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VanHanegem Weltmeister
Anmeldungsdatum: 24.04.2006 Beiträge: 3180
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(#1491168) Verfasst am: 26.06.2010, 12:39 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Jede ethische Betrachtung ist ein Kunstprodukt. |
Nein. Die Ursprünge der Ethik betreffen Eigentum, Recht auf Unversehrtheit etc. und ergeben sich nahtlos aus dem Verhalten evolutionärer Vorgänger des Menschen.
step hat folgendes geschrieben: | Viele Kunstprodukte haben einen raktischen Wert, so auch dieses. |
Es ging um das Konstrukt "Altruismus". Einen praktischen Wert hast Du nicht dargestellt.
step hat folgendes geschrieben: | MSS ist mW primär Humanist. Humanismus und Christentum haben einige Überschneidungen, eine weitere wäre z.B. der Speziesismus. |
Die mehrzahl der humanistisch-christlichen Werte wird von anderen Weltreligionen geteilt und lassen sich zudem an realen Bedürfnissen einer Gemeinschaft festmachen.
Die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten "altruistisch" sei wird jedoch speziell im christlichen Kulturkreis hochgespielt. warum?
_________________ Hup Holland Hup, Oranje winnt de cup (2022)
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44683
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(#1491255) Verfasst am: 26.06.2010, 16:50 Titel: |
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VanHanegem hat folgendes geschrieben: | Die Ursprünge der Ethik betreffen Eigentum, Recht auf Unversehrtheit etc. und ergeben sich nahtlos aus dem Verhalten evolutionärer Vorgänger des Menschen. |
Nein. Eine universelle Ethik muss auch gelten können, wenn sich unsere Vorgänger irgendwie anders verhalten hätten.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1491285) Verfasst am: 26.06.2010, 18:12 Titel: |
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VanHanegem hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Jede ethische Betrachtung ist ein Kunstprodukt. | Nein. Die Ursprünge der Ethik betreffen Eigentum, Recht auf Unversehrtheit etc. und ergeben sich nahtlos aus dem Verhalten evolutionärer Vorgänger des Menschen. |
Selbst wenn das so wäre, so wäre sie doch ähnlich wie die Theologie ein Kunstprodukt - im Gegensatz zur unreflektierten Moral, die vielleicht soziobiologische Ursprünge hat.
VanHanegem hat folgendes geschrieben: | Es ging um das Konstrukt "Altruismus". Einen praktischen Wert hast Du nicht dargestellt. |
Ich will mich hier nicht zum Verfechter des Altruismus machen. Aber ein praktischer Nutzen eines solchen Konstruktes könnte sein, daß dieses es einfacher macht, im Alltag zu erkennen, wie man sich moralisch konform verhalten soll (rücksichtsvoll, hilfsbereit). Wenn man dieses Verhalten bei Bedarf erst aus dem Egoismus ableiten muß, ist es vielleicht zu spät.
VanHanegem hat folgendes geschrieben: | Die mehrzahl der humanistisch-christlichen Werte wird von anderen Weltreligionen geteilt und lassen sich zudem an realen Bedürfnissen einer Gemeinschaft festmachen. |
Das sehe ich zum Teil ebenso, und MSS vermutlich auch.
VanHanegem hat folgendes geschrieben: | Die Frage, ob ein bestimmtes Verhalten "altruistisch" sei wird jedoch speziell im christlichen Kulturkreis hochgespielt. warum? |
Ein Grund könnte sein, daß Jesus und die ersten Christen underdogs waren. Mohammed und seine Räuberbande dagegen hatten Macht. Vielleicht hatte es auch etwas mit den doch sehr unterschiedlichen Pesönlichkeiten der Religionsgründer zu tun: Jesus (wenn es ihn denn überhaupt gab) war ein realitätsfremder Spinner, der sein Charisma aus persönlichen Beziehungen, Empathie und positiver Einstellung bezog, während Mohammed wohl eher ein konsequenter Erfolgsmensch war.
Du solltest aber auch bedenken, daß die starke Akzentuierung des Altruismus nur in bestimmten Phasen des Christentums tatsächlich vorherrschte. Heutige Aussagen von Kuscheltheologen wie etwa "Gott ist die Liebe" oder "Die Nächstenliebe ist das zentrale christliche Gebot" hätten zu andern Zeiten mindestens Kopfschütteln verursacht.
Dazu kommt, daß Christen (auch fromme) laut soziologischen Untersuchungen gar nicht altruistischer als Moslems oder Atheisten sind. Ich vermute, die praktisch relevanten Aspekte eines Altruismus werden dem kleinen Moslem und dem kleinen Atheisten im Rahmen seiner Sozialisation soweiso auf andere Weise als im Kommunionsunterricht beigebracht.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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L.E.N. im falschen Film
Anmeldungsdatum: 25.05.2004 Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg
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(#1491293) Verfasst am: 26.06.2010, 18:27 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Dazu kommt, daß Christen (auch fromme) laut soziologischen Untersuchungen gar nicht altruistischer als Moslems oder Atheisten sind. Ich vermute, die praktisch relevanten Aspekte eines Altruismus werden dem kleinen Moslem und dem kleinen Atheisten im Rahmen seiner Sozialisation soweiso auf andere Weise als im Kommunionsunterricht beigebracht. |
ein nicht zu unterschätzender fakt ist, dass viele fromme christen nicht durch, sondern trotz ihres glaubens tolerant gegenüber andersglaubenden bzw -denkenden sind. zum beispiel weil sie sich in der gesellschaft als minderheit fühlen (also wieder die für christen angemessene underdog- oder im falle einer islamischen mehrheit dhimmi-rolle einnehmen) oder weil sie die entsprechende soziobiologische basis dafür besitzen.
_________________ Ich will Gott lästern dürfen! Weg mit §166 StGB!
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44683
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(#1491449) Verfasst am: 26.06.2010, 23:52 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Selbst wenn das so wäre, so wäre sie doch ähnlich wie die Theologie ein Kunstprodukt. |
Genau, Ethik ist ein Kunstprodukt. Das spricht aber nicht gegen, sondern für sie.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
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VanHanegem Weltmeister
Anmeldungsdatum: 24.04.2006 Beiträge: 3180
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(#1491549) Verfasst am: 27.06.2010, 12:08 Titel: |
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tarvoc hat folgendes geschrieben: | Nein. Eine universelle Ethik muss auch gelten können, wenn sich unsere Vorgänger irgendwie anders verhalten hätten. |
Du "widerlegst" mein statement mit einer Forderung?
step hat folgendes geschrieben: | Aber ein praktischer Nutzen eines solchen Konstruktes könnte sein, daß dieses es einfacher macht, im Alltag zu erkennen, wie man sich moralisch konform verhalten soll (rücksichtsvoll, hilfsbereit). |
Daß Kooperation Vorteile bringt habe ich längst eingeräumt. Hat mit Altruismus nichts zu tun.
step hat folgendes geschrieben: | Wenn man dieses Verhalten bei Bedarf erst aus dem Egoismus ableiten muß, ist es vielleicht zu spät. |
Daher hat die Evolution im Gehirn Features wie Empathie einprogrammiert.
Weiter gibt es über Generationen weitergegebene Verhaltensregeln, zur Kooperation anhalten.
tarvoc hat folgendes geschrieben: | Genau, Ethik ist ein Kunstprodukt. Das spricht aber nicht gegen, sondern für sie |
Eine Behauptung einfach zu wiederholen bringt nichts. Den gängigen ethischen Konzepten wie Gleichheit, Liebe, körperliche Unversehrtheit, Schutz des Eigentums stehen reale Phänomene gegenüber.
Der Nutzen des Konstruktes "Altruismus" ist weiter unklar. Im Gegensatz zu anderen ethisch-moralischen Konzepten handelt es sich hier um ein Konstrukt dem keine realen Phänomene gegenüberstehen.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1491637) Verfasst am: 27.06.2010, 14:31 Titel: |
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VanHanegem hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Aber ein praktischer Nutzen eines solchen Konstruktes könnte sein, daß dieses es einfacher macht, im Alltag zu erkennen, wie man sich moralisch konform verhalten soll (rücksichtsvoll, hilfsbereit). Wenn man dieses Verhalten bei Bedarf erst aus dem Egoismus ableiten muß, ist es vielleicht zu spät. | Daher hat die Evolution im Gehirn Features wie Empathie einprogrammiert. |
Diese hart programmierten Fähigkeiten bilden aber nur unsere vorgeschichtliche Nische ab, ihnen fehlt die Dynamik, etwa für eine multiethnische Welt usw..
VanHanegem hat folgendes geschrieben: | Weiter gibt es über Generationen weitergegebene Verhaltensregeln, zur Kooperation anhalten. |
Und eine mögliche Methode, diese konzeptionell zu formulieren, ist nun mal der Altruismus. Wenn eine Gesellschaft meint, daß "Kooperation" zu stark auf direkte win-win Situationen fokussiert, dann braucht sie ein Konzept, das indirekte, gemeinschaftliche, langfristige Aspekte hervorhebt. Diese sind aber meistens komplex. Warum etwa sollte ich einer blinden Oma über die Strasse helfen, davon habe ich ja nichts (im Sinne einer Kooperation). Aber die Gemeinschaft hat eben (angenommen) doch etwas davon. Natürlich kann man auch andere Modelle basteln, die zu einer hilfsbereiten Moral führen, z.B. daß Gott einen bestraft, wenn man es nicht tut, oder die Ahnen sauer werden und die Ernte verderben.
Meine Kritik am Konzept des Altruismus ist eine ganz andere: Er reicht intelligenten Menschen heutzutage als Konzept nicht aus, da er zuerst einmal keine Begründung und kein dahinterstehendes gemeinschaftliches Ziel mitliefert. Die biblische Begründung ist heute nicht mehr bei Sinnen vertretbar, also müßte eine andere her, wenn man denn daran festhalten will.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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L.E.N. im falschen Film
Anmeldungsdatum: 25.05.2004 Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg
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(#1491653) Verfasst am: 27.06.2010, 14:55 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Meine Kritik am Konzept des Altruismus ist eine ganz andere: Er reicht intelligenten Menschen heutzutage als Konzept nicht aus, da er zuerst einmal keine Begründung und kein dahinterstehendes gemeinschaftliches Ziel mitliefert. Die biblische Begründung ist heute nicht mehr bei Sinnen vertretbar, also müßte eine andere her, wenn man denn daran festhalten will. |
ich denke schon, dass auch und gerade intelligenten menschen altruismus als konzept des zusammenlebens ausreicht.
begründung kann der vorteil des anderen ohne einen nachteil für mich sein, ein vorteil für mich unter vermeidung eines nachteils für andere, sowie die kollektive belohnung für verlässlichliches altruistisches handeln, selbst wenn es "nur" ein höheres ansehen ist. altruismus ist so betrachtet tatsächlich eine art des egoistischen handlens wobei auf die belohnung langfristig spekuliert wird.
das gemeinschaftliche ziel ist dabei die verbesserung des gemeinsamen zusammenlebens welches auch dem einzelnen zugute kommt - egal ob dies unmittelbar oder erst in jahren passiert.
die christliche religion hat dieses konzept in nächstenliebe transformiert wobei der lohn (auch hier wieder ein hinweis auf den eigentlichen egoismus dahinter!) in der jenseitigen nähe zu gott/ dem paradies besteht.
_________________ Ich will Gott lästern dürfen! Weg mit §166 StGB!
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1491668) Verfasst am: 27.06.2010, 15:11 Titel: |
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L.E.N. hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Meine Kritik am Konzept des Altruismus ist eine ganz andere: Er reicht intelligenten Menschen heutzutage als Konzept nicht aus, da er zuerst einmal keine Begründung und kein dahinterstehendes gemeinschaftliches Ziel mitliefert. Die biblische Begründung ist heute nicht mehr bei Sinnen vertretbar, also müßte eine andere her, wenn man denn daran festhalten will. | ich denke schon, dass auch und gerade intelligenten menschen altruismus als konzept des zusammenlebens ausreicht.
begründung kann der vorteil des anderen ohne einen nachteil für mich sein, ein vorteil für mich unter vermeidung eines nachteils für andere, sowie die kollektive belohnung für verlässlichliches altruistisches handeln, selbst wenn es "nur" ein höheres ansehen ist. altruismus ist so betrachtet tatsächlich eine art des egoistischen handlens wobei auf die belohnung langfristig spekuliert wird.
das gemeinschaftliche ziel ist dabei die verbesserung des gemeinsamen zusammenlebens welches auch dem einzelnen zugute kommt - egal ob dies unmittelbar oder erst in jahren passiert. |
Schau, auch Dir reicht er nicht einfach aus, sondern Du schlägst ein Ziel vor (indiv. Nutzen durch Verbesserung des Zusammenlebens) und Du schlägst auch ene Begründung vor, inwiefern ein Altruismuskonzept diesem Ziel dienlich wäre (Langfristigkeit, Ansehen usw.).
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44683
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(#1491701) Verfasst am: 27.06.2010, 16:12 Titel: |
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VanHanegem hat folgendes geschrieben: | tarvoc hat folgendes geschrieben: | Nein. Eine universelle Ethik muss auch gelten können, wenn sich unsere Vorgänger irgendwie anders verhalten hätten. |
Du "widerlegst" mein Statement mit einer Forderung? |
Etwas, das diese Forderung nicht teilt, wäre schlichtweg keine Ethik. Ethik auf irgendwelche kontingenten Tatsachen oder partikulären Zugehörigkeiten zu reduzieren verfehlt völlig den Punkt des Ethischen.
VanHanegem hat folgendes geschrieben: | Den gängigen ethischen Konzepten [...] stehen reale Phänomene gegenüber. |
Ja. Und?
VanHanegem hat folgendes geschrieben: | Der Nutzen des Konstruktes "Altruismus" ist weiter unklar. |
Abgesehen davon, dass der Begriff des Nutzens in einer Diskussion über Ethik mindestens erklärungsbedürftig ist, will ich ganz sicher nicht als jemand erscheinen, der den Altruismusbegriff verteidigt.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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L.E.N. im falschen Film
Anmeldungsdatum: 25.05.2004 Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg
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(#1491774) Verfasst am: 27.06.2010, 19:25 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | L.E.N. hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Meine Kritik am Konzept des Altruismus ist eine ganz andere: Er reicht intelligenten Menschen heutzutage als Konzept nicht aus, da er zuerst einmal keine Begründung und kein dahinterstehendes gemeinschaftliches Ziel mitliefert. Die biblische Begründung ist heute nicht mehr bei Sinnen vertretbar, also müßte eine andere her, wenn man denn daran festhalten will. | ich denke schon, dass auch und gerade intelligenten menschen altruismus als konzept des zusammenlebens ausreicht.
begründung kann der vorteil des anderen ohne einen nachteil für mich sein, ein vorteil für mich unter vermeidung eines nachteils für andere, sowie die kollektive belohnung für verlässlichliches altruistisches handeln, selbst wenn es "nur" ein höheres ansehen ist. altruismus ist so betrachtet tatsächlich eine art des egoistischen handlens wobei auf die belohnung langfristig spekuliert wird.
das gemeinschaftliche ziel ist dabei die verbesserung des gemeinsamen zusammenlebens welches auch dem einzelnen zugute kommt - egal ob dies unmittelbar oder erst in jahren passiert. |
Schau, auch Dir reicht er nicht einfach aus, sondern Du schlägst ein Ziel vor (indiv. Nutzen durch Verbesserung des Zusammenlebens) und Du schlägst auch ene Begründung vor, inwiefern ein Altruismuskonzept diesem Ziel dienlich wäre (Langfristigkeit, Ansehen usw.). |
ziel und begründung von altruismus ergeben sich mAn aus den ihm zugrunde liegenden faktoren, nämlich den soziobiologischen vorraussetzungen der individuen, den soziologischen einflüssen sowie den ökonomisch-ökologisch-demografischen bedingungen.
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VanHanegem Weltmeister
Anmeldungsdatum: 24.04.2006 Beiträge: 3180
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(#1492362) Verfasst am: 28.06.2010, 20:32 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Natürlich kann man auch andere Modelle basteln, die zu einer hilfsbereiten Moral führen, z.B. daß Gott einen bestraft, wenn man es nicht tut, oder die Ahnen sauer werden und die Ernte verderben. |
Das ist der Weg des Monotheismus.
Die Wegrationalisierung des strafenden Gottes führte zu dem heutigen kastrierten, weichgespülten Monotheismus. Wo Strafandrohung fehlt dient der Altruismus als Füllwort.
step hat folgendes geschrieben: | Meine Kritik am Konzept des Altruismus ist eine ganz andere: Er reicht intelligenten Menschen heutzutage als Konzept nicht aus, da er zuerst einmal keine Begründung und kein dahinterstehendes gemeinschaftliches Ziel mitliefert. |
Eben! Die Nutzlosigkeit der Hilfskonstruktion konstatierst Du hier doch selbst.
Wo man ein gewünschtes Verhalten der Staatsbürger nicht durch Strafandrohung bewirkt kann man das versuchen indem man komplexe soziale und kosmische Zusammenhänge klarmacht. Das Füllwirt "Altruismus" tritt dann ein wenn man unfähig ist eine der beiden Schienen zu fahren.
tarvoc hat folgendes geschrieben: | Ja. Und? |
Dem Konzept "Altruismus" steht kein reales Phänomen gegenüber.
L.E.N. hat folgendes geschrieben: | ziel und begründung von altruismus ergeben sich mAn aus den ihm zugrunde liegenden faktoren, nämlich den soziobiologischen vorraussetzungen der individuen, den soziologischen einflüssen sowie den ökonomisch-ökologisch-demografischen bedingungen. |
Welche "soziobiologischen vorraussetzungen der individuen, den soziologischen einflüssen sowie den ökonomisch-ökologisch-demografischen bedingungen" hat etwas, das es nicht gibt?
_________________ Hup Holland Hup, Oranje winnt de cup (2022)
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1492390) Verfasst am: 28.06.2010, 21:10 Titel: |
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VanHanegem hat folgendes geschrieben: | Wo Strafandrohung fehlt dient der Altruismus als Füllwort. |
Du meinst, er hat doch einen Nutzen?
VanHanegem hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Meine Kritik am Konzept des Altruismus ist eine ganz andere: Er reicht intelligenten Menschen heutzutage als Konzept nicht aus, da er zuerst einmal keine Begründung und kein dahinterstehendes gemeinschaftliches Ziel mitliefert. | Eben! Die Nutzlosigkeit der Hilfskonstruktion konstatierst Du hier doch selbst. |
Du liest nicht sorgfältig. Ich konstatierte die fehlende Begründung, nicht den fehlenden Nutzen.
VanHanegem hat folgendes geschrieben: | Wo man ein gewünschtes Verhalten der Staatsbürger nicht durch Strafandrohung bewirkt kann man das versuchen indem man komplexe soziale und kosmische Zusammenhänge klarmacht. Das Füllwirt "Altruismus" tritt dann ein wenn man unfähig ist eine der beiden Schienen zu fahren. |
Das lasse ich mal als Deine Behauptung so stehen.
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smallie resistent!?
Anmeldungsdatum: 02.04.2010 Beiträge: 3726
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(#1492454) Verfasst am: 28.06.2010, 23:41 Titel: |
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VanHanegem hat folgendes geschrieben: | Dem Konzept "Altruismus" steht kein reales Phänomen gegenüber. |
Falsch. Natürlich gibt es Beispiele für Altruismus. Etwa: das Brief-Experiment.
Man hat in verschiedenen Städten einen adressierten und frankierten Brief "verloren", sprich irgendwo auf den Bürgersteig gelegt, und gemessen, wieviele dieser Briefe von Passanten aufgesammelt in einen Briefkasten eingeworfen werden.
Einen fremden Brief einzuwerfen ist zweifellos eine altruistische Handlung.
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L.E.N. im falschen Film
Anmeldungsdatum: 25.05.2004 Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg
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(#1492509) Verfasst am: 29.06.2010, 00:54 Titel: |
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VanHanegem hat folgendes geschrieben: | L.E.N. hat folgendes geschrieben: | ziel und begründung von altruismus ergeben sich mAn aus den ihm zugrunde liegenden faktoren, nämlich den soziobiologischen vorraussetzungen der individuen, den soziologischen einflüssen sowie den ökonomisch-ökologisch-demografischen bedingungen. |
Welche "soziobiologischen vorraussetzungen der individuen, den soziologischen einflüssen sowie den ökonomisch-ökologisch-demografischen bedingungen" hat etwas, das es nicht gibt? |
bevor ich überhaupt auf diese frage eingehe muss ich erst wissen, wie deine wegdefinierung von altruismus aussieht.
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44683
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(#1492775) Verfasst am: 29.06.2010, 16:44 Titel: |
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VanHanegem hat folgendes geschrieben: | Dem Konzept "Altruismus" steht kein reales Phänomen gegenüber. |
Doch, schon. Das Konzept ist lediglich hinsichtlich der ihm gegenüberstehenden Handlungsweisen theoretisch inadäquat.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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L.E.N. im falschen Film
Anmeldungsdatum: 25.05.2004 Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg
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(#1492910) Verfasst am: 29.06.2010, 20:09 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | VanHanegem hat folgendes geschrieben: | Dem Konzept "Altruismus" steht kein reales Phänomen gegenüber. |
Doch, schon. Das Konzept ist lediglich hinsichtlich der ihm gegenüberstehenden Handlungsweisen theoretisch inadäquat. |
kannst du das erläutern?
_________________ Ich will Gott lästern dürfen! Weg mit §166 StGB!
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VanHanegem Weltmeister
Anmeldungsdatum: 24.04.2006 Beiträge: 3180
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(#1493018) Verfasst am: 29.06.2010, 23:14 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Du meinst, er hat doch einen Nutzen? |
Wie soll etwas nichtexistentes Nutzen haben?
Als Füllwort für einen, der in erklärungsnot ist? erwacht ein Verhaltensmuster allein dadurch zur Existenz, daß einer ein Wort dafür erfindet?
smallie hat folgendes geschrieben: | Falsch. Natürlich gibt es Beispiele für Altruismus. Etwa: das Brief-Experiment.
Man hat in verschiedenen Städten einen adressierten und frankierten Brief "verloren", sprich irgendwo auf den Bürgersteig gelegt, und gemessen, wieviele dieser Briefe von Passanten aufgesammelt in einen Briefkasten eingeworfen werden.
Einen fremden Brief einzuwerfen ist zweifellos eine altruistische Handlung. |
oooooch nöö, das hatten wir doch längst!!!
In der Tat ist der Kantsche Imperativ Mitgliedern einer Gemeinschaft insoweit einprogrammiert, daß die tatsächlich glauben, was sie anderen tun wird auch ihnen getan. Man erlebt immer wieder die Enttäuschung wenn dem doch nicht so ist.
Oder was ist, wenn die Leute alle einen kulturellen Hintergrund hatten, der ihnen suggerierte, es würde ihnen nutzen jeden Tag eine gute Tat zu tun? Welches Land hat nicht einen entsprechenden Hintergrund?
Möglicherweise ist es nachgerade erzegoistisch einen sooooo leicht verdienten gute-Tat-Bonus einzuheimsen.
L.E.N. hat folgendes geschrieben: | bevor ich überhaupt auf diese frage eingehe muss ich erst wissen, wie deine wegdefinierung von altruismus aussieht. |
bevor ich darauf antworte muß ich erst wissen wie man was wegdefiniert, wo es überhaupt nicht geben thut.
_________________ Hup Holland Hup, Oranje winnt de cup (2022)
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L.E.N. im falschen Film
Anmeldungsdatum: 25.05.2004 Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg
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VanHanegem Weltmeister
Anmeldungsdatum: 24.04.2006 Beiträge: 3180
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(#1493821) Verfasst am: 01.07.2010, 17:22 Titel: |
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Die Filme zeigen, daß Kooperation einen Selektionsvorteil darstellt, mithin kooperatives Verhalten evolutionär programmiert wird. Nicht klar wird, wieso das wort "Altruismus" nötig ist um zu beschreiben wie sich ein Individuum gemäß seinem intrinsichen Programm verhält. Der zweite film konstatiert sogar explizit, daß dieser Ausdruck mißverständlich ist.
Fazit: Das religiöse Konzept "Altruismus" zur Beschreibung von Kooperation heranzuziehen wirft fragen auf beantwortet aber keine.
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Sen1proRev registrierter User
Anmeldungsdatum: 16.06.2010 Beiträge: 12
Wohnort: Berlin
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(#1493826) Verfasst am: 01.07.2010, 17:43 Titel: Neue Gedanken zum Manifest |
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Neben meinen eingangs dargestellten Zweifeln an der Allgemeingültigkeit der von Schmidt-Salomon herausgearbeiteten Abfolge von Egoismus und Altruismus stört mich auch die Vorstellung, dass altruistisches Verhalten nichts weiter als ein Abfallprodukt egoistischen Handelns sein soll. Mir ist bewusst, dass ich damit ähnlich emotional reagiere wie Darwins Zeitgenossen, die nichts von tierischen Vorfahren wissen wollten. Diese historische Parallele beeinträchtigt aber nicht meine Überzeugung, dass wir Menschen sehr wohl in der Lage sind, ganz direkt (d.h. ohne egoistische Hintergedanken oder psychische Störungen wie Helfer-Syndrom) altruistisch handeln zu können.
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Sen1proRev registrierter User
Anmeldungsdatum: 16.06.2010 Beiträge: 12
Wohnort: Berlin
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(#1493833) Verfasst am: 01.07.2010, 18:22 Titel: |
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Auch wenn es bestimmt gänzlich unnötig ist: Zunächst einmal möchte ich mich für meinen Formulierungsfehler (im letzten Satz meines letzten Beitrages) entschuldigen.
Zur Frage, ob ich mich schon ohne Eigennutz altruistisch verhalten hätte: Ich glaube(!), diese Frage bejahen zu können. Um nur ein kleines Beispiel zu nennen: Vor einigen Tagen habe ich in einer U-Bahn-Station eine weinende Frau getröstet, obwohl ich dadurch meinen eigenen Zug verpasst habe. In dieser Art fallen mir relativ viele Beispiele ein, aber ich muss zugeben, dass es dabei immer um einzelne Personen gegangen ist. Von einem gesamtgesellschaftlichen Nutzen kann da wohl nicht so sehr die Rede sein. Oder ist es vielleicht so, dass - zumindest auf privater Ebene - gar nichts anderes möglich ist?
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1493834) Verfasst am: 01.07.2010, 18:24 Titel: |
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VanHanegem hat folgendes geschrieben: | Die Filme zeigen, daß Kooperation einen Selektionsvorteil darstellt, mithin kooperatives Verhalten evolutionär programmiert wird. Nicht klar wird, wieso das wort "Altruismus" nötig ist um zu beschreiben wie sich ein Individuum gemäß seinem intrinsichen Programm verhält. Der zweite film konstatiert sogar explizit, daß dieser Ausdruck mißverständlich ist.
Fazit: Das religiöse Konzept "Altruismus" zur Beschreibung von Kooperation heranzuziehen wirft fragen auf beantwortet aber keine. |
Altruismus ist der Gegensatz zu Egoismus. Wobei egoistisches Handeln auf den eigenen Vorteil bedacht ist, altruistisches Handeln auf den Vorteil anderer, evtl. mit Nachteilen für einen selber.
'Kooperation' ist eine andere Kategorie, nicht dasselbe wie Altruismus. Daher kann Altruismus auch kaum zur Beschreibung von Kooperation herangezogen werden. Kooperation kann einen Nutzen für sich selber erbringen, muss also keineswegs altruistisch sein. 'Kooperation' ist mitnichten ein Synonym zu 'Altruismus'. Ein Synonym wäre 'uneigennütziges Handeln'.
Ob eine Person nun aber ein 'intrinsisches Programm' hat oder nicht, ist dabei völlig irrelevant, (bzw.: die Relevanz dessen sehe ich noch nicht, vielleicht die mal begründen / plausibel machen / den Zusammenhang zeigen?).
Beispiel 1: ein Soldat, der sich auf eine scharfe Granate wirft, um seine Kameraden zu retten, handelt altruistisch. Ein Soldat, der einen anderen auf die scharfe Granate wirft, um sich zu retten, nicht.
Beispiel 2: diejenigen, die zur Nazizeit Juden versteckt hielten, handelten ebenfalls altruistisch.
Das Konzept bezieht sich also sehr wohl auf konkrete Vorgänge. Und als Beschreibung dieser und zur Differenzierung ist es mE nützlich.
Wieso und inwiefern soll nun aber die Kategorie 'Altruismus' eine religiöse sein?
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L.E.N. im falschen Film
Anmeldungsdatum: 25.05.2004 Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg
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(#1493842) Verfasst am: 01.07.2010, 18:55 Titel: |
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VanHanegem hat folgendes geschrieben: |
Die Filme zeigen, daß Kooperation einen Selektionsvorteil darstellt, mithin kooperatives Verhalten evolutionär programmiert wird. Nicht klar wird, wieso das wort "Altruismus" nötig ist um zu beschreiben wie sich ein Individuum gemäß seinem intrinsichen Programm verhält. Der zweite film konstatiert sogar explizit, daß dieser Ausdruck mißverständlich ist.
Fazit: Das religiöse Konzept "Altruismus" zur Beschreibung von Kooperation heranzuziehen wirft fragen auf beantwortet aber keine. |
wie kommst du darauf, dass Altruismus ein "religiöses Konzept" sei?
es ist eine bezeichnung für kooperierendes verhalten ohne eigenen vorteil bzw zum eigenen schaden bis hin zum tode.
_________________ Ich will Gott lästern dürfen! Weg mit §166 StGB!
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step registriert
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(#1493846) Verfasst am: 01.07.2010, 19:04 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | ... Ein Synonym wäre 'uneigennütziges Handeln'. |
Ich vermute, Du meinst hier die fremdnützige Absicht, nicht den tatsächlichen Fremdnutzen, oder?
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Beispiel 1: ein Soldat, der sich auf eine scharfe Granate wirft, um seine Kameraden zu retten, handelt altruistisch. Ein Soldat, der einen anderen auf die scharfe Granate wirft, um sich zu retten, nicht. |
Handelt ein Soldat altruistisch, der eine scharfe Granate auf 3 Feinde wirft, um seinen Kameraden zu retten? - Na gut, lassen wir die Grenzfälle. Folgenden finde ich interessanter:
Handelt ein Mensch altruistisch, der weiß, daß er sonst ein schlechtes Gewissen hätte? Handelt ein Mensch altruistisch, der weiß, daß ihn nichts so glücklich macht, wie Anderen zu helfen?
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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AgentProvocateur registrierter User
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(#1493850) Verfasst am: 01.07.2010, 19:08 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Handelt ein Mensch altruistisch, der weiß, daß er sonst ein schlechtes Gewissen hätte? Handelt ein Mensch altruistisch, der weiß, daß ihn nichts so glücklich macht, wie Anderen zu helfen? |
Da werden Sie geholfen:
Psychological Egoism
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step registriert
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(#1493854) Verfasst am: 01.07.2010, 19:34 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Handelt ein Mensch altruistisch, der weiß, daß er sonst ein schlechtes Gewissen hätte? Handelt ein Mensch altruistisch, der weiß, daß ihn nichts so glücklich macht, wie Anderen zu helfen? | Da werden Sie geholfen:
Psychological Egoism |
Danke, interessante Zusammenfassung. Aber letztlich läßt auch sie die Frage auch offen. Einiges finde ich auch unlogisch, hier nur ein Beispiel:
PE hat folgendes geschrieben: | There is another way to show that the trivial version of psychological egoism is unsatisfactory. ... According to the trivial version of psychological egoism, both soldiers are equally selfish, since both are doing what they most desire. |
Daß diese Vorstellung für uns "unbefriedigend" ist, ist kein Argument gegen die triviale Version des PE - denn der Grund für unsere Intuition könnte ganz woanders liegen. Etwa darin daß wir intuitiv das Ergebnis mitbewerten. Oder daß wir intuitiv das für weniger selfish halten, was für uns als "Empfänger" dieser Handlung besser wäre. Oder ...
Eine mögliche Lösung wäre, Altruismus "positivistisch" zu definieren, also nach dem tatsächlichen Fremdnutzen / Eigennutzen Verhältnis aus Sicht Dritter. In diesem Fall würde also der handelnden Person "normale", "normierte" Motive unterstellt. Hat sie eine demgegenüber verschobene Präferenz bzw. Nutzenbewertung, so handelt sie aus Sicht Dritter tendenziell selfish oder eben altruistisch.
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AgentProvocateur registrierter User
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(#1493879) Verfasst am: 01.07.2010, 20:40 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Aber letztlich läßt auch sie die Frage auch offen. Einiges finde ich auch unlogisch, hier nur ein Beispiel:
PE hat folgendes geschrieben: | There is another way to show that the trivial version of psychological egoism is unsatisfactory. ... According to the trivial version of psychological egoism, both soldiers are equally selfish, since both are doing what they most desire. |
Daß diese Vorstellung für uns "unbefriedigend" ist, ist kein Argument gegen die triviale Version des PE - denn der Grund für unsere Intuition könnte ganz woanders liegen. Etwa darin daß wir intuitiv das Ergebnis mitbewerten. Oder daß wir intuitiv das für weniger selfish halten, was für uns als "Empfänger" dieser Handlung besser wäre. Oder ... |
Nein, der Grund liegt mE schlicht und einfach darin, dass man normalerweise unterscheidet zwischen 'eigennütziger Handlung' und 'uneigennütziger Handlung', (das ist, wie immer, nicht binär gemeint).
Wenn jemand das umdefiniert, nämlich so: 'jede Handlung, die jemand vollzieht, ist per definitionem eigenützig und deshalb kann es logischerweise keine uneigennützige Handlung geben', dann ist das einfach deswegen unbefriedigend, weil das nicht dem entspricht, was man gemeinhin mit 'eigennützig' und 'uneigennützig' verbindet. Und auch deswegen, weil es eine Tautologie ist und man aus einer Tautologie schlicht keine weitere Schlussfolgerung ziehen kann.
Mit dieser Unterscheidung muss aber keine positive Wertung verbunden sein. Uneigennütziges Handeln kann auch als falsch, dumm und in jeder Hinsicht unnutz bewertet werden. Und dennoch ist es mE sinnvoll, zu unterscheiden zwischen eigenützigem Verhalten, (nutzt dem Akteur), und uneigennützigem Verhalten, (nutzt anderen, schadet aber evtl. dem Akteur).
step hat folgendes geschrieben: | Eine mögliche Lösung wäre, Altruismus "positivistisch" zu definieren, also nach dem tatsächlichen Fremdnutzen / Eigennutzen Verhältnis aus Sicht Dritter. In diesem Fall würde also der handelnden Person "normale", "normierte" Motive unterstellt. Hat sie eine demgegenüber verschobene Präferenz bzw. Nutzenbewertung, so handelt sie aus Sicht Dritter tendenziell selfish oder eben altruistisch. |
Naja, nun sehe ich nicht so recht, worin da der Unterschied zur geläufigen Auffassung dessen, was als 'altruistisch' und 'egoistisch', bzw. was 'uneigennützig' und 'eigennützig' angesehen wird, sein sollte. Ist es das 'tatsächlich', (falls das hier als 'im Nachhinein betrachtet' gemeint ist)? Wenn nicht: was sonst? 'Normale' Motive?
Nun, in der Tat ist es mE so, dass man normalerweise wie selbstverständlich davon ausgeht, dass jemand weiterleben möchte und das nicht in ständiger Angst, (wie derjenige, der einen Juden vor den Nazis versteckt hat).
Wäre es aber jemandem völlig gleichgültig, ob er lebt oder nicht, wäre es jemandem gleichgültig, was mit ihm passiert, kennte er Angst gar nicht, dann wäre seine Handlung auch nicht altruistisch, weil sie ihm ja nichts bedeutete, keinen Nachteil erbrächte.
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step registriert
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(#1493895) Verfasst am: 01.07.2010, 21:23 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Eine mögliche Lösung wäre, Altruismus "positivistisch" zu definieren, also nach dem tatsächlichen Fremdnutzen / Eigennutzen Verhältnis aus Sicht Dritter. In diesem Fall würde also der handelnden Person "normale", "normierte" Motive unterstellt. Hat sie eine demgegenüber verschobene Präferenz bzw. Nutzenbewertung, so handelt sie aus Sicht Dritter tendenziell selfish oder eben altruistisch. |
Naja, nun sehe ich nicht so recht, worin da der Unterschied zur geläufigen Auffassung dessen, was als 'altruistisch' und 'egoistisch', bzw. was 'uneigennützig' und 'eigennützig' angesehen wird, sein sollte. |
Der Judenverstecker etwa gälte dann als altruistisch, weil der Fremdnutzen "Überleben" aus Sicht Dritter höher bewertet wird als die Vermeidung von Schuldgefühlen und der Imagegewinn, und zwar unabhängig davon, ob der Handelnde das auch so empfindet.
Die gängige Auffassung macht sich - jedenfalls nach meinem Verständnis - vor allem an den vermuteten Absichten fest (sind diese eher selbstzentriert oder fremdzentriert?). Hier wäre der Judenverstecker altruistisch oder egoistisch, je nachdem ob er es primär für den eigenen Vorteil oder für den Anderen tut.
Deswegen tun viele sich schwer, die Frage zu beantworten, ob jemand, der einen geliebten Juden versteckt, weniger altruistisch ist.
Aber es war ja nur ein Vorschlag für eine Definition.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Wäre es aber jemandem völlig gleichgültig, ob er lebt oder nicht, wäre es jemandem gleichgültig, was mit ihm passiert, kennte er Angst gar nicht, dann wäre seine Handlung auch nicht altruistisch, weil sie ihm ja nichts bedeutete, keinen Nachteil erbrächte. |
Das widerspricht aber Deiner Definition oben, denn uneigennützig wäre es ja dennoch. Ähnlich wie bei einem Reichen, der einem Bettler 100€ schenkt. Das ist uneigennützig, aber es tut ihm auch nicht weh.
Wenn man gemauer definiert:
altruistisch = fremdnützlich + eigenschädlich
- dann stellt sich wieder die Frage, ob es etwa für einen Reichen schädlich ist, wenn er sein Geld (und zwar sagen wir mal fast alles) verschenkt. Z.B. wenn Bill Gates sagt, daß er ca. 99% seines Vermögens für soziale Zwecke stiften will. Hat er davon einen Schaden oder nicht?
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AgentProvocateur registrierter User
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(#1493906) Verfasst am: 01.07.2010, 21:52 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Naja, nun sehe ich nicht so recht, worin da der Unterschied zur geläufigen Auffassung dessen, was als 'altruistisch' und 'egoistisch', bzw. was 'uneigennützig' und 'eigennützig' angesehen wird, sein sollte. |
Der Judenverstecker etwa gälte dann als altruistisch, weil der Fremdnutzen "Überleben" aus Sicht Dritter höher bewertet wird als die Vermeidung von Schuldgefühlen und der Imagegewinn, und zwar unabhängig davon, ob der Handelnde das auch so empfindet. |
Nein. Der Judenretter gilt mE deswegen als altruistisch, weil er gravierende Nachteile für sich in Kauf nahm und er es dennoch tat, im Wissen um die Gefahr für ihn. Und weil die Behauptung, für ihn persönlich würden diese eventuell eintretenden Nachteile keine Nachteile bedeuten, bzw. er würde sie zumindest niedriger gewichten, als den emotionalen Vorteil, den er gewinnt, (insofern, als ihn das per saldo glücklich[er] machte), sehr unplausibel erscheint.
Nehmen wir nun einmal an, ein Nazi hätte gegen Ende des Krieges einen Juden versteckt, weil er die Absicht hatte, sich damit rein zu waschen, besser davon zu kommen. Das würde man als weniger altruistisch ansehenen, schätze ich.
step hat folgendes geschrieben: | Die gängige Auffassung macht sich - jedenfalls nach meinem Verständnis - vor allem an den vermuteten Absichten fest (sind diese eher selbstzentriert oder fremdzentriert?). Hier wäre der Judenverstecker altruistisch oder egoistisch, je nachdem ob er es primär für den eigenen Vorteil oder für den Anderen tut. |
Ja, selbstverständlich tut sie das, woraus sonst als aus den Absichten (und den vernünftigen Prognosen) sollte sich das auch herleiten? Niemand kann exakt in die Zukunft schauen, das ist doch selbstverständlich.
step hat folgendes geschrieben: | Deswegen tun viele sich schwer, die Frage zu beantworten, ob jemand, der einen geliebten Juden versteckt, weniger altruistisch ist. |
Diese Frage ist erst mal völlig und absolut irrelevant, wenn jemand dem 'Psychological Egoism' anhängt. Denn der behauptet ja, es könne überhaupt keinen Altruismus geben. Und wäre dem tatsächlich so, dann erübrigte sich ja wohl logischerweise die Frage nach mehr oder weniger Altruismus.
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