Dumme und andere Gedanken über diverse Märchenfassungen.
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Freigeisterhaus -> Spiel, Spaß und Unterhaltung

#61:  Autor: beachbernieWohnort: Haida Gwaii BeitragVerfasst am: 28.12.2018, 20:15
    —
Kramer hat folgendes geschrieben:
Als Jesus über das Wasser ging, hat er da die Naturgesetze vorher gefragt, ob er sie brechen darf?



Gravitation ist kein Naturgesetz, sondern ein soziales Konstrukt! freakteach

#62:  Autor: wolle BeitragVerfasst am: 28.12.2018, 20:22
    —
Kramer hat folgendes geschrieben:
Als Jesus über das Wasser ging, hat er da die Naturgesetze vorher gefragt, ob er sie brechen darf?

https://de.wikipedia.org/wiki/Furt schrieb:
Zitat:
Als Furt (englisch ford (crossing); französisch gué) bezeichnet man eine Flachstelle (Untiefe) in einem Bach- oder Flusslauf, mittels der das Gewässer zu Fuß, zu Pferd oder mit Fahrzeugen durchquert werden kann.

Dazu braucht man Naturgesetze nicht zu brechen.

#63:  Autor: BravopunkWohnort: Woanders BeitragVerfasst am: 29.12.2018, 09:12
    —
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:


... Fundamentalisten...


Oh. Ich kenne auch ein schönes Wort: Ikonoklasten

#64:  Autor: AdvocatusDiaboliWohnort: München BeitragVerfasst am: 29.12.2018, 11:36
    —
Kramer hat folgendes geschrieben:
Als Jesus über das Wasser ging, hat er da die Naturgesetze vorher gefragt, ob er sie brechen darf?


Wir sollten uns eher mit dem Heiligen Geist beschäftigen, der Maria ungefragt schwängerte. Der fuhr einfach in sie hinein. Jesus ist Produkt einer Vergewaltigung. Jetzt kommt mir nicht mit „in Märchen ist das erlaubt“.

#65:  Autor: Kramer BeitragVerfasst am: 29.12.2018, 11:54
    —
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:

In jeder Rezeption einer Fiktion wird diese unvermeidlich aktualisiert (das "aktualisiert" war gemeint als "vergegenwärtigt"). Wenn ein Märchen neu gedruckt wird, in ein anderes Medium übertragen, mündlich erzählt, vorgelesen oder still gelesen wird, findet dabei eine Aktualisierung statt: Die Fiktion wird in einem anderen gesellschaftlichen Rahmen neu vergegenwärtigt als dem ursprünglichen.


Das stimmt und das ist auch nicht der strittige Punkt. Es geht darum, ob man dem Rezipienten diese Aktualisierung selber vornehmen lässt, oder ob man durch Veränderungen des Textes eine ganz bestimmte Lesart vorgeben möchte. Wenn die Rezipienten Kinder sind, geht es um die Frage, ob man ihnen zutraut, zwischen Fiktion und Realität zu unterscheiden. Macht man beim Vorlesen hinter jedem "märchenhaften" Element eine Pause, um dem Kind zu erklären, dass es Hexen, Zwerge, Zauberer und rettende Küssse in der Realität nicht gibt? Oder traut man dem Kind zu, dass es diese Unterscheidung unausgesprochen schon selber vorgenommen hat, wenn es den Wunsch äussert, ein Märchen vorgelesen zu bekommen?

#66:  Autor: zelig BeitragVerfasst am: 29.12.2018, 11:56
    —
Bravopunk hat folgendes geschrieben:
Ich wurde allerdings schon einige Male unfreiwillig geküsst


Kann man überhaupt unfreiwillig geküsst werden? Oder wird man gegen seinen Willen geküsst? Das frage ich mich gerade wirklich. Geschockt

#67:  Autor: astarte BeitragVerfasst am: 29.12.2018, 12:41
    —
Kramer hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:

In jeder Rezeption einer Fiktion wird diese unvermeidlich aktualisiert (das "aktualisiert" war gemeint als "vergegenwärtigt"). Wenn ein Märchen neu gedruckt wird, in ein anderes Medium übertragen, mündlich erzählt, vorgelesen oder still gelesen wird, findet dabei eine Aktualisierung statt: Die Fiktion wird in einem anderen gesellschaftlichen Rahmen neu vergegenwärtigt als dem ursprünglichen.


Das stimmt und das ist auch nicht der strittige Punkt. Es geht darum, ob man dem Rezipienten diese Aktualisierung selber vornehmen lässt, oder ob man durch Veränderungen des Textes eine ganz bestimmte Lesart vorgeben möchte. Wenn die Rezipienten Kinder sind, geht es um die Frage, ob man ihnen zutraut, zwischen Fiktion und Realität zu unterscheiden. Macht man beim Vorlesen hinter jedem "märchenhaften" Element eine Pause, um dem Kind zu erklären, dass es Hexen, Zwerge, Zauberer und rettende Küssse in der Realität nicht gibt? Oder traut man dem Kind zu, dass es diese Unterscheidung unausgesprochen schon selber vorgenommen hat, wenn es den Wunsch äussert, ein Märchen vorgelesen zu bekommen?

Ich kann mich grad nicht erinnern, mit wem das hier grade der strittige Punkt ist. Am Kopf kratzen

#68:  Autor: Kramer BeitragVerfasst am: 29.12.2018, 12:50
    —
astarte hat folgendes geschrieben:

Ich kann mich grad nicht erinnern, mit wem das hier grade der strittige Punkt ist. Am Kopf kratzen


Das ist tragisch - aber da musst Du wohl alleine durch.

#69:  Autor: astarte BeitragVerfasst am: 29.12.2018, 12:58
    —
Kramer hat folgendes geschrieben:
astarte hat folgendes geschrieben:

Ich kann mich grad nicht erinnern, mit wem das hier grade der strittige Punkt ist. Am Kopf kratzen


Das ist tragisch - aber da musst Du wohl alleine durch.

Och schade, dass du mir da nicht helfen magst.

Vielleicht weißt du es aber auch selber nicht. zwinkern

#70:  Autor: vrolijkeWohnort: Stuttgart BeitragVerfasst am: 29.12.2018, 12:59
    —
Kramer hat folgendes geschrieben:
astarte hat folgendes geschrieben:

Ich kann mich grad nicht erinnern, mit wem das hier grade der strittige Punkt ist. Am Kopf kratzen


Das ist tragisch - aber da musst Du wohl alleine durch.


Umgekehrt wird doch eher einen Schuh draus.
Jedes Jota, dass an einen "bestehenden Text" geändert wird, zieht doch sofort den Groll von Hundertschaften von "Sprachwächter" nach sich. Dabei hat bereits Schakespeare sich bei Boccacio bedient, und nach Gusto abgeändert. Schulterzucken so what?
Es hat, soviel ich hier vernommen habe, niemand die Verbreitung der "echte" (welche das auch immer sein sollen) Texte verboten.

#71:  Autor: Kramer BeitragVerfasst am: 29.12.2018, 13:11
    —
vrolijke hat folgendes geschrieben:

Jedes Jota, dass an einen "bestehenden Text" geändert wird, zieht doch sofort den Groll von Hundertschaften von "Sprachwächter" nach sich.


Das kann ich auch: Jedes neu definierte Fehlverhalten zieht einem sofortigen Sturm durch die kulturelle Überlieferung und den Reinigungswahn von Hundertschaften von Sittenwächtern nach sich. Wenn man meint, dass niemand einen anderen ungefragt küssen darf dann muss auch der literarische Kanon von ungefragten Küssen befreit werden.

#72:  Autor: astarte BeitragVerfasst am: 29.12.2018, 13:12
    —
Jetzt fällt mir ein, wen Kramer meinen könnte: die Grimm Brüder. idee
Eigentlich auch nur die.

#73:  Autor: astarte BeitragVerfasst am: 29.12.2018, 13:39
    —
Kramer hat folgendes geschrieben:
vrolijke hat folgendes geschrieben:

Jedes Jota, dass an einen "bestehenden Text" geändert wird, zieht doch sofort den Groll von Hundertschaften von "Sprachwächter" nach sich.


Das kann ich auch: Jedes neu definierte Fehlverhalten zieht einem sofortigen Sturm durch die kulturelle Überlieferung und den Reinigungswahn von Hundertschaften von Sittenwächtern nach sich. Wenn man meint, dass niemand einen anderen ungefragt küssen darf dann muss auch der literarische Kanon von ungefragten Küssen befreit werden.

Wer wollte hier denn das Dörnröschen-Märchen in dem Sinne verändern?

#74:  Autor: Kramer BeitragVerfasst am: 29.12.2018, 14:12
    —
astarte hat folgendes geschrieben:
Kramer hat folgendes geschrieben:
vrolijke hat folgendes geschrieben:

Jedes Jota, dass an einen "bestehenden Text" geändert wird, zieht doch sofort den Groll von Hundertschaften von "Sprachwächter" nach sich.


Das kann ich auch: Jedes neu definierte Fehlverhalten zieht einem sofortigen Sturm durch die kulturelle Überlieferung und den Reinigungswahn von Hundertschaften von Sittenwächtern nach sich. Wenn man meint, dass niemand einen anderen ungefragt küssen darf dann muss auch der literarische Kanon von ungefragten Küssen befreit werden.

Wer wollte hier denn das Dörnröschen-Märchen in dem Sinne verändern?


Der unsichtbare Elefant im Raum.

#75:  Autor: Kramer BeitragVerfasst am: 29.12.2018, 14:19
    —
astarte hat folgendes geschrieben:
Jetzt fällt mir ein, wen Kramer meinen könnte: die Grimm Brüder. idee
Eigentlich auch nur die.


Keine Ahnung. Ich weiss nicht, was die Brüder Grimm am Text verändert haben - speziell an der Kuss-Szene. Wenn sie da etwas verändert haben, haben sie dabei jedenfalls einiges richtig gemacht. Sie haben ein bleibendes, prägendes Bild geschaffen.

#76:  Autor: vrolijkeWohnort: Stuttgart BeitragVerfasst am: 29.12.2018, 15:33
    —
Kramer hat folgendes geschrieben:
astarte hat folgendes geschrieben:
Jetzt fällt mir ein, wen Kramer meinen könnte: die Grimm Brüder. idee
Eigentlich auch nur die.


Keine Ahnung. Ich weiss nicht, was die Brüder Grimm am Text verändert haben - speziell an der Kuss-Szene. Wenn sie da etwas verändert haben, haben sie dabei jedenfalls einiges richtig gemacht. Sie haben ein bleibendes, prägendes Bild geschaffen.


Vor allem haben die Gebrüder Grimm Märchen gesammelt. Diverse Märchen, die in alle mögliche Varianten von Generation zu Generation mündlich weitergegeben wurden. Aufgeschrieben wurden dann die Variante, die die Moral der Zeit* (*Grimms) genehm waren.
Wie wir wissen, gabs es auch eine Version, worin Dornröschen im Schlaf vergewaltigt wurde. Das war wohl in irgend eine Zeit ein Mädchentraum; (Wenn er sie dann anschließend heiratete. Die meisten vergewaltigte Mädchen wurden sitzen gelassen) vorausgesetzt, es war ein Prinz.
Diese Version haben die Gebrüder Grimm wohl "verfälscht".
Verfälscht haben sie auch, das Märchen Hänsel und Gretel. Ursprünglich war es die leibliche Mutter, die die Kinder ausgesetzt hat.
Diverse Märchen gibt es in zahlreiche Variationen.
Das Traurige an der Sammlung der Grimm-Brüder. Märchen werden nicht mehr mündlich überliefert, und so erzählt, wie es das jeweilige Kind hören möchte, sondern nur noch nach Vorlage referiert.

#77:  Autor: tillich (epigonal) BeitragVerfasst am: 29.12.2018, 16:43
    —
Kramer hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:

In jeder Rezeption einer Fiktion wird diese unvermeidlich aktualisiert (das "aktualisiert" war gemeint als "vergegenwärtigt"). Wenn ein Märchen neu gedruckt wird, in ein anderes Medium übertragen, mündlich erzählt, vorgelesen oder still gelesen wird, findet dabei eine Aktualisierung statt: Die Fiktion wird in einem anderen gesellschaftlichen Rahmen neu vergegenwärtigt als dem ursprünglichen.

Das stimmt und das ist auch nicht der strittige Punkt.

Doch, mit Bravopunk war genau das der strittige Punkt. Er meinte, es sei eine Rezeption ohne Aktualisierung möglich und sei auch vorzuziehen. Und das ist eben Unsinn.

Kramer hat folgendes geschrieben:
Es geht darum, ob man dem Rezipienten diese Aktualisierung selber vornehmen lässt, oder ob man durch Veränderungen des Textes eine ganz bestimmte Lesart vorgeben möchte.

Wenn man an der Aktualiserung eines Textes beteiligt ist - und das ist man, sobald man ein Märchen vorliest oder einem Kind das Buch gibt oder was auch immer -, hat man sich bereits entscheiden, diese Aktualisierung eben nicht dem Rezipienten Kind alleine zu überlassen.

Das fängt bei banalen Dingen an: Erzählen, vorlesen, gemeinsam lesen oder das Kind selbst lesen lassen? Reiner Text oder eine Ausgabe mit Bildern, die das Kind dabei auch anschauen kann? Was für Bilder? Welche Fassung des Textes - es gibt von Märchen ja fast immer diverse Varianten? Textlich modernisiert oder nicht?

Selbst wenn ich mich entscheide, ohne Bilder, Veränderung oder Kommentar eine Fassung einer der Ausgaben der Grimms zu benutzen, nehme ich ja eine wichtige Veränderung vor: Ich präsentiere dem Kind einen Text, der für es in großen Stücken sehr schwer verständlich ist und höchst altertümlich wirkt (anders als für ein Kind der Zeit). Ich würde dann so tun, als gäbe es die sprachlichen Veränderungen zwischen damals und heute gar nicht, und gerade dadurch eine wichtige Entscheidung darüber treffen, auf welche Art das Märchen aufgenmmen wird.

Und entsprechendes gilt natürlich für den Inhalt. Ich kann natürlich ein Märchen sprachlich verständlicher machen (bzw. in der Regel haben mir das die Verlage abgenommen), ohne irgendwas am Inhalt zu verändern. Aber dann habe ich mich eben auch entschieden, alle Vorstellungen von Gesellschaft mit den jeweiligen Rollenvorstellungen (nicht nur Geschlechterrollen), die für die Geschichten den Hintergrund bilden, unhinterfragt so mitzutransportieren.

Das muss nicht schimm sein. Aber ich muss mich eben entscheiden, ob ich das will.
[Dazu schrieb ich woanders schon das Folgende:] 'Was die Eignung für Kinder angeht: Ich würde halt sagen, dass man da differenzieren muss. Gerade in vielen Märchen stecken mMn so viele grundlegende Stoffe in so einfacher Konzentration, dass sie für Kinder großartig sind. Aber man muss eben schon schauen, welche wirklich geeignet sind, welche eher nicht, wo man vielleicht doch was verändert oder wo man evtl. gegen bestimmte Aspekte durch andere Geschichten Gegenakzente setzt. Dass in manchen Geschichten die Geschlechterrollen traditionell sind, ist ja kein Drama, wenn andere Geschichten auch andere Rollen anbieten. Ebenso ist der Kuss, mit dem die verzauberte Prinzessin aufgeweckt wird (als echtes Heilmittel in der Geschichte!), wohl keine pädagogische Katastrophe, wenn man in anderen Geschichten die Selbstbestimmung von Kindern stark macht. Aber dafür muss man eben nachdenken über die Geschichten.'

Kramer hat folgendes geschrieben:
Macht man beim Vorlesen hinter jedem "märchenhaften" Element eine Pause, um dem Kind zu erklären, dass es Hexen, Zwerge, Zauberer und rettende Küssse in der Realität nicht gibt? Oder traut man dem Kind zu, dass es diese Unterscheidung unausgesprochen schon selber vorgenommen hat, wenn es den Wunsch äussert, ein Märchen vorgelesen zu bekommen?

Wir aus dem vorhergehenden klargeworden sein sollte: Um die märchenhaften Elemente geht es mir nicht. Diese Unterschiedung lernt das Kind nach und nach im Umgang mit den Geschichten. Relevant für die Diskussion ist der mittransportierte gesellschaftliche Hintergrund.

Der Kuss bei Dornröschen hat ja zwei Aspekte: Der eine ist, dass er ein wundersames Heilmittel gegen den hundertjährigen Schlaf ist. Als solches ist er ein märchenhaftes Element und völlig unproblematisch.
Darüberhinaus wird er aber vor einem gesellschaftlichen Hintergrund erzählt, in dem es ein durchaus normales Verhalten ist, wenn ein Mann darüber entscheidet, ob er sich einer Frau körperlich nähert, ohne sich über deren Willen Gedanken zu machen (eine Schranke sind "Sitte und Anstand", aber nicht die Selbstbestimmung der Frau). Und dieses Rollenverständnis ist doch wohl selbstverständlich problematisch! Darauf bezog sich meine ursprüngliche Aussage, dass der Prinz "heute" für seinen Kuss Ärger bekäme - und mich wundert immer noch, dass darüber Uneinigkeit bestehen kann.

Nun sind diese beiden Aspekte ja im Märchen nicht ohne erheblich Eingriffe zu trennen. Und deswegen muss man sich einfach überlegen, wie man damit umgeht. Ich nenne mal denkbare Möglichkeiten:
- Das Märchen ganz aus dem kindergeeigneten Material streichen und somit auf die Geschichte verzichten.
- Größere Veränderungen vornehmen, in denen der Prinz das Mädchen anders weckt.
- Kleine Einschübe machen, die (ohne erhobenen Zeigefinger, sondern durch erzählerische Mittel) deutlich machen, dass es eben nicht normal ist, eine unbekannte, schlafende Frau zu küssen (zB: der Prinz probiert vorher andere Weckmöglichkeiten und/oder entschuldigt sich nachher, dass der Kuss zum Wecken nötig war).
- Nicht das Märchen verändern, aber durch andere Geschichten und überhaupt sonst in der Erziehung Gegenakzente setzen, die die Selbstbestimmung betonen.
- Das Problem der Selbstbestimmung ignorieren.
Egal, was man tut - man hat damit eine Entscheidung getroffen, und für die sollte man am besten Gründe haben - jedenfalls wenn man andere für ihre Meinung kritisiert. Einfach auf die "Originalität" der Geschichte pochen, ist jedenfalls literarisch ein sehr schwaches und pädagogisch gar kein Argument.

#78:  Autor: Kramer BeitragVerfasst am: 29.12.2018, 18:03
    —
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:

Darüberhinaus wird er aber vor einem gesellschaftlichen Hintergrund erzählt, in dem es ein durchaus normales Verhalten ist, wenn ein Mann darüber entscheidet, ob er sich einer Frau körperlich nähert, ohne sich über deren Willen Gedanken zu machen (eine Schranke sind "Sitte und Anstand", aber nicht die Selbstbestimmung der Frau). Und dieses Rollenverständnis ist doch wohl selbstverständlich problematisch!


Einspruch. Das ist - soweit es sich auf den unverlangten Kuss eines Fremden bezieht - nicht selbstverständlich. So ein Kuss kann unangenehm sein. In den meisten Fällen ist er es wohl auch. So geküsst zu werden kann aber auch ein seltener, kostbarer, das Leben völlig verändernder Moment sein. Natürlich kann das schief gehen, aber das Risiko ist es wert. Vor allem, wenn es nur in der Fantasie, in einer Geschichte - in einem Märchen statt findet. Mir macht das Angst. Da gibt es Menschen, die machen in ihrem Regulierungsfanatismus nicht mal vor der Fantasie halt. Die wollen alles kontrollieren, selbst das Verhalten des Märchenprinzen. Das ist gruselig.

#79:  Autor: astarte BeitragVerfasst am: 29.12.2018, 18:35
    —
Momentan läuft wieder im TV eine Dornröschen-Version von Disney:
Maleficent
Diese böse Verfilmung verändert den Inhalt enorm, ganz schlimm nach Zeitgeist:
u.a.: Die Prinzessin hat den Prinzen schon mal getroffen, und sie haben sich gleich ineinander verknallt. Er wird von den Feen gedrängt, Aurora zu küssen, obwohl er das zuerst nicht richtig findet, da sie sich kaum kennen.
Sein vorsichtiger Kuss auf die Lippen wirkt dann aber nicht, weil das Verliebtheit, aber wohl noch (?) keine "wahre Liebe" war. Überraschenderweise erlöst Maleficent dann das Mädchen mit einem mütterlichen Kuss auf die Stirn. Dies war dann wohl der "Kuss der wahren Liebe". bzw einer Form davon?
Nein

#80:  Autor: AhrimanWohnort: 89250 Senden BeitragVerfasst am: 29.12.2018, 18:53
    —
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Verfälscht haben sie auch, das Märchen Hänsel und Gretel. Ursprünglich war es die leibliche Mutter, die die Kinder ausgesetzt hat.
Diverse Märchen gibt es in zahlreiche Variationen.
Das Traurige an der Sammlung der Grimm-Brüder. Märchen werden nicht mehr mündlich überliefert, und so erzählt, wie es das jeweilige Kind hören möchte, sondern nur noch nach Vorlage referiert.

Doch ja, es war und ist die leibliche Mutter.
Tatsächlich gibt es einige Märchen in Grimms Sammlung, die man kleinen Kindern vorenthalten muß. Der "Machangelboom" wie auch "Die Räuberbraut" schildern ebenfalls Kannibalismus. Im ersteren ist es die Mutter, die den kleinen Sohn schlachtet, im zweiten sind es die Räuber, die Mädchen schlachten. Ach ja, und der Blaubart war auch so einer. Die "Räuberbraut" muß sehr bekannt gewesen sein, Wilhelm Busch hat eine sehr ähnliche Version aufgezeichnet und uns hinterlassen. Nebenbei, die Märchen, die Scheherezade ihrem Sultan erzählte, waren teilweise auch nicht jugendfrei, da ging es oft heftig zur Sache. Aber das haben die verklemmten Europäer rausgekürzt.
Und was soll man von der Frau Holle halten? Das Märchen ist so verschleiert, das merkt schon keiner mehr: Die Frau Holle war eine Puffmutter, und "die Betten ausschütteln, daß die Federn fliegen" ist doch immer noch sehr deutlich. Klar, daß die Goldmarie, weil sie fleißig im Bett war, auch gut verdiente.
Und heute muß sich eine Teenietochter schon was Klügeres ausdenken, wenn sie von den Eltern mit einem Jungen im Bett erwischt wird. Von wegen einen Frosch an die Wand werfen, daß ein Prinz daraus wird...

#81:  Autor: wolle BeitragVerfasst am: 29.12.2018, 19:08
    —
AdvocatusDiaboli hat folgendes geschrieben:
Kramer hat folgendes geschrieben:
Als Jesus über das Wasser ging, hat er da die Naturgesetze vorher gefragt, ob er sie brechen darf?


Wir sollten uns eher mit dem Heiligen Geist beschäftigen, der Maria ungefragt schwängerte. Der fuhr einfach in sie hinein. Jesus ist Produkt einer Vergewaltigung. Jetzt kommt mir nicht mit „in Märchen ist das erlaubt“.


Diesen heiligen Geist sollte man verklagen, diesen Unhold. Böse

#82:  Autor: vrolijkeWohnort: Stuttgart BeitragVerfasst am: 29.12.2018, 19:18
    —
Ahriman hat folgendes geschrieben:
vrolijke hat folgendes geschrieben:
Verfälscht haben sie auch, das Märchen Hänsel und Gretel. Ursprünglich war es die leibliche Mutter, die die Kinder ausgesetzt hat.
Diverse Märchen gibt es in zahlreiche Variationen.
Das Traurige an der Sammlung der Grimm-Brüder. Märchen werden nicht mehr mündlich überliefert, und so erzählt, wie es das jeweilige Kind hören möchte, sondern nur noch nach Vorlage referiert.

Doch ja, es war und ist die leibliche Mutter.
Tatsächlich gibt es einige Märchen in Grimms Sammlung, die man kleinen Kindern vorenthalten muß. Der "Machangelboom" wie auch "Die Räuberbraut" schildern ebenfalls Kannibalismus. Im ersteren ist es die Mutter, die den kleinen Sohn schlachtet, im zweiten sind es die Räuber, die Mädchen schlachten. Ach ja, und der Blaubart war auch so einer. Die "Räuberbraut" muß sehr bekannt gewesen sein, Wilhelm Busch hat eine sehr ähnliche Version aufgezeichnet und uns hinterlassen. Nebenbei, die Märchen, die Scheherezade ihrem Sultan erzählte, waren teilweise auch nicht jugendfrei, da ging es oft heftig zur Sache. Aber das haben die verklemmten Europäer rausgekürzt.
Und was soll man von der Frau Holle halten? Das Märchen ist so verschleiert, das merkt schon keiner mehr: Die Frau Holle war eine Puffmutter, und "die Betten ausschütteln, daß die Federn fliegen" ist doch immer noch sehr deutlich. Klar, daß die Goldmarie, weil sie fleißig im Bett war, auch gut verdiente.
Und heute muß sich eine Teenietochter schon was Klügeres ausdenken, wenn sie von den Eltern mit einem Jungen im Bett erwischt wird. Von wegen einen Frosch an die Wand werfen, daß ein Prinz daraus wird...

Sprich; man kann die Märchen jeweils den erwünschten Zustand anpassen.
(Gilt natürlich nicht für Linguisten. Die sollen sich an den echten© historischen Text halten) zwinkern

#83:  Autor: Tarvoc BeitragVerfasst am: 29.12.2018, 19:43
    —
Kramer hat folgendes geschrieben:
So ein Kuss kann unangenehm sein. In den meisten Fällen ist er es wohl auch. So geküsst zu werden kann aber auch ein seltener, kostbarer, das Leben völlig verändernder Moment sein. Natürlich kann das schief gehen, aber das Risiko ist es wert.

Sprichst du da aus eigener Erfahrung?

#84:  Autor: tillich (epigonal) BeitragVerfasst am: 29.12.2018, 20:55
    —
Kramer hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:

Darüberhinaus wird er aber vor einem gesellschaftlichen Hintergrund erzählt, in dem es ein durchaus normales Verhalten ist, wenn ein Mann darüber entscheidet, ob er sich einer Frau körperlich nähert, ohne sich über deren Willen Gedanken zu machen (eine Schranke sind "Sitte und Anstand", aber nicht die Selbstbestimmung der Frau). Und dieses Rollenverständnis ist doch wohl selbstverständlich problematisch!

Einspruch. Das ist - soweit es sich auf den unverlangten Kuss eines Fremden bezieht - nicht selbstverständlich. So ein Kuss kann unangenehm sein. In den meisten Fällen ist er es wohl auch. So geküsst zu werden kann aber auch ein seltener, kostbarer, das Leben völlig verändernder Moment sein. Natürlich kann das schief gehen, aber das Risiko ist es wert.

Diese Verteidigung einer körperlichen Annäherung an eine Person, die, weil sie schläft, nicht mal die kleinste Möglichkeit hat, irgendeine Art von Abwehr oder Missfallen zu signalisieren (sei es auch nur mimisch oder gestisch), finde ich gruselig. Aber wirklich. Wir reden hier ja nicht von einem Kuss, bei dem man nicht sicher ist, ob er erwünscht ist, und deshalb eine Zurückweisung riskiert - sondern von einem, bei dem die Zurückweisung gar nicht möglich ist.

Gut, aber dann ist es - zu meiner erheblichen Verblüffung - also wohl nicht selbstverständlich, das nicht OK zu finden.

Kramer hat folgendes geschrieben:
Vor allem, wenn es nur in der Fantasie, in einer Geschichte - in einem Märchen statt findet.

Hallo? Wie oft soll ich eigentlich noch darauf hinweisen, dass der Diskussionsanlass eine Spekulation darüber war, was wäre, wenn so ein Kuss außerhalb des Märchens stattfindet?
Das waren von Anfang an verschiedene Ebenen, die ich inzwischen auch nicht zum ersten Mal explizit auseinanderhalte, und du vermischst sie trotzdem.

Kramer hat folgendes geschrieben:
Mir macht das Angst. Da gibt es Menschen, die machen in ihrem Regulierungsfanatismus nicht mal vor der Fantasie halt. Die wollen alles kontrollieren, selbst das Verhalten des Märchenprinzen. Das ist gruselig.

Eine Regulierungsphantasie hast nur du als Paranoia oder Strohmann. Mein Plädoyer geht die ganze Zeit - und eigentlich kaum missverständlich, ich habe ja ganz verschiedene Möglichkeiten genannt - dahin, dass man als erwachsener Mensch verantwortlich darüber nachdenkt, was und wie man an Kinder weitergibt. Wo da eine Regulierung versteckt sein soll, weiß ich nicht.

#85:  Autor: Samson83 BeitragVerfasst am: 29.12.2018, 21:03
    —
Wäre es eigentlich außerhalb eines Märchenkontexts akzeptabel, wenn man einer alten Frau das Haus abbruchreif frisst?

Oder ungefragt das Gut sieben armer, kleinwüchsiger Bergleute belegt?

Märchen sind amoralisch.

#86: Küsst eure Prinzen, und ihr werdet sehen, es sind Frösche. Autor: DonMartin BeitragVerfasst am: 29.12.2018, 21:25
    —
https://www.youtube.com/watch?v=oshOIdxvQGI

#87:  Autor: Kramer BeitragVerfasst am: 30.12.2018, 00:12
    —
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Mein Plädoyer geht die ganze Zeit - und eigentlich kaum missverständlich, ich habe ja ganz verschiedene Möglichkeiten genannt - dahin, dass man als erwachsener Mensch verantwortlich darüber nachdenkt, was und wie man an Kinder weitergibt. Wo da eine Regulierung versteckt sein soll, weiß ich nicht.


Wenn Du meinst, in Zeiten des Internets und Trash-TV Deine Kinder vor einem Kuss im Märchen beschützen zu müssen - nur zu.

#88:  Autor: CriticWohnort: Arena of Air BeitragVerfasst am: 30.12.2018, 00:33
    —
Ad Beitrag:

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
(...)

Nun sind diese beiden Aspekte ja im Märchen nicht ohne erheblich Eingriffe zu trennen. Und deswegen muss man sich einfach überlegen, wie man damit umgeht. Ich nenne mal denkbare Möglichkeiten:
- Das Märchen ganz aus dem kindergeeigneten Material streichen und somit auf die Geschichte verzichten.
- Größere Veränderungen vornehmen, in denen der Prinz das Mädchen anders weckt.
- Kleine Einschübe machen, die (ohne erhobenen Zeigefinger, sondern durch erzählerische Mittel) deutlich machen, dass es eben nicht normal ist, eine unbekannte, schlafende Frau zu küssen (zB: der Prinz probiert vorher andere Weckmöglichkeiten und/oder entschuldigt sich nachher, dass der Kuss zum Wecken nötig war).
- Nicht das Märchen verändern, aber durch andere Geschichten und überhaupt sonst in der Erziehung Gegenakzente setzen, die die Selbstbestimmung betonen.
- Das Problem der Selbstbestimmung ignorieren.
Egal, was man tut - man hat damit eine Entscheidung getroffen, und für die sollte man am besten Gründe haben - jedenfalls wenn man andere für ihre Meinung kritisiert. Einfach auf die "Originalität" der Geschichte pochen, ist jedenfalls literarisch ein sehr schwaches und pädagogisch gar kein Argument.


Einerseits muß ja jede Zeit letztlich ihre Antworten und Zugänge finden, mit alten Geschichten umzugehen.

Andererseits: Was z.B. Musik angeht, möchte ich natürlich auch wissen, wie es zur Zeit der Entstehung geklungen haben könnte, aber das ist ja teilweise dann auch so etwas verkopft.

Man könnte sich durchaus altersgerecht damit auseinandersetzen: Man kann man natürlich so ganz kleinen Kindern noch nicht viel erklären, da schwächt man ggf. ab, weil so eine Originalgeschichte, daß Grausamkeiten mit Menschen verübt werden oder Ähnliches, doch eher Angst auslösen könnte, oder man erwähnt auch nicht, wenn z.B. alle Bösen in der Geschichte Schwarze oder "Zigeuner" sind. Aber irgendwann kann man den Kindern ja auch erklären, daß die Menschen damals so dachten, aber daß das keine "objektive Wahrheit" abbildet. Und irgendwann dann auch daran anschließen, daß Märchen damalige gesellschaftliche Verhältnisse oder Wunschbilder abbilden, psychologische Deutungen haben oder auf älteren mythologischen Vorstellungen gründen können.

#89:  Autor: Lebensnebel BeitragVerfasst am: 30.12.2018, 00:50
    —
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:


Hallo? Wie oft soll ich eigentlich noch darauf hinweisen, dass der Diskussionsanlass eine Spekulation darüber war, was wäre, wenn so ein Kuss außerhalb des Märchens stattfindet?


Außerhalb eines Märchens kann so ein Kuss nicht stattfinden, denn in der wirklichen Welt schläft niemand 100 Jahre ohne zu altern.

Außerdem bergen Märchen noch mehr unerwünschte Sachen. Die Königstochter aus "Der Froschkönig" knallt den Frosch mit voller Wucht gegen die Wand. - Und was noch schlimmer ist: Der Königssohn in den sich der Frosch daraufhin verwandelt ist der Ische auch noch dankbar. Wann wird PETA dieses Märchen umschreiben?

#90:  Autor: beachbernieWohnort: Haida Gwaii BeitragVerfasst am: 30.12.2018, 02:30
    —
Kramer hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Mein Plädoyer geht die ganze Zeit - und eigentlich kaum missverständlich, ich habe ja ganz verschiedene Möglichkeiten genannt - dahin, dass man als erwachsener Mensch verantwortlich darüber nachdenkt, was und wie man an Kinder weitergibt. Wo da eine Regulierung versteckt sein soll, weiß ich nicht.


Wenn Du meinst, in Zeiten des Internets und Trash-TV Deine Kinder vor einem Kuss im Märchen beschützen zu müssen - nur zu.



Lachen



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