die selbst auf ihrer Bahn dahinjagt.
# Der Dichter muß sich glühend, glanzvoll und freigebig verschwenden, um die leidenschaftliche Inbrunst der Urelemente zu vermehren.
# Schönheit gibt es nur noch im Kampf. Ein Werk ohne aggressiven Charakter kann kein Meisterwerk sein. Die Dichtung muß aufgefasst werden als ein heftiger Angriff auf die unbekannten Kräfte, um sie zu zwingen, sich vor den Menschen zu beugen.
# Wir stehen auf dem äußersten Vorgebirge der Jahrhunderte!... Warum sollten wir zurückblicken, wenn wir die geheimnisvollen Tore des Unmöglichen aufbrechen wollen? Zeit und Raum sind gestern gestorben. Wir leben bereits im Absoluten, denn wir haben schon die ewige, allgegenwärtige Geschwindigkeit erschaffen.
# Wir wollen den Krieg verherrlichen – diese einzige Hygiene der Welt – den Militarismus, den Patriotismus, die Vernichtungstat der Anarchisten, die schönen Ideen, für die man stirbt, und die Verachtung des Weibes.
# Wir wollen die Museen, die Bibliotheken und die Akademien jeder Art zerstören und gegen den Moralismus, den Feminismus und jede Feigheit kämpfen, die auf Zweckmäßigkeit und Eigennutz beruht.
# Wir werden die großen Menschenmengen besingen, die die Arbeit, das Vergnügen oder der Aufruhr erregt; besingen werden wir die vielfarbige, vielstimmige Flut der Revolution in den modernen Hauptstädten; besingen werden wir die nächtliche, vibrierende Glut der Arsenale und Werften, die von grellen elektrischen Monden erleuchtet werden; die gefräßigen Bahnhöfe, die rauchende Schlangen verzehren; die Fabriken, die mit ihren sich hochwindenden Rauchfäden an den Wolken hängen; die Brücken, die wie gigantische Athleten Flüsse überspannen, die in der Sonne wie Messer aufblitzen; die abenteuersuchenden Dampfer, die den Horizont wittern; die breitbrüstigen Lokomotiven, die auf den Schienen wie riesige, mit Rohren gezäumte Stahlrosse einherstampfen und den gleitenden Flug der Flugzeuge, deren Propeller wie eine Fahne im Winde knattert und Beifall zu klatschen scheint wie eine begeisterte Menge....


viele Quellen machen den Strom

#156:  Autor: Zumsel BeitragVerfasst am: 16.10.2007, 09:24
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Robbe Piere hat folgendes geschrieben:
Zwischenfrage:

Kann man annehemen, das der Fokus auf den "technisch" aufgehübschten Maschinenmenschen vielleicht auch etwas damit zu tun hat, das das Christentum seid 2000 Jahren alles "schleim-blut-sperma" artige mit Begriffen wie Erbsünde kontaminiert hat?

Sozusagen sich von dem menschlich körperlichen Makel befreien?


Ja, diese Annahme liegt jedenfalls sehr nahe.

#157:  Autor: Argáiþ BeitragVerfasst am: 16.10.2007, 17:01
    —
Das denke ich nicht. Der Transhumanismus ist eigentlich sehr körperbejahend, man ist nur mit dem Status Quo nicht zufreiden. Sie würden sich ja selbst vor zwölfarmigen Penisgesichtern nicht ekeln, etc. Wenn, dann ist es eine neue Art von Körperfeindlichkeit, die zur christlichen deutlich verschieden ist und aus einer ganz anderen Richtung kommt. Ich sehe auch nicht, weshalb das Christentum der einzige Zugang dazu sein sollte. Ansonsten siehe oben.

#158:  Autor: AlligatorWohnort: Berlin BeitragVerfasst am: 14.11.2007, 15:48
    —
narziss hat folgendes geschrieben:
Ich favorisiere vor allem den Gedanken der Menschenzucht zur Hebung des IQs. Dies wäre etwas was bereits jetzt anlaufen könnte sc,hließlich wurde es in den USA erfolgreich ausprobiert.


Die hervorragendsten Ergebnisse dieses "Erfolges" heißen George W. B. und Paris Hilton.

#159:  Autor: göttertodWohnort: Freiburg BeitragVerfasst am: 09.03.2009, 23:56
    —
Ich möchte den Thread mal aus seiner Versenkung holen. Hauptsächlich weil hier ständig neue Themen entstehen, die letztlich im Transhumanismus angesiedelt sind, aber selbst nur kleine Teilbereiche und Nebenschauplätze darstellen.

Wie z.B. der Neue Babybuilder 1.0

Zum Anderen ist er für mich eine logische Konsequenz und ein fastrealistisches Heilsversprechen für alle Menschen (und darüber hinaus).

#160:  Autor: göttertodWohnort: Freiburg BeitragVerfasst am: 22.05.2009, 06:09
    —
comics-of-transhumanist-interest

#161:  Autor: göttertodWohnort: Freiburg BeitragVerfasst am: 22.05.2009, 06:11
    —
http://strategicphilosophy.blogspot.com/2009/05/comics-of-transhumanist-interest.html

#162:  Autor: göttertodWohnort: Freiburg BeitragVerfasst am: 27.11.2010, 15:55
    —
10-questions-for-ray-kurzweil (video)

für alle, die sich mit dem Thema noch nie beschäftigt haben...

#163:  Autor: göttertodWohnort: Freiburg BeitragVerfasst am: 06.10.2012, 05:23
    —
Anthony Rother - Biomechanik

biomechanik

der mensch belebt den stahl
gedanken integral
die seele digital

biomechanik

das leben wird kopiert
gefühle generiert
natur perfektioniert

#164:  Autor: Marcellinus BeitragVerfasst am: 06.10.2012, 11:45
    —
göttertod hat folgendes geschrieben:
Anthony Rother - Biomechanik

biomechanik

der mensch belebt den stahl
gedanken integral
die seele digital

biomechanik

das leben wird kopiert
gefühle generiert
natur perfektioniert

Frag mal jemanden, der ein künstliches Kniegelenk hat, nach der "Perfektionierung der Natur"!

#165:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 06.10.2012, 12:39
    —
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Frag mal jemanden, der ein künstliches Kniegelenk hat, nach der "Perfektionierung der Natur"!

Frag mal den Olympiasieger mit der Unterschenkelprothese.

#166:  Autor: Marcellinus BeitragVerfasst am: 06.10.2012, 12:54
    —
step hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Frag mal jemanden, der ein künstliches Kniegelenk hat, nach der "Perfektionierung der Natur"!

Frag mal den Olympiasieger mit der Unterschenkelprothese.

Optimiert für einen, dazu auch noch nutzlosen Zweck, zur Gaudi des Publikums in die Runde zu laufen. Aber versuch damit mal, in den Keller zu gehen, oder in die Knie, um einen Abfluß zu reinigen. Mit "Perfektionierung der Natur" hat das nichts zu tun. Es sind und bleiben Prothesen.

#167:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 06.10.2012, 13:07
    —
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Frag mal jemanden, der ein künstliches Kniegelenk hat, nach der "Perfektionierung der Natur"!
Frag mal den Olympiasieger mit der Unterschenkelprothese.
Optimiert für einen, dazu auch noch nutzlosen Zweck, zur Gaudi des Publikums in die Runde zu laufen. Aber versuch damit mal, in den Keller zu gehen, oder in die Knie, um einen Abfluß zu reinigen. Mit "Perfektionierung der Natur" hat das nichts zu tun. Es sind und bleiben Prothesen.

Wir stehen halt technisch noch am Anfang, im Vergleich zur Evolution.

Übrigens: Unsere Körper und Gehirne sind optimiert für den letztlich ebenfalls nutzlosen Zweck, möglichst gute Replikationsbedingungen für unser Genom zu bieten.

#168:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 06.10.2012, 15:36
    —
OT weil cis-human
step hat folgendes geschrieben:
.....
Übrigens: Unsere Körper und Gehirne sind optimiert für den letztlich ebenfalls nutzlosen Zweck, möglichst gute Replikationsbedingungen für unser Genom zu bieten.

Aber gib zu, dass es Spaß machen kann, diese Replikationsbedingungen zu simulieren. zwinkern

fwo

#169:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 06.10.2012, 15:50
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
OT weil cis-human
step hat folgendes geschrieben:
..... Übrigens: Unsere Körper und Gehirne sind optimiert für den letztlich ebenfalls nutzlosen Zweck, möglichst gute Replikationsbedingungen für unser Genom zu bieten.
Aber gib zu, dass es Spaß machen kann, diese Replikationsbedingungen zu simulieren. zwinkern

Oh ja, auch da wird die Natur die Geister nicht mehr los, die sie rief.

#170:  Autor: MisterfritzWohnort: badisch sibirien BeitragVerfasst am: 06.10.2012, 15:55
    —
step hat folgendes geschrieben:
Übrigens: Unsere Körper und Gehirne sind optimiert für den letztlich ebenfalls nutzlosen Zweck, möglichst gute Replikationsbedingungen für unser Genom zu bieten.
unser körper ist nun wirklich nicht wirklich optimal. der mensch kann entweder irgendetwas nicht besonders gut (laufen, springen, klettern, schwimmen, tauchen) oder eben gar nich (fliegen).
einzig unser gehirn, das uns dazu in die lage versetzt hat, mit diesen defiziten mit hilfe von werkzeugen und waffen zu überleben, scheint optimal zu sein zwinkern

#171:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 06.10.2012, 15:55
    —
Noch zu Marcellinus' "Prothesen": Das klingt sehr abschätzig, dabei gibt es ja einige solche, die natürliche Körperfunktionen wesentlich verbessern, etwa Ferngläser, Wärmebildkameras, Computertomografen, Mikroskope, Bagger, generell eigentlich alle Werkzeuge. Der Einbau bzw. die Zugehörigkeit zum Körper geschieht graduell.

#172:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 06.10.2012, 15:57
    —
Misterfritz hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Übrigens: Unsere Körper und Gehirne sind optimiert für den letztlich ebenfalls nutzlosen Zweck, möglichst gute Replikationsbedingungen für unser Genom zu bieten.
unser körper ist nun wirklich nicht wirklich optimal. der mensch kann entweder irgendetwas nicht besonders gut (laufen, springen, klettern, schwimmen, tauchen) oder eben gar nich (fliegen).
einzig unser gehirn, das uns dazu in die lage versetzt hat, mit diesen defiziten mit hilfe von werkzeugen und waffen zu überleben, scheint optimal zu sein zwinkern

Moment mal, unser Körper ist nicht optimal, sondern optimiert (für's replizieren in einer bestimten Nische) - da muß er nicht besonders gut tauchen oder fliegen können.

Und selbst optimiert ist er nur soweit, daß es bisher nicht zum Aussterben gereicht hat.

#173:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 06.10.2012, 16:40
    —
step hat folgendes geschrieben:
....
Moment mal, unser Körper ist nicht optimal, sondern optimiert (für's replizieren in einer bestimten Nische) - da muß er nicht besonders gut tauchen oder fliegen können.

Und selbst optimiert ist er nur soweit, daß es bisher nicht zum Aussterben gereicht hat.

Dass das nur in bestimmten Nischen geht, möchte ich doch weit von mir weisen. Lachen
(Frage an den Arzt: Stimmt es, dass man sich den Tripper auch auf dem Klo holen kann? Arzt: Schon, aber da ist es sehr unbequem.)

Und ansonsten ist der menschliche Körper kein Kommissionsprodukt (Dromedar ist der Entwurf eines Rennpferdes durch eine Kommission), sondern selbst ein äußerst taugliches Werkzeug, gebaut für eine Art, die sich ihren Lebensraum selbst aussucht. Such mal eine andere Tierart, die laufen, springen, schwimmen, tauchen und an Bäumen und Felsen klettern kann, und sich überall gut im Mittelfeld hält. Du wirst keine finden. Und als Langstreckenläufer ist der Mensch dank seiner ausgezeichneten Kühltechnik sogar ziemlich weit vorne - Wikipedia:
Zitat:
Die älteste Form der menschlichen Jagd ist die Ausdauerjagd (Hetzjagd). Diese beruht auf der gegenüber fast allen Säugetieren überlegenen Ausdauer des Menschen beim Laufen.

fwo

#174:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 06.10.2012, 17:50
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
Und ansonsten ist der menschliche Körper kein Kommissionsprodukt (Dromedar ist der Entwurf eines Rennpferdes durch eine Kommission), sondern selbst ein äußerst taugliches Werkzeug, gebaut für eine Art, die sich ihren Lebensraum selbst aussucht. Such mal eine andere Tierart, die laufen, springen, schwimmen, tauchen und an Bäumen und Felsen klettern kann, und sich überall gut im Mittelfeld hält. ...

Schon richtig, aber dennoch: die Mechanismen der Evolution führen meines Wissens regelmäßig nicht zu globalen Optima. Und der Mensch ist doch irgendwie ein Kompromißprodukt: z.B. Schädelgröße vs. Geburtskanal vs. Gehirnenergieverbrauch, Eireifungsaufwand vs. Fruchtbarkeitsspanne usw. - es ist möglich, daß die Technik aus diesem "lokalen Optimum" ausbrechen und ein besseres lokales Optimum finden könnte, z.B. exkorporale Austragung mit größeren Gehirnen.

#175:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 06.10.2012, 20:47
    —
step hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Und ansonsten ist der menschliche Körper kein Kommissionsprodukt (Dromedar ist der Entwurf eines Rennpferdes durch eine Kommission), sondern selbst ein äußerst taugliches Werkzeug, gebaut für eine Art, die sich ihren Lebensraum selbst aussucht. Such mal eine andere Tierart, die laufen, springen, schwimmen, tauchen und an Bäumen und Felsen klettern kann, und sich überall gut im Mittelfeld hält. ...

Schon richtig, aber dennoch: die Mechanismen der Evolution führen meines Wissens regelmäßig nicht zu globalen Optima. Und der Mensch ist doch irgendwie ein Kompromißprodukt: z.B. Schädelgröße vs. Geburtskanal vs. Gehirnenergieverbrauch, Eireifungsaufwand vs. Fruchtbarkeitsspanne usw. - es ist möglich, daß die Technik aus diesem "lokalen Optimum" ausbrechen und ein besseres lokales Optimum finden könnte, z.B. exkorporale Austragung mit größeren Gehirnen.

Wenn Du das als Kompromiss bezeichnest, gibt es nichts, was nicht Kompromiss ist oder sein wird, weil es eigentlich kein Produkt gibt, das auf nur eine Zielgröße optimiert wird, bzw. wenn Du eins findest, stellt Du fest, dass es nicht optimal ist, weil irgendeine andere Größe nicht mitspielt.

Weil Du Ferngläser und Mikroskope aufgezählt hast, die dazu dienen, unsere optische Auflösung in bestimmten Bereichen zu erweitern, nur einmal ein paar Zielgrößen für die Entwicklung einer Optik bei vorgegebener Brennweite:
Durchmesser (Lichtstärke)
Bildfeldgröße (Bereich hinreichender Auflösung und Kontrastübertragung)
Auflösung und Kontrastübertragung, Farbtreue, Farbortsdifferenzen
Bildfeldwölbung (zumindest in bestimmten Bereichen der Fotografie und Mikroskopie wichtig)
Maßstabsunempfindlichkeit
Toleranzunempfindlichkeit in der Herstellung
Gewicht
Preis

Diese verschiedenen Zielgrößen haben untereinander Abhängigkeiten: So kann ich bei einer Vergrößerung des Durchmessers bei konstanter Konstruktion normalerweise die Bildqualität in praktisch allen Parametern nicht erhalten, gleichzeitig steigen Gewicht und Preis usw.

Oder ein Beispiel, dass auch Leute von heute verstehen: Ein Handy, das mehr können soll, braucht einen schnelleren Prozessor. Schnellere Prozessoren brauchen mehr Strom, das bedeutet, dass das Handy dicker und schwerer wird, weil ich den Akku größer machen muss. Gleichzeitig brauche ich evtl. eine größere Anzeige, um etwas von der größeren Leistung zu haben, was auch wieder mehr Strom und ein größeres Gehäuse braucht. Aber Handies sollen grundsätzlich leistungsfähig, klein und leicht und billig sein...

Geh also davon aus, dass Du auch technisch nicht für alle Zielgrößen gleichzeitig zu globalen Optima kommst (wie ist das Optimum bei mehreren Zielgrößen überhaupt zu definieren?), auch wenn Du in einzelnen Zielgrößen die Natur weit übertreffen kannst. Man kann es auch einfach sagen: Jede Fähigkeit muss irgendwie bezahlt werden. Das ist in der Technik nicht anders als in der Natur.

fwo

#176:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 06.10.2012, 21:01
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
Geh also davon aus, dass Du auch technisch nicht für alle Zielgrößen gleichzeitig zu globalen Optima kommst (wie ist das Optimum bei mehreren Zielgrößen überhaupt zu definieren?), ...

Na, eben nach Gewichtung der Ziele. Heute ist da eben nicht mehr die Replikation. Das hat die Evolution nicht "bedacht".

fwo hat folgendes geschrieben:
auch wenn Du in einzelnen Zielgrößen die Natur weit übertreffen kannst. Man kann es auch einfach sagen: Jede Fähigkeit muss irgendwie bezahlt werden. Das ist in der Technik nicht anders als in der Natur.

Stimmt. Und dieKosten für ein Teleskop können wir uns heute eben leisten. Irgendwann können wir uns ein DirectBrainInterface leisten oder was auch immer.

#177:  Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 06.10.2012, 21:35
    —
step hat folgendes geschrieben:
....
Stimmt. Und dieKosten für ein Teleskop können wir uns heute eben leisten. Irgendwann können wir uns ein DirectBrainInterface leisten oder was auch immer.

Ich stimme ja mit dir darin überein, dass wir noch gewaltige Entwicklungsmöglichkeiten in der Prothetik bzw. in Kombinationen von Mensch und Maschine haben, ich wollte nur darauf hinaus, dass Ingeniersentwicklungen genauso mit Randbedingungen kämpfen wie natürliche auch. Die Kosten im letzten Satz meinte ich deshalb nicht nur pekuniär - so wie wir unser Vernetztsein mit einem Schwund an Privatspäre bezahlen. Insofern ist mein Blick auf diese Entwicklungen vielleicht etwas skeptischer - ohne dabei kommunistisch zu werden zwinkern .

fwo

#178:  Autor: stepWohnort: Germering BeitragVerfasst am: 06.10.2012, 22:55
    —
fwo hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
....
Stimmt. Und dieKosten für ein Teleskop können wir uns heute eben leisten. Irgendwann können wir uns ein DirectBrainInterface leisten oder was auch immer.

Ich stimme ja mit dir darin überein, dass wir noch gewaltige Entwicklungsmöglichkeiten in der Prothetik bzw. in Kombinationen von Mensch und Maschine haben, ich wollte nur darauf hinaus, dass Ingeniersentwicklungen genauso mit Randbedingungen kämpfen wie natürliche auch. Die Kosten im letzten Satz meinte ich deshalb nicht nur pekuniär - so wie wir unser Vernetztsein mit einem Schwund an Privatspäre bezahlen. Insofern ist mein Blick auf diese Entwicklungen vielleicht etwas skeptischer - ohne dabei kommunistisch zu werden zwinkern

Ja natürlich, so kann ich da zustimmen.

Das mit der Privatsphäre ist ein interessanter Punkt. Ich denke, Privatsphäre wird trotz aller technicher Neuerungen wesentlich bleiben, auch aus spieltheoretischen Erwägungen

#179:  Autor: Marcellinus BeitragVerfasst am: 07.10.2012, 11:33
    —
step hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Frag mal jemanden, der ein künstliches Kniegelenk hat, nach der "Perfektionierung der Natur"!
Frag mal den Olympiasieger mit der Unterschenkelprothese.
Optimiert für einen, dazu auch noch nutzlosen Zweck, zur Gaudi des Publikums in die Runde zu laufen. Aber versuch damit mal, in den Keller zu gehen, oder in die Knie, um einen Abfluß zu reinigen. Mit "Perfektionierung der Natur" hat das nichts zu tun. Es sind und bleiben Prothesen.

Wir stehen halt technisch noch am Anfang, im Vergleich zur Evolution.

Mehr hab ich nicht gesagt.

step hat folgendes geschrieben:

Übrigens: Unsere Körper und Gehirne sind optimiert für den letztlich ebenfalls nutzlosen Zweck, möglichst gute Replikationsbedingungen für unser Genom zu bieten.

... oder in Foren zu schreiben. Lachen

#180:  Autor: Murphy BeitragVerfasst am: 13.10.2012, 08:50
    —
Misterfritz hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Übrigens: Unsere Körper und Gehirne sind optimiert für den letztlich ebenfalls nutzlosen Zweck, möglichst gute Replikationsbedingungen für unser Genom zu bieten.
unser körper ist nun wirklich nicht wirklich optimal. der mensch kann entweder irgendetwas nicht besonders gut (laufen, springen, klettern, schwimmen, tauchen) oder eben gar nich (fliegen).
einzig unser gehirn, das uns dazu in die lage versetzt hat, mit diesen defiziten mit hilfe von werkzeugen und waffen zu überleben, scheint optimal zu sein zwinkern

'Der Mensch ist ein biologisches Mängelwesen', diesen Spruch mussten wir in Sozialkunde seinerzeit noch auswendig lernen, 'er wird praktisch auf jedem Gebiet von einem Spezialisten aus dem Tierreich übertroffen'.
Dafür kann er von allem ein bisschen was, eben laufen, springen, klettern, schwimmen, tauchen, schleichen. Schon seine Sensorik befindet sich im Mittelfeld: Er kann schlechter sehen als ein Falke, aber besser als ein Maulwurf, schlechter hören als ein Luchs aber besser als ein Nashorn usf.
Defizite sind das nur gemessen an den Spezialisten, ansonsten ist der Mensch das Multitalent im Tierreich schlechthin.
Das Gehirn ist dabei insofern optimal, als es diese Fähigkeiten und Sensorik optimal verwaltet, ob es Werkzeug und Waffen entwickelt um Defizite auszugleichen erscheint mir intuitiv schon fast zirkulär.
Andererseits lässt es sich nicht abstreiten, dass eine gute Waffe jedem noch so zerfahrenem Nervenbündel eine gehörige Portion 'Selbst-Bewusstsein' verleiht. So brachte das Defizit womöglich über die Waffe den Verstand hervor, wage ich mal zu behaupten, nicht ganz aus der Luft gegriffen wenn man bedenkt wie sehr eine Waffe die Mächteverhältnisse verschieben kann und wie sehr sich das auf das Bewusstsein und Selbstverständnis auswirken muss - der Gejagte wird plötzlich zum Jäger -, und es führte nicht der Verstand über das Defizit zur Waffe, so wie du sagst.
Auch wenn ich sonst nicht viel darauf gebe, aber in der Bibel ist ja auch der erste irdisch gezeugte Mensch ein Mörder.

Das sind zwar nur wilde Spekulationen eines selbsternannten Hobby-Anthropologen, aber für mich würde das einerseits wenigstens einen großen entwicklungsgeschichtlichen Sprung der Menschheit erklären, andererseits auch die mystische Überhöhung gewisser Werkzeuge ('Waffen') und den damit verbundenen (beginnenden?) Kult und Zauberritus.



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