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Kiezdeutsch ein Dialekt?
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wesen
ist mal wieder da



Anmeldungsdatum: 10.03.2011
Beiträge: 398
Wohnort: Essen

Beitrag(#1741332) Verfasst am: 30.03.2012, 00:02    Titel: Re: Kiezdeutsch ein Dialekt? Antworten mit Zitat

tridi hat folgendes geschrieben:
wesen hat folgendes geschrieben:
Was hältst du von der Annahme, dass es sich bei Kiezdeutsch um eine Variante des Deutschen handelt, die etliche Regeln, die dem Türkischen entlehnt sind, integriert

soweit ich den artikel richtig in erinnerung habe, lehnt er eine solche annahme voellig ab, es handelt sich also um eine art von deutsch ohne solche tuerkische regeln. ich habe auch keine veranlassung, von einer solchen annahme auszugehen.

Ich habe den Artikel auch gelesen; du hast recht damit, was da steht.
Mein persönlicher Eindruck ist allerdings ein anderer. Und ich höre die Ruhrpott-Variante nahezu täglich. Ich kann leider nur wenige Worte Türkisch und bin keine Sprachwissenschaftlerin. Dennoch ist mein Eindruck anders als das, was im Spiegel steht. (Hier ist übrigens statt des im "Kiezdeutsch-Test" des Spiegels abgefragten Wallah das (arabische) Yallah en Vogue.)

Ich werde mal einen türkischen Kollegen fragen, was er zum Thema meint. Aber erst nach den Ferien. Auf den Arm nehmen
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tillich (epigonal)
hat Spaß



Anmeldungsdatum: 12.04.2006
Beiträge: 22288

Beitrag(#1741336) Verfasst am: 30.03.2012, 00:13    Titel: Re: Kiezdeutsch ein Dialekt? Antworten mit Zitat

tridi hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Wer schlechte Erfahrungen mit solchen "Kiezdeutsch-Sprechern" gemacht hat, ob bezüglich der Umgangsformen oder in Bezug darauf, dass sie nicht auf Hochdeutsch geswitcht sind: Viellciht solltet ihr bedenken, dass diese Erfahrungen verzerrt sind, weil ihr die Kiezdeutsch-Sprecher, die auf Hochdeutsch geswitcht sind, nicht als solche erkannt habt.

klar, diejenigen, die auf hochdeutsch oder einen regionalen dialekt umschalten, wenn sie mit einem reden, werden natuerlich nicht als kiezdeutsch-specher erkannt.

die erfahrungen beziehen sich also nicht auf diese leute, die situationsangepasst den dialekt wechseln, sondern auf die, die nur kiezdeutsch koennen.

fuer die aber kann man die erfahrungen nicht einfach wegwischen.

Damit wird dann aber aus der - falschen - Aussage "Kiezdeutsch ist schlecht, weil Kiezdeutsch-Sprecher kein Standarddeutsch können" die Aussage "Nur Kiezdeutsch zu können ist schlecht, weil Nur-Kiezdeutsch-Sprecher kein Standarddeutsch können", also ein ziemlich banaler Pleonasmus. Und es ist dann auch nicht mehr das Kiezdeutsch das Problem, sondern das fehlende Standarddeutsch, das die Leute ja nicht auf einmal supi beherrschen würden, wenn es das Kiezdeutsch nicht gäbe.

tridi hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
tridi hat folgendes geschrieben:
[...]
es ist wohl richtig, dass es sich um einen dialekt (oder soziolekt) handelt, allerdings eben nicht um eine regionale sprachentwicklung, sondern um eine, die auf dem unvermoegen, die deutsche sprache und grammatik zu beherrschen, beruht. und das ist natuerlich schon bedenklich.

Das ist schlicht und einfach Unsinn und durch die hier diskutierte sprachwissenschaftliche Untersuchung als einfach falsch erwiesen.

beleg?

wo in dieser untersuchung steht das, und hat die untersuchung auch belege dafuer oder schwafelt sie nur daher?

Nun, mehr als diesen Artikel über diese wissenschaftliche Untersuchung habe ich auch nicht, die komplette Untersucung habe ich auch nicht. Das finde ich aber als Beleg schon mal nicht schlecht. Aber wenn du einfach das Gegenteil behauptest, was darin stehst, wärst du doch erst mal in der Belegpflicht, oder nicht?

tridi hat folgendes geschrieben:
Zitat:

Kiezdeutsch hat eigene Regeln, und die sind nicht einfach mit Nichtbeherrschung der Standardsprache zu erklären.

die regeln sind aber eher rudimentaer verglichen mit normalem deutsch.

Zitat:

Genauso sinnvoll wäre es, zu behaupten, Bairisch wäre schlechtes Deutsch und beruhe auf dem Unvermögen, Hochdeutsch zu sprechen - bloß weil einige Bairisch-Sprecher es tatsächlich nicht können.

das bairische hat eine andere aussprache und vielleicht ein paar andere woerter, hat aber - soweit mir bekannt - keine derart reduzierte grammatik.

Woher hast du denn überhaupt die Idee, es habe eine reduzierte Grammatik? Die Beispiele im Artikel sprechen eher von Innovationen, also von neuen Ausdrucksmöglichkeiten, die natürlich auch ihre Regeln haben.


tridi hat folgendes geschrieben:
aber vielleicht sollte ich meinen eindruck des kiezdeutschen mal konkretisieren? meinem eindruck nach unterscheiden die sprecher kaum zwischen dativ und akkusativ (genitiv duerfte eh kaum vorkommen), ebenso gehen die grammatischen geschlechter ziemlich durcheinander und vergleichsweise oft wird auf artikel gleich ganz verzichtet.

irre ich?

wenn nicht, dann halte ich es fuer naheliegend, dass die urspruenge dieses soziolekts bei sprechern liegen, die die grammatischen feinheiten des deutschen einfach nicht beherrschten. (das meinte ich mit der "auf unvermoegen beruhenden sprachentwicklung".)

Das weiß ich nicht so genau, ob dein Eindruck stimmt, denn im Artikel stehen diese Dinge nicht drin - woher hast du sie? Es ist denkbar, dass bestimmte Varianten des Standards auch abgebaut werden, aber das wäre für Dialekte nicht ungewöhnlich. Wenn das mit dem fehlenden Unterschied von Dativ und Akkusativ stimmen sollte, hätte das Kiezdeutsche das zB mit einer großen Zahl traditioneller Dialekte gemein. Einen Genitiv dagegen wird es sicher geben - möglicherweise allerdings anders gebildet, aber auch das wäre nicht ungewöhnlich. Nicht ungewöhnlich wäre es zB, wenn die Ausdrucksmöglichkeiten der Deklination durch Wortstellung ersetzt würden - das kennt man aus Dialekten, aber auch zB vom Englischen.

Jedenfalls gehen deine Aussagen an denen des Artikels komplett vorbei.
_________________
"YOU HAVE TO START OUT LEARNING TO BELIEVE THE LITTLE LIES." -- "So we can believe the big ones?" -- "YES."

(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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tridi
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Anmeldungsdatum: 21.06.2007
Beiträge: 7933

Beitrag(#1741343) Verfasst am: 30.03.2012, 01:03    Titel: Re: Kiezdeutsch ein Dialekt? Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
tridi hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Wer schlechte Erfahrungen mit solchen "Kiezdeutsch-Sprechern" gemacht hat, ob bezüglich der Umgangsformen oder in Bezug darauf, dass sie nicht auf Hochdeutsch geswitcht sind: Viellciht solltet ihr bedenken, dass diese Erfahrungen verzerrt sind, weil ihr die Kiezdeutsch-Sprecher, die auf Hochdeutsch geswitcht sind, nicht als solche erkannt habt.

klar, diejenigen, die auf hochdeutsch oder einen regionalen dialekt umschalten, wenn sie mit einem reden, werden natuerlich nicht als kiezdeutsch-specher erkannt.

die erfahrungen beziehen sich also nicht auf diese leute, die situationsangepasst den dialekt wechseln, sondern auf die, die nur kiezdeutsch koennen.

fuer die aber kann man die erfahrungen nicht einfach wegwischen.

Damit wird dann aber aus der - falschen - Aussage "Kiezdeutsch ist schlecht, weil Kiezdeutsch-Sprecher kein Standarddeutsch können" die Aussage "Nur Kiezdeutsch zu können ist schlecht, weil Nur-Kiezdeutsch-Sprecher kein Standarddeutsch können", also ein ziemlich banaler Pleonasmus. Und es ist dann auch nicht mehr das Kiezdeutsch das Problem, sondern das fehlende Standarddeutsch, das die Leute ja nicht auf einmal supi beherrschen würden, wenn es das Kiezdeutsch nicht gäbe.

du faselst hier von einem pleonasmus, voellig uebersehend, von welcher art erfahrung hier die rede war. deine antwort hat damit herzlich wenig mit dem zu tun, was ich schrieb.

Zitat:
tridi hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
tridi hat folgendes geschrieben:
[...]
es ist wohl richtig, dass es sich um einen dialekt (oder soziolekt) handelt, allerdings eben nicht um eine regionale sprachentwicklung, sondern um eine, die auf dem unvermoegen, die deutsche sprache und grammatik zu beherrschen, beruht. und das ist natuerlich schon bedenklich.

Das ist schlicht und einfach Unsinn und durch die hier diskutierte sprachwissenschaftliche Untersuchung als einfach falsch erwiesen.

beleg?

wo in dieser untersuchung steht das, und hat die untersuchung auch belege dafuer oder schwafelt sie nur daher?

Nun, mehr als diesen Artikel über diese wissenschaftliche Untersuchung habe ich auch nicht, die komplette Untersucung habe ich auch nicht. Das finde ich aber als Beleg schon mal nicht schlecht. Aber wenn du einfach das Gegenteil behauptest, was darin stehst, wärst du doch erst mal in der Belegpflicht, oder nicht?

das kannst du zwar so sehen - ich habe aber meinen eindruck dargestellt, und du hast behauptet, die wissenschaftliche habe dies als falsch erwiesen. dass dies erwiesen sei, halte ich aber fuer ein geruecht, und ueberdies kann ich mich auch nicht an passagen in dem artikel erinnern, die so etwas belegen wuerden. kiezdeutsch scheint dem deutschen zu entstammen ohne tuerktische oder andere anteile, ok, das will ich dem artikel gern glauben (wesen glaubts nicht), aber die grammatik scheint mir doch arg reduziert.

in diesem zusammenhang etwas zu beweisen, scheint nur schwer moeglich, da kaum schriftliche zeugnisse vorliegen duerften (hmm... in chats/foren vielleicht?). man muesste wohl audio-aufzeichnungen analysieren.

Zitat:

tridi hat folgendes geschrieben:
Zitat:

Kiezdeutsch hat eigene Regeln, und die sind nicht einfach mit Nichtbeherrschung der Standardsprache zu erklären.

die regeln sind aber eher rudimentaer verglichen mit normalem deutsch.

Zitat:

Genauso sinnvoll wäre es, zu behaupten, Bairisch wäre schlechtes Deutsch und beruhe auf dem Unvermögen, Hochdeutsch zu sprechen - bloß weil einige Bairisch-Sprecher es tatsächlich nicht können.

das bairische hat eine andere aussprache und vielleicht ein paar andere woerter, hat aber - soweit mir bekannt - keine derart reduzierte grammatik.

Woher hast du denn überhaupt die Idee, es habe eine reduzierte Grammatik? Die Beispiele im Artikel sprechen eher von Innovationen, also von neuen Ausdrucksmöglichkeiten, die natürlich auch ihre Regeln haben.

ich habe das nur aus eigener anschauung.

bisher ist mir noch kein grammatisches regelwerk des kiezdeutschen begegnet (bis heute kannte ich den begriff "kiezdeutsch" ja nicht einmal, aber ich denke, ich weiss, was gemeint ist).

Zitat:
Wenn das mit dem fehlenden Unterschied von Dativ und Akkusativ stimmen sollte, hätte das Kiezdeutsche das zB mit einer großen Zahl traditioneller Dialekte gemein.

welche traditionellen dialekte fallen dir dazu ein? (ich denke da allenfalls an berlin, wobei ich nicht weiss, was da genau los ist.)

Zitat:

Einen Genitiv dagegen wird es sicher geben - möglicherweise allerdings anders gebildet, aber auch das wäre nicht ungewöhnlich.

ich meinte, dass die genitivform nicht benutzt werde. das wird wohl im allgemeinen durch "von" ersetzt.

also "de auto von mein vater" statt "das auto meines vaters"

die genitivform ohne "von" duerfte in kiezdeutsch kaum vorkommen, hochdeutsch waere es auch bei der verwendung von "von" noch "meinem vater", hochdeutsch akkusativ waere "meinen vater", fuer kiezdeutsch wuerde ich aber "von mein vater" halten. bei "de" statt "das" bin ich nicht so sicher; das "de" duerfte jedenfalls hoechstens gesprochen vorkommen, in der schrift des hochdeutschen unkundiger kiezdeutsch-sprecher wird meinem eindruck nach wohl immer "der", "die" oder "das" verwendet werden, wobei die wahrscheinlichkeit fuer die verwendung von "der" oder "die" meinem eindruck nach durchaus hoch ist.

Zitat:

Nicht ungewöhnlich wäre es zB, wenn die Ausdrucksmöglichkeiten der Deklination durch Wortstellung ersetzt würden - das kennt man aus Dialekten

aus welchen dialekten kennst du das?

Zitat:
Jedenfalls gehen deine Aussagen an denen des Artikels komplett vorbei.

das ist moeglich.

dabei ist allerdings auch moeglich, dass der autor unter "kiezdeutsch" einen anderen dialekt versteht als den, den ich vermute. was er kennt, kommt moeglicherweise hier bei mir nicht vor. auch das kiezdeutsche koennte dialekte haben...
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tridi
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Anmeldungsdatum: 21.06.2007
Beiträge: 7933

Beitrag(#1741346) Verfasst am: 30.03.2012, 01:18    Titel: Re: Kiezdeutsch ein Dialekt? Antworten mit Zitat

tridi hat folgendes geschrieben:


Zitat:
Jedenfalls gehen deine Aussagen an denen des Artikels komplett vorbei.

das ist moeglich.

dabei ist allerdings auch moeglich, dass der autor unter "kiezdeutsch" einen anderen dialekt versteht als den, den ich vermute. was er kennt, kommt moeglicherweise hier bei mir nicht vor. auch das kiezdeutsche koennte dialekte haben...

ich vermute allerdings eher, dass ich das anders bewerte als der artikel, naemlich im sinne einer massiv reduzierten grammatik (im sinne einer drastisch reduzierten anzahl der grammatischen formen (reduzierte deklination)).
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tridi
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Anmeldungsdatum: 21.06.2007
Beiträge: 7933

Beitrag(#1741347) Verfasst am: 30.03.2012, 01:40    Titel: Antworten mit Zitat

ich versuche mal darzustellen, was ich unter kiezdeutsch verstehe:

de auto von mein vater hat en beule, weil mein onkel mein vater da bei ausparken voll reingedonnert is. gut, dass de polizei nich gekomm is, die haetten mein onkel bestimmt sein fuehrerschein weggenomm. aber mein vater hat natuerlich nich de polizei gerufen und mein onkel hat mein vater de geld fuer reparieren so gegeben.
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Ralf Rudolfy
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Anmeldungsdatum: 11.12.2003
Beiträge: 26674

Beitrag(#1741363) Verfasst am: 30.03.2012, 09:05    Titel: Antworten mit Zitat

Ich sehe das auch eher gelassen. Es hat zu jeder Zeit bestimmten milieubedingte Idiome gegeben, und zu allen Zeiten gab es Leute, sich sich darüner aufgeregt haben. Die Hochsprache wird hier nicht ersetzt, sondern es ist eine Verkehrssprache neben der Hochsprache, die in einem bestimmten Zusammenhang gesprochen und verstanden wird. Ich würde sagen, daß das wesentliche Merkmale sind, die auch für andere Dialekte zutreffen, insofern halte ich diese Einordnung für nachvollziehbar.
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Dadurch, daß ein Volk nicht mehr die Kraft oder Willen hat, sich in der Sphäre des Politischen zu halten, verschwindet das Politische nicht aus der Welt. Es verschwindet nur ein schwaches Volk. (Carl Schmitt)
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Witz- und Kobold
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Anmeldungsdatum: 03.03.2012
Beiträge: 516

Beitrag(#1741374) Verfasst am: 30.03.2012, 10:09    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Wer schlechte Erfahrungen mit solchen "Kiezdeutsch-Sprechern" gemacht hat, ob bezüglich der Umgangsformen oder in Bezug darauf, dass sie nicht auf Hochdeutsch geswitcht sind: Viellciht solltet ihr bedenken, dass diese Erfahrungen verzerrt sind, weil ihr die Kiezdeutsch-Sprecher, die auf Hochdeutsch geswitcht sind, nicht als solche erkannt habt.


Dass eine solche Meinungsbildung nicht auf wissenschaftlichem Wege abläuft und subjektive Fehleinschätzungen beinhalten kann, ist klar. Aber darum geht es ja hier gar nicht. Sondern bloß darum, wie diese Meinung überhaupt zustande kommen könnte. Und da finde ich es eben naheliegend, dass man eine Sprache negativ wahrnimmt, wenn die Leute, die man so sprechen hört, häufiger als andere Personen, denen man begegnet, durch unangenehmes Verhalten auffallen. Und da Kiezdeutsch fast nur von Jugendlichen gesprochen wird und Jugendliche sich in der Öffentlichkeit eher laut und aggressiv verhalten als der Durchschnitt, kann eben leicht eine solche Assoziation hergestellt werden.
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Shadaik
evolviert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
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Wohnort: MG

Beitrag(#1741391) Verfasst am: 30.03.2012, 11:11    Titel: Re: Kiezdeutsch ein Dialekt? Antworten mit Zitat

tridi hat folgendes geschrieben:
Misterfritz hat folgendes geschrieben:
spiegel online hat folgendes geschrieben:
Sprachbewahrer kämpfen verbissen gegen Kiezdeutsch. Der Schulhof-Slang verhunzt unsere Sprache, meinen sie. Alles Quatsch, sagt die Sprachforscherin Heike Wiese. Denn Kiezdeutsch sei genauso ein Dialekt wie Bayerisch und Schwäbisch.
das klingt für mich nach schönreden und ich befürchte, dass viele jugendliche, die so sprechen, es eben doch nicht besser können.


ich habe heute noch kiezdeutsch gehoert, den namen "kiezdeutsch" dafuer kannte ich aber noch nicht.

es ist wohl richtig, dass es sich um einen dialekt (oder soziolekt) handelt, allerdings eben nicht um eine regionale sprachentwicklung, sondern um eine, die auf dem unvermoegen, die deutsche sprache und grammatik zu beherrschen, beruht. und das ist natuerlich schon bedenklich.
Du meinst damit vermutlich das Hochdeutsche, also den Standarddialekt. Woraus schließt du denn diese Ursächlichkeit eines vermuteten Unvermögens? Und inwiefern unterscheidet sich das von anderen Regiolekten wie Ruhrdeutsch, Berlinerisch und rheinisch gefärbtem Hochdeutsch?
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Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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Shadaik
evolviert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 26377
Wohnort: MG

Beitrag(#1741394) Verfasst am: 30.03.2012, 11:18    Titel: Antworten mit Zitat

tridi hat folgendes geschrieben:
ich versuche mal darzustellen, was ich unter kiezdeutsch verstehe:

de auto von mein vater hat en beule, weil mein onkel mein vater da bei ausparken voll reingedonnert is. gut, dass de polizei nich gekomm is, die haetten mein onkel bestimmt sein fuehrerschein weggenomm. aber mein vater hat natuerlich nich de polizei gerufen und mein onkel hat mein vater de geld fuer reparieren so gegeben.
Das klingt soweit ziemlich normal. Hier wie das bei mir klingen würde, wenn ich nicht auf Hochdeutsch achte:

Dat Auto von meim Vadder hat ne Beule, weil mein Onkel meim Vadder da beim Ausparken mitten reinjeknallt is. Gut, dat die Polizei nich jekomm is, die hätten meim Onkel bestimmtn Führerschein wechjenomm. Aber mein Vadder hat natürlich nich die Polizei jerufen und mein Onkel hat meim Vadder dat Jeld für die Reparatur so jejehm.
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narziss
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Anmeldungsdatum: 16.07.2003
Beiträge: 21939

Beitrag(#1741405) Verfasst am: 30.03.2012, 12:29    Titel: Re: Kiezdeutsch ein Dialekt? Antworten mit Zitat

Alchemist hat folgendes geschrieben:
Misterfritz hat folgendes geschrieben:
spiegel online hat folgendes geschrieben:
Sprachbewahrer kämpfen verbissen gegen Kiezdeutsch. Der Schulhof-Slang verhunzt unsere Sprache, meinen sie. Alles Quatsch, sagt die Sprachforscherin Heike Wiese. Denn Kiezdeutsch sei genauso ein Dialekt wie Bayerisch und Schwäbisch.
das klingt für mich nach schönreden und ich befürchte, dass viele jugendliche, die so sprechen, es eben doch nicht besser können.


Ich habe mir den Artikel und viele der Kommentare im FOrum durchgelesen und mich beschleicht das Gefühl, dass die ablehnende Haltung sehr oft auf Fremdenfeindlichkeit oder soziologischer Prädung beruht.

Ich kann, wie die Autorin des Artikels, keinen Unterschied zwischen diesem Kiezdeutsch und anderen Dialekten sehen.

Ausgesprochen dämlich finde ich es, Kategorien von richtigem und falschem Deutsch zu erstellen
Wieso fremdenfeinlich? Wenn Deutsche nicht richtig Deutsch sprechen, finde ich es auch schlimm. Ich find es sogar eher noch schlimmer.
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Witz- und Kobold
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Anmeldungsdatum: 03.03.2012
Beiträge: 516

Beitrag(#1741409) Verfasst am: 30.03.2012, 12:52    Titel: Re: Kiezdeutsch ein Dialekt? Antworten mit Zitat

narziss hat folgendes geschrieben:
Wieso fremdenfeinlich? Wenn Deutsche nicht richtig Deutsch sprechen, finde ich es auch schlimm. Ich find es sogar eher noch schlimmer.


Ich nehme an, der Fremdenfeindlichkeitsverdacht geht auf den Einfluss des Türkischen auf diese Sprachform zurück. Und ja, es könnte schon sein, dass Leute diese Varietät ablehnen, weil sie sie als "überfremdet" wahrnehmen. Aber ich glaube nicht, dass das der Hauptgrund ist. Nun ja, das sind soweit nur Vermutungen. Mir persönlich ist es egal, wie die Leute sprechen. Sie sollten nur nicht zu laut sprechen oder mich vollsabbeln...
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Alchemist
registrierter User



Anmeldungsdatum: 03.08.2004
Beiträge: 27897
Wohnort: Hamburg

Beitrag(#1741421) Verfasst am: 30.03.2012, 13:54    Titel: Re: Kiezdeutsch ein Dialekt? Antworten mit Zitat

narziss hat folgendes geschrieben:
Alchemist hat folgendes geschrieben:
Misterfritz hat folgendes geschrieben:
spiegel online hat folgendes geschrieben:
Sprachbewahrer kämpfen verbissen gegen Kiezdeutsch. Der Schulhof-Slang verhunzt unsere Sprache, meinen sie. Alles Quatsch, sagt die Sprachforscherin Heike Wiese. Denn Kiezdeutsch sei genauso ein Dialekt wie Bayerisch und Schwäbisch.
das klingt für mich nach schönreden und ich befürchte, dass viele jugendliche, die so sprechen, es eben doch nicht besser können.


Ich habe mir den Artikel und viele der Kommentare im FOrum durchgelesen und mich beschleicht das Gefühl, dass die ablehnende Haltung sehr oft auf Fremdenfeindlichkeit oder soziologischer Prädung beruht.

Ich kann, wie die Autorin des Artikels, keinen Unterschied zwischen diesem Kiezdeutsch und anderen Dialekten sehen.

Ausgesprochen dämlich finde ich es, Kategorien von richtigem und falschem Deutsch zu erstellen
Wieso fremdenfeinlich? Wenn Deutsche nicht richtig Deutsch sprechen, finde ich es auch schlimm. Ich find es sogar eher noch schlimmer.



Das war mein Eindruck in dem SPON Forum. Das Wort "Integration" kam desöfteren vor.
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tridi
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Anmeldungsdatum: 21.06.2007
Beiträge: 7933

Beitrag(#1741425) Verfasst am: 30.03.2012, 14:13    Titel: Re: Kiezdeutsch ein Dialekt? Antworten mit Zitat

Shadaik hat folgendes geschrieben:
tridi hat folgendes geschrieben:
Misterfritz hat folgendes geschrieben:
spiegel online hat folgendes geschrieben:
Sprachbewahrer kämpfen verbissen gegen Kiezdeutsch. Der Schulhof-Slang verhunzt unsere Sprache, meinen sie. Alles Quatsch, sagt die Sprachforscherin Heike Wiese. Denn Kiezdeutsch sei genauso ein Dialekt wie Bayerisch und Schwäbisch.
das klingt für mich nach schönreden und ich befürchte, dass viele jugendliche, die so sprechen, es eben doch nicht besser können.


ich habe heute noch kiezdeutsch gehoert, den namen "kiezdeutsch" dafuer kannte ich aber noch nicht.

es ist wohl richtig, dass es sich um einen dialekt (oder soziolekt) handelt, allerdings eben nicht um eine regionale sprachentwicklung, sondern um eine, die auf dem unvermoegen, die deutsche sprache und grammatik zu beherrschen, beruht. und das ist natuerlich schon bedenklich.
Du meinst damit vermutlich das Hochdeutsche, also den Standarddialekt. Woraus schließt du denn diese Ursächlichkeit eines vermuteten Unvermögens? Und inwiefern unterscheidet sich das von anderen Regiolekten wie Ruhrdeutsch, Berlinerisch und rheinisch gefärbtem Hochdeutsch?


ich schliesse das unvermoegen aus dem fortfall grosser teile der grammatik. das ist in regiolekten so nicht der fall, wie ich dir gern an deinem naechsten posting demonstriere:
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tridi
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Anmeldungsdatum: 21.06.2007
Beiträge: 7933

Beitrag(#1741427) Verfasst am: 30.03.2012, 14:25    Titel: Antworten mit Zitat

Shadaik hat folgendes geschrieben:
tridi hat folgendes geschrieben:
ich versuche mal darzustellen, was ich unter kiezdeutsch verstehe:

de auto von mein vater hat en beule, weil mein onkel mein vater da bei ausparken voll reingedonnert is. gut, dass de polizei nich gekomm is, die haetten mein onkel bestimmt sein fuehrerschein weggenomm. aber mein vater hat natuerlich nich de polizei gerufen und mein onkel hat mein vater de geld fuer reparieren so gegeben.
Das klingt soweit ziemlich normal.


fuer mich klingt das alles andere als normal und eher abartig.
Zitat:

Hier wie das bei mir klingen würde, wenn ich nicht auf Hochdeutsch achte:

Dat Auto von meim Vadder hat ne Beule, weil mein Onkel meim Vadder da beim Ausparken mitten reinjeknallt is. Gut, dat die Polizei nich jekomm is, die hätten meim Onkel bestimmtn Führerschein wechjenomm. Aber mein Vadder hat natürlich nich die Polizei jerufen und mein Onkel hat meim Vadder dat Jeld für die Reparatur so jejehm.

ich habs dir mal gefettet: die ganze grammatik ist in deinem regiolekt noch vollstaendig oder nahezu vollstaendig erhalten (deklination, grammatisches geschlecht). es mag verschliffen sein, und dialekte hoeren sich natuerlich etwas anders an (leicht andere laute), aber die ganzen grammatischen formen sind noch da und es ist wird allein schon an dem, was du in deinem dialekt sagst, deutlich, dass du die komplette grammatik beherrschst, mit allen formen, auch wenn diese formen sich in deinem dialekt anders anhoeren.

das ist in dem, was ich geschrieben habe, voellig anders. auch wenn von den lauten her das von mir dargestellte kiezdeutsch dem hochdeutschen vielleicht sogar naeher sein mag als dein dialekt, so ist doch dem kiezdeutschen die grammatik weitgehend abhanden gekommen.

ich finde es naheliegend, anzunehmen, dass dies urspruenglich einfach durch unvermoegen der sprecher (die wohl oft nicht deutsche muttersprache hatten) entstanden ist.
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Kramer
postvisuell



Anmeldungsdatum: 01.08.2003
Beiträge: 30878

Beitrag(#1741431) Verfasst am: 30.03.2012, 15:03    Titel: Antworten mit Zitat

tridi hat folgendes geschrieben:
das ist in dem, was ich geschrieben habe, voellig anders. auch wenn von den lauten her das von mir dargestellte kiezdeutsch dem hochdeutschen vielleicht sogar naeher sein mag als dein dialekt, so ist doch dem kiezdeutschen die grammatik weitgehend abhanden gekommen.


Das ist Deine Behauptung, die auf einem Beispiel basiert, das Du Dir selber zurechtgeschustert hast. Und keine Angst: So schnell geht die Grammatik nicht verloren, sie macht nur mal ein oder zwei Generationen Urlaub.
_________________
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Witz- und Kobold
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Anmeldungsdatum: 03.03.2012
Beiträge: 516

Beitrag(#1741433) Verfasst am: 30.03.2012, 15:11    Titel: Antworten mit Zitat

Wer Kiezdeutsche kritisiert, ist ein grammar nazi! freakteach
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Lisa
vermatscht und benebelt



Anmeldungsdatum: 23.04.2011
Beiträge: 744
Wohnort: katholisches Kaff

Beitrag(#1741441) Verfasst am: 30.03.2012, 15:36    Titel: Antworten mit Zitat

Selbst wenn die Grammatik vielleicht nicht so wie im Hochdeutschen ausgeübt wird, was ist schlimm daran, ggf. darauf zu Verzichten? Schließlich dient Sprache der Übertragung von Information, und wenn der Angesprochene versteht, was gemeint ist, ist doch alles in Ordnung. Es macht zum Beispiel inhaltlich keinen Unterschied, ob man jetzt "Gehma Döner?" sagt, oder "Wollen wir dem ortsansässigen Dönerverkaufsstand einem Besuch abstatten, um dort gemeinschaftlich Döner zu verzehren?" Die erste Variante bietet hier sogar noch den Vorteil, dass sie wesentlich kürzer ist, und man dadurch schneller weiß, was der andere einem mitteilen will.
Was ich damit sagen will ist, dass Grammatik sowieso manchmal unnötig ist, wieso sollte man sich also damit die Kommunikation erschweren?
_________________
Warnung: der Beitrag kann aus Gründen der Leserlichkeit generisches Maskulinum enthalten.
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"Und es erschienen ihnen zerteilte Zungen wie von Feuer, und sie setzten sich auf jeden einzelnen von ihnen." Apostelgeschichte 2.1
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tridi
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Anmeldungsdatum: 21.06.2007
Beiträge: 7933

Beitrag(#1741448) Verfasst am: 30.03.2012, 16:00    Titel: Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
tridi hat folgendes geschrieben:
das ist in dem, was ich geschrieben habe, voellig anders. auch wenn von den lauten her das von mir dargestellte kiezdeutsch dem hochdeutschen vielleicht sogar naeher sein mag als dein dialekt, so ist doch dem kiezdeutschen die grammatik weitgehend abhanden gekommen.

Das ist Deine Behauptung, die auf einem Beispiel basiert, das Du Dir selber zurechtgeschustert hast.

diese behauptung von mir basiert auf dem, was ich regelmaessig hoere (und gestern noch gehoert habe) und was ich hier darzustellen versucht habe.

ich kann selbstverstaendlich nicht sagen, ob das genau das ist, was der autor des artikels unter "kiezdeutsch" versteht. hier kenne ich das auch eher unter der unfeinen bezeichnung "kanakendeutsch", wobei ich diesen ausdruck aber eigentlich selbst nicht gebrauchen moechte (man wuerde mir zurecht rassismus vorwerfen).

auch ist mein versuch, diese sprache darzustellen, sicher sehr unvollkommen (ich spreche das nicht!). und ueberdies duerfte zwischen diesem dialekt (*) und dem hochdeutschen sicher jede beliebige zwischenform existieren.


(*): wie zum teufel soll ich diese von mir in meinem umfeld wahrgenommene sprache eigentlich nennen? "kanakendeutsch" waere rassistisch, "kiezdeutsch" waere ein besserer ausdruck, aber ich kann ja nicht garantieren, dass es sich um exakt denselben dialekt handelt.


Zitat:
Und keine Angst: So schnell geht die Grammatik nicht verloren, sie macht nur mal ein oder zwei Generationen Urlaub.
meinst du, nach dem urlaub komme die wieder?

die erfahrung mir anderen sprachen lehrt eher, dass das nicht so ist. andererseits lehrt diese erfahrung auch, dass das so tragisch auch nicht ist.
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Kramer
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Anmeldungsdatum: 01.08.2003
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Beitrag(#1741454) Verfasst am: 30.03.2012, 16:16    Titel: Antworten mit Zitat

tridi hat folgendes geschrieben:
die erfahrung mir anderen sprachen lehrt eher, dass das nicht so ist.


Ich weiss nicht, welche Erfahrung Du da gemacht hast. Stand der Wissenschaft ist, dass sog. Pidginsprachen - und als solche würde ich das Kiezdeutsch bezeichnen - sich zu Kreolsprachen entwickeln, also zu einer regelhaften grammatikalischen Struktur zurück finden. Stichwort: Kreolisierung.
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Zuletzt bearbeitet von Kramer am 30.03.2012, 16:18, insgesamt einmal bearbeitet
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tridi
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Anmeldungsdatum: 21.06.2007
Beiträge: 7933

Beitrag(#1741455) Verfasst am: 30.03.2012, 16:17    Titel: Antworten mit Zitat

Lisa hat folgendes geschrieben:
Selbst wenn die Grammatik vielleicht nicht so wie im Hochdeutschen ausgeübt wird, was ist schlimm daran, ggf. darauf zu Verzichten? Schließlich dient Sprache der Übertragung von Information, und wenn der Angesprochene versteht, was gemeint ist, ist doch alles in Ordnung. Es macht zum Beispiel inhaltlich keinen Unterschied, ob man jetzt "Gehma Döner?" sagt, oder "Wollen wir dem ortsansässigen Dönerverkaufsstand einem Besuch abstatten, um dort gemeinschaftlich Döner zu verzehren?" Die erste Variante bietet hier sogar noch den Vorteil, dass sie wesentlich kürzer ist, und man dadurch schneller weiß, was der andere einem mitteilen will.
Was ich damit sagen will ist, dass Grammatik sowieso manchmal unnötig ist, wieso sollte man sich also damit die Kommunikation erschweren?


also ich finden schade drum wenn de grammatik sein voellig weg, aber ich muessen zugeben dass es nicht sein ein katastrophe solange man noch koennen verstehen was sein gemeint. du finden dies sprache gut so? oder es sein mit ein grammatik doch mehr gut?

(nein, das jetzt nicht sein kietzdeutsch; insbesondere ich grade lassen de konjugation weg, de in kiezdeutsch aber noch sein drinne, soweit ich das wissen.)
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tridi
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Anmeldungsdatum: 21.06.2007
Beiträge: 7933

Beitrag(#1741469) Verfasst am: 30.03.2012, 16:41    Titel: Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
tridi hat folgendes geschrieben:
die erfahrung mir anderen sprachen lehrt eher, dass das nicht so ist.


Ich weiss nicht, welche Erfahrung Du da gemacht hast. Stand der Wissenschaft ist, dass sog. Pidginsprachen - und als solche würde ich das Kiezdeutsch bezeichnen - sich zu Pidginsprachen entwickeln, also zu einer regelhaften grammatikalischen Struktur zurück finden. Stichwort: Kreolisierung.


regelhaft ja, aber formenarm, oder?

mit erfahrung meine ich zB andere germanische sprachen mit bei weitem weniger deklinations- und konjugationsformen als im deutschen (obwohl es auch da all diese formen mal gab, wie man wohl auch am urtuemlichen islaendischen wohl heute noch sieht (?) ), in den wichtigen romanischen sprachen haben sich die konjugationsformen zwar noch erhalten (bzw. nach dem lateinischen, vom vulgaerlateinischen kommend sogar neu gebildet wie die heutigen futur- und conditionalformen), die deklinationsformen sind aber weggefallen und das neutrum im maskulinum aufgegangen.

die allgemeine tendenz scheint mir doch sehr in richtung abnahme der formenvielfalt zu gehen, wobei allerdings die weggefallenen deklinations- und konjugationsuffixe durch personalpronomen und praepositionen ersetzt werden (zB de und a fuer genitiv und dativ in romanischen sprachen).

im griechischen (und, soweit mir bekannt, im russischen) ist allerdings noch mehr erhalten geblieben. der dativ wird aber im modernen griechisch auch mit hilfe einer praeposition dargestellt.
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Kramer
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Beiträge: 30878

Beitrag(#1741473) Verfasst am: 30.03.2012, 16:44    Titel: Antworten mit Zitat

tridi hat folgendes geschrieben:

regelhaft ja, aber formenarm, oder?


Ja, und? Wo ist das Problem?
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Shadaik
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Beitrag(#1741476) Verfasst am: 30.03.2012, 16:48    Titel: Antworten mit Zitat

tridi hat folgendes geschrieben:
Shadaik hat folgendes geschrieben:
tridi hat folgendes geschrieben:
ich versuche mal darzustellen, was ich unter kiezdeutsch verstehe:

de auto von mein vater hat en beule, weil mein onkel mein vater da bei ausparken voll reingedonnert is. gut, dass de polizei nich gekomm is, die haetten mein onkel bestimmt sein fuehrerschein weggenomm. aber mein vater hat natuerlich nich de polizei gerufen und mein onkel hat mein vater de geld fuer reparieren so gegeben.
Das klingt soweit ziemlich normal.


fuer mich klingt das alles andere als normal und eher abartig.
Zitat:

Hier wie das bei mir klingen würde, wenn ich nicht auf Hochdeutsch achte:

Dat Auto von meim Vadder hat ne Beule, weil mein Onkel meim Vadder da beim Ausparken mitten reinjeknallt is. Gut, dat die Polizei nich jekomm is, die hätten meim Onkel bestimmtn Führerschein wechjenomm. Aber mein Vadder hat natürlich nich die Polizei jerufen und mein Onkel hat meim Vadder dat Jeld für die Reparatur so jejehm.

ich habs dir mal gefettet: die ganze grammatik ist in deinem regiolekt noch vollstaendig oder nahezu vollstaendig erhalten (deklination, grammatisches geschlecht). es mag verschliffen sein, und dialekte hoeren sich natuerlich etwas anders an (leicht andere laute), aber die ganzen grammatischen formen sind noch da und es ist wird allein schon an dem, was du in deinem dialekt sagst, deutlich, dass du die komplette grammatik beherrschst, mit allen formen, auch wenn diese formen sich in deinem dialekt anders anhoeren.

das ist in dem, was ich geschrieben habe, voellig anders. auch wenn von den lauten her das von mir dargestellte kiezdeutsch dem hochdeutschen vielleicht sogar naeher sein mag als dein dialekt, so ist doch dem kiezdeutschen die grammatik weitgehend abhanden gekommen.

ich finde es naheliegend, anzunehmen, dass dies urspruenglich einfach durch unvermoegen der sprecher (die wohl oft nicht deutsche muttersprache hatten) entstanden ist.
Du meinst nicht Grammatik, du meinst Morphologie.
Grammatik ist eine Reihe von Regeln, wie eine Sprache Bedeutungsbeziehungen einzelner Wörter darstellt. Morphologie (also Vor- und Nachsilben) ist eine Möglichkeit davon, es gibt aber auch andere wie etwa Wortstellung (Beispielsweise fest normierte Wortreihenfolge Subjekt-Prädikat-Objekt wie im Englischen) oder Partikel (von, nach, zu, aus, in, um, über, unter usw. usf.). Ich kenne Kiezdeutsch nicht, aber was ich bisher an Beispielen gesehen habe lässt auf eine weitgehend vollständige, wenn auch vom Hochdeutschen abweichende, Grammatik schließen.

Genus ist im Deutschen mehr ein relativ nutzloses (und seit der Genderdebatte sogar zunehmend störendes) Ornament ohne echte Funktion, das würde ich nicht vermissen wenn es verschwände.
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Lisa
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Anmeldungsdatum: 23.04.2011
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Wohnort: katholisches Kaff

Beitrag(#1741480) Verfasst am: 30.03.2012, 16:57    Titel: Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
tridi hat folgendes geschrieben:

regelhaft ja, aber formenarm, oder?


Ja, und? Wo ist das Problem?

dichten könnte evtl. schwierig werden, wenn man nicht mehr mit Grammatik spielen kann, aber ansonsten sehe ich auch kein Problem.
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Warnung: der Beitrag kann aus Gründen der Leserlichkeit generisches Maskulinum enthalten.
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Shadaik
evolviert



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Beiträge: 26377
Wohnort: MG

Beitrag(#1741481) Verfasst am: 30.03.2012, 16:57    Titel: Antworten mit Zitat

tridi hat folgendes geschrieben:
Kramer hat folgendes geschrieben:
tridi hat folgendes geschrieben:
die erfahrung mir anderen sprachen lehrt eher, dass das nicht so ist.


Ich weiss nicht, welche Erfahrung Du da gemacht hast. Stand der Wissenschaft ist, dass sog. Pidginsprachen - und als solche würde ich das Kiezdeutsch bezeichnen - sich zu Pidginsprachen entwickeln, also zu einer regelhaften grammatikalischen Struktur zurück finden. Stichwort: Kreolisierung.


regelhaft ja, aber formenarm, oder?

mit erfahrung meine ich zB andere germanische sprachen mit bei weitem weniger deklinations- und konjugationsformen als im deutschen (obwohl es auch da all diese formen mal gab, wie man wohl auch am urtuemlichen islaendischen wohl heute noch sieht (?) ), in den wichtigen romanischen sprachen haben sich die konjugationsformen zwar noch erhalten (bzw. nach dem lateinischen, vom vulgaerlateinischen kommend sogar neu gebildet wie die heutigen futur- und conditionalformen), die deklinationsformen sind aber weggefallen und das neutrum im maskulinum aufgegangen.

die allgemeine tendenz scheint mir doch sehr in richtung abnahme der formenvielfalt zu gehen, wobei allerdings die weggefallenen deklinations- und konjugationsuffixe durch personalpronomen und praepositionen ersetzt werden (zB de und a fuer genitiv und dativ in romanischen sprachen).

im griechischen (und, soweit mir bekannt, im russischen) ist allerdings noch mehr erhalten geblieben. der dativ wird aber im modernen griechisch auch mit hilfe einer praeposition dargestellt.
Ja, das ist dermaßen häufig, dass viele vermuten, es handelt sich um eine Grundregel in der Evolution von Sprachen. Irgendwann kommt dann eine Phase in der alles von Präpositionen und Partikeln dargestellt wird. Und dann beginnen diese Wörter plötzlich zu bloßen Anhängseln zu reduzieren und an die von ihnen modifizierten Wörter anzudocken - es entsteht ein neues Casussystem. Das anschließend erneut reduziert wird.
Grammatik scheint sich in einem andauernden Prozess der Vereinfachung zu befinden, wobei diese Vereinfachung wieder neue Komplexitäten hervorbringt, die dann auch wieder der Vereinfachung zum Opfer fallen, was wieder neue Komplexitäten hervorbringt, die...

Das Russische hat übrigens in den letzten 300 Jahren auch einen kompletten Casus, den Vokativ, verloren, der nur noch in Bojhe (Gott!, Vokativ von "bog") als Relikt erhalten geblieben ist.
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tridi
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Anmeldungsdatum: 21.06.2007
Beiträge: 7933

Beitrag(#1741482) Verfasst am: 30.03.2012, 16:57    Titel: Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
tridi hat folgendes geschrieben:

regelhaft ja, aber formenarm, oder?


Ja, und? Wo ist das Problem?


wie schon an lisa geschrieben: ja, es geht auch ohne. gut finde ich es trotzdem nicht, wenn das deutsche denselben weg geht.

die verschwundenen formen "urlauben" jedenfalls nicht. was weg ist, ist weg.
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Witz- und Kobold
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Beitrag(#1741489) Verfasst am: 30.03.2012, 17:11    Titel: Antworten mit Zitat

tridi hat folgendes geschrieben:
die verschwundenen formen "urlauben" jedenfalls nicht. was weg ist, ist weg.


Aus meiner rein persönlichen Sicht kann ich aber keinen besonders großen Einfluss des Kiezdeutschen auf die allgemeine Entwicklung des Deutschen feststellen. Weder kenne ich jemanden, der so spricht, noch ist mir aufgefallen, dass sich die Sprache der Medien dieser Varietät annährt. Tatsächlich sind es meist bloß pöbelnde Jugendliche, die ich so sprechen höre. Meine Vermutung ist also doch eher, dass sich das auswächst...
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Kramer
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Beitrag(#1741494) Verfasst am: 30.03.2012, 17:19    Titel: Antworten mit Zitat

tridi hat folgendes geschrieben:
gut finde ich es trotzdem nicht, wenn das deutsche denselben weg geht.


Warum sollte es das auch? Die Entwicklung betrifft die Standardsprache doch gar nicht.
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tridi
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Anmeldungsdatum: 21.06.2007
Beiträge: 7933

Beitrag(#1741497) Verfasst am: 30.03.2012, 17:22    Titel: Antworten mit Zitat

Shadaik hat folgendes geschrieben:
Du meinst nicht Grammatik, du meinst Morphologie.

hast recht, wobei ich auch davon nur einen teil (flexion) meine, andererseits aber - was natuerlich damit zusammenhaengt - das verschwinden von faellen und geschlechtern.

Zitat:

Grammatik ist eine Reihe von Regeln, wie eine Sprache Bedeutungsbeziehungen einzelner Wörter darstellt. Morphologie (also Vor- und Nachsilben) ist eine Möglichkeit davon, es gibt aber auch andere wie etwa Wortstellung (Beispielsweise fest normierte Wortreihenfolge Subjekt-Prädikat-Objekt wie im Englischen) oder Partikel (von, nach, zu, aus, in, um, über, unter usw. usf.). Ich kenne Kiezdeutsch nicht, aber was ich bisher an Beispielen gesehen habe lässt auf eine weitgehend vollständige, wenn auch vom Hochdeutschen abweichende, Grammatik schließen.

wann ist eine grammatik schon "vollstaendig" - es fehlen jedenfalls teile der deutschen grammatik, wenn ich das richtig sehe.
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tridi
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Anmeldungsdatum: 21.06.2007
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Beitrag(#1741501) Verfasst am: 30.03.2012, 17:32    Titel: Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
tridi hat folgendes geschrieben:
gut finde ich es trotzdem nicht, wenn das deutsche denselben weg geht.

Warum sollte es das auch? Die Entwicklung betrifft die Standardsprache doch gar nicht.

derzeit noch nicht. die frage ist, welcher anteil der nachwachsenden generationen so bildungsfern aufwaechst, dass er dieses kiezdeutsch spricht (weil er schon gar nicht mehr weiss, wie es in richtigem deutsch geht).
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