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Atheismus als Staatsreligion
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Skeptiker
"I can't breathe!"



Anmeldungsdatum: 14.01.2005
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Beitrag(#1768227) Verfasst am: 20.07.2012, 10:43    Titel: Re: Atheismus als Staatsreligion Antworten mit Zitat

narziss hat folgendes geschrieben:
Wie ihr wisst, versuche ich das Argument, laut dem Atheisten die schlimmsten Massenmörder des 20. Jahrhunderts waren, zu widerlegen. Ich denke ich habe dafür ausreichend Argumente zusammengetragen.


Die *modernen* Gesellschaften zeichnen sich in ihren Massenmorden mehr und mehr dadurch aus, dass persönliche Verantwortlichkeiten immer weniger zu lokalisieren sind. Zwar stehen hier und da noch einige Frontfiguren an der Spitze staatlicher Gewaltapparate, doch eigentlich ist die Tendenz die zu einer subjektlosen Gewalt gegen die kein Tyrannenmord mehr hilft.

Die Frage, ob diese Kühlerfiguren oder der Staatsmaschinerie als solche atheistisch oder religiös sind, ist ebenfalls zunehmend irrelevant, trotz solcher Hohmanns und ähnlicher Simpel.

Man führt hier quasi eine Schattendiskussion und bewegt sich auf Nebenpfaden, wenn es um Ursachen organisierter/institutionalisierter Gewalt geht.

narziss hat folgendes geschrieben:
Über einen wichtigen Punkt habe ich dabei allerdings noch nicht nachgedacht, bzw es nur unzureichend verfolgt.

Inwiefern lässt sich sagen, dass der Atheismus in den kommunistischen Ländern Staatsreligion war?
Es geht mir hierbei auch um den offiziellen Status. Dass es keine Religionsfreiheit im Kommunismus gab, weiß ich selbst.


Atheismus und Antifaschismus waren in den so genannten "kommunistischen Ländern" teilweise administrativ verordnet, so wie ein Rezept verordnet wird. Die Grundkrankheit allerdings ist durch solche Medikamente kaum zu beseitigen.

Denn die Ursache von Religion sind bestimmte Lebensverhältnisse und - damit zusammenhängend - ein karger Boden, auf dem die Früchte der Aufklärung nicht wachsen können.

Wenn überhaupt, dann wäre die Frage: War denn Aufklärung "Staatsreligion"? Man sieht sofort die Absurdität. Denn Aufklärung - und damit als Bestandteil derselben - Atheismus kann man doch nicht verordnen. Dafür müssen erst mal die Grundlagen geschaffen werden.

Ich hatte allerdings mal einen Beitrag geschrieben über gewisse Erfolge der Zurückdrängung von Religion in der ehmaligen Sowjetunion:

http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=1371465#1371465

narziss hat folgendes geschrieben:
Die meisten islamischen Ländern haben tatsächlich auch den Islam als Staatsrreligion, bis zum Zeitalter der Aufklärung galt analoges für das Christentum, auch heute noch gibt es buddhistische Staaten.

Wenn es im Kommunismus zumindest auf dem Papier Religionsfreiheit und keinen Atheismus als Staatsreligion gab, dann ist das in meinen Augen ein deutliches Indiz gegen die angebliche Intoleranz des Atheismus.


Sicher sind aufgeklärte Menschen auch tolerant gegen die Religion, weil sie wissen, was das ist und woher das kommt.

Wer das Bedürfnis hat, regelmäßig seine religiöse Notdurft zu verrichten, soll das doch tun. Aber bitte nicht in der Öffentlichkeit ...-! zynisches Grinsen
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44755

Beitrag(#1768234) Verfasst am: 20.07.2012, 11:07    Titel: Re: Atheismus als Staatsreligion Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Atheismus und Antifaschismus waren in den so genannten "kommunistischen Ländern" teilweise administrativ verordnet, so wie ein Rezept verordnet wird. Die Grundkrankheit allerdings ist durch solche Medikamente kaum zu beseitigen.

Mal abgesehen davon, dass das Ausstellen eines Rezepts nicht garantiert, dass dieses Rezept auch tatsächlich eingelöst wird, und der Erhalt eines Medikaments auch noch nicht das selbe ist wie die Einnahme.
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"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustand, in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Skeptiker
"I can't breathe!"



Anmeldungsdatum: 14.01.2005
Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#1768341) Verfasst am: 20.07.2012, 18:37    Titel: Re: Atheismus als Staatsreligion Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Atheismus und Antifaschismus waren in den so genannten "kommunistischen Ländern" teilweise administrativ verordnet, so wie ein Rezept verordnet wird. Die Grundkrankheit allerdings ist durch solche Medikamente kaum zu beseitigen.

Mal abgesehen davon, dass das Ausstellen eines Rezepts nicht garantiert, dass dieses Rezept auch tatsächlich eingelöst wird, und der Erhalt eines Medikaments auch noch nicht das selbe ist wie die Einnahme.


Das Problem mit der compliance des Patienten kennt jeder Arzt, wie wahr. Smilie
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Desperadox
Nischenprodukt



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Beiträge: 2246
Wohnort: Hamburg

Beitrag(#1768388) Verfasst am: 20.07.2012, 21:43    Titel: Re: Atheismus als Staatsreligion Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:

Wer das Bedürfnis hat, regelmäßig seine religiöse Notdurft zu verrichten, soll das doch tun. Aber bitte nicht in der Öffentlichkeit ...-! zynisches Grinsen

Daumen hoch!
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SUUM CUIQUE
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tillich (epigonal)
hat Spaß



Anmeldungsdatum: 12.04.2006
Beiträge: 22332

Beitrag(#1768403) Verfasst am: 20.07.2012, 22:33    Titel: Re: Atheismus als Staatsreligion Antworten mit Zitat

Kramer hat folgendes geschrieben:
Das würde aber voraussetzen, dass alle Atheisten einen geistesgeschichtlichen Hintergrund haben und die Religion ablehnen. Solche Atheisten findest Du hier, aber den meisten ist Religion schlichtweg egal, viel zu egal, um sie abzulehnen.

fwo hat folgendes geschrieben:
Das ist der Niedergang der Religionen, wenn die Leute erkannt haben, dass die die ganze Aufregung, die sie selbst oder ihre Gegner um sie machen, nicht wert sind. Ich hoffe, dass ich meine Kinder genau da hin bekomme. Gott ist einfach unwichtig und total nich' in.

Nun, natürlich redete ich nur von Leuten, die willens und in der Lage sind, die eigene Position und ihren geistesgeschichtlichen Hintergrund (den gibt es immer, ob man ihn nun kennt oder nicht) kritisch zu reflektieren. Dass man diese Fähigkeit auch für gar nicht wünschenswert halten kann, hatte ich in der Tat nicht bedacht.

Auch wenn der Wunsch, dass die eigene Position so verbreitet sei, dass gar kein Anlass mehr besteht, sie zu hinterfragen, natürlich recht verbreitet ist, gerade auch in den Religionen. Besonders aufgeklärt ist dieser Wunsch nach Nicht-Hinterfragbarkeit aber nicht.

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Du versuchst krampfhaft nachzuweisen, daß "der" Atheismus die Quelle all der Weltanschauungen und Ideologien ist, die atheistische Vorstellungen enthalten, und das ist schlicht Unfug.

Natürlich ist das Unfug; ich habe aber auch nichts dergleichen behauptet. Ich habe nur behauptet, a) dass die verschiedenen atheistischen Weltanschauungen in Bezug auf ihren Atheismus in einem geistesgeschichtlichen Zusammenhang stehen; und b) dass, wenn eine atheistische weltanschauliche Strömung sich in Bezug auf Religion intolerant verhält, das natürlich auch etwas mit ihrem Atheismus zu tun hat.
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"YOU HAVE TO START OUT LEARNING TO BELIEVE THE LITTLE LIES." -- "So we can believe the big ones?" -- "YES."

(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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Misterfritz
mini - mal



Anmeldungsdatum: 09.03.2006
Beiträge: 21867
Wohnort: badisch sibirien

Beitrag(#1768431) Verfasst am: 20.07.2012, 23:56    Titel: Re: Atheismus als Staatsreligion Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Kramer hat folgendes geschrieben:
Das würde aber voraussetzen, dass alle Atheisten einen geistesgeschichtlichen Hintergrund haben und die Religion ablehnen. Solche Atheisten findest Du hier, aber den meisten ist Religion schlichtweg egal, viel zu egal, um sie abzulehnen.

fwo hat folgendes geschrieben:
Das ist der Niedergang der Religionen, wenn die Leute erkannt haben, dass die die ganze Aufregung, die sie selbst oder ihre Gegner um sie machen, nicht wert sind. Ich hoffe, dass ich meine Kinder genau da hin bekomme. Gott ist einfach unwichtig und total nich' in.

Nun, natürlich redete ich nur von Leuten, die willens und in der Lage sind, die eigene Position und ihren geistesgeschichtlichen Hintergrund (den gibt es immer, ob man ihn nun kennt oder nicht) kritisch zu reflektieren. Dass man diese Fähigkeit auch für gar nicht wünschenswert halten kann, hatte ich in der Tat nicht bedacht.

Auch wenn der Wunsch, dass die eigene Position so verbreitet sei, dass gar kein Anlass mehr besteht, sie zu hinterfragen, natürlich recht verbreitet ist, gerade auch in den Religionen. Besonders aufgeklärt ist dieser Wunsch nach Nicht-Hinterfragbarkeit aber nicht.

wozu muss denn ein wunsch des nicht hinterfragens da sein?
einfach die abwesenheit des glaubens reicht doch schon, um atheist zu sein. vielleicht hat man als christ, der dauernd in einem atheisten-forum liest und schreibt, mehr gründe, seinen glauben zu hinterfragen, als der 08/15 atheist, der es einfach ist, ohne dauernd darüber nachzugrübeln. zu denen gehöre ich nämlich auch, nie mit glauben konfrontiert (und ich habe schon im kindergarten die bibel-märchen gehört und später im religionsunterricht den kram auch wieder), aber ich bin von zu hause aus nie mit religion in berührung gekommen, also war das andere für mich wurscht, halt olle stories - und langweilig Lachen
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I'm tapping in the dusternis
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Myron
Mereoplethyntikologe



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3637

Beitrag(#1768435) Verfasst am: 21.07.2012, 00:45    Titel: Re: Atheismus als Staatsreligion Antworten mit Zitat

Fake hat folgendes geschrieben:

Um es mit Michael Schmidt-Salomon zu sagen: "Wir müssen falsche Ideen sterben lassen, bevor Menschen für falsche Ideen sterben müssen."


"Wir können also eine schlecht passende Theorie loswerden, bevor uns die Übernahme einer Theorie überlebensunfähig macht: indem wir unsere Theorien kritisieren, können wir statt uns selbst unsere Theorien sterben lassen. Das ist natürlich äußerst wichtig."

(Popper, Karl. "Evolutionäre Erkenntnistheorie." 1973. In Karl Popper Lesebuch, hrsg. v. David Miller, 2. Aufl., 60-69. Tübingen: Mohr Siebeck (UTB), 1997. S. 65)
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Myron
Mereoplethyntikologe



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3637

Beitrag(#1768436) Verfasst am: 21.07.2012, 00:47    Titel: Re: Atheismus als Staatsreligion Antworten mit Zitat

Flat hat folgendes geschrieben:

mal abgesehen von der Schwierigkeit, die ich mit dem Begriff Staatsreligion in Hinblick auf den Atheismus habe.


Dann verwende den Begriff Staatsideologie.
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immanuela
total südlich



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Beitrag(#1768438) Verfasst am: 21.07.2012, 01:12    Titel: Antworten mit Zitat

Fake hat folgendes geschrieben:
narziss hat folgendes geschrieben:
Albanien hat Atheismus zur Staatsreligion erklärt, damit ist Atheismus nunmal eine Staatsreligion - egal wie unsinnig Atheismus als Religion auch sein mag.

Atheismus ist genauso wenig eine Religion wie Gesundheit eine Krankheit ist.


So ist es.

Myron hat folgendes geschrieben:
Flat hat folgendes geschrieben:

mal abgesehen von der Schwierigkeit, die ich mit dem Begriff Staatsreligion in Hinblick auf den Atheismus habe.


Dann verwende den Begriff Staatsideologie.


Atheismus ist keine Ideologie für sich .

Atheismus steht nur für die Ablehnung von götterbasierten Ideologien.
Dadurch ist er nicht automatisch eine bestimmte eigene Ideologie.

Eine nicht religiöse Ideologie kann Atheismus in der Form beinhalten, dass sie keine Vorstellungen von existierenden Götter enthält.
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Felix, qui potuit rerum cognoscere causas...
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Sermon
panta rhei



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Beitrag(#1768439) Verfasst am: 21.07.2012, 01:24    Titel: Re: Atheismus als Staatsreligion Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Doch, ich denke schon, dass die kommunistischen Atheisten deswegen gegenüber den Religionen intolerant waren, weil der Atheismus zur Staatsideologie dazugehörte,


Freidenkerei war in D historisch Dissidenz. 1933 wurden die Freidenkerverbaende zerschlagen.

In der DDR waren die Freidenkerverbaende erneut verboten. Die "Kirche im Sozialismus" - ein gerne von der EKD verdraengtes Kapitel - wurde hingegen gefoerdert. Eine Diktatur ist an freiem Denken nicht interessiert. Ueber die heimliche Finanzierung der westdeutschen DKP aus der DDR wurde hingegen der westdeutsche DKP-nahe Freidenkerverband (DFV) gefoerdert, der sich - bis heute - weniger als religionskritische Organisation, denn als antikapitalistische, antiamerikanische, antimilitaristische, usw. versteht.

Erst 1989 versuchte die Stasi durch Neugruendung eines "Freidenkerverbandes der DDR" gesellschaftliche Unzufriedenkeit aufzufangen bzw. der sich in einigen systemoppositionellen Kirchengemeinden sammelnden Dissidenz etwas entgegen zu setzen.

Dieser - von bestimmten Kraeften seinerzeit geleugnete - Stasi-Zusammenhang, hatte massive Verwerfungen hinsichtlich der anstehenden Vereinigungsprozesse in der saekularen Szene in D nach 1990 zur Folge - mit Auswirkungen bis heute.
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"Der Typ hat halt so seine Marotten" (Sermon über Sermon) Der Typ hat so seine Macken
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Myron
Mereoplethyntikologe



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Beitrag(#1768440) Verfasst am: 21.07.2012, 01:34    Titel: Antworten mit Zitat

Selbstverständlich kann ein politisierter und radikalisierter Antitheismus oder Antireligionismus zur Unterdrückung und Verfolgung religiöser Gruppen führen, wenn er davon ausgeht, dass die theistische Weltanschauung nicht nur falsch, sondern auch verwerflich und schädlich ist, sodass es geboten ist, ihre Anhänger und deren Organisationen politisch-rechtlich zu bekämpfen.
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Myron
Mereoplethyntikologe



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3637

Beitrag(#1768442) Verfasst am: 21.07.2012, 01:42    Titel: Re: Atheismus als Staatsreligion Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:

So wie es ganz unterschiedliche Atheisten und Atheismen gibt, gibt es darunter tolerante und intolerante. Die kommunistischen waren sicherlich intolerant, aber nicht weil sie atheistisch waren, sondern weil sie kommunistisch waren.


Ist der A(nti)theismus nicht Teil des Kommunismus?
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fwo
Caterpillar D9



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Beitrag(#1768444) Verfasst am: 21.07.2012, 01:51    Titel: Re: Atheismus als Staatsreligion Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Kramer hat folgendes geschrieben:
Das würde aber voraussetzen, dass alle Atheisten einen geistesgeschichtlichen Hintergrund haben und die Religion ablehnen. Solche Atheisten findest Du hier, aber den meisten ist Religion schlichtweg egal, viel zu egal, um sie abzulehnen.

fwo hat folgendes geschrieben:
Das ist der Niedergang der Religionen, wenn die Leute erkannt haben, dass die die ganze Aufregung, die sie selbst oder ihre Gegner um sie machen, nicht wert sind. Ich hoffe, dass ich meine Kinder genau da hin bekomme. Gott ist einfach unwichtig und total nich' in.

Nun, natürlich redete ich nur von Leuten, die willens und in der Lage sind, die eigene Position und ihren geistesgeschichtlichen Hintergrund (den gibt es immer, ob man ihn nun kennt oder nicht) kritisch zu reflektieren. Dass man diese Fähigkeit auch für gar nicht wünschenswert halten kann, hatte ich in der Tat nicht bedacht.....

Das ist eine Fehlinterpretation. Ich sprach von Aufregung, also von einer gefühlsmäßigen Bindung bzw. von ihrer Abwesenheit. Dass mir Gott egal ist, hat weder etwas damit zu tun, dass ich in der Geistesgeschichte nicht zu Hause bin, noch dass ich diesen Zustand für meine Kinder anstrebe. Nur die Diskussion um Gott finde ich inzwischen unsäglich langweilig, sie interessiert mich einfach nicht mehr, weshalb ich inzwischen auch den Zeugen Jehovas, die noch regelmäßig bei mir klingeln, nur noch sage, sie sollen jemand anders langweilen, weil ihr Produkt nicht mehr marktfähig sei.

Ich lasse meine Kinder ja auch in den Religionsunterricht gehen und sie nehmen das bereits als Märchenstunde wahr. Aber die Schulen bei uns wissen heute auch, dass der Religionsunterricht nicht mehr zu sehr in Religionslernen ausarten darf, weil sonst zu viele Eltern ihre Kinder abmelden würden und dann gäbe es ein Problem mit dem Ersatzunterricht. zwinkern
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Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

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Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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fwo
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Anmeldungsdatum: 05.02.2008
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Beitrag(#1768445) Verfasst am: 21.07.2012, 02:03    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Selbstverständlich kann ein politisierter und radikalisierter Antitheismus oder Antireligionismus zur Unterdrückung und Verfolgung religiöser Gruppen führen, wenn er davon ausgeht, dass die theistische Weltanschauung nicht nur falsch, sondern auch verwerflich und schädlich ist, sodass es geboten ist, ihre Anhänger und deren Organisationen politisch-rechtlich zu bekämpfen.


Wenn dieser "Antitsollte man das umformulieren:heismus oder Antireligionismus" Teil einer neuen Staatsreligion ist, wie es der Kommunismus war, kann das so passieren.

Bei einem Atheismus, der sich als Teil eines Humanismus versteht, sollte man das umformulieren:

Der Atheismus kann und muss zur Gegnerschaft religiöser Gruppen führen und dementsprechend ihre Anhänger und deren Organisationen politisch-rechtlich zu bekämpfen, wenn diese die allgemeinen Menschenrechte nicht anerkennen.

fwo
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Murphy
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Anmeldungsdatum: 29.04.2011
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Beitrag(#1768479) Verfasst am: 21.07.2012, 11:05    Titel: Antworten mit Zitat

'Ich glaube nicht an Gott' ist mir schon fast zu schwach und von meinem Sprachverständnis impliziert die Aussage beinahe, dass es einen Gott gibt. Hört sich zumindest ein bisschen so an wie 'Da ist ein Gott, Es gibt Gott, aber ich glaube nicht an ihn'.
Atheist ist doch, wer die Aussage trifft "Es gibt keinen Gott" und diese als wahr akzeptiert. Ich meine, dass es keinen Gott gibt ist doch völlig unstrittig (für Atheisten), unabhängig davon was sie glauben oder nicht glauben.
Daraus lässt sich auch nichts ableiten, ebensowenig wie aus der Nichtexistenz des perpetuum mobile und ich werd einen Teufel tun irgendwelche Verbrechen als vom Atheismus motiviert anzuerkennen. Es gibt auch keine atheistische Propaganda, bzw. erschöpft sie sich in dem Satz "Es ist kein Gott", alles was darüber hinausgeht hat ganz zwingend noch irgendeine andere Motivation als Triebfeder, denn von Natur aus motiviert diese Aussage zu rein gar nichts, es ist eine Nullaussage solange nicht jemand etwas anderes behauptet und dann ist es ja an ihm Beweise dafür zu erbringen.
Daher lehne ich es auch ab Verbrechen wie etwa die in kommunistischen Ländern mit dem Etikett 'atheistisch' zu kennzeichnen, weil die ausschlaggebende Motivation dafür eben eine andere war, auch wenn dies nicht auf den ersten Blick sichtbar ist. Rache für Jahrhunderte der Repression, Besserungsabsichten, auch Neid und sicher das allzumenschliche Bestreben Macht auszuüben, darin sehe ich Motive, Atheismus selbst ist keines. Atheismus ist wie eine Tautologie, ein Stück sichtbar gemachtes Nichts, unangreifbar, das wissen die Religiösen und darum stößt man hier regelmäßig auf ohre Tauben.

Vielleicht sollte man sich wirklich davon lösen 'Glaubst du an Gott?' und übergehen zu 'Gibt es Gott?' Geht doch keinen was an was einer so glaubt.
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#1768480) Verfasst am: 21.07.2012, 11:08    Titel: Re: Atheismus als Staatsreligion Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:

So wie es ganz unterschiedliche Atheisten und Atheismen gibt, gibt es darunter tolerante und intolerante. Die kommunistischen waren sicherlich intolerant, aber nicht weil sie atheistisch waren, sondern weil sie kommunistisch waren.


Ist der A(nti)theismus nicht Teil des Kommunismus?

Ich weiß nicht einmal, ob das zwingend ist. Für den Sozialismus gilt es jedenfalls nicht.
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"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

Friedrich Nietzsche
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#1768482) Verfasst am: 21.07.2012, 11:12    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Selbstverständlich kann ein politisierter und radikalisierter Antitheismus oder Antireligionismus zur Unterdrückung und Verfolgung religiöser Gruppen führen, wenn er davon ausgeht, dass die theistische Weltanschauung nicht nur falsch, sondern auch verwerflich und schädlich ist, sodass es geboten ist, ihre Anhänger und deren Organisationen politisch-rechtlich zu bekämpfen.

Ja, aber wie kommst du als bloßer Atheist zu der Vorstellung, theistische Weltanschauungen seien "schädlich"? Dazu brauchtst du mehr als nur Atheismus. Dazu brauchst du eine politisches Programm, und das bietet der Atheismus nun mal nicht. Als Atheist schreibst du höchstens böse Bücher gegen die Kirchen (wie Deschner zB).
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es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

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Anmeldungsdatum: 29.04.2011
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Beitrag(#1768484) Verfasst am: 21.07.2012, 11:20    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Selbstverständlich kann ein politisierter und radikalisierter Antitheismus oder Antireligionismus zur Unterdrückung und Verfolgung religiöser Gruppen führen, wenn er davon ausgeht, dass die theistische Weltanschauung nicht nur falsch, sondern auch verwerflich und schädlich ist, sodass es geboten ist, ihre Anhänger und deren Organisationen politisch-rechtlich zu bekämpfen.

Ja, aber wie kommst du als bloßer Atheist zu der Vorstellung, theistische Weltanschauungen seien "schädlich"? Dazu brauchtst du mehr als nur Atheismus. Dazu brauchst du eine politisches Programm, und das bietet der Atheismus nun mal nicht. Als Atheist schreibst du höchstens böse Bücher gegen die Kirchen (wie Deschner zB).

Nichtmal das. Bzw. es hat mit dem Atheismus nichts zu tun, es ist antiklerikal oder dein Privatvergnügen, aber wenn du behauptest du tust das, weil du Atheist bist, dann unterschlägst du den wahren Grund.
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Beitrag(#1768492) Verfasst am: 21.07.2012, 11:49    Titel: Re: Atheismus als Staatsreligion Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:

So wie es ganz unterschiedliche Atheisten und Atheismen gibt, gibt es darunter tolerante und intolerante. Die kommunistischen waren sicherlich intolerant, aber nicht weil sie atheistisch waren, sondern weil sie kommunistisch waren.


Ist der A(nti)theismus nicht Teil des Kommunismus?

Ich weiß nicht einmal, ob das zwingend ist. Für den Sozialismus gilt es jedenfalls nicht.


Einschlägig bekannte kommunistische Autoren waren und sind der Ansicht, dass das Ziel solche gesellschaftlichen Lebensbedingungen sein müssen, in denen der Mensch dem Menschen das höchste Wesen ist und nicht irgend eine höhere Existenz oder Exzellenz.

Zweitens geht es darum, der Übergriffigkeit der Religion in weltliche Angelegenheiten einen Riegel vorzuschieben. Es geht nicht darum, der Religion ihre *Kompetenz* für *überweltliche* Angelegenheiten zu bestreiten. Sie soll sich nur aus weltlichen Dingen heraus halten.

Drittens ist die Verklärungsfunktion weltlicher Missstände durch Religonen (und andere Drogen) vielfach angesprochen worden und im Zusammenhang damit der lähmende Affekt und eine gewisse Schicksalsgläubigkeit.

---

Letzten Endes verfolgt ja die kommunistische Bewegung das Ziel, die Welt durch den Menschen menschlicher zu machen, was mit den übergriffigen, lähmenden und ablenkenden Intentionen von Religion nicht vereinbar ist.

Oder anders gesagt: Es handelt sich nicht darum, dass bestimmte Kommunisten die Religion geschmacklos finden, sondern dass kommunistische Bewegung und religiöses Verharren sich streng logisch und automatisch ausschließen, ohne dass dies noch irgend jemand extra entscheiden müsste.

Ergänzung: Das, was für den Kommunismus als Bewegung gilt, gilt natürlich auch für jede soziale und demokratische Bewegung allgemein - wobei ich denke, dass der Kommunismus durchaus eine solche allgemeine Bewegung ist und keineswegs etwas so spezielles, wie man landläufig teilweise meint ...-
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Beitrag(#1768512) Verfasst am: 21.07.2012, 13:39    Titel: Antworten mit Zitat

Sargnagel hat folgendes geschrieben:
'Ich glaube nicht an Gott' ist mir schon fast zu schwach und von meinem Sprachverständnis impliziert die Aussage beinahe, dass es einen Gott gibt. Hört sich zumindest ein bisschen so an wie 'Da ist ein Gott, Es gibt Gott, aber ich glaube nicht an ihn'.

Ja, "Glaube" ist eine Erwartungshaltung, ist Überzeugtsein von Existenz _plus_ davon etwas erwarten. Wer nur von einer Existenz überzeugt ist, aber davon nichts erwartet, der "glaubt" auch nicht.
Das ist wie überzeugt sein von der Existenz des Bäckers in der Birkenstrasse 18, ohne von diesem Bäcker Brot/Gebäck zu erwarten, aber genau dieses Produkt macht ihn erst zum Bäcker - genauso ein "Gott", ohne das etwas angeboten wird(was einen zum Gott macht) ist da auch kein "Gott".
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
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Beitrag(#1768514) Verfasst am: 21.07.2012, 13:49    Titel: Re: Atheismus als Staatsreligion Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
"Wir können also eine schlecht passende Theorie loswerden, bevor uns die Übernahme einer Theorie überlebensunfähig macht: indem wir unsere Theorien kritisieren, können wir statt uns selbst unsere Theorien sterben lassen. Das ist natürlich äußerst wichtig."

(Popper, Karl. "Evolutionäre Erkenntnistheorie." 1973. In Karl Popper Lesebuch, hrsg. v. David Miller, 2. Aufl., 60-69. Tübingen: Mohr Siebeck (UTB), 1997. S. 65)


Dass Michael Schmidt-Salomon das meiste von anderen Leuten klaut, wissen wir alle. Ich sag's aber gerne nochmal: Ideen haben die dumme Angewohnheit, nach ihrem vorzeitigen Ableben als Gespenster wiederzukommen.
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
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Beitrag(#1768516) Verfasst am: 21.07.2012, 13:54    Titel: Re: Atheismus als Staatsreligion Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Einschlägig bekannte kommunistische Autoren waren und sind der Ansicht, dass das Ziel solche gesellschaftlichen Lebensbedingungen sein müssen, in denen der Mensch dem Menschen das höchste Wesen ist und nicht irgend eine höhere Existenz oder Exzellenz.

Ich glaube nicht, dass der Kommunismus ein "höchstes Wesen" braucht, und darum ging's m.E. auch in Marx' Humanismus nicht. Der "Mensch als höchstes Wesen" bzw. die Vergöttlichung des Menschen kommt mir vor wie schon mit halbem Fuß in der Komplizenschaft mit Bourgeoisie und Kapital, oder in biopolitischen Irrationalismen wie Nietzsches "Übermensch". Ich würde sagen, Kommunismus ist weniger die Sakralisierung des Menschen, sondern vor allem die Profanierung des Heiligen selbst.
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Skeptiker
"I can't breathe!"



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Beitrag(#1768526) Verfasst am: 21.07.2012, 15:59    Titel: Re: Atheismus als Staatsreligion Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Einschlägig bekannte kommunistische Autoren waren und sind der Ansicht, dass das Ziel solche gesellschaftlichen Lebensbedingungen sein müssen, in denen der Mensch dem Menschen das höchste Wesen ist und nicht irgend eine höhere Existenz oder Exzellenz.

Ich glaube nicht, dass der Kommunismus ein "höchstes Wesen" braucht, und darum ging's m.E. auch in Marx' Humanismus nicht.


Der Mensch als höchstes Wesen war Marx' Antwort auf den dialektischen Idealismus Hegels, der mit seinem Weltgeist immer noch die Religion durch die Hintertür einführte:

Zitat:
Der deutsche Idealismus wurde am ausgiebigsten von Hegel formuliert, der in diesem Streben den Weltgeist an und für sich als den Begriff des Menschen versteht, der aus seiner Setzung als Idee im absoluten Geist zu sich kommt. Die Setzung selbst kann subjektiv allerding nur ein anderes Wesen machen, auch wenn es im Nachhinein aus der Wirklichkeit erst erschlossen ist: Gott. Gott aber wird bei Hegel nicht als anderes Wesen ausgeführt; er ist durch sich selbst menschlich. Das macht seinen Begriff vom Menschen widersinnig: Er sei selbstbewusst und doch gottgewollt. Dies hat Marx in seiner Kritik an Hegel herausgearbeitet und zur Kritik von Religion überhaupt gemacht. Diese sei erst überwunden, wenn "der Mensch als höchstes Wesen für den Menschen" gilt und nur in seiner Wirklichkeit zu bestätigen ist, die er geäußert hat (siehe Reichtum und Arbeit), weil er nur darin seine Wahrheit haben kann.

http://kulturkritik.net/begriffe/begr_txt.php?lex=idealismus


- so das Lexikon auf kulturkritik.net.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Der "Mensch als höchstes Wesen" bzw. die Vergöttlichung des Menschen kommt mir vor wie schon mit halbem Fuß in der Komplizenschaft mit Bourgeoisie und Kapital, oder in biopolitischen Irrationalismen wie Nietzsches "Übermensch". Ich würde sagen, Kommunismus ist weniger die Sakralisierung des Menschen, sondern vor allem die Profanierung des Heiligen selbst.


Für Nietzsche mit seinem Aristokratismus ging es darum, eine Gesellschaft zu errichten, wo *höhere Menschen* über *niedere Menschen* herrschen.

Marx schreibt dagegen genau umgekehrt:

Zitat:
"Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist."

http://www.mlwerke.de/me/me01/me01_378.htm

"wenn ich Gott absetze, setze ich auch den König von Gottes Gnaden ab."

http://www.mlwerke.de/me/me08/me08_414.htm


Außerdem schreibt Nietzsche ja ganz klar, dass für ihn lediglich der "moralische Gott" tot sei, nicht "Gott" selbst. Nietzsche hat sich nie wirklich von "Gott" und Religion gelöst und schon gar nicht von Bourgosie und Kapital. Nietzsche plädiert eindeutig für ein Reset der Sklavengesellschaft früherer Zeiten.

Ganz anders ist es bei Marx dagegen so, dass die Organisation der Ökonomie sich danach zu richten habe, was der Mensch (- und seine Umwelt! -) brauchen und nicht umgekehrt. Also der Mensch wird sich damit zum Selbstzweck und hört auf, Mittel für andere, *höhere* Zwecke sein. Das übrigens fällt bei Marx auch mit dem Ende der Religionskritik zusammen, weil dann die Religion selbst jede Grundlage verliert.

Der Mensch wird dann auch nicht vergöttlicht, sondern durch Überwindung der Entfremdung erst vermenschlicht, humanisiert.
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step
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Beitrag(#1768532) Verfasst am: 21.07.2012, 16:28    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker, Du scheinst kein guter Nietzsche-Kenner zu sein. Der war nämlich ein großer Kritiker der bürgerlichen Moral, und eigentlich so eine Art Wegbereiter für heutige metaethische Ansätze. Natürlich ist Nietzsche weder bei Christens noch bei Sozialistens besonders beliebt, letzteres u.a., weil er aufzeigte, daß auch der Sozialismus christliche und missgünstig-moralische Elemente beinhaltet, und daß auch der Sozialismus sich nicht von einer absoluten Moral zu lösen in der Lage ist.

Nietzsches "Übermensch" ist sicher nicht so gemeint, daß da jemand über Andere herrscht, sondern eher so wie bei Kant der Ausgang eines Individuums "aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit" - also zu beginnen, selbst zu denken, anstatt einer Lehre zu folgen (auch der sozialistischen).

Und genau darin sehe ich die Hauptleistung Nietzsches, egal was man sonst von seiner etwas "wirren" und völlig unsystematischen Philosophie hält,
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Skeptiker
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Beitrag(#1768538) Verfasst am: 21.07.2012, 17:22    Titel: Metaethik und Abschaffung moralischer Skrupel Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker, Du scheinst kein guter Nietzsche-Kenner zu sein. Der war nämlich ein großer Kritiker der bürgerlichen Moral, und eigentlich so eine Art Wegbereiter für heutige metaethische Ansätze. Natürlich ist Nietzsche weder bei Christens noch bei Sozialistens besonders beliebt, letzteres u.a., weil er aufzeigte, daß auch der Sozialismus christliche und missgünstig-moralische Elemente beinhaltet, und daß auch der Sozialismus sich nicht von einer absoluten Moral zu lösen in der Lage ist.

Nietzsches "Übermensch" ist sicher nicht so gemeint, daß da jemand über Andere herrscht, sondern eher so wie bei Kant der Ausgang eines Individuums "aus der selbstverschuldeten Unmündigkeit" - also zu beginnen, selbst zu denken, anstatt einer Lehre zu folgen (auch der sozialistischen).

Und genau darin sehe ich die Hauptleistung Nietzsches, egal was man sonst von seiner etwas "wirren" und völlig unsystematischen Philosophie hält,


Nietzsche ein großer Kritiker der bürgerlichen Moral? Weiß nicht, was du meinst.

Metaethik: ja, das sieht ihm ähnlich. Spricht aber auch nicht für ihn. Ein ähnlicher Werterelativismus findet sich auch bei Scheler u.a.

Absolute Moral bei Sozialisten: ist mir nicht bekannt, ehrlich nicht.

Es gibt Autoren, die der Meinung sind, dass Nietzsches Werk ein einziges Werk gegen den Sozialismus und nicht gegen das Christentum gewesen sei. Das sehe ich auch so, nach dem, was ich von ihm weiß.

Ich finde, deine Einschätzung von Nietzsche als Aufklärer in der Nähe zu Kant ist nachweisbar ein Missverständnis. Das, worum es Nietzsche ging, war meiner Ansicht nach vor allem eines: die Beseitigung moralischer Skrupel bei der Verfolgung einer extrem brutalen Politik sowohl nach innen als auch nach außen. Seine Züchtungsfantasien sind keine Metaphern und sein Gedicht in Zarathustra vom Kriege ist ein offenes Bekenntnis zu Kolonialismus, Imperialismus und Raubkriegen.

Hier ein früherer Beitrag von mir zu diesem Thema:

http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=394864#394864

edit: http://trend.infopartisan.net/trd1100/t081100.html
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step
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Beitrag(#1768539) Verfasst am: 21.07.2012, 17:38    Titel: Re: Metaethik und Abschaffung moralischer Skrupel Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Metaethik: ja, das sieht ihm ähnlich. Spricht aber auch nicht für ihn.

Klar, daß Du das so siehst.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Absolute Moral bei Sozialisten: ist mir nicht bekannt, ehrlich nicht.

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Beitrag(#1768556) Verfasst am: 21.07.2012, 18:35    Titel: Re: Metaethik und Abschaffung moralischer Skrupel Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Metaethik: ja, das sieht ihm ähnlich. Spricht aber auch nicht für ihn.

Klar, daß Du das so siehst.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Absolute Moral bei Sozialisten: ist mir nicht bekannt, ehrlich nicht.

Smilie


Es geht doch um die Qualität der Begründung von Moral & Werten und deren Vermittlung zwischen Bedürfnissen und Gesellschaft/Umwelt. Der Gegensatz absoluter vs. relativer Wert ist somit eh eine Pseudoauseinandersetzung und Ablenkung vom Inhaltlichen. Denn bestimmte Bedürfnisse bleiben so wie sie sind, andere verändern sich mit der Zeit und Moral ist davon abzuleiten.

Religiöse Moral leitet sich von "Gott" ab, ist also unhinterfragbar und unbegründet. Humanistische Moral leitet sich aus menschlichen Lebensbedürfnissen ab, ist also kontrollierbar und begründbar.

Und auf die Begründung kommt es an, weniger auf das Merkmal "absolut/fix" ja/nein. (Ähnliches gilt übrigens auch für wissenschaftliche Aussagen, wo es auch zuallererst um die Qualität ihrer Begründung gehen muss und nicht um die Frage, wie streng man an einer Aussage festhält!)

Metaethische Betrachtungen verbleiben aber auf einer irrelevanten positivistischen Beschreibungsebene. (Da könnte man evtl. einen eigenen thread draus machen, um die Schwächen und Fehler der Metaethik aufzuzeigen.)
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Beitrag(#1768794) Verfasst am: 23.07.2012, 09:47    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Selbstverständlich kann ein politisierter und radikalisierter Antitheismus oder Antireligionismus zur Unterdrückung und Verfolgung religiöser Gruppen führen, wenn er davon ausgeht, dass die theistische Weltanschauung nicht nur falsch, sondern auch verwerflich und schädlich ist, sodass es geboten ist, ihre Anhänger und deren Organisationen politisch-rechtlich zu bekämpfen.


Stimmt. Aber das macht Atheismus nicht zur "Religion". Jeder Staat verbietet Handlungen, die er für verwerflich und schädlich hält. Jeder Staat unterdrückt Stömungen, die seinen Grundsätzen widersprechen. Das ist nichts besonderes.

Man darf nicht den Fehler machen, aus einer Teilmenge Schussfolgerungen auf die Gesamtmenge zu ziehen: "Es gab in der Vergangenheit Atheisten die... , ALSO sind alle Atheisten ... ." Das ist logisch schlicht falsch. Atheisten sind eine riesengroße nicht homogene Gruppe über die man keine weitere Aussage treffen kann, als dass sie nicht an Gott glauben.
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