Zitat: |
Wissenschaftler sind nahezu ohne Ausnahme Reduktionisten – sie sind davon überzeugt, dass alles, egal wie komplex es ist, eine Lösung der Schrödinger-Gleichung sein muss. Ganz im Gegensatz zu den »Vitalisten« früherer Zeitalter, die noch dachten, lebendige Dinge müssten von einer speziellen »Essenz« durchdrungen sein. Doch dieser Reduktionismus ist als Konzept nutzlos – er bietet nicht die besten Erklärungen.
Selbst ein so wenig geheimnisvolles Phänomen wie der Strom von Wasser durch Rohre oder in Flüssen lässt sich besser mit Hilfe von »emergenten« Konzepten wie Viskosität und Turbulenz verstehen. Experten der Flüssigkeitsdynamik kümmert es nicht, dass Wasser aus H20-Molekülen besteht – sie betrachten Wasser als Kontinuum. Selbst wenn sie einen Hypercomputer hätten, der die Schrödingergleichung für die Strömung Atom für Atom lösen könnte, würde die sich daraus ergebende Simulation keine neuen Einsichten zu den Fragen liefern, wie sich Wellen brechen oder warum eine Strömung turbulent wird. Und neue, nicht reduzierbare Konzepte sind noch wichtiger für unser Verständnis wirklich komplizierter Phänomene – beispielsweise der Migration von Vögeln oder der Funktion menschlicher Gehirne. Phänomene mit unterschiedlichen Niveaus an Komplexität lassen sich jeweils am besten mit unterschiedlichen, nicht reduzierbaren Konzepten verstehen – Turbulenz, Überleben, Wachsamkeit und so weiter. Das Gehirn ist eine Ansammlung von Zellen. Ein Gemälde ist eine Anordnung chemischer Pigmente. Wichtig und interessant sind jedoch die Muster und die Strukturen – die emergente Komplexität. Die gesamte Struktur eines Gebäudes ist gefährdet, wenn das Fundament schwach ist. Im Gegensatz dazu sind Wissenschaften einer »höheren Ebene«, die sich mit komplexen Systemen befassen, nicht durch unsichere Grundlagen gefährdet. Jede Wissenschaft hat ihre eigenen eindeutigen Konzepte und Erklärungsmethoden. In gewisser Weise ist der Reduktionismus korrekt. Aber er ist selten in einem nützlichen Sinne richtig. Und die meisten Durchbrüche, die die vergangenen zwei Jahrzehnte zur aufregendsten und dynamischsten Epoche der Wissenschaft gemacht haben, fanden auf diesen »höheren« Ebenen statt. |
Marcellinus hat folgendes geschrieben: |
... Abschied von der Weltformel ... |
Rees hat folgendes geschrieben: |
Doch dieser Reduktionismus ist als Konzept nutzlos – er bietet nicht die besten Erklärungen. |
Rees hat folgendes geschrieben: |
Selbst wenn sie einen Hypercomputer hätten, der die Schrödingergleichung für die Strömung Atom für Atom lösen könnte, würde die sich daraus ergebende Simulation keine neuen Einsichten zu den Fragen liefern, wie sich Wellen brechen oder warum eine Strömung turbulent wird. |
Rees hat folgendes geschrieben: |
Und die meisten Durchbrüche, die die vergangenen zwei Jahrzehnte zur aufregendsten und dynamischsten Epoche der Wissenschaft gemacht haben, fanden auf diesen »höheren« Ebenen statt. |
Marcellinus hat folgendes geschrieben: |
Passend dazu ein Zitat von Robert B. Laughlin, seines Zeichens Nobelpreisträger der Physik, aus seinem Buch: Abschied von der Weltformel: "Demnach ist die Tendenz der Natur, eine hierarchische Gesellschaft physikalischer Gesetze zu bilden, weit mehr als ein Thema für akademische Debatten. Sie ist der Grund, weshalb die Welt erkennbar ist. Sie macht die grundsätzlichen Gesetze erster Ordnung, welche das auch sein mögen, bedeutungslos und bewahrt uns davor, von ihnen tyrannisiert zu werden. Aufgrund dieser Tendenz können wir leben, ohne die ultimativen Geheimnisse des Universums zu verstehen. […] Während wir in das Zeitalter der Emergenz übergehen, lernen wir, den gesunden Menschenverstand zu akzeptieren; wir lassen die Gewohnheit hinter uns, die organisatorischen Wunder der Natur zu trivialisieren, und wir akzeptieren, daß die Ordnung an und für sich bedeutsam ist.- in manchen Fällen sogar der bedeutsamste Sachverhalt. Die Gesetze der Quantenmechanik, die Gesetze der Chemie, die Gesetze des Stoffwechsels und die Gesetze der Häschen, die in den Innenhöfen meiner Universität vor Füchsen flüchten, gehen alle auseinander hervor, doch es sind die Gesetze der letzten Gruppe, die am Ende für das Häschen zählen.“ |
step hat folgendes geschrieben: | ||||||
Diese Aussage ist mindestens unpräzise - der Reduktionismus war (und ist) sehr nützlich, u.a. gerade weil auf diese Weise Konzepte der Vitalisten endgültig widerlegt werden konnten. Vitalisten, Wundergläubige etc. mögen ja eigentlich keine Emergenz, weil diese ein bottom-up Konzept ist.
Ich denke, das ist nicht in allen Fällen von Emergenz richtig. Manchmal liefert die reduzierte Ebene eben doch wesentliche Erkenntnisse. Bestimmte Eigenschaften emergenter Systeme sind auf der emergenten Ebene einfach hinzunehmen, aber nicht erklärbar, etwa die Viskosität von Wasser oder die Supraleitung.
Was soll das heißen? Daß die meisten Wissenschaftler nicht direkt die Schrödingergleichung anwenden? |
Lamarck hat folgendes geschrieben: | ||
Hi Marcellinus!
Robert B. Laughlin hat seinen Nobelpreis wg. FQHE gewiss verdient. Aber "Tendenz der Natur, eine hierarchische Gesellschaft physikalischer Gesetze zu bilden" etc.?! - Ich bitte Dich... BTW: Wer sich von der Weltformel verabschieden will, muss sie doch erst einmal haben. Von wegen "hierarchische Gesellschaft physikalischer Gesetze"... |
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
....
BTW: Wer sich von der Weltformel verabschieden will, muss sie doch erst einmal haben. .... |
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | ||||
Hallo Lamarck, Robert B. Laughlin ist Physiker, kein Literat. Du solltest dich nicht an einzelnen Worten aufhängen, sondern versuchen, dem Inhalt dessen, was er meint, auf die Spur zu kommen. |
Marcellinus hat folgendes geschrieben: |
Wissenschaften sind der organisierte Versuch, theoretischen Modelle davon zu erstellen, wie beobachtbare Tatsachen nachprüfbar zusammenhängen. Wissenschaftliche Theorien sind als Modelle von Zusammenhängen, und diese Zusammenhänge haben auf den unterschiedlichen Ebenen unseres Universums eine relative Autonomie gegenüber den Elementen, aus denen sie gebildet werden. |
Marcellinus hat folgendes geschrieben: |
Nur deshalb ist es möglich, die Planetenbahnen zu erforschen und ihren Lauf mit überprüfbaren mathematischen Modellen zu beschreiben, ohne genau zu wissen, woraus diese Planeten eigentlich bestehen. Nur deshalb ist es möglich die Regelmäßigkeiten des morgentlichen Berufsverkehrs zu beschreiben, ohne genau die einzelnen Menschen zu kennen, die diese Figuration miteinander bilden. |
Marcellinus hat folgendes geschrieben: |
Diese relative Autonomie der einzelnen Integrations- und Koordinationsebenen gegenüber den Bestandteilen, von denen sie gebildet werden, ist die eigentliche Grundlange für die Entwicklung der Wissenschaften. Sie ermöglichen uns, die Funktionsweise des menschlichen Organismus zu untersuchen, ohne alle physikalisch-chemischen Eigenschaften der Atome zu kennen, die ihn bilden. Aber es gilt auch die Umkehrung. Selbst wenn wir alle physikalisch-chemischen Eigenschaften der Atome eines Organismus kennen, erklärt das noch nicht seine Funktion. Erst aus dem Zusammenspiel, aus der Anordnung seiner Bestandteile erklären sich die Eigenschaften eines Objekts einer höheren Integrationsstufe, und diese Eigenschaften besitzen eine relative Autonomie gegenüber den Eigenschaften der Objekte auf einer niedrigeren Stufe der Integration. So bildet unser Universum eine Hierarchie von Integrations- und Koordinationsstufen, von den physikalisch-chemischen Stufen über die biologischen hin zu den sozialen. Jede hat ihre eigenen Modelle und keine läßt sich vollständig aus der vorherigen erklären. |
fwo hat folgendes geschrieben: | ||
Der war gerade gut. |
fwo hat folgendes geschrieben: |
Solange wir die Weltformel nicht haben, ist sie nichts anderes als der Ausdruck für eine Suche, man kann auch sagen für Forschung schlechthin. Sich von ihr zu verabschieden, könnte also nur bedeuten, die Forschung nach ihr aufzugeben, so etwas wäre möglich. |
fwo hat folgendes geschrieben: |
Aber sobald wir sie haben, ist sie ein erworbenes Wissen. Wie verabschiedet man sich davon? Wir haben so einen Formel, die wir zwar nicht so nennen, die aber diesen Titel auch verdient hätte. E = m c^2 Mach mal vor: Verabschiede Dich mal in einer sinnvollen Art und Weise von ihr. |
sponor hat folgendes geschrieben: |
Pff, E = mc^2... ist allgemeiner und somit als "Weltformel" gleich viel qualifizierter! Und überhaupt. Das ist mal ne Weltformel: |
Lamarck hat folgendes geschrieben: |
physikalische Gesetze sind eine bestimmte Form, um Natur zu beschreiben. |
Ahriman hat folgendes geschrieben: |
Vorschlag:
Physikalische Gesetze sind die Spielregeln der Natur. |
Lebensnebel hat folgendes geschrieben: | ||
Spielregeln kann man übertreten. Was passiert, wenn die Natur die Spielregeln übertritt? Da kommen dann so Sendungen wie Paranormal Witnesses raus. D.h. für den Regelversoss wird nicht die Natur, sondern der Zuschauer bestraft. |
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | ||||
„Naturgesetze“ sind nichts anderes als menschengemachte Modelle vom Verhalten natürlicher Objekte. |
zelig hat folgendes geschrieben: | ||
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step hat folgendes geschrieben: | ||||
Ja, aktuell gibt es keinen Grund anzunehmen, die Formeln selbst seien in der Natur "implementiert". Und "nur beschreiben" klingt sehr bescheiden, denn zusammen mit der deterministischen Eigenschaft beinhaltet diese Beschreibung ja oft auch die Simulation bzw. Voraussage, wie auch die lückenlose Emergenz. Man hat also erstens nur diese Theorien und zweitens keinen Anlaß für irgendeine Metaphysik - auch nicht die eines Realismus. |
zelig hat folgendes geschrieben: |
Glaubst Du, eine eindeutige Grenzziehung zur Metaphysik wäre noch möglich, wenn in den Naturwissenschaften Modelle wie die MWI, Supersymmetrie oder Strings diskutiert werden? |
zelig hat folgendes geschrieben: | ||||||
Glaubst Du, eine eindeutige Grenzziehung zur Metaphysik wäre noch möglich, wenn in den Naturwissenschaften Modelle wie die MWI, Supersymmetrie oder Strings diskutiert werden? |
step hat folgendes geschrieben: | ||
Ja, eine solche Grenzziehung scheint mir durchaus möglich (und nötig). |
Lamarck hat folgendes geschrieben: | ||||||||
Hi zelig!
Definiere Metaphysik. Wenn Du weißt, wovon Du redest, hast Du Deine Grenzziehung. Cheers, Lamarck |
zelig hat folgendes geschrieben: | ||||
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zelig hat folgendes geschrieben: | ||||||||||
Ich bin mir nicht sicher, worauf Du abzielst. Ich ziele, ganz ganz allgemein gesprochen, darauf ab, daß es derzeit aussichtslos erscheint, die Modelle in der Grundlagenforschung empirisch zu untermauern. Die Grenze zwischen Metaphysik und Grundlagenforschung scheint mir aufgrund dessen aufzuweichen, da, sagen wir mal sich die vielen Welten dereinst als das Äther der Neuzeit entpuppen könnten. Als jemand, der sich mehr und mehr als Relationalist (heißt das so?) versteht, sind diese Modelle immer ein Quell des intellektuellen Vergnügens. edit: sinngebende korrektur |
vrolijke hat folgendes geschrieben: |
Wir machen unseren Kakao immer in den Microwellenofen.
Ein Glas braucht auf 600 Watt 2 Minuten. Wenn wir beide einen Kakao trinken, dann haben wir das bisher in eine Microwellenschüssel gewärmt. Das braucht dann 4 Minuten. Gestern dachte ich, "warum stellen wir nicht 2 Gläser rein, dann dauert es nur 2 Minuten bis der Kakao fertig ist". Pustekuchen. Es dauerte jetzt auch 4 Minuten. Kann mir jemand erklären, wo mein Denkfehler ist? |
Bravopunk hat folgendes geschrieben: | ||
Ich bin kein Fachmann, aber ich würde spontan raten, dass man für die doppelte Masse logischerweise auch die doppelte Menge an Energie braucht. |
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