tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | ||
So funktioniert Sprache aber nicht. Um verstanden zu werden, brauchst du einen Rezipienten, der die Wörter in der gleichen Bedeutung benutzt wie du. Entscheidend sind beide, Sprecher und Empfänger, und wenn die Bedeutung bei beiden unterschiedlich ist, gibt's Verständigungsprobleme. |
schtonk hat folgendes geschrieben: |
Ein Beispiel aus meinem realen Leben:
Wir waren vor Jahren zum Essen bei einem meiner besten Freunde eingeladen, dessen Frau (eine geschätzte Ex-Kollegin von mir) als penibel, akkurat und ordnugsliebend bekannt ist. Beim Tischdecken unterlief ihr ein kleiner fauxpas. Ich: "Na du bist aber eine Schlampe" Sie: "Na du bist aber ein Arsch." Großes Gelächter aller Anwesenden, der Vorfall trug den Abend über zu dauerhafter Heiterkeit bei. Natürlich hatte jeder verstanden, wie das gemeint war. |
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: |
Bei Ironie zB müssen, damit sie erkannt werden kann, entweder entsprechende Signale vorhanden sein oder ein geteiltes Wissen, aus denen der Empfänger erkennen kann, dass die Aussage nicht wörtlich gemeint ist. Wenn es beides nicht gibt, liegt es nicht am Empfänger, dass die (angebliche) Ironie nicht ankommt, sondern am Sender.
Als Beispiel greife ich auf schtonks Anekdote zurück. Darin ist aus dem Kontext (dem Tischdecken) zunächst klar, dass beim Wort "Schlampe" auf die Bedeutung "unordentliche Person" Bezug genommen wird. Damit, dass das aber für einen kleinen Fauxpas beim Tischdecken aber offensichtlich übertrieben ist, hat man als Empfänger schon ein deutliches Signal, dass das nicht wörtlich gemeint ist. (Vielleicht signalisiert auch der Tonfall Ironie, aber das wissen wir aus der schriftlichen Wiedergabe natürlich nicht.) Außerdem kennen sich alle Anwesenden und teilen das gemeinsame Wissen, dass die Kollegin eigentlich ganz im Gegenteil penibel und ordnungsliebend ist. Damit ist für jeden klar, dass schtonk die Kollegin nicht wirklich als "Schlampe" bezeichnet, sondern sie mit dem Stilmittel der Ironie frotzelt. Anderes Beispiel: Ein nicht einer Firma angehörender Mann sucht eine bestimmte, ihm unbekannte Mitarbeiterin: "Wer ist denn Frau Müller?" Ein Mitarbeiter überlegt kurz und antwortet: "Ah, Sie meinen Laura. Das ist die Schlampe da drüben mit dem kurzen Rock und dem tiefen Ausschnitt." Hier wird auf die sexuell-moralisch abwertende Bedeutung Bezug genommen, und es gibt kein geteiltes Wissen (etwa über einen merkwürdigen Umgangston an diesem Arbeitsplatz) und keine Signale, dass das nicht wörtlich geteilt sein könnte. Ergo: Wenn der Mann das als üble sexistische Herabwürdigung auffasst, hat er das völlig richtig verstanden (und nicht etwa zu wenig versucht "herauszufinden", wie die Aussage "gemeint" sei); und wenn der Mitarbeiter sich mit "Aber ich habe das doch nicht so gemeint!" verteidigt, ist das keine legitime Rechtfertigung, sondern eine billige Ausrede. |
jdf hat folgendes geschrieben: |
"War nicht so gemeint", ist eine Sonderform von Schrödingers Douchebag. |
Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Wenn da aber jemand mit "Heil Hitler" in ein Geschäft kommt, dann kann man ihn getrost achtkantig rauswerfen. Und bei so was interessiert dann auch kein "Habe ich nicht so gemeint, ich wollte nur einen Witz machen." |
Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Aber es gibt eben auch Nazis, die sich äußerlich und sprachlich verstecken können und sogar in der einen oder anderen Regierung sitzen. Hier fällt dann die Benimm- und Wortwahl-Kritik leider aus. Was machst du dann, tillich? |
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | ||||
Nun ist aber der juristische Tatbestand aus objektiven und subjektiven Bestandteilen dennoch eine Einheit. Und letzten Endes gilt:
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Babyface hat folgendes geschrieben: |
Bei der Frage "worauf es ankommt" sollte man drei Punkte auseinanderhalten:
1. Bedeutung einer Aussage 2. Gelingen einer Kommunikation [... ] 1. Bedeutung ist stets subjektgebunden. Eine Aussage hat damit keinen objektiv bestimmbaren Bedeutungsgehalt, sondern immer nur eine Bedeutung für jemanden. Theoretisch wären damit für eine Aussage so viele Bedeutungen möglich wie Subjekte existieren. "Meinen" und "Verstehen" sind dabei prinzipiell dasselbe: "Meinen": wie der Sender die Aussage versteht, d.h. welche Bedeutung sie für den Sender hat "Verstehen": wie der Rezipient die Aussage versteht, d.h. welche Bedeutung sie für den Rezipienten hat Darüber hinaus gibt es auch die Bedeutung einer Aussage i.d.S. wie sie gemeinhin verstanden wird (wird gerne mit einer objektiven Bedeutung verwechselt). 2. Für eine erfolgreiche Kommunikation kommt es selbstverständlich nicht nur auf das Verstehen des Senders an, sondern auch auf das Verstehen des Rezipienten.[...] |
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | ||
Bei 1. gehst du psychologisch an die Sache heran (wie kommt's ... ). Das hat in diesem Bereich sicher seine Berechtigung; aber wenn ich nach der Bedeutung eines Kommunikationsakts frage (dein 2.), kann die subjektive Bedeutung, die die Aussage für einen der Beteiligten hat, mMn gar keine Rolle spielen, sondern nur das, was ihnen aufgrund von Sprache und Kontext gemeinsam zugänglich ist (bzw. was in Bezug darauf vernünftigerweise anzunehmen wäre). |
Babyface hat folgendes geschrieben: |
Es gibt nur das Meinen des Senders, das Verstehen des Rezipienten und das worauf sich beides bezieht: die direkt beobachtbare Aussage. |
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | ||
Also du meinst, Sprache sei keine erlernte und regelgeleitete kollektive Praxis des Ausdrucks und der Verständigung, sondern voneinander völlig gesonderte einzelne Sprechakte, die individuelle Sender und Empfänger irgendwie gewissermaßen im leeren Raum miteinander praktizieren? Wenn man Sprache als erlernte und regelgeleitete gemeinsame Praxis auffasst, erledigt sich damit ja auch deine Behauptung, es gäbe dafür angeblich keine überindividuellen Normen, an denen sie gemessen werden könnte. (Was bitte lernt man denn beim Erlernen einer Sprache, wenn nicht von der individuellen Willkür des Erlernenden unabhängige Bedeutungen, d.h. Normen des Gebrauchs?) |
Babyface hat folgendes geschrieben: |
Ändert nichts an der Tatsache, dass an der Kommunikation zwischen zwei Personen unmittelbar nur zwei Gehirne beteiligt sind und das was diese produzieren. |
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | ||
Angesichts der Tatsache, dass die "mittelbare" Involviertheit weiterer Gehirne notwendige Bedingung dafür ist, dass überhaupt eine Sprache zustandekommt: In welchem Sinne genau ist der Unterschied zwischen unmittelbarer und vermittelter Beteiligung für diese Diskussion relevant? Gerade angesichts der Tatsache, dass die meisten Äußerungen, um die es hier geht, öffentliche Äußerungen wie z.B. Forenposts sind und gar nicht unbedingt nur einen einzelnen individuellen Addressaten haben. Es ist ja nicht so, als wäre die Bedeutungsdimension der Sprachäußerungen der Sprechergemeinschaft im Ganzen an irgendeinem Punkt tatsächlich entzogen. |
Babyface hat folgendes geschrieben: |
Warum das relevant sein soll, müsstest eher Du erklären. Mein Punkt ist immer noch der, dass es bei der Kommunikation sehr wohl auf das subjektive Meinen bzw. Verstehen ankommt, weil sich Kommunikation im wesentlichen um die Entschlüsselung eben dieser Aspekte dreht. |
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: |
Wenn da etwas Nazimäßiges versteckt ist, ist es ja immer noch da und kann aufgedeckt werden. Nazis sind ja nicht dadurch Nazis, dass sie in einem unerreichbaren inneren "Wesen" Nazis wären (gewissermaßen eine "braune Seele" hätten), sondern dadurch, dass sie etwas Nazimäßiges tun ("Benimm") oder sagen ("Wortwahl"). |
sehr gut hat folgendes geschrieben: |
Oder wie müsste ein Neo-Faschismus aussehen das du die nicht mehr erkennen könntest? |
sehr gut hat folgendes geschrieben: | ||
Nicht wenn sich Formen ändern, aber weniger der Inhalt. Oder wie müsste ein Neo-Faschismus aussehen das du die nicht mehr erkennen könntest? Würdest du die immer als Faschismus identifizieren können? |
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | ||
Dann fällt die "Benimm- und Wortwahlkritik" nicht aus, sondern muss nur genauer sein. Das ist in der Praxis dann natürlich viel mühsamer, aber im Prinzip nichts anderes. |
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: |
Wenn da etwas Nazimäßiges versteckt ist, ist es ja immer noch da und kann aufgedeckt werden. Nazis sind ja nicht dadurch Nazis, dass sie in einem unerreichbaren inneren "Wesen" Nazis wären (gewissermaßen eine "braune Seele" hätten), sondern dadurch, dass sie etwas Nazimäßiges tun ("Benimm") oder sagen ("Wortwahl"). |
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | ||||
Das bleibt aber ein sehr formalistisches Vorgehen, weil weiterhin orientiert an dem was man sieht/hört/wahrnimmt. Also auch ein positivistischer Ansatz. |
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | ||
Durch "nazimäßiges" Tun und Sagen entstehen aber kausal gesehen keine Nazis, sondern umgekehrt: Aus den intentionellen Nazis entsteht ein entsprechendes Tun und Sagen. |
Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Ich sage nur: Diederich Häßling. |
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | ||||||||||||
Es geht ja nicht nur darum, wie jemand etwas sagt oder handelt, sondern darum, genau zu betrachten, was er inhaltlich sagt oder tut. Insofern verstehe ich nicht, inweifern das "formalistisch" sein soll. Und, äh: An was soll man sich denn orientieren, wenn nicht "an dem was man sieht/hört/wahrnimmt"? Über übersinnliche Einsichten, wer Nazi ist, verfüge ich ja nun nicht.
Nun, das ist die Frage, ob das, was eine Person ausmacht, in ihrem Inneren entsteht, nur passiv durch Beeinflussung von außen, oder durch aktive Interaktion mit der Umwelt. Ich vertrete eher letzteres. Es ist aber für unsere Diskussion auch egal - erkennen kann ich den Nazi erst an dem, was er tut oder sagt.
Es ist lange her, dass ich das Buch gelesen habe, aber ... ich denke doch, dass man an Heßlings Handeln und Sprechen doch recht gut den autoritären, potenziell nazimäßigen Charakter erkennen kann. |
Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Das bleibt aber ein sehr formalistisches Vorgehen, weil weiterhin orientiert an dem was man sieht/hört/wahrnimmt. Also auch ein positivistischer Ansatz. |
Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Durch "nazimäßiges" Tun und Sagen entstehen aber kausal gesehen keine Nazis, sondern umgekehrt: |
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | ||||
Die Empirie ist dem Kritiker natürlich ein Gräuel. Das war schon bei Bruno Bauer so und ist bei der Verkörperung "der Kritik" im Freigeisterhaus nicht anders.
Goebbels, der Mit-Erfinder der modernen reaktionären Propagandatechnik, lacht sich gerade noch im Grab über deine Naivität in die Hucke, und mit ihm alle heute lebenden Alt-Right-Faschisten, die im Gegensatz zu dir sehr wohl darum wissen, wie die Normalisierung faschistischer Sprüche und Verhaltensweisen in der Tat Faschisten erzeugt, weil sie diese Erzeugung jeden Tag selbst praktizieren und erleben. |
Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Erzeugt? Hast du geschrieben "erzeugt"? |
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | ||
Entstehen lässt. Im Sinne von: Durch die Normalisierung faschistischer Reden und Verhaltensweisen werden Menschen Faschisten, die vorher keine waren (so wie durch eine religiöse Konvertierung Menschen religiös werden, die vorher keine waren) - was übrigens überhaupt der Zweck faschistischer Propaganda ist. Man muss kein Postmoderner sein, um das zu verstehen. Genauer gesagt: Postmoderne verstehen das falsch. Tatsächlich zeigt deine Assoziation meiner Aussage mit Postmodernismus, dass du derjenige bist, der das "verdinglichend" versteht. |
Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Das ist postmoderne Philosophie, nach der die Sprache die Basis für das Bewusstsein ist. |
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | ||
Sprache ist eins der fünf Momente, aus denen Marx zufolge das gesellschaftliche Sein bzw. die Totalität der Produktionsverhältnisse zusammensetzt (MEW 3, S. 30-31). Die Sprache ist auch nicht die "Basis" des Bewusstseins, sondern "die Sprache ist das praktische, auch für andre Menschen existierende, also auch für mich selbst erst existierende wirkliche Bewußtsein, und die Sprache entsteht, wie das Bewußtsein, erst aus dem Bedürfnis, der Notdurft des Verkehrs mit andern Menschen" (MEW 3, S. 30). Deiner Definition von Postmodernismus zufolge ist die Deutsche Ideologie ein postmoderner Text. Außerordentlich kurios. |
Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Schon gar nicht ist bei Marx die Sprache dem Bewusstsein vor- oder übergeordnet wie bei dir und den Postmodernen. |
Tarvoc hat folgendes geschrieben: | ||
Die Sprache ist dem Bewusstsein nicht vor- oder übergeordnet, sondern die Sprache ist das wirkliche Bewusstsein, wie es für andere und daher auch für mich erst existiert. Das steht da. Also in der Deutschen Ideologie. Und ich frage mich wirklich, welches dieser Worte du nicht verstehst. "Wirklich"? "Existiert"? "Ist"? |
Tarvoc hat folgendes geschrieben: |
... Durch die Normalisierung faschistischer Reden und Verhaltensweisen werden Menschen Faschisten, die vorher keine waren ... |
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