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Dummsprech im Grundgesetz?
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Desperadox
Nischenprodukt



Anmeldungsdatum: 18.01.2012
Beiträge: 2246
Wohnort: Hamburg

Beitrag(#1810474) Verfasst am: 25.01.2013, 16:34    Titel: Re: Dummsprech im Grundgesetz? Antworten mit Zitat

AlexJ hat folgendes geschrieben:

3. Du hasst mein vollstes Mitleid.
zwinkern
_________________
SUUM CUIQUE
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Navigator2
unbefristet gesperrt



Anmeldungsdatum: 12.06.2008
Beiträge: 2546

Beitrag(#1810517) Verfasst am: 25.01.2013, 19:15    Titel: Re: Dummsprech im Grundgesetz? Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Navigator2 hat folgendes geschrieben:
Das ist Unlogik pur und führt die Begrifflichkeit "einen höheren Stellenwert haben" ad absurdum.

Wie kommst du nur zu solchen Behauptungen?


Ist doch ganz einfach...

... wenn ein Recht einen besonderen Stellenwert hat, so ist das gleichbedeutend damit, dass dieses Recht in besonderem Maße schützenswert ist.

Wenn aber in dem Gesetz, welches dieses Recht thematisiert, bereits die Handhabe eingebaut wird, um dieses Recht wieder einzuschränken, dann kann man wohl kaum davon reden, dass dieses Recht besonders geschützt würde, denn das Gegenteil ist ja der Fall, es wird eine Handhabe eingebaut, um das Recht einzuschränken - und das ist der Gegensatz davon, dieses Recht zu schützen.

Und deshalb führt die Handhabe, ein Recht einzuschränken, die Behauptung, dieses Recht habe einen besonderen Stellenwert ad absurdum.

Was ist daran so unverständlich?

nv.
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Tarvoc
Holy shit, 4 decades already.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44755

Beitrag(#1810662) Verfasst am: 26.01.2013, 08:40    Titel: Re: Dummsprech im Grundgesetz? Antworten mit Zitat

Navigator2 hat folgendes geschrieben:
Wenn aber in dem Gesetz, welches dieses Recht thematisiert, bereits die Handhabe eingebaut wird, um dieses Recht wieder einzuschränken, dann kann man wohl kaum davon reden, dass dieses Recht besonders geschützt würde.

Doch, das kann man. Du hast nicht begriffen, dass die Festlegung der Möglichkeiten, das Recht zu beschränken, vor allem andere Möglichkeiten seiner Beschränkung ausschließt. Deshalb das Wörtchen nur in "nur auf der Grundlage eines Bundesgesetzes".
_________________
"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustand, in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Skeptiker
"I can't breathe!"



Anmeldungsdatum: 14.01.2005
Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#1810690) Verfasst am: 26.01.2013, 12:07    Titel: "Im Prinzip ja, aber ..." Antworten mit Zitat

Navigator2 hat folgendes geschrieben:
Artikel 8 Absatz 2 lautet:

(2) Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden.

Und nun möchte ich gerne wissen, worin der Unterschied besteht zwischen einer Beschränkung "durch Gesetz" und einer Beschränkung "auf Grund eines Gesetzes".

Nach meiner bescheidenen Fähigkeit, die deutsche Sprache zu verstehen, stellen beide Formulierungen den exakt gleichen Sachverhalt dar, nur halt eben etwas anders formuliert.

Wenn dem aber so ist, dann ist das in dem Gesetz eine redundante Formulierung - also genau genommen ist das dann Dummdeutsch. Nun wäre ja so ein bischen Dummdeutsch nicht schlimm bei einer mündlichen Formulierung - da verhaspelt und verkaspert sich jeder mal, aber bei einem Grundgeschwätz äh...gesetz find ich das dann aber extrem peinlich.

Aber peinlich ist der Artikel 8 bereits in seiner Gesamtheit. Da wird im Absatz 1 eine Aussage getroffen, "Alle Deutschen haben das Recht sich ohne Anmeldung/Erlaubnis ...blabla... zu versammeln.", und im Absatz 2 wird dieses Recht bereits schon wieder eingeschränkt - das ist doch Hirnriss, weil es eine "Nullaussage" ist. Das ist so ähnlich, als ob jemand sagt, "Heute ist Sonntag*, außer wenn heute kein Sonntag* ist"; 5 mal 5 ist 23*, außer wenn es nicht 23* ist - das ist megapeinlich, denn eine "Aussage" in dieser Form trifft immer zu, egal welche Zahl auch immer für 23 verwendet wird oder welcher Wochentag auch immer verwendet wird, denn eine der beiten Alternativen trifft immer zu. Dumm halt nur, dass derjenige, dem man so eine Nullaussage um die Ohren haut daraus keine Information über den Sachverhalt entnehmen kann...


Nein - das ist sogar noch schlimmer als eine Nullaussage. Eine Nullaussage wäre es, wenn beide Alternativen "erlaubt oder nicht erlaubt", "Sonntag oder nicht Sonntag" als gleichberechtigte Möglichkeiten nebeneinander stehen würden, in der Art "Vermutlich ist heute Sonntag, falls das nicht zutreffen sollte, dann ist heute kein Sonntag" - damit wären beide Möglichkeiten gleichberechtigt.

Aber statt einer Nullaussage mit gleichberechtigten Alternativen, stellt der Absatz 1 sogar eine potentielle Lüge* dar, die mit dem Absatz 2 als potentielle Lüge entlarvt wird. (* siehe Versammlungsgesetz - es ist sogar eine tatsächliche Lüge!)

Denn wenn durch ein Gesetz, wie in Absatz 2 eingeräumt wird, eine Versammlung unter freiem Himmel doch anmeldungs- oder erlaubnispflichtig ist, dann hat man mit dem Absatz 1 eine Falschaussage, also ein Lüge in die Welt gesetzt.

Also doch: Grundgeschwätz?

Warum schreibt man nicht gleich hin, dass nur Versammlungen innerhalb von Gebäuden (also "ohne freien Himmel") anmelde- und erlaubnisfrei sind, anstatt erst großartig in Absatz 1 verlogenerweise mit der generellen Anmelde- und Erlaubnisfreiheit von Versammlungen zu prahlen, um dann in Absatz 2 hinterfurzigerweise das, was in Absatz 1 ein so prahlerisch garantiert und behauptet wird wieder einzuschränken?

nv.


Na ja, bestimmte Einschränkungen von zunächst einmal vollmundig verkündeten Grundrechten im Grundgesetz sind auf vielerlei Weise möglich, nicht nur "durch Gesetz" und einer Beschränkung "auf Grund eines Gesetzes".

Das ist so ein bisschen die Methode Radio Eriwan:

Zitat:
Frage an Radio Eriwan: „Darf ein kleiner Parteifunktionär einen großen Parteifunktionär kritisieren?"

"Im Prinzip ja, aber es wäre echt schade um den kleinen Parteifunktionär.“



Frage an Radio Eriwan: „Darf man die Pilze aus Tschernobyl wieder essen?“

„Im Prinzip ja, aber Sie dürfen ihre Toilette nicht an die öffentliche Kanalisation angeschlossen haben.“



Frage an Radio Eriwan: „Gibt es in der Sowjetunion eine Pressezensur?“

„Im Prinzip nein. Es ist uns aber leider nicht möglich, auf diese Frage näher einzugehen.“



Frage an Radio Eriwan: „Ist es wahr, dass der liebe Gott Parteigenosse werden kann?“

„Im Prinzip ja, nur müßte er vorher aus der Kirche austreten.“


http://fun.wikia.com/wiki/Radio-Eriwan-Witze


Begleitend zur 68er Bewegung wurden in Deutschland am 24. Juni 1968 die Notstandsgesetze verabschiedet, welche damals breite, aber vergebliche Proteste - vorwiegend aus antiautoritären, sozialistischen und intellektuellen Kreisen - hervor gerufen haben:

Zitat:
ES GEHT SO DUNKEL UND TRICKREICH ZU
Analyse und Kritik der Notstandsgesetze

22 Wissenschaftler, Schriftsteller und Publizisten analysierten und kritisierten am 28. Mai, einen Tag vor Beginn der abschließenden Bundestagsdebatte über die Notstandsgesetze, die zum Teil erheblichen Eingriffe in das geltende Bonner Grundgesetz. Die Veranstaltung des Aktionskomitees "Demokratie im Notstand" im Sendesaal des Hessischen Rundfunks wurde durch linke Studenten gestört, die mit Buh-Rufen und rhythmischem Protest-Klatschen vor allem SPIEGEL-Herausgeber Rudolf Augstein am Reden zu hindern suchten. Als der Lärm anschwoll, drehte der Hessische Rundfunk die Fernsehkameras ab. Nachstehend veröffentlicht der SPIEGEL Auszüge aus den wichtigsten Referaten.


Alexander Mitscherlich:

Die Sucht, die Notstandsgesetze unter Dach und Fach zu bringen, statt dem eben sich regenden politischen Bewußtsein für die Sache weiteren Spielraum zu geben, diese Sucht könnte den Beginn einer neuen zwanghaften Ordnung verraten. Denn die Situation nachher unterscheidet sich prinzipiell von der vorher. Durch die bloße Existenz der Gesetze wird die Versuchung heraufbeschworen, sie beim Regieren als Abschreckung zu verwenden oder sie gar anzuwenden ...

Es wird gesagt, daß die parlamentarische Kontrolle gegenüber den ersten Entwürfen des Gesetzes gestärkt worden ist -- das ist der Fall. Aber das könnte sich als ein legalistischer Schein erweisen, dann nämlich, wenn eine große politische Krise etwa das Land ergreift, dann könnte sich unter solcher Drucksituation quer durch alle Parteien eine, sagen wir, Ordnungspartei formieren, von der man schon mehr als nur die Umrisse zu sehen meint. Werden wir diesem Wiederholungszwang ausgeliefert bleiben?... Schriftsteller Heinrich Böll:

Es wird immer wieder behauptet, die Öffentlichkeit sei von Regierung und den Parteien über den Inhalt der Notstandsgesetze hinreichend informiert worden. Das ist eine Lüge, die durch ständige Wiederholung nicht zur Wahrheit wird. Die Fassung vom 4. April dieses Jahres wurde nicht von einer Institution der Bundesregierung verbreitet, sondern am 22. April vom "Kuratorium Notstand der Demokratie" ...


http://www.spiegel.de/spiegel/print/d-46020961.html


Die herrschende Klasse kann also - realistisch betrachtet - relativ willkürlich von der staatlichen Exekutive Gebrauch machen, auf Basis der Notstandsgesetze, welche im Geruch stehen, eine Art Ermächtigungsgesetz 2.0 zu sein.

Und das ist viel einschneidender als der Absatz 2 in Artikel 8, der - in Abhängigkeit von einem mehr oder weniger schnoddrig daher gerotzten Bundesgesetzes - von der herrschenden Klasse tatsächlich eher gegen Arbeitskämpfe als gegen Aufmärsche von Menschenfeinden benutzt werden kann.

Insofern ist die Offenheit des zweiten Absatzes auch immer eine Gefahr. Wenn schon, dann hätte bereits in diesem Absatz umrissen werden müssen, was ein Bundesgesetz nicht darf. Diese doppelte Einschränkung in beide Richtungen allerdings fehlt.

Im Zuge der Notstandsgesetzte von 1968 wurden 28 der damals 145 Artikel geändert:

http://www.glasnost.de/verfass/notges.html

Hinweisen möchte ich auf den Artikel 10, welcher auch im Artikel 19 Erwähnung findet. Der Artikel 10 bezieht sich auf das Post- und Fernmeldegeheimnis:

Zitat:
Maxime: Mehr Staat wagen
Josef Foschepoth hat als erster geheime Dokumente zur Post- und Telefonüberwachung in der alten Bundesrepublik untersucht und veröffentlicht


Das Buch des Freiburger Historikers Josef Foschepoth »Überwachtes Deutschland. Post- und Telefonüberwachung in der alten Bundesrepublik« beschreibt dasselbe Land, erzählt eine andere, eine entgegengesetzt verlaufende Geschichte, nämlich die eines »tiefen« Staates und dessen Ausbaus. Seine politische Führung und sein Apparat setzten sich seit 1949 im Kampf gegen die sozialistischen Länder und Linke nicht nur über Verfassung und Gesetze stets hinweg, sondern sie machten daraus ein ständig optimiertes Konzept. So entstand ein Staat, in dem nie drin war, was in seinem Grundgesetz steht. Mit der offenherzigen und fortgesetzen Mißachtung des Völkerrechts nach 1990 wird dieses Konzept weiter verfolgt. Die Verbandelung von Neofaschismus, bundesdeutscher Politik, Ämtern und Justiz zeigt genau das. (...)

Der Umfang der Überwachung war enorm. Laut Foschepoth wurden von den Anfangsjahren der BRD bis zum Beginn der 70er Jahre im Auftrag der westlichen Alliierten von bundesdeutschen Post-, Zoll- und Geheimdienstbeamten »über 100 Millionen Postsendungen aus der DDR beschlagnahmt, geöffnet und zum großen Teil vernichtet«. Der Autor schätzt, daß außerdem jährlich etwa 100000 Postsendungen, die in der Bundesrepublik aufgegeben worden waren, »ebenfalls aus dem Verkehr gezogen wurden«. Allein die USA kontrollierten zwischen 1960 und 1968 etwa fünf bis sechs Millionen Postsendungen jährlich. Als 1968 die BRD-Dienste den Job übernahmen, gingen sie davon aus, daß sie doppelt so viele Kontrollen durchführen müßten wie die US-Kollegen. Zur Entwicklung der Telefonüberwachung seither merkt Foschepoth knapp an: »Mit den Möglichkeiten wuchsen die Bedürfnisse der Geheimdienste.«


http://www.jungewelt.de/2013/01-12/001.php


Das heisst also: nicht nur Ermächtigungsgesetz 2.0, sondern auch Stasi 2.0 stehen den herrschenden Klassen in der BRD längst zur Verfügung, um die Bevölkerung zu überwachen, zu kontrollieren und fortschrittliche demokratische und soziale Bewegungen - z.B. mit der Schäuble-Armee im inneren - notfalls abzuknallen. Noske 2.0 lässt ebenfalls grüßen.

Da droht also eine Wiederholung der Geschichte in veränderter Gestalt.

Die Aushöhlung der Grundrechte im Grundgesetz durch die Herrschenden läuft also mehrgleisig. (Auf die Affäre von Fascho-Jurist Maunz um den Artikel 139 hatte ich ja bereits an anderer Stelle hingewiesen.)

Deshalb ist es wichtig, die wenigen Grundrechte, die noch einigermaßen gültig sind, gegen rechte Staatsbedienstete und den hinter ihnen lungernden Kapitalmützen zu verteidigen.

Denn an Menschenrechten haben diese Kreise kein Interesse.
_________________
°
K.I.Z - Frieden

Das ist Postmoderne Ideologie! Psychologe und Philosoph analysieren RASSISMUS-Video

Informationsstelle Militarisierung e.V.
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