Die Barbaren und die moderne Gesellschaft
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#1: Die Barbaren und die moderne Gesellschaft Autor: zelig BeitragVerfasst am: 12.12.2018, 09:33
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Zitat:
Der diesjährige Friedensnobelpreis macht darauf aufmerksam: Massenvergewaltigungen im Krieg sind nichts Archaisches. Sie folgen modernen, perfiden Strategien.
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Wenn man sich fragt, wie Vergewaltigung zu einer erstrangigen Kriegswaffe werden konnte, liegt es nahe, an archaisches, barbarisches, primitives Verhalten zu denken, das womöglich in weniger "zivilisierten" oder weniger modernen Weltteilen noch leichter durchbricht als bei uns in Europa. Nichts könnte falscher sein. Vergewaltigung als Mittel des Krieges ist keine archaische, sondern eine spezifisch moderne Sache. Ihre systematische Nutzung hängt, wie man soziologisch zeigen kann, mit der Architektur der modernen Gesellschaft zusammen. Menschliches Verhalten ist viel weniger, als man vermuten würde, durch archaisch-urmenschliche Kräfte bestimmt und viel mehr durch gesellschaftliche Strukturen.
...
Wenn das aber die Struktur totaler Kriege ist: Was hat das mit Massenvergewaltigungen in heutigen "schmutzigen Kriegen" zu tun? Diese Konflikte sind ganz anders geartet: Sie sind oft eher binnenländische als zwischenstaatliche Kriege, und sie sind oft Kriege niedriger Intensität, also gerade keine totalen Kriege. Trotzdem kann die Logik des Einspannens fremder gesellschaftlicher Logiken für Kriegszwecke auch hier greifen. Die Karriere von systematischer Vergewaltigung als Mittel der Kriegsführung ist ein besonders perfider Fall davon.

Frauen werden vergewaltigt, weil man weiß, dass damit der soziale Bereich Familie/Ehe/Reproduktion empfindlich getroffen und geschädigt wird. In vielen der einschlägigen Regionen gibt es kulturelle Konventionen, die vergewaltigte Frauen aus dem Ehe- und Familienleben ausschließen: Soweit sie unverheiratet sind, kommen sie nicht mehr als Heiratspartnerinnen infrage, und soweit sie verheiratet sind, können Männer die "Rücknahme" ihrer Ehefrauen verweigern.
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Insofern geht es bei Massenvergewaltigungen keineswegs nur um das rohe, tierische Vergnügen brutalisierter Kämpfer. Das gibt es natürlich auch, und gab es immer schon: Vergewaltigung einfach als überschießende Triebhandlung einzelner Soldaten oder sonstiger Kämpfer, die nicht ausreichend unter Kontrolle gehalten werden. Aber das erklärt nicht, warum in etlichen jüngeren Kriegen Tausende, Zehntausende, Hunderttausende von Frauen systematisch und mehr oder weniger geplant zum Opfer dieser Form von Angriff gemacht wurden.

Um den Aufstieg von Vergewaltigung zu einer der populärsten Kriegswaffen zu verstehen, muss man deshalb tiefer blicken. Und man muss vom unmittelbaren Geschehen in den Kriegszonen wegblicken und auf die moderne Gesellschaft im Ganzen: Diese schmutzigen Kriege sind kein brutales, barbarisches Geschehen weit weg, mit dem wir nichts zu tun haben. Ihre Mittel folgen Logiken, die aus den modernen gesellschaftlichen Strukturen Europas in andere Weltteile exportiert wurden. Dort entfalten sie jetzt ihre verheerende Wirkung.



https://www.zeit.de/kultur/2018-12/vergewaltigungen-kriegswaffe-nobelpreis-gesellschaft-kriegsfuehrung

#2: Re: Die Barbaren und die moderne Gesellschaft Autor: fwoWohnort: im Speckgürtel BeitragVerfasst am: 12.12.2018, 12:14
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zelig hat folgendes geschrieben:
Zitat:
... Diese schmutzigen Kriege sind kein brutales, barbarisches Geschehen weit weg, mit dem wir nichts zu tun haben. Ihre Mittel folgen Logiken, die aus den modernen gesellschaftlichen Strukturen Europas in andere Weltteile exportiert wurden. Dort entfalten sie jetzt ihre verheerende Wirkung.



https://www.zeit.de/kultur/2018-12/vergewaltigungen-kriegswaffe-nobelpreis-gesellschaft-kriegsfuehrung

Den von mir gefetteten Satz halte ich bis zu einer stimmigen Begründung für reinen Blödsinn.

Kannst Du ihn begründen?

Der Anfang zeigt für mich ein krummes Verständnis von der menschlichen Natur, das dann vermeintlich einer Korrektur bedarf:
Zitat:
Der diesjährige Friedensnobelpreis macht darauf aufmerksam: Massenvergewaltigungen im Krieg sind nichts Archaisches. Sie folgen modernen, perfiden Strategien.
...
Wenn man sich fragt, wie Vergewaltigung zu einer erstrangigen Kriegswaffe werden konnte, liegt es nahe, an archaisches, barbarisches, primitives Verhalten zu denken, das womöglich in weniger "zivilisierten" oder weniger modernen Weltteilen noch leichter durchbricht als bei uns in Europa. Nichts könnte falscher sein. Vergewaltigung als Mittel des Krieges ist keine archaische, sondern eine spezifisch moderne Sache. Ihre systematische Nutzung hängt, wie man soziologisch zeigen kann, mit der Architektur der modernen Gesellschaft zusammen. Menschliches Verhalten ist viel weniger, als man vermuten würde, durch archaisch-urmenschliche Kräfte bestimmt und viel mehr durch gesellschaftliche Strukturen. ...

btw: Was ist hier mit modern gemeint? Reden wir da von der Evolution des Menschen - dann ist modern alles, was jünger als ca 100 000 Jahre ist. Oder reden wir von unserer jüngeren Geschichte?

Grundsätzlich: Es ist andersherum, als wir es uns einreden: Wir leben mit einer fetten kulturellen Schicht über einer Schicht angeborener Verhaltensweisen, deren Impetus auf unser "normales" Verhalten nicht so groß ist, wie es einige Biologen behaupten oder die, die denen Biologismus vorwerfen, heimlich befürchten. Der Preis, den wir dafür zahlen mussten, ist, dass unser Entscheidungsrahmen, der jetzt nicht mehr so stark von der Genetik eingegrenzt wird, von der Kultur bestimmt wird, in der wir sozialisiert sind. Wir sind alle gleich "kultürlich" : der feinsinnige zelig wie der Feinde köpfende, Kinder mordende und Frauen vergewaltigende IS-Soldat, und unsere individuelle Entscheidungsfreiheit ist nicht so groß, wie wir sie uns vorstellen.

Insofern sind diese Verhalten, um die es hier geht, in der hier beschriebenen Logik zwar für die kriegführenden Seiten willkommen, aber sie können kaum befohlen werden, wenn die Kultur der Kämpfer nicht gleichzeitig Feinde und Frauen als minderwertige Objekte klassifiziert, bei denen diese Handlungen erlaubt sind. Was wir hier sehen, ist eine Form des Kulturkampfes und als solche nicht natürlich im Sinne von genetisch bestimmt, sondern kultürlich und der Ursprung dazu liegt sicher nicht im Kalkül einzelner Kriegsführer oder der Logik des Westens.

Aus biologischer Sicht ist das modern, aus historischer Sicht nicht.

#3: Re: Die Barbaren und die moderne Gesellschaft Autor: unquest BeitragVerfasst am: 12.12.2018, 12:51
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fwo hat folgendes geschrieben:
zelig hat folgendes geschrieben:
Zitat:
... Diese schmutzigen Kriege sind kein brutales, barbarisches Geschehen weit weg, mit dem wir nichts zu tun haben. Ihre Mittel folgen Logiken, die aus den modernen gesellschaftlichen Strukturen Europas in andere Weltteile exportiert wurden. Dort entfalten sie jetzt ihre verheerende Wirkung.



https://www.zeit.de/kultur/2018-12/vergewaltigungen-kriegswaffe-nobelpreis-gesellschaft-kriegsfuehrung

Den von mir gefetteten Satz halte ich bis zu einer stimmigen Begründung für reinen Blödsinn.

Von grösstem Übel ist der Abolitionismus; seitdem kriegt man keine guten Sklaven mehr zu kaufen. Und wie hat man schon zu Zeiten Brians gefragt: Was haben die Römer uns schon gebracht, außer... Lachen

#4:  Autor: swifty BeitragVerfasst am: 12.12.2018, 13:00
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tl;dr Gute Nacht, ich gehe...



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