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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
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(#566906) Verfasst am: 17.09.2006, 22:57 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ich sehe den Menschen als eigenverantwortliches Wesen, dessen Handlungen maßgeblich durch ihn selber bestimmt werden. Für diese seine eigenen Handlungen kann er zur Rechenschaft gezogen werden, für Handlungen jedoch, die er nicht maßgeblich beeinflussen kann, darf er nicht zur Verantwortung gezogen werden. Ist er für seine Handlungen verantwortlich und begeht er eine Handlung, die festgelegten Normen der Gesellschaft entgegensteht, dann ist es keine Verzweckung, wenn er dafür bestraft wird, denn er hätte die Bestrafung durch anderes Handeln abwenden können. |
Nur fürs Protokoll: dies ist ein inkompatibilistischer Freiheitsbegriff, leugnen zwecklos.
kolja hat folgendes geschrieben: | Ich sagte nichts von der Sinnhaftigkeit von Strafen, sondern von der Notwendigkeit von Strafen für einen bestimmten Zweck. Meine Aussage war: die Erkenntnis, dass man nicht ohne Strafen auskommt, ist (Dein) Motiv für die Konstruktion/Verteidigung einer Legitimation. |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Oh. Natürlich bräuchte man keine Legitimation für Strafen, wenn man Strafen grundsätzlich ablehnen würde. Das habe ich aber, glaube ich, schon mal gesagt. |
Wie darf ich das interpretieren?
Dass Du Dich weigerst, Dein Motiv zu nennen, warum Du strafen möchtest?
Dass Du prinzipiell bereit bist zu strafen, ohne das bei Dir irgend ein Motiv vorliegen muss?
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Die Reihenfolge bei einer Bestrafung muss übrigens mMn immer noch folgende sein: erst Legitimation der Strafe und danach erst eine Überlegung über einen möglichen Sinn und Zweck der Strafe. |
Ja, so läuft es in Deiner Binnenlogik bei der Einzelfallbetrachtung. Hat aber nix damit zu tun, aufgrund welchen Motivs Du Strafe forderst.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Wenn man den Begriff Schuld ablehnt, dann gibt es aber übrigens immer noch Unschuldige. Alle sind dann nämlich unschuldig, d.h der Grundsatz "keine Strafe ohne Schuld" kann dann immer noch angewendet werden. |
Wäre ich ein Sprachkritiker wie Du, dann würde ich hier antworten: wenn man den Begriff Schuld ablehnt, dann gibt es weder Schuldige noch Unschuldige. So aber halte ich die Klappe.
kolja hat folgendes geschrieben: | [...] als Beschreibung des negativen Gefühls, welches Menschen empfinden, wenn sie sich vorstellen, Normverstöße zu begehen. Interpretiere es im Lichte meiner Erörterungen zur Wechselwirkung zwischen Cortex (Bewusstsein) und limbischen System (unbewusst-emotionales Bewertungssystem). |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ich verstehe es immer noch nicht. Warum sollte es "normal" sein, dass ein Mensch Gewissensbisse bei Normverletzungen hat? Ist es mMn keineswegs. Es gibt kein "Normgewissen". |
Interessant, dass Du es Gewissen nennst. Kommt mir sehr entgegen.
Ich würde schon sagen, dass es sowas wie ein Normgewissen gibt, im Sinne eines gesellschaftlichen Durchschnitts, eines Minimalkonsens. Immerhin wird eine erdrückende Mehrheit nicht zu Bankräubern und Mördern, und ich glaube kaum, dass die sich alle bewusst-rational dafür entscheiden, nicht zu rauben und nicht zu morden ...
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Worauf willst Du hinaus? |
Hat ein Mensch ohne Normgewissen die prinzipielle Fähigkeit, normgerecht zu handeln?
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Was soll eigentlich diese dauernde Unterscheidung zwischen Gesellschafts- und Individualinteressen, so dass man sich dann als Beschützer des Menschen gegenüber der dunklen, anonymen Masse Gesellschaft, deren Interesse er nicht geopfert werden darf, aufspielen kann? Die Gesellschaft hat überhaupt keine Interessen. Es geht immer um die Interessen einer konkreten Person, die gegenüber den Interessen einer anderen Person abgewogen werden müssen. Man könnte es höchstens "Gesellschaftsinteressen" nennen, wenn es sich um Interessen einer deutlichen Bevölkerungsmehrheit handelt. Dann wäre der Grundsatz "Keine Strafe ohne Schuld" aber eines der höchsten Gesellschaftsinteressen, es wäre also völlig falsch zu sagen, dass dieser das Individuum vor den Interessen der Gesellschaft schützen würde. |
Naja, es schützt die unschuldigen Individuen vor den Interessen der anderen unschuldigen Individuen / der Gesellschaft.
Ansonsten:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Macht es bei einem verursachten Todesfall einen Unterschied, ob dieser absichtlich oder versehentlich (Unfall) verursacht wurde? |
Natürlich. Wir erfahren wir etwas über die zukünftige Gefährdung, die von dieser Person ausgeht.
_________________ Hard work often pays off after time, but laziness always pays off now.
Zuletzt bearbeitet von kolja am 17.09.2006, 23:01, insgesamt einmal bearbeitet |
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#566914) Verfasst am: 17.09.2006, 23:01 Titel: |
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Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ist ein Mensch dMn für seine willentlichen Handlungen verantwortlich oder nicht? |
Ich denke, wenn Du das Wort "verantwortlich" klar definierst, beantwortet sich die Frage auf jeden Fall von selbst. |
Wikipedia: Verantwortung hat folgendes geschrieben: | Verantwortung stellt das menschliche Handeln in kausale Zusammenhänge. Diese sind z. B. temporaler, sozialer oder religiöser Natur. Innerhalb eines Verantwortungsbereiches folgen aus dem Handeln Konsequenzen in Gestalt von Erfolg, Misserfolg, Ruhm oder Schuld. [...]
Aus der Soziologie kommt der Hinweis, dass Verantwortung nur Sinn ergibt im Rahmen einer Ungewißheit, d.h. dass künftige Entwicklungen oder Handlungsfolgen vorab nicht planbar sind. Erst in diesem Zustand von Kontingenz könne Verantwortung zur Geltung kommen.
Damit erweist sich die oft vorgenommene Vermischung der Begriffe Verantwortung und Schuld als inkorrekt, weil das Vorliegen von Schuld voraussetzt, dass die handelnde Person vorsätzlich oder fahrlässig gegen bestehende Normen verstößt, während Verantwortung auch dann geltend gemacht werden kann, wenn als korrekt angesehenes Handeln (ganz gleich, auf Grund welcher Umstände) negative Folgen nach sich zieht. |
Verantwortung ist nicht gleich Schuld, aber es kann keine Schuld geben, wenn es keine Verantwortung gibt.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Macht es bei einem verursachten Todesfall einen Unterschied, ob dieser absichtlich oder versehentlich (Unfall) verursacht wurde? |
Einen Unterschied in Bezug auf was? Für die Bestrafung? Dann natürlich ja. |
Einen Unterschied in der Bewertung der Tat.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#566928) Verfasst am: 17.09.2006, 23:21 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ich sehe den Menschen als eigenverantwortliches Wesen, dessen Handlungen maßgeblich durch ihn selber bestimmt werden. Für diese seine eigenen Handlungen kann er zur Rechenschaft gezogen werden, für Handlungen jedoch, die er nicht maßgeblich beeinflussen kann, darf er nicht zur Verantwortung gezogen werden. Ist er für seine Handlungen verantwortlich und begeht er eine Handlung, die festgelegten Normen der Gesellschaft entgegensteht, dann ist es keine Verzweckung, wenn er dafür bestraft wird, denn er hätte die Bestrafung durch anderes Handeln abwenden können. |
Nur fürs Protokoll: dies ist ein inkompatibilistischer Freiheitsbegriff, leugnen zwecklos. |
Du meinst, es ist einem Menschen nicht möglich, sich für oder gegen eine Handlung zu entscheiden?
kolja hat folgendes geschrieben: | kolja hat folgendes geschrieben: | Ich sagte nichts von der Sinnhaftigkeit von Strafen, sondern von der Notwendigkeit von Strafen für einen bestimmten Zweck. Meine Aussage war: die Erkenntnis, dass man nicht ohne Strafen auskommt, ist (Dein) Motiv für die Konstruktion/Verteidigung einer Legitimation. |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Oh. Natürlich bräuchte man keine Legitimation für Strafen, wenn man Strafen grundsätzlich ablehnen würde. Das habe ich aber, glaube ich, schon mal gesagt. |
Wie darf ich das interpretieren?
Dass Du Dich weigerst, Dein Motiv zu nennen, warum Du strafen möchtest?
Dass Du prinzipiell bereit bist zu strafen, ohne das bei Dir irgend ein Motiv vorliegen muss? |
Mein Motiv, weswegen ich Strafen befürworte und mir Überlegungen zur Legitimation mache, ist natürlich, dass eine Gesellschaft mMn nicht ohne Strafen für Normverletzungen auskommt. Könnte die Gesellschaft ohne Strafen auskommen, dann wären sie unnötig.
Also, nochmal: Strafen müssen einen Zweck haben. Aber dieser Zweck darf nur zum Tragen kommen, wenn die Strafe legitimiert ist.
kolja hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Wenn man den Begriff Schuld ablehnt, dann gibt es aber übrigens immer noch Unschuldige. Alle sind dann nämlich unschuldig, d.h der Grundsatz "keine Strafe ohne Schuld" kann dann immer noch angewendet werden. |
Wäre ich ein Sprachkritiker wie Du, dann würde ich hier antworten: wenn man den Begriff Schuld ablehnt, dann gibt es weder Schuldige noch Unschuldige. So aber halte ich die Klappe. |
Oh, wenn es weder Schuldige noch Unschuldige gibt, wenn man den Begriff komplett als sinnlos ablehnt, dann wird auch der Satz "keine Strafe ohne Schuld" gleichzeitig hinfällig und sinnlos.
kolja hat folgendes geschrieben: | Ich würde schon sagen, dass es sowas wie ein Normgewissen gibt, im Sinne eines gesellschaftlichen Durchschnitts, eines Minimalkonsens. Immerhin wird eine erdrückende Mehrheit nicht zu Bankräubern und Mördern, und ich glaube kaum, dass die sich alle bewusst-rational dafür entscheiden, nicht zu rauben und nicht zu morden ... |
Das ist etwas anderes. Natürlich gibt es einen gesellschaftlichen Konsens. Aber diesen Konsens tragen nicht unbedingt alle mit.
Ich hatte Dich so verstanden, als meintest Du, es gäbe eine folgerichtige Entwicklung dahin, dass ein "richtiger" Mensch mit "richtig" ausgebildeter Persönlichkeit ein "Normgewissen" haben müsste. War wohl ein Missverständnis.
kolja hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Worauf willst Du hinaus? |
Hat ein Mensch ohne Normgewissen die prinzipielle Fähigkeit, normgerecht zu handeln? |
Sicher. Wenn es keine äußeren oder inneren Zwänge gibt.
kolja hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Macht es bei einem verursachten Todesfall einen Unterschied, ob dieser absichtlich oder versehentlich (Unfall) verursacht wurde? |
Natürlich. Wir erfahren wir etwas über die zukünftige Gefährdung, die von dieser Person ausgeht. |
Nun gut. Dann an Dich auch die Frage zur Bewertung dieses Beispieles, welches daraufhin hinauszielt, dass eine zukünftige Gefährdung aller Wahrscheinlichkeit nicht mehr gegeben ist:
AgentProvocateur woanders hat folgendes geschrieben: | Nehmen wir zwei Männer, die beide das gleiche unter vergleichbaren Umständen getan haben, nämlich Geld unterschlagen. Der Unterschied ist nun, dass der eine kurz vor der Gerichtsverhandlung zufällig sehr viel Geld im Lotto gewinnt. Man kann nun davon ausgehen, dass er in Zukunft keine Unterschlagungen mehr begehen wird, da er das ja nicht mehr nötig hat. Eine Spezialprävention ist also bei ihm nicht mehr notwendig. Auch eine negative Generalprävention ist nicht mehr unbedingt gegeben, denn wenn die Begründung für den Freispruch lauten würde, dass keine Straftaten in dieser Richtung mehr zu erwarten seien, da er ja nun reich sei, würde niemand in ähnlicher Situation darauf spekulieren, nach der Tat plötzlich zu Geld zu kommen. |
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Deus ex Machina registrierter User
Anmeldungsdatum: 14.03.2006 Beiträge: 789
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(#566940) Verfasst am: 17.09.2006, 23:35 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ist ein Mensch dMn für seine willentlichen Handlungen verantwortlich oder nicht? |
Ich denke, wenn Du das Wort "verantwortlich" klar definierst, beantwortet sich die Frage auf jeden Fall von selbst. |
Wikipedia: Verantwortung hat folgendes geschrieben: | Verantwortung stellt das menschliche Handeln in kausale Zusammenhänge. Diese sind z. B. temporaler, sozialer oder religiöser Natur. Innerhalb eines Verantwortungsbereiches folgen aus dem Handeln Konsequenzen in Gestalt von Erfolg, Misserfolg, Ruhm oder Schuld. [...] |
Verantwortung ist nicht gleich Schuld, aber es kann keine Schuld geben, wenn es keine Verantwortung gibt. |
In einem bestimmten Kontext macht der Begriff natürlich Sinn, z.B. ist der Türsteher dafür verantwortlich, dass niemand in gegen die Kleiderordnung verstossendem Outfit das Lokal betritt. Ich weiss aber immer noch nicht, wie ich ihn in Deiner allgemein gestellten Frage verstehen soll.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Macht es bei einem verursachten Todesfall einen Unterschied, ob dieser absichtlich oder versehentlich (Unfall) verursacht wurde? |
Einen Unterschied in Bezug auf was? Für die Bestrafung? Dann natürlich ja. |
Einen Unterschied in der Bewertung der Tat. |
Ich verstehe auch immer noch nicht, worauf Du hinauswillst. In was für einer Bewertung? Es macht natürlich einen Unterschied in Bezug auf die Frage, welche Massnahmen man auf den "Täter" anwenden soll. Hier gilt es nämlich, demjenigen, der die Tat absichtlich begangen hat, die zur Abschreckung ausgeschriebene Strafe zukommen zu lassen, um diese glaubwürdig zu halten, man kann weiterhin davon ausgehen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass er wieder einmal jemanden töten wird, signifikant höher ist, als bei dem versehentlichen, was entsprechende spezialpräventive Massnahmen ins Auge fassen lässt.
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
Wohnort: NRW
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(#566954) Verfasst am: 18.09.2006, 00:11 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | denn er hätte die Bestrafung durch anderes Handeln abwenden können. |
kolja hat folgendes geschrieben: | Nur fürs Protokoll: dies ist ein inkompatibilistischer Freiheitsbegriff, leugnen zwecklos. |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Du meinst, es ist einem Menschen nicht möglich, sich für oder gegen eine Handlung zu entscheiden? |
Das ist eine andere Aussage.
Ich sage nicht rückblickend: "dieser Mensch hätte auch anders handeln können". Das stimmt erwiesenermaßen nicht. Selbst kompatibilistische Philosophen lehnen diese Aussage ehrlicherweise ab.
Ich sage aber mit Blick auf die Zukunft: "dieser Mensch kann sich so oder anders entscheiden". Damit drücke ich aus, dass ich nicht weiß, wie er sich entscheiden wird, oder dass ich diesen Menschen zum Nachdenken über seine Entscheidung motivieren will.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Mein Motiv, weswegen ich Strafen befürworte und mir Überlegungen zur Legitimation mache, ist natürlich, dass eine Gesellschaft mMn nicht ohne Strafen für Normverletzungen auskommt. |
Gut, damit haben wir festgehalten, das Du letztlich für ein Gesellschaftsinteressen die Grundrechte von Individuen einschränken möchtest. Nur von schuldigen Individuen, selbstredend.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Wenn man den Begriff Schuld ablehnt, dann gibt es aber übrigens immer noch Unschuldige. Alle sind dann nämlich unschuldig, d.h der Grundsatz "keine Strafe ohne Schuld" kann dann immer noch angewendet werden. |
kolja hat folgendes geschrieben: | Wäre ich ein Sprachkritiker wie Du, dann würde ich hier antworten: wenn man den Begriff Schuld ablehnt, dann gibt es weder Schuldige noch Unschuldige. So aber halte ich die Klappe. |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Oh, wenn es weder Schuldige noch Unschuldige gibt, wenn man den Begriff komplett als sinnlos ablehnt, dann wird auch der Satz "keine Strafe ohne Schuld" gleichzeitig hinfällig und sinnlos. |
Ja, es ist schon ein Dilemma, in welches man da erstmal gerät. Aber kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Mein ethisches Empfinden sagt mir jedenfalls: jede Strafe ist ein Übel, denn keiner konnte anders als er ist. Also nur noch soviel strafen, wie zur Verhinderung des Untergangs des Abendlandes unbedingt nötig ist - tendenziell weniger als in Deinem System. Den Schwerpunkt lagen auf Besserung statt Strafe, sowie auf Prävention.
kolja hat folgendes geschrieben: | Ich würde schon sagen, dass es sowas wie ein Normgewissen gibt, im Sinne eines gesellschaftlichen Durchschnitts, eines Minimalkonsens. Immerhin wird eine erdrückende Mehrheit nicht zu Bankräubern und Mördern, und ich glaube kaum, dass die sich alle bewusst-rational dafür entscheiden, nicht zu rauben und nicht zu morden ... |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Das ist etwas anderes. Natürlich gibt es einen gesellschaftlichen Konsens. Aber diesen Konsens tragen nicht unbedingt alle mit. |
Aber eine erdrückende Mehrheit, sonst wäre es nicht der Konsens.
kolja hat folgendes geschrieben: | Hat ein Mensch ohne Normgewissen die prinzipielle Fähigkeit, normgerecht zu handeln? |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Sicher. Wenn es keine äußeren oder inneren Zwänge gibt. |
Wie genau soll das aussehen? Bewusste Abwägung? In jeder Abwägung spielen die erfahrungsgeprägten unbewusst-emotionalen Bewertungen die entscheidende Rolle, es gibt gar keine rein rationalen Entscheidungen.
AgentProvocateur woanders hat folgendes geschrieben: | Nehmen wir zwei Männer, die beide das gleiche unter vergleichbaren Umständen getan haben, nämlich Geld unterschlagen. Der Unterschied ist nun, dass der eine kurz vor der Gerichtsverhandlung zufällig sehr viel Geld im Lotto gewinnt. Man kann nun davon ausgehen, dass er in Zukunft keine Unterschlagungen mehr begehen wird, da er das ja nicht mehr nötig hat. Eine Spezialprävention ist also bei ihm nicht mehr notwendig. Auch eine negative Generalprävention ist nicht mehr unbedingt gegeben, denn wenn die Begründung für den Freispruch lauten würde, dass keine Straftaten in dieser Richtung mehr zu erwarten seien, da er ja nun reich sei, würde niemand in ähnlicher Situation darauf spekulieren, nach der Tat plötzlich zu Geld zu kommen. |
Wenn jemand Geld unterschlagen hat, dann sollte man ihm erstmal die Verantwortung für Geld oder andere gemeinsam erwirtschaftete Werte entziehen. Für den entstandenen Schaden sollten sie in einem Maße aufkommen, wodurch sie nicht persönlich ruinert werden. Das würde übrigens für beide Männer gelten.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#566958) Verfasst am: 18.09.2006, 00:26 Titel: |
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Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Macht es bei einem verursachten Todesfall einen Unterschied, ob dieser absichtlich oder versehentlich (Unfall) verursacht wurde? |
Einen Unterschied in Bezug auf was? Für die Bestrafung? Dann natürlich ja. |
Einen Unterschied in der Bewertung der Tat. |
Ich verstehe immer noch nicht, worauf Du hinauswillst. In was für einer Bewertung? Es macht natürlich einen Unterschied in Bezug auf die Frage, welche Massnahmen man auf den "Täter" anwenden soll. Hier gilt es nämlich, demjenigen, der die Tat absichtlich begangen hat, die zur Abschreckung ausgeschriebene Strafe zukommen zu lassen, um diese glaubwürdig zu halten, man kann weiterhin davon ausgehen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass er wieder einmal jemanden töten wird, signifikant höher ist, als bei dem versehentlichen, was entsprechende spezialpräventive Massnahmen ins Auge fassen lässt. |
Wird die Handlung des absichtlich Tötenden schlimmer bewertet als die Handlung des Unfallverursachers? Oder enthält man sich komplett der Wertung und richtet die Maßnahme nur nach der wahrscheinlichen Spezial- und Generalprävention aus? Ergibt sich die höhere Strafe also durch die Bewertung der Tat oder ergibt sie sich ausschließlich aus den erwarteten Erfolgen bei der Spezial- und Generalprävention? Und wenn letzteres, dürfte man dann jemanden mit einer als weniger schlimm bewerteten Tat härter bestrafen als jemanden, der eine als schlimm bewertete Tat begangen hat, wenn sich das für die Spezial- und Generalprävention als günstig erweisen würde? Oder gehst Du davon aus, dass ein solcher Fall prinzipiell nicht vorkommen könnte? Wenn ja, warum?
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#566969) Verfasst am: 18.09.2006, 01:24 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | denn er hätte die Bestrafung durch anderes Handeln abwenden können. |
kolja hat folgendes geschrieben: | Nur fürs Protokoll: dies ist ein inkompatibilistischer Freiheitsbegriff, leugnen zwecklos. |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Du meinst, es ist einem Menschen nicht möglich, sich für oder gegen eine Handlung zu entscheiden? |
Das ist eine andere Aussage.
Ich sage nicht rückblickend: "dieser Mensch hätte auch anders handeln können". Das stimmt erwiesenermaßen nicht. Selbst kompatibilistische Philosophen lehnen diese Aussage ehrlicherweise ab. |
Rückblickend kann man nicht anders handeln. Nur dann, wenn es andere Umstände gegeben hätte.
kolja hat folgendes geschrieben: | Ich sage aber mit Blick auf die Zukunft: "dieser Mensch kann sich so oder anders entscheiden". Damit drücke ich aus, dass ich nicht weiß, wie er sich entscheiden wird, oder dass ich diesen Menschen zum Nachdenken über seine Entscheidung motivieren will. |
Heißt: man hat Handlungsoptionen, für die man sich entscheiden kann. Man kann aber sich nicht für etwas anderes entscheiden, als für das, für das man sich letztlich entscheidet. Na und? Tautologie. Das bedeutet doch nicht, dass meine Entscheidung nicht meine Entscheidung ist. Ich habe mich für genau eine der Handlungsoptionen entschieden und wenn ich bei klarem Verstand war und nicht zwanghaft gehandelt habe, dann ist mir diese Entscheidung zuzuordnen und ich bin für sie verantwortlich.
kolja hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Mein Motiv, weswegen ich Strafen befürworte und mir Überlegungen zur Legitimation mache, ist natürlich, dass eine Gesellschaft mMn nicht ohne Strafen für Normverletzungen auskommt. |
Gut, damit haben wir festgehalten, das Du letztlich für ein Gesellschaftsinteressen die Grundrechte von Individuen einschränken möchtest. Nur von schuldigen Individuen, selbstredend. |
Ja, selbstverständlich. Da hätten wir nicht so lange darüber reden müssen, das habe ich doch schon mehrmals explizit gesagt, z.B. hier. Mir ist es dabei aber eben wichtig, die Rechte des Individuums zu berücksichtigen. Wenn man aber sagt, zur Verhängung einer Strafe reicht es schon aus, wenn dies im Interesse der Gesellschaft ist, dann berücksichtigt man die Rechte des Einzelnen damit nicht. Wollte man dies anderweitig als über das Konstrukt "Schuld" tun, müsste man das auch explizit darlegen.
kolja hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Oh, wenn es weder Schuldige noch Unschuldige gibt, wenn man den Begriff komplett als sinnlos ablehnt, dann wird auch der Satz "keine Strafe ohne Schuld" gleichzeitig hinfällig und sinnlos. |
Ja, es ist schon ein Dilemma, in welches man da erstmal gerät. Aber kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken. Mein ethisches Empfinden sagt mir jedenfalls: jede Strafe ist ein Übel, denn keiner konnte anders als er ist. Also nur noch soviel strafen, wie zur Verhinderung des Untergangs des Abendlandes unbedingt nötig ist - tendenziell weniger als in Deinem System. Den Schwerpunkt lagen auf Besserung statt Strafe, sowie auf Prävention. |
Ich kenne Dein System nicht, daher kann ich erst mal nicht viel dazu sagen. Jedoch fehlt mir einfach in Deinem System eine klare Aussage darüber, wann überhaupt Strafen zulässig sein sollen, d.h. welche Voraussetzungen für eine Strafe gegeben sein müssen.
Nehmen wir mal diesen Satz: "keiner konnte anders als er ist". Folgerst Du eigentlich daraus, dass Du prinzipiell eine Handlung eines Menschen nicht bewertest? Anders gefragt: würdest Du jemandem etwas übel nehmen, was er gemacht hat oder sagst Du Dir dann immer: "er kann ja eigentlich nichts dafür"? Falls Du bewertest: machst Du dabei einen Unterschied, je nachdem, ob der Mensch etwas absichtlich oder versehentlich gemacht hat?
kolja hat folgendes geschrieben: | kolja hat folgendes geschrieben: | Hat ein Mensch ohne Normgewissen die prinzipielle Fähigkeit, normgerecht zu handeln? |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Sicher. Wenn es keine äußeren oder inneren Zwänge gibt. |
Wie genau soll das aussehen? Bewusste Abwägung? In jeder Abwägung spielen die erfahrungsgeprägten unbewusst-emotionalen Bewertungen die entscheidende Rolle, es gibt gar keine rein rationalen Entscheidungen. |
Nein, gibt es nicht, muss es auch nicht. Die Entscheidung muss lediglich der Persönlichkeit entsprechen. Natürlich gehören dazu auch die "erfahrungsgeprägten unbewusst-emotionalen Bewertungen".
kolja hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur woanders hat folgendes geschrieben: | Nehmen wir zwei Männer, die beide das gleiche unter vergleichbaren Umständen getan haben, nämlich Geld unterschlagen. Der Unterschied ist nun, dass der eine kurz vor der Gerichtsverhandlung zufällig sehr viel Geld im Lotto gewinnt. Man kann nun davon ausgehen, dass er in Zukunft keine Unterschlagungen mehr begehen wird, da er das ja nicht mehr nötig hat. Eine Spezialprävention ist also bei ihm nicht mehr notwendig. Auch eine negative Generalprävention ist nicht mehr unbedingt gegeben, denn wenn die Begründung für den Freispruch lauten würde, dass keine Straftaten in dieser Richtung mehr zu erwarten seien, da er ja nun reich sei, würde niemand in ähnlicher Situation darauf spekulieren, nach der Tat plötzlich zu Geld zu kommen. |
Wenn jemand Geld unterschlagen hat, dann sollte man ihm erstmal die Verantwortung für Geld oder andere gemeinsam erwirtschaftete Werte entziehen. Für den entstandenen Schaden sollten sie in einem Maße aufkommen, wodurch sie nicht persönlich ruinert werden. Das würde übrigens für beide Männer gelten. |
Wahrscheinlich wird man sie nicht wieder als Kassierer einsetzen wollen, jedoch wird die Entscheidung darüber wohl kaum von staatlicher Seite gefällt werden können. Auch das unterschlagene Geld müssen sie selbstverständlich wieder zurückgeben. Verstehe ich das richtig, dass dies dMn schon ausreicht und Du weitergehende Sanktionen ablehnen würdest?
Nehmen wir an, es hätte sich herausgestellt, dass eine solche Regelung eine enorme Zunahme von Unterschlagungen zur Folge hätte. Man müsste daher zur Abschreckung eine Gefängnisstrafe anordnen. Wie würdest Du dann in diesem Falle entscheiden?
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Deus ex Machina registrierter User
Anmeldungsdatum: 14.03.2006 Beiträge: 789
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(#567021) Verfasst am: 18.09.2006, 11:26 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Wird die Handlung des absichtlich Tötenden schlimmer bewertet als die Handlung des Unfallverursachers? |
Aus meiner subjektiven Sicht, ja. Aber archaische Rückschlagreflexe haben mE keine Rolle für die Rechtssprechung zu spielen.
Zitat: | Oder enthält man sich komplett der Wertung und richtet die Maßnahme nur nach der wahrscheinlichen Spezial- und Generalprävention aus? |
Dies sollte das Ziel des Strafrechtes sein, ja.
Zitat: | Ergibt sich die höhere Strafe also durch die Bewertung der Tat oder ergibt sie sich ausschließlich aus den erwarteten Erfolgen bei der Spezial- und Generalprävention? Und wenn letzteres, dürfte man dann jemanden mit einer als weniger schlimm bewerteten Tat härter bestrafen als jemanden, der eine als schlimm bewertete Tat begangen hat, wenn sich das für die Spezial- und Generalprävention als günstig erweisen würde? |
Prinzipiell ja, auch wenn mir dafür kein Beispiel einfallen will, bzw. würdest Du wohl bei allen Beispielen, die ich mir vorstellen kann, sagen, der Täter mit der als schlimmer eingeschätzten Tat sei hier halt nicht schuldfähig, wie z.B. bei einem Kind.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#567665) Verfasst am: 19.09.2006, 12:39 Titel: |
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Irgendwie drehen wir uns schon wieder im Kreis.
Dieses ewige Pseudo- Argument: es wird zum zukünftigen Zeitpunkt X genau das passieren, was dann passiert, ist zwar nicht falsch, aber was folgt daraus? Nichts, gar nicht, absolut gar nichts, nada, niente, rien. Denn was anderes als eine Tautologie ist das?
Das "Argument" hat übrigens nichts mit Determinismus zu tun. Ich verstehe nicht, warum es immer wieder damit vermischt wird, denn es ist doch vollkommen wurscht, ob der Determinismus wahr ist oder ob es auch Zufall gibt: morgen wird genau das passieren, was eben morgen passieren wird. Und das, was nicht passieren wird, wird nicht passieren. Man könnte meinetwegen, wenn man das unbedingt will, sagen: morgen muss das passieren, was passieren wird. Es gibt einfach keine denkbare Alternative dazu (unter der Voraussetzung, dass es ein morgen überhaupt gibt).
Daraus nun aber zu folgern, der Mensch hätte keine Möglichkeit gehabt, anders zu handeln, und sei daher nicht nicht für seine Handlungen verantwortlich und daher sei der Begriff "Schuld" sinnlos, ist mMn vollkommen abstrus.
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Blanka Xenophrasologiepreisträgerin 2007
Anmeldungsdatum: 22.09.2006 Beiträge: 1243
Wohnort: München
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(#573937) Verfasst am: 28.09.2006, 14:25 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Irgendwie drehen wir uns schon wieder im Kreis.
Dieses ewige Pseudo- Argument: es wird zum zukünftigen Zeitpunkt X genau das passieren, was dann passiert, ist zwar nicht falsch, aber was folgt daraus? Nichts, gar nicht, absolut gar nichts, nada, niente, rien. Denn was anderes als eine Tautologie ist das?
Das "Argument" hat übrigens nichts mit Determinismus zu tun. Ich verstehe nicht, warum es immer wieder damit vermischt wird, denn es ist doch vollkommen wurscht, ob der Determinismus wahr ist oder ob es auch Zufall gibt: morgen wird genau das passieren, was eben morgen passieren wird. Und das, was nicht passieren wird, wird nicht passieren. Man könnte meinetwegen, wenn man das unbedingt will, sagen: morgen muss das passieren, was passieren wird. Es gibt einfach keine denkbare Alternative dazu (unter der Voraussetzung, dass es ein morgen überhaupt gibt).
Daraus nun aber zu folgern, der Mensch hätte keine Möglichkeit gehabt, anders zu handeln, und sei daher nicht nicht für seine Handlungen verantwortlich und daher sei der Begriff "Schuld" sinnlos, ist mMn vollkommen abstrus. |
ui bravo, meine meinung. was hat das eine mit dem anderen zu tun ?
ist doch so : wenn man einen kognitiven rückschluss von determinie auf die relativierung des einzelnen und assoziierter begriffe wie "schuld" oder "verantwortung" machen will, muss man sich auch anschaulich ausserhalb des systems befinden um einen unabhängigen standpunkt zu haben, was sich aber natürlich verbietet. das ist wie zu fragen "was war vor dem urknall.." wenn man doch gute hinweise hat daß es ein "davor" vor der entstehung der zeit nicht geben kann. ebenso unsinnig natürlich eine absolute wahrheit erfragen zu wollen bezüglich der determiniertheit des universums. viele menschen erkennen nicht daß sie ähnliche muster im gehirn assoziieren und einen zusammenhang vermuten, dabei fallen sie nur auf einen flüchtigkeitsfehler des gehirns rein.
toller thread...habe mir viel rauskopiert für meine semesterarbeit
_________________ Am zweifelfreisten frei von Zweifeln sind stets die Verzweifelten !
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Johnnyboy Stück Scheiße
Anmeldungsdatum: 26.06.2005 Beiträge: 2562
Wohnort: Babylon
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(#573954) Verfasst am: 28.09.2006, 14:56 Titel: |
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Zitat: | ui bravo, meine meinung. was hat das eine mit dem anderen zu tun ? |
Nunja, wenn du Schuld absolut definierst - wie z.b. im christlichen Sündengedanken - dann wird zumindest diese Vorstellung von Schuld reichlich grotesk und sinnlos, vorallem wenn man bedenkt wie sinnentleert der Begriff Freiheit an sich ist, wenn man in ihm die Grundlage einer absoluten Moral verstehen will. Niemand entscheidet sich "frei" zwischen Erdbeereis und Bananeneis, sozusagen, sondern nach seinem Geschmack.
_________________ "Das Leben des Starken erfüllt seinen Sinn, das des Schwachen seinen Zweck".
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Blanka Xenophrasologiepreisträgerin 2007
Anmeldungsdatum: 22.09.2006 Beiträge: 1243
Wohnort: München
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(#574076) Verfasst am: 28.09.2006, 17:17 Titel: |
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Johnnyboy hat folgendes geschrieben: | Zitat: | ui bravo, meine meinung. was hat das eine mit dem anderen zu tun ? |
Nunja, wenn du Schuld absolut definierst - wie z.b. im christlichen Sündengedanken - dann wird zumindest diese Vorstellung von Schuld reichlich grotesk und sinnlos, vorallem wenn man bedenkt wie sinnentleert der Begriff Freiheit an sich ist, wenn man in ihm die Grundlage einer absoluten Moral verstehen will. Niemand entscheidet sich "frei" zwischen Erdbeereis und Bananeneis, sozusagen, sondern nach seinem Geschmack. |
das hab ich mir als kleines mädi schon gedacht daß das wohl relativ ist... erschreckend wie viele menschen auf der fehlenden erkenntnis der relativität ein ganzes leben lang einen intellekt aufzubauen glauben...
_________________ Am zweifelfreisten frei von Zweifeln sind stets die Verzweifelten !
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enpassant registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2005 Beiträge: 522
Wohnort: leipzig
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(#574081) Verfasst am: 28.09.2006, 17:20 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Irgendwie drehen wir uns schon wieder im Kreis.
Dieses ewige Pseudo- Argument: es wird zum zukünftigen Zeitpunkt X genau das passieren, was dann passiert, ist zwar nicht falsch, aber was folgt daraus? Nichts, gar nicht, absolut gar nichts, nada, niente, rien. Denn was anderes als eine Tautologie ist das? |
Na ja, Agent, eigentlich bist du es, der sich selbst im Kreise dreht, oder, anders formuliert, der zwar auf der einen Seite die umfassende Bedingtheit aller Geschehnisse durchaus klar erkennt - auf der anderen Seite aber (aus welchem Grund auch immer) vor der einzig folgerichtigen und zwingenden Konsequenz im Bezug auf menschliche Willensentscheidungen zurückschreckt wie der Teufel vor'm Weihwasser...
Und da logische Gründe für diese eigenartige hartnäckige Weigerung der unausweichlichen Konklusion aus den offen zu Tage liegenden Prämissen bei dir eher nicht in Frage kommen, kann ich nur auf mehr oder weniger religiös motivierte Ursachen schließen.
Das mache ich vor allem an den eigentümlichen Vorstellungen fest, die du mit den Begriffen "Verantwortlichkeit" und "Schuld" zu verbinden scheinst. Denn dass das Tun und Lassen eines Menschen von diesem ausgeht, besagt ja nicht, dass sie im Menschen irgendwie aus dem Nichts kämen. Sondern jede konkrete Willensentscheidung eines Menschen in einem ganz konreten Augenblick ist nichts anderes als die notwendige Folge aus den hinreichenden Ursachen, welche zu ihr und nur zu ihr geführt haben.
Dass ein Mensch in der besagten Situation die "Möglichkeit gehabt hätte, auch anders zu handeln", hat keine andere Bedeutung, als das etwa eine zu ebender Erde ruhende Kugel die "Möglichkeit" hat, außer vielleicht nach unten, sich in alle denkbaren Richtungen und mit jeder denkbaren Geschwindigkeit zu bewegen. Wie sie sich dann irgendwann bewegt, ist letztlich jedoch die notwendige Folge aus der hinreichenden Ursache etwa des Stoßes, der sie in Bewegung setzt.
Bestenfalls spielen also die Handlungsmöglichkeiten als eine von vielen Motivationen eine Rolle, indem sie in Denk- und Entscheidungsprozess mit einfließen - doch auch dieser Denk- und Entscheidungsprozess, so ungeheuer komplex und für das menschliche Bewusstsein nie ganz durchschaubar er auch sein mag, kann nicht anders beschrieben werden als vollständig und umfassend eingebunden in Bedingtheit von hinreichenden Ursachen und notwendigen Folgen.
Darum auch ist die Formulierung, dass ein z.B. Mensch, welcher irgend etwas getan hat, was allgemein als Übel gilt, deshalb "schuldig" wäre, weil er auch etwas anderes (löbliches) hätte tun können, völlig absurd und ohne jeden Sinn.
Sondern, was ein Mensch in einem ganz bestimmten konkreten Moment tut oder lässt, ist ganz genau in diesem ganz bestimmten konkreten Moment völlig unausweichlich, weil dieses Tun nichts anderes ist, als die notwenige Folge aus den diese hinreichend bedingenden Ursachen, die in diesem ganz bestimmten konkreten Moment zusammen laufen.
Und ganz genau darum ist der Bergiff "Schuld" höchst problematisch, vor allem weil er mit religiösen Absurditäten besetzt ist, wie etwa der Begrifflichkeit "Sühne". Strafe ist ethisch nämlich nur vertretbar im Rahmen von Abschreckung (also Einwirkung auf die Motivationslage von Täter und Gesellschaft). Mit Strafe hingegen mehr zu verbinden, wie etwa "Sühne" oder "Vergeltung", ist pervers und völlig inakzeptabel, da die Intention, geschehenes Unrecht und Leid durch Zufügen neuerlichen Leides "ausgleichen" zu wollen, eine zutiefst primitive und barbarische ist - welche aber auch heute immer noch zu kultivieren und hoffähig zu machen eines der übelsten Verderbnisse der meisten religiösen Weltbilder ist!
_________________ Was das ewige Leben ist, weiß ich nicht - aber das gegenwärtige ist ein schlechter Spaß! (Voltaire)
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Johnnyboy Stück Scheiße
Anmeldungsdatum: 26.06.2005 Beiträge: 2562
Wohnort: Babylon
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(#574085) Verfasst am: 28.09.2006, 17:24 Titel: |
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Zitat: | das hab ich mir als kleines mädi schon gedacht daß das wohl relativ ist... |
Bei mir kam diese Erkenntis leider erst später, da sie im vollkommenen Widerspruch zu meiner Erziehung steht.
Willkommen im Forum übrigens.
_________________ "Das Leben des Starken erfüllt seinen Sinn, das des Schwachen seinen Zweck".
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#574161) Verfasst am: 28.09.2006, 19:09 Titel: |
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enpassant hat folgendes geschrieben: | Na ja, Agent, eigentlich bist du es, der sich selbst im Kreise dreht, oder, anders formuliert, der zwar auf der einen Seite die umfassende Bedingtheit aller Geschehnisse durchaus klar erkennt - auf der anderen Seite aber (aus welchem Grund auch immer) vor der einzig folgerichtigen und zwingenden Konsequenz im Bezug auf menschliche Willensentscheidungen zurückschreckt wie der Teufel vor'm Weihwasser... |
Welche Konsequenz ist das Deiner Meinung nach?
enpassant hat folgendes geschrieben: | Und da logische Gründe für diese eigenartige hartnäckige Weigerung der unausweichlichen Konklusion aus den offen zu Tage liegenden Prämissen bei dir eher nicht in Frage kommen, kann ich nur auf mehr oder weniger religiös motivierte Ursachen schließen. |
Oh, sieh' an, eine motivierte Ursache also. Das scheint mir ein Widerspruch in sich zu sein. Wenn es nur Ursachen gibt, die aufeinander aufbauen, dann bleibt kein Platz mehr für handlungsrelevante Motive.
Mal abgesehen davon bin ich doch etwas erstaunt über Deinen Anwurf. Du scheinst zu meinen, es wäre in diesem Forum ein erstklassiges Argument, dem Gesprächspartner Religiösität unterzuschieben. Dem ist aber leider nicht so.
enpassant hat folgendes geschrieben: | Das mache ich vor allem an den eigentümlichen Vorstellungen fest, die du mit den Begriffen "Verantwortlichkeit" und "Schuld" zu verbinden scheinst. Denn dass das Tun und Lassen eines Menschen von diesem ausgeht, besagt ja nicht, dass sie im Menschen irgendwie aus dem Nichts kämen. Sondern jede konkrete Willensentscheidung eines Menschen in einem ganz konreten Augenblick ist nichts anderes als die notwendige Folge aus den hinreichenden Ursachen, welche zu ihr und nur zu ihr geführt haben. |
Gibt es also nur Ursachen für das Handeln eines Menschen, gibt es keine Gründe? Oder ist das etwa dasselbe?
enpassant hat folgendes geschrieben: | Dass ein Mensch in der besagten Situation die "Möglichkeit gehabt hätte, auch anders zu handeln", hat keine andere Bedeutung, als das etwa eine zu ebender Erde ruhende Kugel die "Möglichkeit" hat, außer vielleicht nach unten, sich in alle denkbaren Richtungen und mit jeder denkbaren Geschwindigkeit zu bewegen. Wie sie sich dann irgendwann bewegt, ist letztlich jedoch die notwendige Folge aus der hinreichenden Ursache etwa des Stoßes, der sie in Bewegung setzt. |
Ein Mensch hat Gründe für sein Handeln, eine Kugel hat diese nicht. Das scheint mir ein wesentlicher Unterschied zu sein.
enpassant hat folgendes geschrieben: | Bestenfalls spielen also die Handlungsmöglichkeiten als eine von vielen Motivationen eine Rolle, indem sie in Denk- und Entscheidungsprozess mit einfließen - doch auch dieser Denk- und Entscheidungsprozess, so ungeheuer komplex und für das menschliche Bewusstsein nie ganz durchschaubar er auch sein mag, kann nicht anders beschrieben werden als vollständig und umfassend eingebunden in Bedingtheit von hinreichenden Ursachen und notwendigen Folgen. |
Mein Menschenbild ist offensichtlich anders als das deinige. In meiner Sicht haben Menschen Gründe für ihre Entscheidungen, die rational und per Bauchgefühl gegeneinander abgewogen werden können und darauf basierend kann eine Entscheidung getroffen werden.
enpassant hat folgendes geschrieben: | Darum auch ist die Formulierung, dass ein z.B. Mensch, welcher irgend etwas getan hat, was allgemein als Übel gilt, deshalb "schuldig" wäre, weil er auch etwas anderes (löbliches) hätte tun können, völlig absurd und ohne jeden Sinn. |
Von wem ist das Zitat? Dem kann ich nicht zustimmen.
enpassant hat folgendes geschrieben: | Sondern, was ein Mensch in einem ganz bestimmten konkreten Moment tut oder lässt, ist ganz genau in diesem ganz bestimmten konkreten Moment völlig unausweichlich, weil dieses Tun nichts anderes ist, als die notwenige Folge aus den diese hinreichend bedingenden Ursachen, die in diesem ganz bestimmten konkreten Moment zusammen laufen. |
Der Determinismus ist für die Frage nach der persönlichen Verantwortung für die eigenen willentlichen Handlungen unwesentlich. Dass aber jemand so handelt, wie er handelt und nicht anders handelt, als er handelt, scheint mir eine ziemlich banale Feststellung zu sein, der ich selbstverständlich zustimme, denn etwas anderes ist noch nicht einmal denkbar.
enpassant hat folgendes geschrieben: | Und ganz genau darum ist der Bergiff "Schuld" höchst problematisch, vor allem weil er mit religiösen Absurditäten besetzt ist, wie etwa der Begrifflichkeit "Sühne". Strafe ist ethisch nämlich nur vertretbar im Rahmen von Abschreckung (also Einwirkung auf die Motivationslage von Täter und Gesellschaft). Mit Strafe hingegen mehr zu verbinden, wie etwa "Sühne" oder "Vergeltung", ist pervers und völlig inakzeptabel, da die Intention, geschehenes Unrecht und Leid durch Zufügen neuerlichen Leides "ausgleichen" zu wollen, eine zutiefst primitive und barbarische ist - welche aber auch heute immer noch zu kultivieren und hoffähig zu machen eines der übelsten Verderbnisse der meisten religiösen Weltbilder ist! |
Hm, schade, Du hast wohl meine Argumentation überhaupt nicht gelesen oder bist nicht gewillt, darauf einzugehen. Noch mal das Ganze von vorne zu besprechen habe ich eigentlich keine Lust.
Hier ist übrigens mal ein Link zu einem PDF, das im Wesentlichen meinem Standpunkt entspricht.
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Johnnyboy Stück Scheiße
Anmeldungsdatum: 26.06.2005 Beiträge: 2562
Wohnort: Babylon
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(#574167) Verfasst am: 28.09.2006, 19:19 Titel: |
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Zitat: | Der Determinismus ist für die Frage nach der persönlichen Verantwortung für die eigenen willentlichen Handlungen unwesentlich. Dass aber jemand so handelt, wie er handelt und nicht anders handelt, als er handelt, scheint mir eine ziemlich banale Feststellung zu sein, der ich selbstverständlich zustimme, denn etwas anderes ist noch nicht einmal denkbar. |
Doch und zwar genau dann, wenn du an eine absolute Moral glaubst. Und ohne ein moralisches "richtig" oder "falsch" hat ein Begriff wie "Schuld" eben leider keinen Platz außer du bist Rechtspositivist, oder postulierst irgendeine x-beliebige Haltung als die "zur Zeit angemessene". Nur dann muss ich mich fragen ob dein Menschenbild - das du ja so hervorhebst - tatsächlich "besser" im Sinne von menschlicher ist.
_________________ "Das Leben des Starken erfüllt seinen Sinn, das des Schwachen seinen Zweck".
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
Wohnort: NRW
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(#574178) Verfasst am: 28.09.2006, 19:44 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Hier ist übrigens mal ein Link zu einem PDF, das im Wesentlichen meinem Standpunkt entspricht. |
Das ist nicht Dein Ernst, oder? Dieses Dokument ist eine armseelige Rückzugsschlacht von Wortverdrehern, weit unter dem Niveau von kompatibilistischen Freiheitsdefinitionen.
Wenn das Deinen Standpunkt beschreiben soll, dann fällst Du damit in Deine Argumentationsschiene zurück, die Du hier im Forum vor längerer Zeit gefahren bist, als Du Dich noch nicht als Kompatibilist bezeichnet hast. Ich kann nicht verstehen, wie Du dann noch ernsthaft behaupten willst, Du würdest den Ergebnissen der Hirnforschung im wesentlichen zustimmen und einen kompatibilistischen Standpunkt vertreten.
Sind das am Ende nur diskusionstaktische Zweckbehauptungen?
_________________ Hard work often pays off after time, but laziness always pays off now.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#574206) Verfasst am: 28.09.2006, 20:35 Titel: |
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Johnnyboy hat folgendes geschrieben: | Zitat: | Der Determinismus ist für die Frage nach der persönlichen Verantwortung für die eigenen willentlichen Handlungen unwesentlich. Dass aber jemand so handelt, wie er handelt und nicht anders handelt, als er handelt, scheint mir eine ziemlich banale Feststellung zu sein, der ich selbstverständlich zustimme, denn etwas anderes ist noch nicht einmal denkbar. |
Doch und zwar genau dann, wenn du an eine absolute Moral glaubst. |
Ich nehme an, Du beziehst Dich auf das Fettgedruckte. Was ist eine "absolute Moral"?
Johnnyboy hat folgendes geschrieben: | Und ohne ein moralisches "richtig" oder "falsch" hat ein Begriff wie "Schuld" eben leider keinen Platz außer du bist Rechtspositivist, oder postulierst irgendeine x-beliebige Haltung als die "zur Zeit angemessene". |
Kein Ahnung, was Du damit sagen willst. Natürlich denke ich, dass es ein "richtig" und "falsch" gibt und ebenso denke ich, dass dieses sich aus den momentanen Erkenntnissen ergibt. Deswegen ist es aber noch lange nicht "beliebig".
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#574208) Verfasst am: 28.09.2006, 20:38 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Hier ist übrigens mal ein Link zu einem PDF, das im Wesentlichen meinem Standpunkt entspricht. |
Das ist nicht Dein Ernst, oder? |
Doch.
kolja hat folgendes geschrieben: | Dieses Dokument ist eine armseelige Rückzugsschlacht von Wortverdrehern, weit unter dem Niveau von kompatibilistischen Freiheitsdefinitionen. |
Wenn Du meinst. Ich finde es eine ziemliche gute Herausarbeitung des Problemfeldes.
kolja hat folgendes geschrieben: | Ich kann nicht verstehen, wie Du dann noch ernsthaft behaupten willst, Du würdest den Ergebnissen der Hirnforschung im wesentlichen zustimmen und einen kompatibilistischen Standpunkt vertreten. |
Und ich kann nicht verstehen, warum Du das nicht verstehen kannst.
kolja hat folgendes geschrieben: | Sind das am Ende nur diskusionstaktische Zweckbehauptungen? |
Nein.
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
Wohnort: NRW
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(#574225) Verfasst am: 28.09.2006, 21:04 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | Ich kann nicht verstehen, wie Du dann noch ernsthaft behaupten willst, Du würdest den Ergebnissen der Hirnforschung im wesentlichen zustimmen und einen kompatibilistischen Standpunkt vertreten. |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Und ich kann nicht verstehen, warum Du das nicht verstehen kannst. |
Weil dieses Dokument sich im Wesentlichen auf unsinnige Sprachkritik und das Säen von Zweifeln an gut fundierten Schlussfolgerungen durch Fehlinterpretation und Ignoranz beschränkt. Im wesentlichen verteidigen die Autoren einen inkompatibilistischen Freiheitsbegriff und vertreten einen verkappten Dualismus. Ist ja auch kein Wunder, einer von ihnen ist ein Theologe.
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enpassant registrierter User
Anmeldungsdatum: 20.07.2005 Beiträge: 522
Wohnort: leipzig
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(#574228) Verfasst am: 28.09.2006, 21:11 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Oh, sieh' an, eine motivierte Ursache also. Das scheint mir ein Widerspruch in sich zu sein. Wenn es nur Ursachen gibt, die aufeinander aufbauen, dann bleibt kein Platz mehr für handlungsrelevante Motive. |
Du scheinst den Bergiff Ursache/Grund wirklich extrem eindimensional mechanistisch reduziert zu verstehen. Was in aller Welt soll ein Motiv anderes sein, als Teil des hinreichenden Ursachenkomplexes menschlicher Willensakte, welcher notwendig bestimmte Wirkungen/Folgen nach sich zieht???
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Mal abgesehen davon bin ich doch etwas erstaunt über Deinen Anwurf. Du scheinst zu meinen, es wäre in diesem Forum ein erstklassiges Argument, dem Gesprächspartner Religiösität unterzuschieben. Dem ist aber leider nicht so. |
Ich habe mich ja extra in der Weise vorsichtig ausgedrückt, dass mir für deine Konklusionshemmungen keine andere Erklärung einfällt...
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Gibt es also nur Ursachen für das Handeln eines Menschen, gibt es keine Gründe? Oder ist das etwa dasselbe? |
Aber selbstverständlich ist das bedeutungsgleich. (s.o.)
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ein Mensch hat Gründe für sein Handeln, eine Kugel hat diese nicht. Das scheint mir ein wesentlicher Unterschied zu sein. |
Allein dass die Ursachen/Gründe bezüglich der Kugel einfacher erkenn- und beschreibbar sind, ändert an dem Umstand, dass in beiden Fällen ausschließlich das als notwendige Folge geschieht, was durch die vorliegenden Ursachen/Gründe hineichend bedingt ist, nicht das Geringste. Oder an welcher Stelle vom Übergang der einfachen Zusammenhänge zu den hochkomplexen biochemischen Funktionsweisen im menschlichen Gehirn sollte denn da bitte schön ein mysteriöser Qualitätssprung erfolgen, nach welchem plötzlich alles anders wird???
Selbst das bewusste Ich, die denkende, urteilende und entscheidende Individualität ist ja doch nichts anderes als eine Funktion des Gehirnes!
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | In meiner Sicht haben Menschen Gründe für ihre Entscheidungen, die rational und per Bauchgefühl gegeneinander abgewogen werden können und darauf basierend kann eine Entscheidung getroffen werden. |
Aha, und das "Abwägen", nach welchen anderen Gesetzmäßigkeiten soll das eigentlich ablaufen als denen von hinreichender Ursache und notwendiger Folge???
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | enpassant hat folgendes geschrieben: | Darum auch ist die Formulierung, dass ein z.B. Mensch, welcher irgend etwas getan hat, was allgemein als Übel gilt, deshalb "schuldig" wäre, weil er auch etwas anderes (löbliches) hätte tun können, völlig absurd und ohne jeden Sinn. |
Von wem ist das Zitat? Dem kann ich nicht zustimmen. |
Das Zitat ist von mir - und ergibt sich ganz notwendig aus meinen Feststellungen zum Thema. Dass du dem nicht zustimmen kannst, ist mir allerdings auch klar.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | enpassant hat folgendes geschrieben: | Sondern, was ein Mensch in einem ganz bestimmten konkreten Moment tut oder lässt, ist ganz genau in diesem ganz bestimmten konkreten Moment völlig unausweichlich, weil dieses Tun nichts anderes ist, als die notwenige Folge aus den diese hinreichend bedingenden Ursachen, die in diesem ganz bestimmten konkreten Moment zusammen laufen. |
Der Determinismus ist für die Frage nach der persönlichen Verantwortung für die eigenen willentlichen Handlungen unwesentlich. Dass aber jemand so handelt, wie er handelt und nicht anders handelt, als er handelt, scheint mir eine ziemlich banale Feststellung zu sein, der ich selbstverständlich zustimme, denn etwas anderes ist noch nicht einmal denkbar. |
Den Begriff "Determinismus" habe ich extra vermieden, weil er in der Diskussion hier meist nur als Popanz benützt und je nach Gusto mit den verschiedensten und zum Teil unsinnigsten Inhalten versehen wird, was überhaupt keinen Sinn macht.
Meine Aussage war eben nicht, dass jemand handelt, wie er handelt - das wäre in der Tat eine banale Aussage. Sondern es ging um die Feststellung, das alles, was ein Mensch tut, nichts anderes als eine notwendige und unausweichliche Folge von hinreichenden Ursachen ist. Oder, um es etwas anders zu formulieren: Sind einem gegebenen Menschen unter gegebenen Umständen mehrere Handlungen möglich oder nur eine? Die Antwort kann nur lauten: Nur eine!
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Hm, schade, Du hast wohl meine Argumentation überhaupt nicht gelesen oder bist nicht gewillt, darauf einzugehen. Noch mal das Ganze von vorne zu besprechen habe ich eigentlich keine Lust. |
Nun, ich verfolge nicht nur diese Diskussion sein längerem, sondern ich habe mir auch das von dir empfohlene Dossier zu Gemüte geführt. Zustimmen kann ich dir darin, das es im Wesentlichen deinem Standpunkt entspricht. Denn genau wie du kommen auch die Autoren zwar nicht um die Feststellung herum, dass selbst das hochkomplexe Gehirn nach keinen anderen Gesetzmäßigkeiten funktionen kann als alle Vorgänge und Prozesse in der Natur, weigern sich aber mit Händen und Füßen und wabernden Sophismen gegen die einzig möglichen Schlussfolgerungen bezüglich Natur und "Funktionsweise" des menschlichen Individuums - und können in ihrem verzeifelten Kampfe gegen die Naturalisierung des hochgeschätzten "Ichs" kaum dem Drange widerstehen, ihm eine unbekannte, unfassbare (transzendente) Dimension beizulegen. In Summa kann man die Argumentation auf das so bekannte wie belanglose Argument: "Ich bin doch kein Roboter!" zurückführen...
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Zuletzt bearbeitet von enpassant am 28.09.2006, 21:17, insgesamt 3-mal bearbeitet |
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#574231) Verfasst am: 28.09.2006, 21:12 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | kolja hat folgendes geschrieben: | Ich kann nicht verstehen, wie Du dann noch ernsthaft behaupten willst, Du würdest den Ergebnissen der Hirnforschung im wesentlichen zustimmen und einen kompatibilistischen Standpunkt vertreten. |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Und ich kann nicht verstehen, warum Du das nicht verstehen kannst. |
Weil dieses Dokument sich im Wesentlichen auf unsinnige Sprachkritik und das Säen von Zweifeln an gut fundierten Schlussfolgerungen durch Fehlinterpretation und Ignoranz beschränkt. |
Was meinst Du genau?
kolja hat folgendes geschrieben: | Im wesentlichen verteidigen die Autoren einen inkompatibilistischen Freiheitsbegriff und vertreten einen verkappten Dualismus. Ist ja auch kein Wunder, einer von ihnen ist ein Theologe. |
Das ist nur ein Autor und stimmt, er ist Theologe. Was aber nichts über die Gültigkeit seiner Argumente aussagt. Solltest Du eigentlich wissen.
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
Wohnort: NRW
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(#574246) Verfasst am: 28.09.2006, 21:40 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Was meinst Du genau? |
Nee, kein Bock. Es wäre eine Wiederholung dessen, was in diesem Forum in den vergangenen Jahren bereits in länglichen Diskussionen mit Deiner Beteiligung durchgekaut wurde. Wie ich schon sagte, hast Du diese Argumentationsmuster bis zu Deinem "Bekenntnis" zum Kompatibilismus selber verwendet, seitdem beschränkst Du Dich stärker auf die endlose Schlacht um Wortbedeutungen. Ich denke daher, Du weißt onehin Bescheid, und Deine Rückfrage ist Taktik.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Das ist nur ein Autor und stimmt, er ist Theologe. Was aber nichts über die Gültigkeit seiner Argumente aussagt. Solltest Du eigentlich wissen. |
Du gehst auf einen unwichtigen Nebensatz ein und ignorierst die vorangehende Hauptaussage. Aber wenn Dich der Irrtum bzgl. der Autorenzahl so sehr stört, reformuliere ich für Dich:
kolja hat folgendes geschrieben: | Im wesentlichen verteidigt der Autor einen inkompatibilistischen Freiheitsbegriff und vertritt einen verkappten Dualismus. |
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Zuletzt bearbeitet von kolja am 28.09.2006, 21:44, insgesamt einmal bearbeitet |
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#574247) Verfasst am: 28.09.2006, 21:41 Titel: |
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enpassant hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Oh, sieh' an, eine motivierte Ursache also. Das scheint mir ein Widerspruch in sich zu sein. Wenn es nur Ursachen gibt, die aufeinander aufbauen, dann bleibt kein Platz mehr für handlungsrelevante Motive. |
Du scheinst den Bergiff Ursache/Grund wirklich extrem eindimensional mechanistisch reduziert zu verstehen. |
Eine Ursache wird normalerweise materialistisch gesehen, ein Grund ist ideell. Die Ursache, warum ich hier tippe, sind neuronale Aktionen in meinem Gehirn, die meine Finger diese Sätze eintippen lassen. Der Grund, warum ich hier schreibe, ist, dass mich das Thema interessiert.
enpassant hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Gibt es also nur Ursachen für das Handeln eines Menschen, gibt es keine Gründe? Oder ist das etwa dasselbe? |
Aber selbstverständlich ist das bedeutungsgleich. (s.o.) |
Kann eine Überlegung, bzw. Abwägung der Grund für eine Handlung sein?
enpassant hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ein Mensch hat Gründe für sein Handeln, eine Kugel hat diese nicht. Das scheint mir ein wesentlicher Unterschied zu sein. |
Allein dass die Ursachen/Gründe bezüglich der Kugel einfacher erkenn- und beschreibbar sind, ändert an dem Umstand, dass in beiden Fällen ausschließlich das als notwendige Folge geschieht, was durch die vorliegenden Ursachen/Gründe hineichend bedingt ist, nicht das Geringste. Oder an welcher Stelle vom Übergang der einfachen Zusammenhänge zu den hochkomplexen biochemischen Funktionsweisen im menschlichen Gehirn sollte denn da bitte schön ein mysteriöser Qualitätssprung erfolgen, nach welchem plötzlich alles anders wird??? |
Hm, eine Kugel hat kein Bewusstsein, kann keine Abwägungen anstellen, kann keine Entscheidungen treffen. Sollte das für Dich kein wesentlicher Unterschied sein, dann weiß ich auch nicht. Eine Kugel hat keinen Grund, warum sie diese Bahn nimmt, es gibt aber eine Ursache dafür, nämlich den Stoß, der ihr versetzt wurde. Ein Mensch hingegen hat für willentliche bewusste Entscheidungen auch Gründe. Falls Du dem widersprechen willst, dann hat sich diese Diskussion automatisch erübrigt, denn den dann unbegründeten Einwand kann ich leider nicht gelten lassen.
enpassant hat folgendes geschrieben: | Selbst das bewusste Ich, die denkende, urteilende und entscheidende Individualität ist ja doch nichts anderes als eine Funktion des Gehirnes! |
Na und? Was schließt Du daraus?
enpassant hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Dass aber jemand so handelt, wie er handelt und nicht anders handelt, als er handelt, scheint mir eine ziemlich banale Feststellung zu sein, der ich selbstverständlich zustimme, denn etwas anderes ist noch nicht einmal denkbar. | [...] Meine Aussage war eben nicht, dass jemand handelt, wie er handelt - das wäre in der Tat eine banale Aussage. Sondern es ging um die Feststellung, das alles, was ein Mensch tut, nichts anderes als eine notwendige und unausweichliche Folge von hinreichenden Ursachen ist. Oder, um es etwas anders zu formulieren: Sind einem gegebenen Menschen unter gegebenen Umständen mehrere Handlungen möglich oder nur eine? Die Antwort kann nur lauten: Nur eine! |
Das ist doch exakt dasselbe, was ich gesagt habe. Du betrachtest nur den Zeitpunkt X, an dem die Handlung durchgeführt wird. Natürlich wird sie dann so durchgeführt, wie sie durchgeführt wird. Hätte der Mensch sich aber vorher anders entschieden, dann hätte er anders gehandelt. Hier muss die oben erwähnte Kugel passen, da sie sich überhaupt nicht entscheiden kann.
enpassant hat folgendes geschrieben: | Nun, ich verfolge nicht nur diese Diskussion sein längerem, sondern ich habe mir auch das von dir empfohlene Dossier zu Gemüte geführt. Zustimmen kann ich dir darin, das es im Wesentlichen deinem Standpunkt entspricht. Denn genau wie du kommen auch die Autoren zwar nicht um die Feststellung herum, dass selbst das hochkomplexe Gehirn nach keinen anderen Gesetzmäßigkeiten funktionen kann als alle Vorgänge und Prozesse in der Natur, weigern sich aber mit Händen und Füßen und wabernden Sophismen gegen die einzig möglichen Schlussfolgerungen bezüglich Natur und "Funktionsweise" des menschlichen Individuums - und können in ihrem verzeifelten Kampfe gegen die Naturalisierung des hochgeschätzten "Ichs" kaum dem Drange widerstehen, ihm eine unbekannte, unfassbare (transzendente) Dimension beizulegen. In Summa kann man die Argumentation auf das so bekannte wie belanglose Argument: "Ich bin doch kein Roboter!" zurückführen... |
Hm, Argumente von Dir kann ich hier leider keine entdecken. Was genau sind denn eigentlich nun diese ominösen "einzig möglichen Schlussfolgerungen"?
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#574250) Verfasst am: 28.09.2006, 21:43 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | Im wesentlichen verteidigt der Autor einen inkompatibilistischen Freiheitsbegriff und vertritt einen verkappten Dualismus. |
Ich finde seine Argumentation gegen Singer und Roth sehr stichhaltig.
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
Wohnort: NRW
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(#574254) Verfasst am: 28.09.2006, 21:46 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | Im wesentlichen verteidigt der Autor einen inkompatibilistischen Freiheitsbegriff und vertritt einen verkappten Dualismus. |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ich finde seine Argumentation gegen Singer und Roth sehr stichhaltig. |
Keine Antwort ist auch eine Antwort.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#574270) Verfasst am: 28.09.2006, 22:01 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | kolja hat folgendes geschrieben: | Im wesentlichen verteidigt der Autor einen inkompatibilistischen Freiheitsbegriff und vertritt einen verkappten Dualismus. |
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ich finde seine Argumentation gegen Singer und Roth sehr stichhaltig. |
Keine Antwort ist auch eine Antwort. |
Er vertritt weder einen inkompatibilistischen Freiheitsbegriff noch einen verkappten Dualismus. Er lässt die Frage nach dem Determinismus offen und bietet auch keine Erklärung für das Phänomen des Ichs an, da wir sie (heute) nicht beantworten können. Was er macht, ist, auf die Argumentation von Singer und Roth einzugehen und diese zu zerpflücken. Das ist ihm mMn ganz gut gelungen.
Singer und Roth bauen nämlich mehrere Strohmänner auf: die absolute Freiheit, die Trennung des Ich vom Gehirn, die angeblich zwingenden Schlüsse aus Libets Experiment.
Es ist einfach ziemlich merkwürdig, zu sagen, nicht "wir" würden handeln, sondern "unser Gehirn" würde handeln.
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
Wohnort: NRW
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(#574293) Verfasst am: 28.09.2006, 22:33 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Er lässt die Frage nach dem Determinismus offen und bietet auch keine Erklärung für das Phänomen des Ichs an, da wir sie (heute) nicht beantworten können. |
Beides ist aber nach heutigem Kenntnisstand eine unsinnige Position.
Er sagt von einem erkenntniskritischen Standpunkt aus, man könne nicht sicher wissen, ob die neuronalen Vorgänge, die Bewusstsein produzieren, ebenso deterministisch wären, wie die unbewussten Vorgänge. Da könnte man ihm höchstens insoweit recht geben, als dass man wegen der QM den Einfluss von echt zufälligen Wirkungen nicht zweifelsfrei bestimmen kann. Das hilft ihm aber bei seiner Suche nach einem Freiheitsgrad, der bewusste von unbewussten Entscheidungen unterscheiden soll, nicht wirklich weiter, also ist diese Argumentation entweder eine nutzlose Nebelgranate, oder dient als Hintertürchen für einen verkappten Dualismus.
Und was das Phänomen des "Ichs" angeht, sind die Erklärungen Roths deutlich besser als das, was der Mann da völlig verzerrt wiedergibt. Er stürzt sich im wesentlichen auf sprachliche Unsauberkeiten, die einer leichter verständlichen Alltagssprache geschuldet sind, verfehlt dabei jedoch den Kern der Argumentation. Typisch für Philosophen und Wortverdreher. Das bemerkt natürlich nur derjenige, der das Original gelesen hat.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Singer und Roth bauen nämlich mehrere Strohmänner auf: die absolute Freiheit, die Trennung des Ich vom Gehirn, die angeblich zwingenden Schlüsse aus Libets Experiment. |
Die absolute Freiheit und die Vorstellung eines nicht-physischen Ichs (Seele, Geist) wird aber von allen möglichen Theologen und Dualisten durchaus so gesehen, daher ist das schonmal kein Strohmann. Einige sind allerdings sehr geschickt darin, diese Vorstellung hinter Erkenntniskritik zu verstecken.
Auch die Schlüsse aus den Libet-Experimenten werden verzerrt wiedergegeben und lediglich mit Sprachkritik gekontert, siehe oben bzgl. Alltagssprache und Wortverdreher.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Es ist einfach ziemlich merkwürdig, zu sagen, nicht "wir" würden handeln, sondern "unser Gehirn" würde handeln. |
Siehe oben bzgl. Alltagssprache und Wortverdreher.
_________________ Hard work often pays off after time, but laziness always pays off now.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#574327) Verfasst am: 28.09.2006, 23:40 Titel: |
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kolja hat folgendes geschrieben: | Er sagt von einem erkenntniskritischen Standpunkt aus, man könne nicht sicher wissen, ob die neuronalen Vorgänge, die Bewusstsein produzieren, ebenso deterministisch wären, wie die unbewussten Vorgänge. Da könnte man ihm höchstens insoweit recht geben, als dass man wegen der QM den Einfluss von echt zufälligen Wirkungen nicht zweifelsfrei bestimmen kann. Das hilft ihm aber bei seiner Suche nach einem Freiheitsgrad, der bewusste von unbewussten Entscheidungen unterscheiden soll, nicht wirklich weiter, also ist diese Argumentation entweder eine nutzlose Nebelgranate, oder dient als Hintertürchen für einen verkappten Dualismus. |
Er sagt sogar explizit, dass ein Inderminismus alleine "keine hinreichende Begründung für Willens- oder Entscheidungsfreiheit" sei. Deswegen sehe ich das nicht als Nebelgranate und einen verkappten Dualismus kann ich im Artikel auch nicht erkennen.
kolja hat folgendes geschrieben: | Und was das Phänomen des "Ichs" angeht, sind die Erklärungen Roths deutlich besser als das, was der Mann da völlig verzerrt wiedergibt. Er stürzt sich im wesentlichen auf sprachliche Unsauberkeiten, die einer leichter verständlichen Alltagssprache geschuldet sind, verfehlt dabei jedoch den Kern der Argumentation. Typisch für Philosophen und Wortverdreher. Das bemerkt natürlich nur derjenige, der das Original gelesen hat. Auch die Schlüsse aus den Libet-Experimenten werden verzerrt wiedergegeben und lediglich mit Sprachkritik gekontert, siehe oben bzgl. Alltagssprache und Wortverdreher.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Es ist einfach ziemlich merkwürdig, zu sagen, nicht "wir" würden handeln, sondern "unser Gehirn" würde handeln. |
Siehe oben bzgl. Alltagssprache und Wortverdreher. |
Was meinst Du mit "verzerrt" wiedergeben? Meinst Du die Zitate von Roth und Singer seien nicht richtig? Zum Beispiel dieses hier von Roth:
Gerhard Roth hat folgendes geschrieben: | „Zusammengefaßt zeigen die hier vorgestellten Forschungsergebnisse, daß die beiden entscheidenden Komponenten des Phänomens ,Willensfreiheit‘, nämlich etwas frei zu wollen (zu beabsichtigen, zu planen) und etwas in einem freien Willensakt aktuell zu verursachen, eine Täuschung sind. Das erstere Gefühl tritt auf durch Zuschreibung bzw. Aneignung von unbewußten Handlungsmotiven, die aus dem limbischen System stammen, das letztere Gefühl tritt auf, nachdem das Gehirn längst entschieden hat, was es im nächsten Augenblick tun wird.“ |
Mich stört es durchaus, dass hier zwischen "Gehirn", "limbischem System" und dem "Ich" unterschieden wird, so als ob diese voneinander unabhängig seien. Das sind sie nämlich nicht, mein Gehirn und damit selbstverständlich mein limbisches System sind ein Teil von mir. Was auch sonst? Es sei denn, man würde irgend ein seltsames über allem schwebendes Ich postulieren, das aber eigentlich nichts mit mir zu tun hätte.
Roth scheint hier unter dem "Ich" nur das bewusste Ich zu verstehen (sagt das aber nicht explizit) und zweitens behauptet er, dass die Entscheidungen des bewussten Ichs nicht von diesem getroffen würden, sondern vom limbischen System und von diesem wiederum dem bewussten Ich nachträglich unbemerkt Pseudogründe untergeschoben würden. Er berücksichtigt keine Rückkopplung zwischen bewussten und unbewussten Vorgängen im Gehirn, was mir sehr seltsam vorkommt.
Folgt man dieser Argumentation, dann würde jedwede rationale Argumentation hinfällig, denn alle Argumente würden dann ja vom Unterbewusstsein geliefert, wir könnten also nicht entscheiden, ob sie sinnvoll wären oder nicht. Auch die Argumentation von Roth und Singer würde natürlich ebenfalls hinfällig, denn sie könnte nicht rational nachvollzogen werden, nur scheinbar, wäre lediglich eine nicht erkennbare Täuschung unseres limbischen Systems.
Das Ich-Verständnis von Roth ist für mich lediglich ein Strohmann. Ich habe noch nie geglaubt, ich sei ein kleines Männchen in meinem Kopf, dass die Handlungen meines Gehirnes und meines Körpers steuern könnte und zwar vollkommen unabhängig von meinen Prägungen.
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Deus ex Machina registrierter User
Anmeldungsdatum: 14.03.2006 Beiträge: 789
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(#574349) Verfasst am: 29.09.2006, 01:22 Titel: |
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[Nachtrag]Das kommte davon, wenn man auf "Antwort erstellen" drückt, dann dies und jenes tut und dann seine Antwort schreibt: Nicht weniger als zehn andere Postings wurden seither geschrieben. Daher bitte ich, Wiederholungen in meinem Text zu übersehen.[/Nachtrag]
Ich kann's nicht lassen.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Hier ist übrigens mal ein Link zu einem PDF, das im Wesentlichen meinem Standpunkt entspricht. |
In dem Text wird doch durchwegs unmissverständlich von einem Gegensatz zwischen Determinismus und Freiheit gesprochen und deshalb gegen den Determinismus und nicht gegen den Inkompatibilismus, denn der Autor ja mit Singer/Roth teilt, argumentiert. Abgesehen davon, dass ich denke, dass der Begriff der Freiheit höchstens in einer deterministischen Welt Sinn macht, dass der Determinismus also notwendige Bedinung für ein Freiheitsverständnis, das ich sinnvoll nennen würde, ist; kannst Du dem Text in dieser Hinsicht doch nicht ganz zustimmen?
Da ich das "Handwerk der Freiheit" nun (fast) gelesen habe, kann ich auch sagen, dass Bieri hervorragend einerseits die Unstimmigkeit einer inkompatibilistischen "Hätte-auch-anders-gekonnt"-Freiheit, wie hier vertreten, aufzeigt, andererseits auch ausführlich zu erklären versucht, wie diese Freiheitsillusion zustande kommt und weshalb sie sich so hartnäckig hält.
Im Wesentlichen Deinem Standpunkt entsprechendes PDF hat folgendes geschrieben: | Auch wenn jeder mentale Prozeß mit einem neuronalen verbunden ist ...
... mentale Interventionen ...
Eine wissenschaftliche Theorie, die mentale Phänomene aus neuronalen Gegebenheiten erklären
möchte, ist selbst ein mentales Phänomen ... |
Weiter ein eindeutig dualistisches Verständnis von mentalen Vorgängen. Etwas, von dem Du Dich, wenn ich mich richtig erinnere, auch schon distanziert hast.
Zitat: | Wenn das Ich aber, wie Roth sagt, ein Traum oder eine Fiktion des Gehirns ist,
also keine Instanz einer letzten Verantwortlichkeit, dann kann auch das fiktionale
Ich-Konstrukt des Gehirns, das sich Auschwitz oder den Archipel Gulag ausgedacht
hat, nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Auch Ereignisse dieser Art werden
zu einer bloßen, schuldfreien Verkettung unglücklicher Umstände, insofern ein letzter
Schuldiger, das Ich nämlich, sich in die subjektlose Anonymität neurophysiologischer
Zwangsläufigkeiten zurückziehen kann. |
(Als ob man dazu Singer oder Roth bräuchte; noch nie von Nietzsche, Freud oder Jung gehört? Die Inkonsistenz der Vorstellung des Ich als "Instanz einer letzten Verantwortlichkeit", des "unbewegten Bewegers" zeigt Bieri übrigens auch sehr anschaulich auf.
Ich neige wohl zu Extremen. Nachdem ich nur seinen Essay gelesen hatte, habe ich Bieri für jemanden gehalten, der sicht mit der Freiheit begrifflich soweit zurückzieht, dass sie unbedeutend wird, inzwischen gehe ich mit ihm hausieren. )
Zitat: | Aber daß etwas so geschieht, wie es geschieht, bedeutet nicht, daß es nicht auch anders hätte geschehen können; denn das, was geschehen ist und das, was hätte geschehen können, bergen in sich Zufallsmomente. |
Hat Zufall irgend etwas mit Freiheit zu tun? Das siehst Du doch soweit ich weiss auch so, oder (dass aus Zufälligkeit in der Entstehung eines Willens nicht dessen Freiheit folgt)?
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