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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
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(#398465) Verfasst am: 09.01.2006, 02:27 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Der Punkt "alles hat eine Ursache" hat nicht direkt etwas mit dem Punkt "Willensfreiheit" zu tun. Ich bin auf folgende Argumentation von Tegularius eingegangen: |
Bisher habe ich die Aussage "alles hat eine Ursache" nur der Kürze wegen verwendet. Diese Aussage ist aber leicht anzugreifen, erstens, weil nicht präzise definiert werden kann, welche "Ereignisse" betrachtet werden, zweitens, weil ihr Geltungsbereich größer ist als für meine Position notwendig. Daher werde ich (weiter unten) eine präzisere Aussage verwenden.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | 1. Ich beobachte bei vielen Vorgängen, dass es eine Ursache gibt
2. Ich habe noch keinen Vorgang beobachtet, der für mich erkennbar keine Ursache hatte
3. Ich kann prinzipiell nicht alle Ursachen erkennen
4. Ich schließe, dass alle Vorgänge eine Ursache haben
5. Weil alle Vorgänge eine Ursache haben, gilt die Schlussfolgerung X
Ich habe mit dieser Argumentation 2 Probleme:
1. Der Punkt 5 ist mMn nicht zulässig, denn Punkt 4 ist ja nur eine Annahme, eine Hypothese. Basierend auf einer Hypothese kann man keine Schlussfolgerung ziehen. |
Du argumentierst formallogisch, wenn du eine Verallgemeinerung als Grundlage für die Gültigkeit einer Aussage ablehnst. Die Aussagenlogik formalisiert die Verknüpfung von wahren Aussagen um neue wahre Aussagen zu finden. Jede zusammengesetzte Aussage (über die reale Welt) kann daher nur so zuverlässig sein wie die zugrundeliegenden Einzelaussagen (Beobachtungen der realen Welt).
Das trifft auf jede unserer Aussagen über die reale Welt zu, auch auf "alle Steine fallen zum Erdmittelpunkt". Ich denke mal, dass du dieser Aussage auch nicht aus formallogischen Gründen widersprechen würdest. Es ist die Größe deiner Stichprobe, die dich überzeugt.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Mal ein anderes Beispiel, um das zu verdeutlichen, was ich meine:
- Du beobachtest viele, viele, viel Katzen
- Alle beobachteten Katzen haben (höchstens) 4 Beine
- Du schließt daraus, dass alle Katzen (höchstens) 4 Beine haben
Soweit so gut. Eine normale und legitime und hilfreiche Vorgehensweise. Punkt 3 ist eine Annahme, die bis zum Beweis des Gegenteiles Bestand hat.
Was aber mE nicht geht, ist folgendes: diese Annahme als Grundlage für weitere Aussagen zu nehmen, zum Beispiel so: weil Katzen (höchstens) 4 Beine haben, kann es keine Katze geben, die 5 Beine hat. Diese Aussage ist mE nicht zulässig. |
Auch in diesem Beispiel hängt die Zuverlässigkeit der Hypothese "jede Katze hat 4 Beine" von der Größe der Stichprobe ab. Die daraus ableitbare Aussage "keine Katze hat 5 Beine" erbt diese Zuverlässigkeit direkt, da in diesem Beispiel die abgeleitete Aussage immer wahr ist, wenn die zugrundeliegende Aussage wahr ist. Würde deine Stichprobe 99% aller Katzen umfassen, dann wäre diese Zuverlässigkeit vielleicht noch nicht vergleichbar mit "Steine fallen zum Erdmittelpunkt", aber schon ziemlich hoch.
Ebenso muss sich die Aussage "die Vorgänge im Gehirn sind kausal" daran messen, wie überzeugend die Stichprobe ist. (Unter anderem wäre hier der gegenwärtige Kenntnisstand der Hirnforschung zu betrachten, leider habe ich da nur Halbwissen beizutragen. Immerhin scheinen die meisten Hirnforscher davon überzeugt zu sein, einige so sehr, dass sie verzweifelt im Rauschen der Quanten nach einer Ursache für den freien Willen suchen.)
Mir stellt sich daher die Frage: kann es überhaupt eine Stichprobe geben, die dich überzeugen würde, oder ist deine Ablehnung prinzipieller Natur?
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | 2. Problem: Kausalität ist nicht etwas, das wir einfach beobachten können, so wie die Katzen im Beispiel. Wir können mMn Kausalität nur in vereinfachten Modellen der Welt beobachten, nicht aber in der realen Welt.
Beispiel: eine einfache Software. Diese ist theoretisch determiniert (eine bestimmte Eingabe ergibt immer eine bestimmte Ausgabe). In der Realität kann die Software aber nicht ohne Hardware existieren. Die Hardware ist jedoch allen komplexen Einflüssen der Umwelt ausgesetzt. Fällt z.B. während der Berechnung der Strom aus, dann ergibt die Eingabe eben nicht mehr die erwartete Ausgabe (sondern in dem Fall keine Ausgabe). Falls ich nun berechnen wollte, ob die Eingabe die erwartete Ausgabe ergibt, müsste ich alle diese Einflüsse berücksichtigen und das ist prinzipiell unmöglich, da die Einflüsse zu komplex sind.
Zusammenfassend: eine Verallgemeinerung der beobachteten Kausalität in theoretischen Modellen auf alle Vorgänge in der realen Welt scheint mir nicht unbedingt folgerichtig zu sein. |
Eigentlich halte ich funktionierende Computer für eines der besten Beispiele dafür, dass die Verlässlichkeit unserer Hypothese der Kausalität weit über "vereinfachte Modelle" und "simplifizierende Versuchsaufbauten" hinausgeht. Wären die Vorgänge in meinem Prozessorkern nicht deterministisch, dann könnte dieser Prozessor keine formallogische Abstraktionsebene (die binäre Logik) bereitstellen, die sich nachweislich deterministisch verhält.
Auch muss ich diese Beobachtung nicht auf alle Vorgänge in der realen Welt verallgemeinern, sondern nur auf die relevanten Vorgänge im Gehirn. Das ist wichtig, weil die Signifikanz der Stichprobe in Relation zum Geltungsbereich der getroffenen Aussage gesehen werden muss.
kolja hat folgendes geschrieben: | Die Art von Beweis, die du forderst (siehe auch deinen Beitrag an step), wird prinzipiell von der Wissenschaft nicht erbracht. |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Da fordere ich doch gar keinen Beweis. |
Du forderst ihn indirekt, indem du auf sein Fehlen verweist. Du lehnst die Aussage "Atome und Moleküle [im Gehirn] verhalten sich erwiesenermaßen kausal" ab und sagst das sei "nicht erweisen". Diese Art von Beweis liefert die Wissenschaft prinzipiell nicht, dennoch ist diese Aussage ähnlich verlässlich wie "alle Steine fallen zum Erdmittelpunkt".
Außerdem argumentierst du wieder gegen einen starken Determinismus (ganze Welt determenistisch, wenn man die Zeit zurückdreht wiederholt sich alles exakt). Gegen den Gültigkeitsbereich dieser Aussage muss die Größe jeder Stichprobe natürlich verblassen.
Aber wie ich bereits sagte, muss ich für meine Position nur einen schwachen Determinismus behaupten, der nur für die relevanten Vorgänge im Gehirn gilt. Dagegen kannst du meiner Meinung nach nicht argumentieren, indem du dich einfach auf eine agnostische Position ("wir wissen es nicht") zurückziehst, denn unser Wissen über diese Vorgänge ist sehr sicher.
_________________ Hard work often pays off after time, but laziness always pays off now.
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
Wohnort: NRW
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(#398475) Verfasst am: 09.01.2006, 03:29 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ich zitiere das jetzt einfach mal komplett, denn ich finde, Du hast das sehr, sehr schön erklärt und deswegen kann das auch ruhig zweimal hier stehen. |
Danke für die Blumen.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ich kann Dir in Deinen Ausführungen voll und ganz zustimmen. Mir scheint immer mehr, dass das Problem der Willensfreiheit eigentlich nur ein Scheinproblem ist. |
Hm, diese Einschätzung wundert mich jetzt doch. Zumindest für mich ist meine Aussage ...
kolja hat folgendes geschrieben: | Wenn ich eine bewusste Entscheidung treffe, dann kann ich in diesem Moment nicht anders entscheiden, denn andernfalls würde das bedeuten, das ich eine andere Entscheidung treffen müsste, als die, die ich aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen in diesem Moment für die Beste halte. |
... völlig bedeutungsgleich mit "die (relevanten) Vorgänge in meinem Gehirn sind vollständig kausal".
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Zumsel registrierter User
Anmeldungsdatum: 08.03.2005 Beiträge: 4667
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(#398683) Verfasst am: 09.01.2006, 17:37 Titel: |
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@ Step
Gut, dann haben wir offenbar andere Vorstellungen davon, was Kunst ist. Zu deiner Definition hätte ich allerdings noch eine Frage: Unter welche Kategorie fallen beispielsweise prosaische Dichtungen und politische bzw. gesellschaftskritische Bilder, Theaterstücke, Filme etc., die ja nicht vornehmlich die sinnliche Wahrnehmung ansprechen, sondern den Intellekt?
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#398800) Verfasst am: 09.01.2006, 20:09 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | Du argumentierst formallogisch, wenn du eine Verallgemeinerung als Grundlage für die Gültigkeit einer Aussage ablehnst. Die Aussagenlogik formalisiert die Verknüpfung von wahren Aussagen um neue wahre Aussagen zu finden. Jede zusammengesetzte Aussage (über die reale Welt) kann daher nur so zuverlässig sein wie die zugrundeliegenden Einzelaussagen (Beobachtungen der realen Welt). |
Genau.
kolja hat folgendes geschrieben: | Das trifft auf jede unserer Aussagen über die reale Welt zu, auch auf "alle Steine fallen zum Erdmittelpunkt". Ich denke mal, dass du dieser Aussage auch nicht aus formallogischen Gründen widersprechen würdest. Es ist die Größe deiner Stichprobe, die dich überzeugt. |
Ich wende mich nicht dagegen, zu sagen: "alle Steine fallen zum Erdmittelpunkt" (was eine Verkürzung ist für die Aussage: "nach allem was wir bisher wissen, fallen alle Steine zum Erdmittelpunkt"), sondern dagegen, zu sagen: "weil alle Steine zum Erdmittelpunkt fallen, muss X richtig sein".
Vielleicht ist es ein Sprachproblem. Wenn man es folgendermaßen ausdrückt: "wenn alle Steine zum Erdmittelpunkt fallen, (wovon ich ausgehe), muss X richtig sein", bin ich einverstanden.
kolja hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Mal ein anderes Beispiel, um das zu verdeutlichen, was ich meine:
- Du beobachtest viele, viele, viel Katzen
- Alle beobachteten Katzen haben (höchstens) 4 Beine
- Du schließt daraus, dass alle Katzen (höchstens) 4 Beine haben
Soweit so gut. Eine normale und legitime und hilfreiche Vorgehensweise. Punkt 3 ist eine Annahme, die bis zum Beweis des Gegenteiles Bestand hat.
Was aber mE nicht geht, ist folgendes: diese Annahme als Grundlage für weitere Aussagen zu nehmen, zum Beispiel so: weil Katzen (höchstens) 4 Beine haben, kann es keine Katze geben, die 5 Beine hat. Diese Aussage ist mE nicht zulässig. |
Auch in diesem Beispiel hängt die Zuverlässigkeit der Hypothese "jede Katze hat 4 Beine" von der Größe der Stichprobe ab. Die daraus ableitbare Aussage "keine Katze hat 5 Beine" erbt diese Zuverlässigkeit direkt, da in diesem Beispiel die abgeleitete Aussage immer wahr ist, wenn die zugrundeliegende Aussage wahr ist. Würde deine Stichprobe 99% aller Katzen umfassen, dann wäre diese Zuverlässigkeit vielleicht noch nicht vergleichbar mit "Steine fallen zum Erdmittelpunkt", aber schon ziemlich hoch. |
Nein, das hängt, (zumindest in dem Katzen-Beispiel), nicht nur von der Stichprobe ab. Wenn man die Aussage: "es kann keine Katze geben, die 5 Beine hat" auch auf zukünftige Katzen bezieht, dann kann die Stichprobe sogar 100% der Katzen umfassen.
kolja hat folgendes geschrieben: | Ebenso muss sich die Aussage "die Vorgänge im Gehirn sind kausal" daran messen, wie überzeugend die Stichprobe ist. (Unter anderem wäre hier der gegenwärtige Kenntnisstand der Hirnforschung zu betrachten, leider habe ich da nur Halbwissen beizutragen. Immerhin scheinen die meisten Hirnforscher davon überzeugt zu sein, einige so sehr, dass sie verzweifelt im Rauschen der Quanten nach einer Ursache für den freien Willen suchen.)
Mir stellt sich daher die Frage: kann es überhaupt eine Stichprobe geben, die dich überzeugen würde, oder ist deine Ablehnung prinzipieller Natur? |
Ja, auf das Gehirn bezogen ist sie prinzipieller Natur. Das Gehirn ist kein abgeschlossenes System; es wird nicht möglich sein, saubere Stichproben zu bekommen, die unbeeinflusst von der Umwelt sind (jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, wie man das bewerkstelligen könnte). Um Kausalität nachzuweisen, wäre es notwendig, mehrmals exakt dieselben Bedingungen für die Messungen zu schaffen und das geht mMn eben nicht.
kolja hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | 2. Problem: Kausalität ist nicht etwas, das wir einfach beobachten können, so wie die Katzen im Beispiel. Wir können mMn Kausalität nur in vereinfachten Modellen der Welt beobachten, nicht aber in der realen Welt.
Beispiel: eine einfache Software. Diese ist theoretisch determiniert (eine bestimmte Eingabe ergibt immer eine bestimmte Ausgabe). In der Realität kann die Software aber nicht ohne Hardware existieren. Die Hardware ist jedoch allen komplexen Einflüssen der Umwelt ausgesetzt. Fällt z.B. während der Berechnung der Strom aus, dann ergibt die Eingabe eben nicht mehr die erwartete Ausgabe (sondern in dem Fall keine Ausgabe). Falls ich nun berechnen wollte, ob die Eingabe die erwartete Ausgabe ergibt, müsste ich alle diese Einflüsse berücksichtigen und das ist prinzipiell unmöglich, da die Einflüsse zu komplex sind.
Zusammenfassend: eine Verallgemeinerung der beobachteten Kausalität in theoretischen Modellen auf alle Vorgänge in der realen Welt scheint mir nicht unbedingt folgerichtig zu sein. |
Eigentlich halte ich funktionierende Computer für eines der besten Beispiele dafür, dass die Verlässlichkeit unserer Hypothese der Kausalität weit über "vereinfachte Modelle" und "simplifizierende Versuchsaufbauten" hinausgeht. Wären die Vorgänge in meinem Prozessorkern nicht deterministisch, dann könnte dieser Prozessor keine formallogische Abstraktionsebene (die binäre Logik) bereitstellen, die sich nachweislich deterministisch verhält. |
Ja, die Abstraktionsebene ist deterministisch, für den realen Prozessorkern ist mir nicht klar, wie man das nachweisen könnte.
kolja hat folgendes geschrieben: | Auch muss ich diese Beobachtung nicht auf alle Vorgänge in der realen Welt verallgemeinern, sondern nur auf die relevanten Vorgänge im Gehirn. Das ist wichtig, weil die Signifikanz der Stichprobe in Relation zum Geltungsbereich der getroffenen Aussage gesehen werden muss. |
Ich bezweifele eben, dass es möglich sein könnte, das Gehirn isoliert von seiner Umwelt zu betrachten.
kolja hat folgendes geschrieben: | kolja hat folgendes geschrieben: | Die Art von Beweis, die du forderst (siehe auch deinen Beitrag an step), wird prinzipiell von der Wissenschaft nicht erbracht. |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Da fordere ich doch gar keinen Beweis. |
Du forderst ihn indirekt, indem du auf sein Fehlen verweist. Du lehnst die Aussage "Atome und Moleküle [im Gehirn] verhalten sich erwiesenermaßen kausal" ab und sagst das sei "nicht erweisen". Diese Art von Beweis liefert die Wissenschaft prinzipiell nicht, dennoch ist diese Aussage ähnlich verlässlich wie "alle Steine fallen zum Erdmittelpunkt". |
Ja nun, in meiner Ansicht liegen zwischen diesen beiden Aussagen Welten, was die Verlässlichkeit angeht.
kolja hat folgendes geschrieben: | Außerdem argumentierst du wieder gegen einen starken Determinismus (ganze Welt determenistisch, wenn man die Zeit zurückdreht wiederholt sich alles exakt). Gegen den Gültigkeitsbereich dieser Aussage muss die Größe jeder Stichprobe natürlich verblassen.
Aber wie ich bereits sagte, muss ich für meine Position nur einen schwachen Determinismus behaupten, der nur für die relevanten Vorgänge im Gehirn gilt. Dagegen kannst du meiner Meinung nach nicht argumentieren, indem du dich einfach auf eine agnostische Position ("wir wissen es nicht") zurückziehst, denn unser Wissen über diese Vorgänge ist sehr sicher. |
Genau, ich argumentiere gegen einen "starken" Determinismus (auf Makroebene), der meiner Meinung nach dasselbe ist, wie zu sagen: "alles hat einen Grund". Allerdings kann es meiner Meinung nach einen "schwachen" Determinismus nicht geben, deswegen verwende ich diese Unterscheidung eigentlich nicht.
Unser Wissen über Determinismus ist, nach allem was ich bisher so gefunden habe, keineswegs so sicher, wie Du behauptest. Als Grundlage für weitergehende Schlüsse ist es, jedenfalls soviel wie ich weiß, zu dürftig.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#398812) Verfasst am: 09.01.2006, 20:16 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ich kann Dir in Deinen Ausführungen voll und ganz zustimmen. Mir scheint immer mehr, dass das Problem der Willensfreiheit eigentlich nur ein Scheinproblem ist. |
Hm, diese Einschätzung wundert mich jetzt doch. Zumindest für mich ist meine Aussage ...
kolja hat folgendes geschrieben: | Wenn ich eine bewusste Entscheidung treffe, dann kann ich in diesem Moment nicht anders entscheiden, denn andernfalls würde das bedeuten, das ich eine andere Entscheidung treffen müsste, als die, die ich aufgrund meiner bisherigen Erfahrungen in diesem Moment für die Beste halte. |
... völlig bedeutungsgleich mit "die (relevanten) Vorgänge in meinem Gehirn sind vollständig kausal". |
Erstens ist das für mich nicht bedeutungsgleich und zweitens sind das für mich (in diesem Thread) zwei unterschiedliche Themen, die bislang noch nicht verknüpft wurden.
Wahrscheinlich verstehst Du unter "vollständig kausal" mal wieder etwas anderes als ich. "Vollständig kausal" ist (in diesem Zusammenhang) für mich gleichbedeutend mit Determinismus.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#398818) Verfasst am: 09.01.2006, 20:20 Titel: |
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Zumsel hat folgendes geschrieben: | @ Step
Gut, dann haben wir offenbar andere Vorstellungen davon, was Kunst ist. Zu deiner Definition hätte ich allerdings noch eine Frage: Unter welche Kategorie fallen beispielsweise prosaische Dichtungen und politische bzw. gesellschaftskritische Bilder, Theaterstücke, Filme etc., die ja nicht vornehmlich die sinnliche Wahrnehmung ansprechen, sondern den Intellekt? |
Das habe ich mich auch schon gefragt. Es gibt eine Grauzone, in der etwa ein moralinsaures Brecht-Stück dennoch einen formal-ästhetischen Reiz hat. Ebenso könnte ein anklagendes Foto eines Schlachthofes als Fotografie oder ein Holocaust-Stelenfeld dennoch ein Kunstwerk sein. Wenn aber nur noch die Botschaft da ist und kein ästhetischer Reiz, würde ich nicht mehr von Kunst reden.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#398822) Verfasst am: 09.01.2006, 20:23 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Wahrscheinlich verstehst Du unter "vollständig kausal" mal wieder etwas anderes als ich. "Vollständig kausal" ist (in diesem Zusammenhang) für mich gleichbedeutend mit Determinismus. |
Für mich auch, wenn man quantenmechanischen Indeterminismus idZ mal vernachlässigt. Und ich vermute, für kolja auch.
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Tegularius surreal
Anmeldungsdatum: 28.07.2005 Beiträge: 2002
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(#398827) Verfasst am: 09.01.2006, 20:33 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Erstens ist das für mich nicht bedeutungsgleich und zweitens sind das für mich (in diesem Thread) zwei unterschiedliche Themen, die bislang noch nicht verknüpft wurden. |
Meinst du die Kausalitätsfrage und die nach dem freien Willen?
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
Wohnort: NRW
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(#398894) Verfasst am: 09.01.2006, 22:39 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Vielleicht ist es ein Sprachproblem. Wenn man es folgendermaßen ausdrückt: "wenn alle Steine zum Erdmittelpunkt fallen, (wovon ich ausgehe), muss X richtig sein", bin ich einverstanden. |
Ich dachte, es sei offensichtlich, dass eine Schlussfolgerung die Unsicherheit der zugrundeliegenden Aussagen implizit enthalten muss. Ansonsten müsste man jede Schlussfolgerung verbieten, die auf Aussagen über die reale Welt aufbaut.
Um mal bei diesem Beispiel zu bleiben und weiteren Sprachproblemen vorzubeugen: macht es für dich einen Unterschied, wenn ich für X (a) "... wird auch dieser Stein aus meiner Hand zum Erdmittelpunkt fallen" oder (b) "... werden Objekte mit Masse im ganzen Universum zum nächsten Massezentrum fallen" einsetze?
Für mich eigentlich nicht, aber formal hat (a) einen engeren Gültigkeitsbereich als (b). Daher werde ich meine Aussage "die (relevanten) Vorgänge im Gehirn sind deterministisch" im Sinne von (a) möglichst eng fassen, indem ich weiter unten über das Zustandekommen eines konkreten Willensaktes zu einem speziellen Zeitpunkt bei einem speziellen Gehirn sprechen werde.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Nein, das hängt, (zumindest in dem Katzen-Beispiel), nicht nur von der Stichprobe ab. Wenn man die Aussage: "es kann keine Katze geben, die 5 Beine hat" auch auf zukünftige Katzen bezieht, dann kann die Stichprobe sogar 100% der Katzen umfassen. |
Irrelevant, da ich über die bereits in einem speziellen Gehirn vorhandenen Atome und Moleküle reden werde.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ja, auf das Gehirn bezogen ist sie prinzipieller Natur. Das Gehirn ist kein abgeschlossenes System; es wird nicht möglich sein, saubere Stichproben zu bekommen, die unbeeinflusst von der Umwelt sind (jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, wie man das bewerkstelligen könnte). Um Kausalität nachzuweisen, wäre es notwendig, mehrmals exakt dieselben Bedingungen für de Messungen zu schaffen und das geht mMn eben nicht. |
Was du beschreibst, geht natürlich nicht. (Wiederum stelle ich fest, dass diese Art von Nachweis von der Wissenschaft niemals erbracht wird und du damit nur den starken Determinismus angreifst.)
Vielleicht war mein Begriff "Stichprobe" auch missverständlich. Ich rede natürlich nicht von einem Stück Gehirn, das abgetrennt von der Umwelt betrachtet werden müsste.
Ich meinte vielmehr unsere sehr breite Erfahrung mit der Gültigkeit unserer Atom- und Molekülmodelle bei den unterschiedlichsten Substraten. Nach meinem Halbwissensstand sind sehr viele Phänomene der Makroebene mit diesen Modellen hervorragend modellierbar. Es mag eine Restunsicherheit geben, da die Phänomene nur bis zur jeweiligen Meßgenauigkeit beobachtet werden können, aber innerhalb dieser Grenzen verhalten sich Atome und Moleküle statistisch betrachtet näherungsweise deterministisch. Wäre das nicht so, könnten wir keine Mikroprozessoren, Nanotechnologie und ähnlichen Kleinstkram entwickeln.
(Unser Physiker möge mich bitte korrigieren, wenn ich mich damit zu weit aus dem Fenster gelehnt habe?)
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Genau, ich argumentiere gegen einen "starken" Determinismus (auf Makroebene), der meiner Meinung nach dasselbe ist, wie zu sagen: "alles hat einen Grund". Allerdings kann es meiner Meinung nach einen "schwachen" Determinismus nicht geben, deswegen verwende ich diese Unterscheidung eigentlich nicht. |
Der starke Determinismus wird doch selbst von unseren derzeit besten Theorien nicht behauptet, weil die QM echten Zufall enthält. Wir nehmen in auf der Makroebene nur näherungsweise an. Für meine Argumentation gegen den "freien Willen" reicht aber der in unserer praktischen Erfahrung (siehe oben) beobachtete näherungsweise gültige Determinismus.
Die Frage, um die es sich in der Debatte um den freien Willen dreht, lautet nämlich nicht
"Würde das Universum sich (bei exakt gleichen Ausgangsbedingungen) ein zweites Mal exakt genauso entwickeln?" oder
"Würde sich ein Mensch (unter exakt gleichen Rahmenbedingungen) ein zweites Mal exakt gleich entwickeln und die gleiche Folge von Entscheidungen treffen?" sondern sie lautet
"Kann ein bestimmter Mensch in einer bestimmter Situation eine andere Entscheidung treffen, als die durch die Anordnung der Materie in seinem Gehirn determinierte?" Diese Frage lässt sich natürlich nicht erwiesenermaßen (im von dir verwendeten Sinne) mit "Nein" beantworten. Aber aufgrund unserer aktuellen Stichprobe von Atomen und Molekülen im Allgemeinen sowie von Gehirnmaterie im Speziellen ist es sehr wahrscheinlich, dass die Antwort "Nein" lautet.
Die verbleibende Restunsicherheit reicht eigentlich nur noch für ein bischen Zufall in diesem konkreten Willensakt, aber nicht für die Art von Willensfreiheit, die gewöhnlich darunter verstanden wird. Vor allem aber reicht diese Restunsicherheit meiner Meinung nach nicht für die Verteidigung eines Konzeptes, das überhaupt kein empirisches Fundament hat.
_________________ Hard work often pays off after time, but laziness always pays off now.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#398906) Verfasst am: 09.01.2006, 22:48 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | Der starke Determinismus wird doch selbst von unseren derzeit besten Theorien nicht behauptet, weil die QM echten Zufall enthält. |
Richtig.
kolja hat folgendes geschrieben: | Wir nehmen ihn auf der Makroebene nur näherungsweise an. Für meine Argumentation gegen den "freien Willen" reicht aber der in unserer praktischen Erfahrung (siehe oben) beobachtete näherungsweise gültige Determinismus. |
Genaugenommen ist die Argumentation sogar dann möglich, wenn der QM-Zufall sich makroskopisch auswirken würde (tut er übrigens tatsächlich, kein Neuron würde ohne ihn funktionieren, aber das würde hier nur verwirren).
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
Wohnort: NRW
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(#398912) Verfasst am: 09.01.2006, 22:53 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Erstens ist das für mich nicht bedeutungsgleich und zweitens sind das für mich (in diesem Thread) zwei unterschiedliche Themen, die bislang noch nicht verknüpft wurden. |
In einem anderen Thread hast du sie (nach meiner Erinnerung) miteinander verknüpft. Willst du das jetzt vermeiden, und wenn ja, warum?
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Wahrscheinlich verstehst Du unter "vollständig kausal" mal wieder etwas anderes als ich. "Vollständig kausal" ist (in diesem Zusammenhang) für mich gleichbedeutend mit Determinismus. |
step hat folgendes geschrieben: | Für mich auch, wenn man quantenmechanischen Indeterminismus idZ mal vernachlässigt. Und ich vermute, für kolja auch. |
Jepp. Wobei ich, wie ich im vorherigen Beitrag schrieb, den innerhalb unserer Meßgenauigkeit überprüften näherungsweise gültigen Determinismus als Beweislast gegen einen "freien Willen" bereits für erdrückend genug halte.
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
Wohnort: NRW
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(#398920) Verfasst am: 09.01.2006, 23:02 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Genaugenommen ist die Argumentation sogar dann möglich, wenn der QM-Zufall sich makroskopisch auswirken würde (tut er übrigens tatsächlich, kein Neuron würde ohne ihn funktionieren, aber das würde hier nur verwirren). |
Ich vermute, dass es uns angesichts unserer begrenzten Meßgenauigkeit onehin egal sein kann, woher die restliche Streuung kommt, solange sie hinreichend zufällig ist?
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#399289) Verfasst am: 10.01.2006, 19:14 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Vielleicht ist es ein Sprachproblem. Wenn man es folgendermaßen ausdrückt: "wenn alle Steine zum Erdmittelpunkt fallen, (wovon ich ausgehe), muss X richtig sein", bin ich einverstanden. |
Ich dachte, es sei offensichtlich, dass eine Schlussfolgerung die Unsicherheit der zugrundeliegenden Aussagen implizit enthalten muss. |
Es ist offensichtlich, dass etwas Implizites enthalten ist? Halte ich für eine in sich widersprüchliche Aussage.
kolja hat folgendes geschrieben: | Ansonsten müsste man jede Schlussfolgerung verbieten, die auf Aussagen über die reale Welt aufbaut. |
Wieso verbieten? Mir ist nur wichtig, dass man eine Schlussfolgerung, die auf einer Annahme basiert, nicht als "Wahrheit" verkauft.
kolja hat folgendes geschrieben: | Um mal bei diesem Beispiel zu bleiben und weiteren Sprachproblemen vorzubeugen: macht es für dich einen Unterschied, wenn ich für X (a) "... wird auch dieser Stein aus meiner Hand zum Erdmittelpunkt fallen" oder (b) "... werden Objekte mit Masse im ganzen Universum zum nächsten Massezentrum fallen" einsetze?
Für mich eigentlich nicht, aber formal hat (a) einen engeren Gültigkeitsbereich als (b). |
Für mich macht das einen Unterschied, klar, denn die empirische Basis für beide Behauptungen ist mE sehr unterschiedlich.
kolja hat folgendes geschrieben: | Daher werde ich meine Aussage "die (relevanten) Vorgänge im Gehirn sind deterministisch" im Sinne von (a) möglichst eng fassen, indem ich weiter unten über das Zustandekommen eines konkreten Willensaktes zu einem speziellen Zeitpunkt bei einem speziellen Gehirn sprechen werde. |
Ok.
kolja hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Nein, das hängt, (zumindest in dem Katzen-Beispiel), nicht nur von der Stichprobe ab. Wenn man die Aussage: "es kann keine Katze geben, die 5 Beine hat" auch auf zukünftige Katzen bezieht, dann kann die Stichprobe sogar 100% der Katzen umfassen. |
Irrelevant, da ich über die bereits in einem speziellen Gehirn vorhandenen Atome und Moleküle reden werde. |
Du meinst: "irrelevant für das, was ich im weiteren sagen will", nicht wahr? Das konnte ich aber nicht voraussehen, als ich diese Aussage gemacht habe.
kolja hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ja, auf das Gehirn bezogen ist sie prinzipieller Natur. Das Gehirn ist kein abgeschlossenes System; es wird nicht möglich sein, saubere Stichproben zu bekommen, die unbeeinflusst von der Umwelt sind (jedenfalls kann ich mir nicht vorstellen, wie man das bewerkstelligen könnte). Um Kausalität nachzuweisen, wäre es notwendig, mehrmals exakt dieselben Bedingungen für de Messungen zu schaffen und das geht mMn eben nicht. |
Was du beschreibst, geht natürlich nicht. (Wiederum stelle ich fest, dass diese Art von Nachweis von der Wissenschaft niemals erbracht wird und du damit nur den starken Determinismus angreifst.)
Vielleicht war mein Begriff "Stichprobe" auch missverständlich. Ich rede natürlich nicht von einem Stück Gehirn, das abgetrennt von der Umwelt betrachtet werden müsste.
Ich meinte vielmehr unsere sehr breite Erfahrung mit der Gültigkeit unserer Atom- und Molekülmodelle bei den unterschiedlichsten Substraten. Nach meinem Halbwissensstand sind sehr viele Phänomene der Makroebene mit diesen Modellen hervorragend modellierbar. Es mag eine Restunsicherheit geben, da die Phänomene nur bis zur jeweiligen Meßgenauigkeit beobachtet werden können, aber innerhalb dieser Grenzen verhalten sich Atome und Moleküle statistisch betrachtet näherungsweise deterministisch. Wäre das nicht so, könnten wir keine Mikroprozessoren, Nanotechnologie und ähnlichen Kleinstkram entwickeln. |
Es gibt keinen näherungsweisen Determinismus. Determinismus schließt Zufall kategorisch aus. Wenn es nur einen einzigen Zufall geben sollte, dann gibt es keinen Determinismus. (Nur um das nochmal klarzustellen: wir sind die ganze Zeit nur in der Makroebene und schließen auch den Urknall aus und es geht nur um Determinismus, der freie Wille soll erst mal hintenan stehen).
Mein Argument ist folgendes: die normale empirische Vorgehensweise funktioniert nicht zur Beobachtung von Determinismus, da unser Beobachtungsbereich zu eingeschränkt ist. Um Determinismus zu beobachten, muss man so vorgehen: aus genau kontrollierten Ausgangsbedingen ergeben sich immer genau dieselben Ergebnisse. Diese Beobachtung gelingt aber nur bis zu einem bestimmten Grad, wegen der Messungenauigkeit und vor allem auch wegen der notwendigen Einschränkungen des Testaufbaues, um diesen nicht so komplex werden zu lassen, dass er nicht mehr kontrollierbar ist. Diese prinzipiell immer beschränkten Ergebnisses eines lokalen Testaufbaues auf die komplexe Welt zu verallgemeinern ist mE einfach keine zulässige empirische Vorgehensweise, es könnte sein, dass es einen Paradigmenwechsel gibt zwischen den prinzipiell eingeschränkten Ergebnissen unserer einfachen Testaufbauten und der realen komplexen Welt.
Jedenfalls kann ich mir im Moment wirklich keinen möglichen Testaufbau vorstellen, bei dem Determinismus im Gehirn empirisch ermittelt werden könnte. Falls also jemand einen Link zu einem solchen Experiment hätte, würde mich das brennend interessieren.
Zu den Mikroprozessoren und sonstigen elektronischen Bauteilen: für diese spielt es keine Rolle, ob unsere Welt deterministisch ist oder nicht. Jedes elektronische Bauteil hat eine gewisse Fehlertoleranz, innerhalb deren es funktionieren soll. Es spielt also keine Rolle, ob dieses Bauteil immer exakt dieselbe Spannung liefert; solange diese innerhalb des Toleranzbereiches liegt, ist alles in Ordnung. Je wichtiger der Anwendungsbereich des Bauteiles ist, um so mehr wird man auf eine möglichst geringe Fehlertoleranz achten, aber das "Rauschen" kann mW nicht völlig beseitigt werden.
kolja hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Genau, ich argumentiere gegen einen "starken" Determinismus (auf Makroebene), der meiner Meinung nach dasselbe ist, wie zu sagen: "alles hat einen Grund". Allerdings kann es meiner Meinung nach einen "schwachen" Determinismus nicht geben, deswegen verwende ich diese Unterscheidung eigentlich nicht. |
Der starke Determinismus wird doch selbst von unseren derzeit besten Theorien nicht behauptet, weil die QM echten Zufall enthält. Wir nehmen in auf der Makroebene nur näherungsweise an. |
Ich rede nicht über die Mikroebene, sondern nur über die Makroebene. Ich dachte immer, Eure Argumentation wäre in etwa so: erwiesenermaßen gibt es auf Mikroebene keinen Determinismus, jedoch wirkt sich die Mikroebene nicht direkt auf die Makroebene aus, deswegen kann auf Makroebene durchaus der Determinismus gelten. Von mir aus können wir die QM gerne ausklammern.
Ich sehe übrigens keinen Sinn in der Aussage: ich nehme den Determinismus näherungsweise an. Entweder gibt es ihn oder nicht. Wenn es so sein sollte, dass die Mikroebene sich nicht direkt auf die Makroebene auswirkt, dann wäre die Quantenmechanik kein Argument gegen den Determinismus auf Makroebene (meinst Du das vielleicht so?).
kolja hat folgendes geschrieben: | Für meine Argumentation gegen den "freien Willen" reicht aber der in unserer praktischen Erfahrung (siehe oben) beobachtete näherungsweise gültige Determinismus.
Die Frage, um die es sich in der Debatte um den freien Willen dreht, lautet nämlich nicht
"Würde das Universum sich (bei exakt gleichen Ausgangsbedingungen) ein zweites Mal exakt genauso entwickeln?" oder
"Würde sich ein Mensch (unter exakt gleichen Rahmenbedingungen) ein zweites Mal exakt gleich entwickeln und die gleiche Folge von Entscheidungen treffen?" sondern sie lautet
"Kann ein bestimmter Mensch in einer bestimmter Situation eine andere Entscheidung treffen, als die durch die Anordnung der Materie in seinem Gehirn determinierte?" Diese Frage lässt sich natürlich nicht erwiesenermaßen (im von dir verwendeten Sinne) mit "Nein" beantworten. Aber aufgrund unserer aktuellen Stichprobe von Atomen und Molekülen im Allgemeinen sowie von Gehirnmaterie im Speziellen ist es sehr wahrscheinlich, dass die Antwort "Nein" lautet.
Die verbleibende Restunsicherheit reicht eigentlich nur noch für ein bischen Zufall in diesem konkreten Willensakt, aber nicht für die Art von Willensfreiheit, die gewöhnlich darunter verstanden wird. Vor allem aber reicht diese Restunsicherheit meiner Meinung nach nicht für die Verteidigung eines Konzeptes, das überhaupt kein empirisches Fundament hat. |
Na schön, doch wieder die Willensfreiheit. Wir müssten wohl doch erst mal klären, was "gewöhnlich" darunter verstanden wird.
Die Frage kann meiner Meinung nach nicht lauten: "Kann ein bestimmter Mensch in einer bestimmter Situation eine andere Entscheidung treffen, als die durch die Anordnung der Materie in seinem Gehirn determinierte?", denn das bedeutet genau genommen nichts anderes als: Kann etwas anderes geschehen, als das, was geschieht?
Die Frage muss lauten: kann der Mensch entscheiden, was er tut, (wobei ich einfach mal Entscheidungsfreiheit mit Willensfreiheit gleichsetze, denn das wird mE in der öffentlichen Diskussion meist getan), oder glaubt er nur, dass er entscheidet, was er tut? Ist seine als selbstbestimmt wahrgenommene Entscheidung immer eine pure Illusion, auf die er als Person keinen Einfluss hat? Oder anders gefragt: Tun wir, was wir wollen oder glauben wir immer nur nachträglich, das zu gewollt zu haben, was wir getan haben?
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
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(#399830) Verfasst am: 11.01.2006, 20:19 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Mir ist nur wichtig, dass man eine Schlussfolgerung, die auf einer Annahme basiert, nicht als "Wahrheit" verkauft. |
Da alle Aussagen über die reale Welt auf solchen Annahmen basieren, erschien es mir unnötig, diese Einschränkung ständig explizit zu formulieren. Aber ich denke, dieses Mißverständnis dürfte jetzt geklärt sein.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Es gibt keinen näherungsweisen Determinismus. Determinismus schließt Zufall kategorisch aus. Wenn es nur einen einzigen Zufall geben sollte, dann gibt es keinen Determinismus. [...] |
Scheinbar habe ich den Begriff "näherungsweise deterministisch" nicht verständlich erklärt. (Wenn du das für eine widersprüchliche Verwendung des Begriffs "Determinismus" hälst, dann setze dafür ein beliebiges anderes Wort deiner Wahl ein.) Ich meine damit, dass sich das Verhalten von Materie näherungsweise vorhersagen lässt, wenn wir die betrachtete Systemgröße entsprechend einschränken. Wir sehen vielleicht zufälliges Verhalten, aber nur innerhalb gewisser Grenzen. Aber auch komplexere Systeme verhalten sich nicht zwangsläufig chaotisch, wenn sie entsprechend organisiert sind.
Beispiel Mikroprozessor. Wir beobachten die Eigenschaften einer Funktionsgruppe, z.B. die Schaltgeschwindigkeit eines Transistors, um sie mit berechneten Erwartungswerten zu vergleichen. Selbst wenn wir nur einen einzelnen Transistor betrachten, werden wir vermutlich eine Streuung über alle Messungen beobachten. Ob wir hier Meßungenauigkeiten, echten Zufall der QM, oder einen Pseudozufall (weil es sich beim Elektronenfluß in einem leitfähigen Material um ein komplexes chaotisches System handeln könnte) sehen, oder eine Kombination aus allem, weiß ich nicht. Aber es kann uns egal sein, weil wir die Breite der Streuung kennen und sie statistisch beherrschen können.
Weil wir komplexe Systeme in Funktionsgruppen organisieren und diese auf geschickte Weise zusammenspielen lassen, können wir den Zufall aus dem System eliminieren oder zumindest kleinhalten. Solche komplexen Systeme verhalten sich dann auch näherungsweise deterministisch.
Auch unser Gehirn funktioniert auf ähnliche Weise, unsere Neuronen z.B. sind solche Funktionsgruppen, die sich innerhalb einer gewissen Streuung vorhersagbar verhalten. Wäre das nicht so, dann wäre ein Neuron ziemlich ungeeignet um z.B. Helligkeitsinformationen von der Netzhaut ins Gehirn zu transportieren. Es gibt auch noch übergeordnete Mechanismen, um den Einfluss zufälligen Verhaltens einzelner Neuronen auf höhere Funktionen zu unterdrücken, z.B. werden gewisse Reize erst weitergeleitet, wenn sich genügend Neuronen gegenseitig verstärken.
Wir können daher mit sehr großer Sicherheit sagen, das sich unser Gehirn weitestgehend berechenbar verhält. Das ist auch einleuchtend, denn würde es sich unberechenbar (zufällig) verhalten, dann wäre es als Mess- und Steuerungssystem für unseren Körper ziemlich unbrauchbar.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Na schön, doch wieder die Willensfreiheit. Wir müssten wohl doch erst mal klären, was "gewöhnlich" darunter verstanden wird.
Die Frage kann meiner Meinung nach nicht lauten: "Kann ein bestimmter Mensch in einer bestimmter Situation eine andere Entscheidung treffen, als die durch die Anordnung der Materie in seinem Gehirn determinierte?", denn das bedeutet genau genommen nichts anderes als: Kann etwas anderes geschehen, als das, was geschieht? |
Kann ich das so interpretieren, dass deine Antwort "Nein" lauten würde?
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Die Frage muss lauten: kann der Mensch entscheiden, was er tut, (wobei ich einfach mal Entscheidungsfreiheit mit Willensfreiheit gleichsetze, denn das wird mE in der öffentlichen Diskussion meist getan), oder glaubt er nur, dass er entscheidet, was er tut? Ist seine als selbstbestimmt wahrgenommene Entscheidung immer eine pure Illusion, auf die er als Person keinen Einfluss hat? Oder anders gefragt: Tun wir, was wir wollen oder glauben wir immer nur nachträglich, das zu gewollt zu haben, was wir getan haben? |
Hm, das klingt, als redest du vom Libet-Experiment. Bei diesem Experiment wurde meines Wissens festgestellt, dass sich bereits ein Aktionspotential für eine Handlung aufbaute, bevor der Versuchsperson dieser Willen bewusst wurde.
Das scheint mir aber ein ganz anderes Problem zu sein.
Erstens ist es normal, dass unser Gehirn geringe zeitliche Abweichungen vor unserem Bewusstsein verbirgt. Meines Wissens ist das bei Sinneswahrnehmungen ständig so, z.B. lässt das Gehirn die taktile, visuelle und auditive Wahrnehmung eines Ereignisses synchron erscheinen, obwohl die Signallaufzeiten und die Vorverarbeitung unterschiedlich lang dauern. Hier zu sagen, die Gleichzeitigkeit wäre nur eine Illusion, mag zwar aus einer gewissen Perspektive stimmen, aber für die Richtigkeit unseres Empfindens hat das in etwa so viel Relevanz wie die Feststellung, das "rot" eigentlich nur eine Wellenlänge des Lichts ist.
Zweitens darf man nicht vergessen, dass die Entscheidung, den Arm heben zu wollen, von den Versuchspersonen bereits getroffen wurde, als ihnen der Experimentator die entsprechende Anweisung gab und sie sich dazu bereit erklärten. (Vielleicht könnte man sagen, das Bewusstsein habe das Unterbewusstsein "programmiert", zu einem späteren Zeitpunkt den Arm zu heben. Mir scheint, unser Unterbewusstsein setzt des öfteren Denkprozesse fort, die aus unserem Bewusstsein verschwunden sind, z.B. wenn wir versuchen uns an einen Namen zu erinnern und dieser später, wenn wir gar nicht mehr daran denken, plötzlich ins Bewusstsein "springt".)
Jedenfalls eignet sich das Experiment meiner Meinung nach nicht für die Schlussfolgerung, unsere Willensakte entstünden immer unterbewusst und unser Bewusstsein würde diesen Willen nur noch abnicken. Sicher trifft das manchmal zu, z.B. auf spontane Handlungen, aber eine Entscheidung, über die man längere Zeit nachgedenkt, wird sicher wesentlich von bewussten Denkprozessen geprägt.
Vielleicht hast du Recht und dieses Scheinproblem wird in der öffentlichen Debatte mit dem eigentlichen, für mich wesentlichen Problem vermengt.
Dieses wesentliche Problem ist die Feststellung, dass ein Mensch eben nicht "frei" ist, von äußeren Einflüssen unabhängige Entscheidungen zu treffen. Selbst wenn er eine Entscheidung wohl überlegt und relativ frei von gegenwärtiger Beeinflussung fällt, so ist sie dennoch ein zwangsläufiges Produkt aller vergangenen Erfahrungen, die dieser Mensch im Laufe seines Lebens gemacht hat.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
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(#400430) Verfasst am: 12.01.2006, 20:03 Titel: |
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@kolja
Erst mal vielen Dank für Deine ausführliche Antwort. Ich möchte diesmal nicht alles zitieren, ich finde, Du hast mal wieder sehr schön erklärt und ich bin eigentlich mit allem einverstanden. Ein paar Anmerkungen:
kolja hat folgendes geschrieben: | Wir können daher mit sehr großer Sicherheit sagen, das sich unser Gehirn weitestgehend berechenbar verhält. Das ist auch einleuchtend, denn würde es sich unberechenbar (zufällig) verhalten, dann wäre es als Mess- und Steuerungssystem für unseren Körper ziemlich unbrauchbar. |
Zustimmung. Was mich immer stört, ist wohl die umfassende Aussage: alles ist determiniert. Das geht mir zu weit und ich bin der Meinung, dass wir das nicht wissen können. So, wie Du das aber jetzt ausdrückst, kann ich voll und ganz zustimmen. Es spielt letztendlich keine Rolle, ob der Mesokosmos determiniert ist oder nicht. Wissenschaft und Technik funktionieren trotzdem, wie Du ja auch schön erklärt hast.
Es stört mich einfach nur, wenn sich jemand hinstellt und wie ein Glaubensbekenntnis die unbewiesene Behauptung aufstellt: alles ist determiniert. Ich habe grundsätzliche Probleme mit Glaubensbekenntnissen.
kolja hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Na schön, doch wieder die Willensfreiheit. Wir müssten wohl doch erst mal klären, was "gewöhnlich" darunter verstanden wird.
Die Frage kann meiner Meinung nach nicht lauten: "Kann ein bestimmter Mensch in einer bestimmter Situation eine andere Entscheidung treffen, als die durch die Anordnung der Materie in seinem Gehirn determinierte?", denn das bedeutet genau genommen nichts anderes als: Kann etwas anderes geschehen, als das, was geschieht? |
Kann ich das so interpretieren, dass deine Antwort "Nein" lauten würde? |
Puh, jetzt bin ich doch wieder etwas verwirrt, warum Du das fragst. Natürlich muss die Antwort "Nein" lauten, denn das es ist doch eine Tautologie, dass geschieht, was geschieht, oder etwa nicht?
kolja hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Die Frage muss lauten: kann der Mensch entscheiden, was er tut, (wobei ich einfach mal Entscheidungsfreiheit mit Willensfreiheit gleichsetze, denn das wird mE in der öffentlichen Diskussion meist getan), oder glaubt er nur, dass er entscheidet, was er tut? Ist seine als selbstbestimmt wahrgenommene Entscheidung immer eine pure Illusion, auf die er als Person keinen Einfluss hat? Oder anders gefragt: Tun wir, was wir wollen oder glauben wir immer nur nachträglich, das zu gewollt zu haben, was wir getan haben? |
Hm, das klingt, als redest du vom Libet-Experiment. |
Naja, das spielt eine Rolle, aber genau genommen spreche ich von der öffentlichen Diskussion darüber, die auch hier im Forum immer wieder gerne als Beleg gegen einen freien Willen ins Felde geführt wird, ohne aber genau zu erläutern, was eigentlich darunter verstanden wird.
kolja hat folgendes geschrieben: | [...] Jedenfalls eignet sich das Experiment meiner Meinung nach nicht für die Schlussfolgerung, unsere Willensakte entstünden immer unterbewusst und unser Bewusstsein würde diesen Willen nur noch abnicken. Sicher trifft das manchmal zu, z.B. auf spontane Handlungen, aber eine Entscheidung, über die man längere Zeit nachgedenkt, wird sicher wesentlich von bewussten Denkprozessen geprägt. |
Habe ich mal abgekürzt, kann man ja oben nachlesen. Ich finde, du hast das wieder sehr gut ausgedrückt und ich stimme mit Dir überein.
kolja hat folgendes geschrieben: | Vielleicht hast du Recht und dieses Scheinproblem wird in der öffentlichen Debatte mit dem eigentlichen, für mich wesentlichen Problem vermengt.
Dieses wesentliche Problem ist die Feststellung, dass ein Mensch eben nicht "frei" ist, von äußeren Einflüssen unabhängige Entscheidungen zu treffen. Selbst wenn er eine Entscheidung wohl überlegt und diese relativ frei von gegenwärtiger Beeinflussung fällt, so ist sie dennoch ein zwangsläufiges Produkt aller vergangenen Erfahrungen, die dieser Mensch im Laufe seines Lebens gemacht hat. |
Ja, die öffentliche Debatte ist doch etwas weitgehender, als das, was Du oben erläutert hast und bei dem ich Dir zustimme.
Beispiel:
Freier Wille unter Neuronenfeuer hat folgendes geschrieben: | Das Gefühl trügt: Man fühlt sich frei, aber man ist es nicht. In unzähligen Experimenten haben Forscher nachgewiesen, dass Erregungszustände im Gehirn schon eine Handlung ankündigen, noch bevor der Mensch sich bewusst ist, dass er überhaupt handeln will. |
Mit den "unzähligen Experimenten" ist wohl Libet gemeint. Übertreibung gehört wohl manchmal zum Geschäft der Journalisten. Weiter geht's:
Freier Wille unter Neuronenfeuer hat folgendes geschrieben: | Geist und Bewusstsein indes unterliegen physiologischen, chemischen und physikalischen Gesetzmässigkeiten. "Alles", erklärte Wolf Singer am gestrigen Donnerstagabend auf einer Diskussionsveranstaltung des Max-Planck-Forums in Berlin, "beruht auf neuronalen Aktivitäten -- worauf sonst?". Das Wollen, Denken und Verhalten werden von limbischen Gehirnsystemen gesteuert, die grundsätzlich unbewusst arbeiten und die dem bewussten Ich kaum zugänglich sind.
"Die Idee eines freien menschlichen Willens ist mit wissenschaftlichen Überlegungen prinzipiell nicht zu vereinbaren", meint auch Wolfgang Prinz. Die Vorstellung der Willensfreiheit sei lediglich ein soziales Konstrukt; tatsächlich werde das individuelle Verhalten unbewusst determiniert: "Wir tun nicht, was wir wollen, sondern wir wollen, was wir tun". Was scheinbar als freie Willensentscheidung daherkommt, sei nichts anderes als das nachträgliche Ratifizieren einer Entscheidung, die das Gehirn in der gegebenen Situation schon längst getroffen hat. |
Da ist sie, die Behauptung: "Wir tun nicht, was wir wollen, sondern wir wollen, was wir tun". Das kann ich (noch?) nicht einsehen, denn die Argumente dafür (nicht nur in diesem zusammenfassenden Artikel - ich habe schon einiges darüber gelesen) sind mMn nicht besonders zwingend. Vielleicht ist es einfach eine journalistische Übertreibung, die aber meinem Eindruck nach unglücklicherweise hier im Forum von vielen unkritisch nachgeplappert wird (damit meine ich natürlich nicht Dich).
Dieser Artikel wird hier im Forum öfter ausschnittsweise zitiert und es wird dann immer so getan, als ob eine übergeordnete unhinterfragbare Wahrheit (das sind Wissenschaftler- wow!) offenbart würde. Das stört mich, gebe ich offen zu.
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
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(#400886) Verfasst am: 13.01.2006, 20:25 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | Wir können daher mit sehr großer Sicherheit sagen, das sich unser Gehirn weitestgehend berechenbar verhält. |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Zustimmung. Was mich immer stört, ist wohl die umfassende Aussage: alles ist determiniert. Das geht mir zu weit und ich bin der Meinung, dass wir das nicht wissen können. |
Tja, die Determinismus-Debatte können wir wohl abhaken, wir haben uns scheinbar falsch verstanden. Du dachtest vermutlich, ich würde dogmatisch einen universellen Determinismus vertreten, und ich habe bei dir vermutet, du würdest den "freien Willen" mit einer prinzipiellen Erkenntnisgrenze schützen wollen.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Puh, jetzt bin ich doch wieder etwas verwirrt, warum Du das fragst. Natürlich muss die Antwort "Nein" lauten, denn das es ist doch eine Tautologie, dass geschieht, was geschieht, oder etwa nicht? |
Die Frage hat sich wohl erledigt.
Aber zur Erläuterung: Für mich ist ein Verfechter des "freien Willens" jemand, der darauf besteht, dass ein Mensch in einer Entscheidungssituation auch von selbst anders handeln könnte (hätte anders handeln können), als er letztendlich handelt (gehandelt hat). Das halte ich für Unsinn. Mir kommt es so vor, als hielten diese Menschen ihr Bewusstsein für eine Art nicht-materiellen Dirigenten, der sich des Gehirns bedient, um Gedächtnisinhalte abzurufen, Entscheidungen zu treffen und Handlungen auszulösen, ohne materiellen Zwängen unterworfen zu sein.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Da ist sie, die Behauptung: "Wir tun nicht, was wir wollen, sondern wir wollen, was wir tun". Das kann ich (noch?) nicht einsehen, denn die Argumente dafür (nicht nur in diesem zusammenfassenden Artikel - ich habe schon einiges darüber gelesen) sind mMn nicht besonders zwingend. |
Ich denke, in diesem Zitat geht es wieder um den unbewussten Handlumgsimpuls, den wir als unseren Willen betrachten, obwohl wir diese Entscheidung nicht bewusst reflektiert haben. Wir machen sie uns quasi nachträglich zu eigen, um ein konsistentes Selbstbild zu wahren, evtl. erfinden wir sogar eine passende Erklärung. (Ehrlich gesagt finde ich diese Erkenntnis nicht überraschend, wer sich selbst aufmerksam beobachtet, kann dies auch ohne Hirnforschung bemerken.)
Wie ich in meinem letzten Beitrag bereits ausgeführt habe, denke ich nicht, dass unser Wille ausschließlich auf diese Weise zustandekommt, und ich glaube auch nicht, das irgendein Hirnforscher das behaupten würde. Allerdings scheint mir das Gewicht, dass den bewussten Entscheidungen zukommt, geringer zu sein, als der eine oder andere blauäugig annimmt, und vielleicht wurde die plakative und nicht differenzierende Formulierung deswegen gewählt. (Unser Bewusstsein ist nur eine sehr dünne Decke, aber es ist dem Unterbewusstsein nicht hilflos ausgeliefert: ich meine, man kann seine unbewussten Verhaltensmuster erkennen und umtrainieren oder sich zumindest darauf einstellen und somit das Gewicht zugunsten der bewussten Entscheidungen verschieben.)
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Vielleicht ist es einfach eine journalistische Übertreibung, die aber meinem Eindruck nach unglücklicherweise hier im Forum von vielen unkritisch nachgeplappert wird (damit meine ich natürlich nicht Dich). Dieser Artikel wird hier im Forum öfter ausschnittsweise zitiert und es wird dann immer so getan, als ob eine übergeordnete unhinterfragbare Wahrheit (das sind Wissenschaftler- wow!) offenbart würde. Das stört mich, gebe ich offen zu. |
Dann werfe ich mal einen Artikel von Wolf Singer in die Runde, der im Feuilleton der FAZ erschienen ist. Seine dortigen Ausführungen sind viel differenzierter als der von dir kritisierte Artikel, und ich denke, ich kann mich dem dort Gesagten anschließen.
Was der so schreibt erscheint mir übrigens durchweg empfehlenswert.
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