Shiva hat folgendes geschrieben: |
Hallo liebe Forumsmitglieder,
ich habe mich in der letzten Zeit mit Mythen & Spiritualität beschäftigt und bin davon so fasziniert, dass ich mich darüber gerne austauschen möchte: Warum schaffen wir Menschen uns Mythen und warum haben wir ein Bedürfnis nach Spiritualität? Mircea Eliade schreibt in "Geschichte der religiösen Ideen" sinngemäß: Die im Verlauf von Millionen Jahren sich entwickelnde Menschwerdung des Affen ließ diesen von den Bäumen hinuntersteigen und aufrecht auf zwei Beinen gehen. Aus der aufrechten Haltung ergab sich eine Strukturierung des Raumes, die den Vormenschen in dem Maße nicht zugänglich war: die Aufteilung in den drei Dimensionen, wobei sich der Mensch selbst ganz natürlicherweise im Zentrum dieses Bezugssystems wiederfand. Diese Zentralität des Menschen eröffnete eine völlig neue Grunderfahrung, nämlich die, mitten in eine anscheinend unbegrenzte, unbekannte und drohende Weite »geworfen« zu sein. Da er nicht in einer durch Orientierungslosigkeit bewirkten Ungewissheit leben kann, entwickelt er notgedrungen verschiedene Mittel zur Orientierung. Mit diesem noch völlig rudimentären Bewusstsein muss es für den Menschen in vielerlei Hinsicht eine beängstigende und verzweifelte Epoche gewesen sein. Wie viele Tiere gab es, die dem Menschen physisch überlegen waren! Wie abhängig war eine Jagderfolg vom Wetter! Was müssen diese Menschen sich geängstigt haben, wenn im Sommer Blitz, Donner und Stürme tobten, im Winter alle Wasser und die Erde gefroren waren, ja wenn sogar die Leben spendende Sonne plötzlich am helligten Tag sich verdunkelte! Das größte Problem, die Erkenntnis der eigenen Sterblichkeit, wurde immer äußerst virulent, wenn diese Menschen beobachteten, wenn ein erlegtes Tier den Blick brach und verendete. Mit Sicherheit spürten die Menschen intuitiv, dass sie Verwandte der Tiere waren, dass sie diesen Geschöpfen ähnlich sind, dass es aber auch grundlegende Unterschiede gibt! -------------- Meine Idee ist, dass es zwei interne (aus der inneren Wahrnehmung) und zwei externe (aus der äußeren Wahrnehmung) Quellen des Mythos bzw. der Spiritualität gibt: Eine externe Quelle der menschlichen Spiritualität ist diese Alltagswelt mit ihrer extremen Spannweite des Erfahr- und Erlebbaren: das Wunder der Schwangerschaft, die Geburt, das Leben und schließlich der Tod. Frauen waren der Quell des Lebens und nicht umsonst wurden Frauen zu mächtigen Göttinnen; die griechische Artemis, Jägerin und Schutzpatronin der ungebändigten Natur, Herrin der Tiere ist vielleicht eine Erinnerung an paläolithische Mythen. Eine weitere interne Quelle von Spiritualität ist die Tatsache, dass dem entwicklungsmäßig "kindlichen" Bewusstsein des Paläolithikers das Töten und Verspeisen von Tieren zum Problem wurde. Tiere waren ihm nicht nur Bestandteil des Speiseplans, sondern auch seiner psychischen Ambivalenz: erlegte Tiere kehrten in den Träumen der Jäger wieder; sie waren Projektionswesen seiner Wünsche: stark wie ein Bär, listig wie ein Fuchs, fruchtbar wie ein Stier; blickte er in die verblassenden Augen eines sterbenden Tieres, überkam ihn ein Schuldgefühl. Eine weitere interne Quelle menschlicher Spiritualität sind Träume und Visionen. In ihnen erschienen die Ahnen wieder – mächtige, offenbar den Tod überwindende archetypische Wesen, die die Menschen Fertigkeiten lehrten wie Jagen, Kämpfen, Nahrung zubereiten und die ihnen von einer Wirklichkeit jenseits ihrer Alltagswirklichkeit berichteten: der Transzendenz. Deshalb waren diese Tätigkeiten keine profane sondern sakrale Akte. Wenn heute ein in Australien lebender Aborigine auf die Jagd geht, nimmt er vorher in einem Ritus Kontakt zu seinem Ahnen, dem »Ersten Jäger«, auf und folgt in seinem Verhalten diesem Vorbild. In Träumen und Visionen manifestierte sich die Sehnsucht des Menschen, in einem Paradies zu leben, frei von den Bedrohungen und der Mühsal des Alltags und frei von der Verletzlichkeit und Endlichkeit seines Körpers. In fast allen Mythen der Erde gibt es ein Paradies. Der sumerische »Mythos von Dilmun« ist wahrscheinlich der älteste Paradiesmythos: eine Insel im Persischen Golf (das heutige Bahrain?). Die vierte externe Quelle von Spiritualität ist der Himmel, eines der grundlegendsten Elemente des mythischen Bewusstseins. Er bildet den Kern einer Verehrung und erfüllt uns mit Demut und Staunen. In nahezu jedem Pantheon finden wir einen Himmelsgott. Der Himmel – die »Höhe« – ist und bleibt mythisches Symbol des Göttlichen: Auserwählte steigen auf! Durch Meditation & Trance gelangen wir zu einem »höheren« Bewusstsein! Berge sind die physische Verbindung und Ort einer Begegnung mit Göttern, weshalb sie oft heilig sind. Der Himmel beflügelt den Wunsch des Menschen, sich über die Qual und Mühsal des menschlichen Daseins zu erheben, eine essentielle Sehnsucht des Menschen. Kommt Euch das stimmig vor und habt Ihr weitere Ideen dazu? |
Shiva hat folgendes geschrieben: |
... habt Ihr weitere Ideen dazu? |
Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Die spannendere Frage wäre aus meiner Sicht aber die, warum in breiten Teilen der Menschheit selbst heute noch solche rückständigen Paradigmen einen gewissen Stellenwert besitzen. Heute haben solche spirituellen Denkformen einen deutlich reaktionären und irrationalen Charakter, weil sie nicht mehr in die Zeit passen. Gut, einige Adeppten versuchen es damit zu erklären, dass Sprito und so Teil der *menschlichen Natur* seien. Aber das ist nur eine Finte, um die historische Weiterentwicklung der menschlichen Kultur zu negieren. Was wird da nicht alles an destruktiven Erscheinungen in der Gesellschaft als *menschliche Natur* bezeichnet ...- |
step hat folgendes geschrieben: |
Spontan würde ich einen weiteren wichtigen Hintegrund von Spiritualität nennen: Durch bestimmte Techniken (vom Konsum von Rauschmitteln bis zu meditativen Praktiken) kann der Mensch Entgrenzungszustände illusionieren, denen bestimmte Gehirnzustände entsprechen. In diesen empfindet er u.a. Alleinheitsgefühle, die wiederum zu spirituellen Deutungen anregen. |
Shiva hat folgendes geschrieben: | ||
Da würde ich aber meinen, dass uns ein wenig mehr Demut & Respekt ganz gut anstünde; vllt. würden wir dann nicht unseren Planeten mit aller Macht in einen Saustall verwandeln (sorry den Ausdruck, aber er trifft!). |
sehr gut hat folgendes geschrieben: |
Wenn man innerlich tot ist(bzw nur im Außen Leben/Antrieb nutzt/sucht) kann man dann im Außen was anderes wie totes hinterlassen? |
worse hat folgendes geschrieben: |
Was soll das eigentlich sein, 'Spiritualität'? Ich kann damit nichts anfangen. ... |
Shiva hat folgendes geschrieben: | ||
Was machst du, wenn du verzweifelt bist? |
worse hat folgendes geschrieben: | ||||
Keine Ahnung, ich mach mir ein Bier auf oder ich hol mir einen runter. |
sehr gut hat folgendes geschrieben: |
[...]
Wenn man innerlich tot ist(bzw nur im Außen Leben/Antrieb nutzt/sucht) kann man dann im Außen was anderes wie totes hinterlassen? |
Shiva hat folgendes geschrieben: |
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Mircea Eliade schreibt in "Geschichte der religiösen Ideen" sinngemäß: Die im Verlauf von Millionen Jahren sich entwickelnde Menschwerdung des Affen ließ diesen von den Bäumen hinuntersteigen und aufrecht auf zwei Beinen gehen. Aus der aufrechten Haltung ergab sich eine Strukturierung des Raumes, die den Vormenschen in dem Maße nicht zugänglich war: die Aufteilung in den drei Dimensionen, wobei sich der Mensch selbst ganz natürlicherweise im Zentrum dieses Bezugssystems wiederfand. |
Shiva hat folgendes geschrieben: |
Diese Zentralität des Menschen eröffnete eine völlig neue Grunderfahrung, nämlich die, mitten in eine anscheinend unbegrenzte, unbekannte und drohende Weite »geworfen« zu sein. Da er nicht in einer durch Orientierungslosigkeit bewirkten Ungewissheit leben kann, entwickelt er notgedrungen verschiedene Mittel zur Orientierung.
Mit diesem noch völlig rudimentären Bewusstsein muss es für den Menschen in vielerlei Hinsicht eine beängstigende und verzweifelte Epoche gewesen sein. Wie viele Tiere gab es, die dem Menschen physisch überlegen waren! Wie abhängig war eine Jagderfolg vom Wetter! Was müssen diese Menschen sich geängstigt haben, wenn im Sommer Blitz, Donner und Stürme tobten, im Winter alle Wasser und die Erde gefroren waren, ja wenn sogar die Leben spendende Sonne plötzlich am helligten Tag sich verdunkelte! Das größte Problem, die Erkenntnis der eigenen Sterblichkeit, wurde immer äußerst virulent, wenn diese Menschen beobachteten, wenn ein erlegtes Tier den Blick brach und verendete. Mit Sicherheit spürten die Menschen intuitiv, dass sie Verwandte der Tiere waren, dass sie diesen Geschöpfen ähnlich sind, dass es aber auch grundlegende Unterschiede gibt!... |
Shiva hat folgendes geschrieben: |
Eine weitere interne Quelle von Spiritualität ist die Tatsache, dass dem entwicklungsmäßig "kindlichen" Bewusstsein des Paläolithikers das Töten und Verspeisen von Tieren zum Problem wurde. Tiere waren ihm nicht nur Bestandteil des Speiseplans, sondern auch seiner psychischen Ambivalenz: erlegte Tiere kehrten in den Träumen der Jäger wieder; sie waren Projektionswesen seiner Wünsche: stark wie ein Bär, listig wie ein Fuchs, fruchtbar wie ein Stier; blickte er in die verblassenden Augen eines sterbenden Tieres, überkam ihn ein Schuldgefühl.
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Shiva hat folgendes geschrieben: |
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Da würde ich aber meinen, dass uns ein wenig mehr Demut & Respekt ganz gut anstünde; vllt. würden wir dann nicht unseren Planeten mit aller Macht in einen Saustall verwandeln (sorry den Ausdruck, aber er trifft!). |
Shiva hat folgendes geschrieben: | ||
Da würde ich aber meinen, dass uns ein wenig mehr Demut & Respekt ganz gut anstünde; |
Shiva hat folgendes geschrieben: |
vllt. würden wir dann nicht unseren Planeten mit aller Macht in einen Saustall verwandeln (sorry den Ausdruck, aber er trifft!). |
fwo hat folgendes geschrieben: | ||
Religiosität oder Spiritualität, was immer das sein sollte, haben nie Menschen davon abgehalten, zu tun, was ihnen möglich war. So haben sie auch schon früher Landschaften zerstört - sie haben nur weniger zerstört, weil sie weniger Möglichkeiten hatten. Wenn jetzt die Kirche zur Rettung dieses Globus aufruft, so nicht deshalb, weil sie da spirituelle Einsicht hatte - dafür reicht der Messwein nur selten - sondern weil sie zumindest für ihre Predigtwirklichkeit eine geringere Vernetzung mit der Industrie besitzt als unsere politischen Gremien. Die Einsichten, auf die sie sich dabei beruft, sind wissenschaftliche. |
vrolijke hat folgendes geschrieben: |
Spiritualität ist entstanden, ... |
sehr gut hat folgendes geschrieben: |
Wenn man innerlich tot ist(bzw nur im Außen Leben/Antrieb nutzt/sucht) kann man dann im Außen was anderes wie totes hinterlassen? |
schtonk hat folgendes geschrieben: |
"Innerlich tot", "im Außen" etc sind beliebte und gängige Formeln in Esoterikerkreisen. Sie sagen nichts aus und zielen auf diffuse Emotionalität ab. |
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | ||
... einfach, weil es geht. Unsere Fantasie ermöglicht uns nicht nur, uns (mehr oder weniger gut) in dieser Welt zu orientieren, sondern erlaubt es uns auch, Geschichten zu erfinden, Geschichten, die uns (oder doch manchen von uns) besser gefallen als diese Welt selbst, vor allem wenn sie dazu benutzt werden, die unangenehmen Seiten dieser Welt vor uns zu verbergen und vermeintlichen Sinn zu entdecken, wo keiner ist. Am Ende ist es immer die Frage nach dem Wert von Illusionen. |
worse hat folgendes geschrieben: |
Was soll das eigentlich sein, 'Spiritualität'? Ich kann damit nichts anfangen. ... |
Shiva hat folgendes geschrieben: | ||
Da würde ich aber meinen, dass uns ein wenig mehr Demut & Respekt ganz gut anstünde; vllt. würden wir dann nicht unseren Planeten mit aller Macht in einen Saustall verwandeln (sorry den Ausdruck, aber er trifft!). |
Alchemist hat folgendes geschrieben: | ||
Geht mir genauso |
Samson83 hat folgendes geschrieben: |
Das ist nicht zu erklären oder zu vermitteln. Man hat bzw. braucht es.
Oder eben nicht. |
Samson83 hat folgendes geschrieben: | ||||
Das ist nicht zu erklären oder zu vermitteln. Man hat bzw. braucht es. Oder eben nicht. Mann kann genauso gut sagen: "Was soll das eigentlich sein, Kunst (Musik/Literatur)? Ich kann damit nichts anfangen. Auch das ist nicht kognitiv vermittelbar. |
Kramer hat folgendes geschrieben: | ||
Oder man hat es, nennt es aber nicht Spiritualität. |
Samson83 hat folgendes geschrieben: | ||||
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