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Bundeswehr im 21. Jahrhundert
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fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 26436
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2309872) Verfasst am: 25.03.2025, 16:39    Titel: Antworten mit Zitat

Wilson hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Wilson hat folgendes geschrieben:
https://www.3sat.de/kabarett/bosetti-late-night/bosetti-late-night-folge-11-bln-102.html

Zitat:

Stell dir vor, es ist Krieg...
Steht der Dritte Weltkrieg vor der Tür? Was können wir tun, um ihn zu verhindern? Bei "Bosetti Late Night" dreht sich alles um Kriegsangst und Friedenssicherung


Hui, das war gut und heftig!!

BOSETTI LATE NIGHT ist da! Diesmal mit Marina Weisband und Ole Nymoen.

Zufällig entdeckt.



Ole Nymoen:
"Warum ich niemals für mein Land kämpfen würde
Gegen die Kriegstüchtigkeit
Ein starkes Plädoyer gegen den Kriegseinsatz – fern von naiver Friedensbewegtheit und weltfremdem Pazifismus"
https://www.rowohlt.de/buch/ole-nymoen-warum-ich-niemals-fuer-mein-land-kaempfen-wuerde-9783499017551

Ich hatte gerade Zeit, mir diese Diskussion anzuhören und fand sie auch gut und heftig.

Auch, weil sie mir gezeigt hat, dass es sich nicht lohnt, ein Buch von Ole Nymoen zu diesem Thema zu lesen. Der redet zuviel von Menschen an sich. Aber die gibt es nicht. Der Junge hat - im Gegensatz zu Bosetti und Weisband - nur einen sehr eingeschränkten Kontakt zur Realität.


Weiß ich doch, dass du es vorziehst nicht genauer hinzuschauen oder zu lesen und dir ein paar Sätze in einer kurzen Sendung reichen, um über die motivationen der protagonisten bescheid zu wissen.
...

Der Herr Nymoen hatte ca 15 min Zeit, seine Kernaussage zu formulieren und zu begründen. Seine Kernaussage ist schlicht und seine Begründung lies wenig Bezug zur Realität erkennen, auch nicht, als Bosetti, die ihm auch nicht so recht folgen konnte, nachfragte.

Möchtest Du mir jetzt sagen, dass dieser fehlende Realitätsbezug, den übrigens auch Tillich nach der Leseprobe feststellte, ganz toll ist, wenn er in Buchform ausgewalzt wird, oder ist der Nymoen nur zu dumm, seine eigenen Gedanken richtig vorzustellen?

Ich gehe nach dieser Befragung davon aus, dass er das ganz gut kann, dass nur seine Gedanken nix taugen.
_________________
Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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tillich (epigonal)
hat Spaß



Anmeldungsdatum: 12.04.2006
Beiträge: 22250

Beitrag(#2309874) Verfasst am: 25.03.2025, 23:43    Titel: Antworten mit Zitat

Wilson hat folgendes geschrieben:
Ich jedenfalls bin soooo froh wie nie, keine Kinder zu haben, die ich los schicken müsste oder die selbst auf die idee kämen ( ok, unter meinem einfluss wohl eher weniger), von sich aus los zu ziehen, um zu schießen bzw sich erschießen zu lassen.

Du zeigst hier - mit völlig anderen Worten, deswegen finde ich den Beitrag sehr hilfreich - dieselbe Grundperspektive wie die, die ich bei Nymoen kritisiert habe: Du gehst nämlich von einem "losschicken" oder "losziehen" aus. Sprich, du gehst von einem Krieg aus, den das eigene Land beginnt und der dann anderswo stattfindet. Daran nicht teilnehmen zu wollen, ist selbstverständlich eine sowohl sehr vernünftige (sowohl im eigenen als auch im allgemeinen Interesse) als auch ehrenhafte Haltung.

Aber was ist, wenn man weder die Kinder losschicken noch selbst losziehen muss, um sich erschießen zu lassen, sondern wenn es dafür völlig reicht, im eigenen Land, evtl. ganz zu Hause zu bleiben, weil die Leute, die erschießen, zu einem kommen? Sprich, wenn das eigene Land überfallen wird? Dann hilft diese Haltung rein gar nichts. Und das ist die Situation der Ukraine und die Situation, mit der sich auch andere Nachbarländer Russlands gedanklich auseinandersetzen müssen. Und weil das unsere Verbündeten in einem Verteidigungsbündnis sind, auch wir.
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"YOU HAVE TO START OUT LEARNING TO BELIEVE THE LITTLE LIES." -- "So we can believe the big ones?" -- "YES."

(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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VanHanegem
Weltmeister



Anmeldungsdatum: 24.04.2006
Beiträge: 3180

Beitrag(#2309880) Verfasst am: 26.03.2025, 08:23    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:

Diese Projektgruppe, die diesen Bericht vorgelegt hat, wurde am 15.3.21 eingesetzt und hatte noch Abrüstung zum Ziel. Wenn sie dieses Ergebnis später einem Verteidigungsminister Boris Pistorius vorgelegt hätten, wäre der im Selben Moment entweder aus der Partei aus- oder als Minister zurückgetreten.
Soll heißen, dass man trotz vieler Abrüstungsnaivlinge mit dem offiziellen Angriff der Russen auf die Ukraine am 24.2.22 auch innerhalb der SPD dazugelernt hat.

Ist schon klar, dass die SPD kurz danach umgeschwenkt ist. Aber meinst Du man gewinnt einen Krieg mit einer Generation, der Jahrzehntelang eingebläut worden ist, dass Militärdienst und Rüstungsforschung eigentlich schmuddelig bis amoralisch sind?
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VanHanegem
Weltmeister



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Beiträge: 3180

Beitrag(#2309881) Verfasst am: 26.03.2025, 08:29    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Wilson hat folgendes geschrieben:
Ich jedenfalls bin soooo froh wie nie, keine Kinder zu haben, die ich los schicken müsste oder die selbst auf die idee kämen ( ok, unter meinem einfluss wohl eher weniger), von sich aus los zu ziehen, um zu schießen bzw sich erschießen zu lassen.

Du zeigst hier - mit völlig anderen Worten, deswegen finde ich den Beitrag sehr hilfreich - dieselbe Grundperspektive wie die, die ich bei Nymoen kritisiert habe: Du gehst nämlich von einem "losschicken" oder "losziehen" aus. Sprich, du gehst von einem Krieg aus, den das eigene Land beginnt und der dann anderswo stattfindet. Daran nicht teilnehmen zu wollen, ist selbstverständlich eine sowohl sehr vernünftige (sowohl im eigenen als auch im allgemeinen Interesse) als auch ehrenhafte Haltung.

Aber was ist, wenn man weder die Kinder losschicken noch selbst losziehen muss, um sich erschießen zu lassen, sondern wenn es dafür völlig reicht, im eigenen Land, evtl. ganz zu Hause zu bleiben, weil die Leute, die erschießen, zu einem kommen? Sprich, wenn das eigene Land überfallen wird? Dann hilft diese Haltung rein gar nichts. Und das ist die Situation der Ukraine und die Situation, mit der sich auch andere Nachbarländer Russlands gedanklich auseinandersetzen müssen. Und weil das unsere Verbündeten in einem Verteidigungsbündnis sind, auch wir.

Das "losziehen" um zu erschießen und erschossen zu werden trifft leider bei jeder Kriegshandlung zu, egal ob Angriffs- under Verteidigungskrieg. Und auch dass Eltern das nicht mögen, wenn die eigenen Kinder involviert sind.

Und so (unterstelle ich mal) war das seitens des Unsers/der Unserin auch gemeint.
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fwo
Caterpillar D9



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Beiträge: 26436
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2309882) Verfasst am: 26.03.2025, 11:20    Titel: Antworten mit Zitat

VanHanegem hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:

Diese Projektgruppe, die diesen Bericht vorgelegt hat, wurde am 15.3.21 eingesetzt und hatte noch Abrüstung zum Ziel. Wenn sie dieses Ergebnis später einem Verteidigungsminister Boris Pistorius vorgelegt hätten, wäre der im Selben Moment entweder aus der Partei aus- oder als Minister zurückgetreten.
Soll heißen, dass man trotz vieler Abrüstungsnaivlinge mit dem offiziellen Angriff der Russen auf die Ukraine am 24.2.22 auch innerhalb der SPD dazugelernt hat.

Ist schon klar, dass die SPD kurz danach umgeschwenkt ist. Aber meinst Du man gewinnt einen Krieg mit einer Generation, der Jahrzehntelang eingebläut worden ist, dass Militärdienst und Rüstungsforschung eigentlich schmuddelig bis amoralisch sind?

Das sind Gedanken, denen ich folgen würde, wenn ich einen Angriffskrieg planen würde. Das haben wir aber nicht vor. An unserer Stelle reicht es, eine Armee aufzustellen, die es für einen Angreifer hinreichend wahrscheinlich macht, dass ein Angriff zu teuer wird. Es geht um die teilweise schon im Altertum praktizierte Politik "Si vis pacem para bellum."
Du solltest auch nicht unterschätzen, dass bis auf wenige Trantüten und und pathologisch Russlandfreundliche inzwischen alle begriffen haben, dass die Realität in einem angriffswilligen Nachbarn besteht, der nicht angreift, weil er selbst angegriffen wird, sondern weil er offen imperialistische Ziele verfolgt.
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VanHanegem
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Beitrag(#2309902) Verfasst am: 27.03.2025, 18:16    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Das sind Gedanken, denen ich folgen würde, wenn ich einen Angriffskrieg planen würde. Das haben wir aber nicht vor.

Ich halte es für eine Illusion zu glauben für einen Verteidigungskrieg bräuchte man weniger oder andere personelle, technische Fähigkeiten, wie für einen Verteidigungskrieg.



fwo hat folgendes geschrieben:
Du solltest auch nicht unterschätzen, dass bis auf wenige Trantüten und und pathologisch Russlandfreundliche inzwischen alle begriffen haben, dass die Realität in einem angriffswilligen Nachbarn besteht, der nicht angreift, weil er selbst angegriffen wird, sondern weil er offen imperialistische Ziele verfolgt.

Das "begriffen haben" bildet sich in dem, was hier real abgeht aber nicht ab. Weder gibt es einen Run auf Bundeswehr Jobs, noch technische Neuentwicklungen, insbesondere bei den Drohnen, Kampfrobotern etc. Geschweige denn eine flächendeckende Ausrüstung und Training der Kampfeinheiten damit.
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fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 26436
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2309903) Verfasst am: 27.03.2025, 21:58    Titel: Antworten mit Zitat

VanHanegem hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Das sind Gedanken, denen ich folgen würde, wenn ich einen Angriffskrieg planen würde. Das haben wir aber nicht vor.

Ich halte es für eine Illusion zu glauben für einen Verteidigungskrieg bräuchte man weniger oder andere personelle, technische Fähigkeiten, wie für einen Verteidigungskrieg.

Mal davon abgesehen, dass der Vergleichsoperator für einen Komparativ ein als ist - was will uns der Weltmeister damit sagen, dass man für einen Verteidigungskrieg die gleichen Fähigkeiten bräuchte wie für einen Verteidigungskrieg?
Dass man einen Angriff normalerweise mit einen Drittel des "Materials" des Angreifers abwehren kann, gilt m.W. seit Clausewitz und hat sich, wenn ich neueren Aussagen z.B. des Militärhistorikers Neitzel oder der Sicherheitsfachfrau Claudia Major glauben darf, die beide regelmäßig in Talkshows unsere Lage oder die der Ukrainer kommentieren, bis heute nicht geändert.

VanHanegem hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Du solltest auch nicht unterschätzen, dass bis auf wenige Trantüten und und pathologisch Russlandfreundliche inzwischen alle begriffen haben, dass die Realität in einem angriffswilligen Nachbarn besteht, der nicht angreift, weil er selbst angegriffen wird, sondern weil er offen imperialistische Ziele verfolgt.

Das "begriffen haben" bildet sich in dem, was hier real abgeht aber nicht ab. Weder gibt es einen Run auf Bundeswehr Jobs, noch technische Neuentwicklungen, insbesondere bei den Drohnen, Kampfrobotern etc. Geschweige denn eine flächendeckende Ausrüstung und Training der Kampfeinheiten damit.

Die Anzahl derer, die freiwillig zum Bund gehen, wenn ihnen woanders bessere Bedingungen geboten werden, würde ich nur sehr bedingt als Maßstab für die Wehrfähigkeit einer Generation nehmen. Was diesbezüglich schon Mut machen kann, ist, dass wir viele, auch ältere, Freiwillige haben, die sich für die weniger langwierige Ausbildung im Heimatschutz melden. Wirklich sichtbar wird die Stimmung erst werden, wenn wieder alle eine Dienstzeit absolvieren müssen, so dass die Leute keine Wahl mehr zwischen persönlicher Karriere und Wehrdienst haben, sondern nur eine Wahl zwischen Wehr- und Zivildienst, wie zu Zeiten des kalten Krieges.

Die Bundeswehr hat zur Zeit in den unteren Rängen personell drei Probleme: genügend Leute zu bekommen, und die sollten ausbildungsfähig sein, und das nicht nur körperlich.
Wenn sie die bekämen, würde das dritte Problem deutlich werden: Sie haben weder die infrastrukturelle noch persönliche Ausbildungskapazität für diese Zahlen.

Ansonsten machst Du den berechtigten Einwand, dass das zugesagte Geld nichts nützt, wenn die internen Strukturen, die sich die Bundeswehr in Friedenszeiten angemästet hat, nicht gewaltig verändert werden, das Beschaffungswesen ist nur ein Teil davon. Wie alle Behörden leidet auch die Bundeswehr gewaltig darunter, dass die einstellenden Gremien Juristen, unabhängig davon dass sie auch sonst von mäßigem Verstand sind***, für alle Stellen im höheren Dienst für geeignet halten.

*** frei nach Ludwig Thoma "der Vertrag"
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VanHanegem
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Anmeldungsdatum: 24.04.2006
Beiträge: 3180

Beitrag(#2309905) Verfasst am: 28.03.2025, 11:43    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Dass man einen Angriff normalerweise mit einen Drittel des "Materials" des Angreifers abwehren kann, gilt m.W. seit Clausewitz und hat sich, wenn ich neueren Aussagen z.B. des Militärhistorikers Neitzel oder der Sicherheitsfachfrau Claudia Major glauben darf, die beide regelmäßig in Talkshows unsere Lage oder die der Ukrainer kommentieren, bis heute nicht geändert.

mal abgesehen davon, dass ich eine universelle Gültigkeit dieser Regel anzweifle, wurde diese m.W. nur für das unmittelbare Terrain der Kämpfe hergeleitet. Dem steht gegenüber die Möglichkeit des Angreifers sich dieses Terrain längs einer typischerweise mehrere 1000km langen Front auszusuchen. Abhängig von den (entsprechend Technologiefortschritt wechselnden) Möglichkeiten verdeckt zu verlegen, könnte sich mit der 3:1 Regel unterm Strich sogar bereits unter näherungsweiser militärischer Parität insgesamt, ein Vorteil des Angreifers ergeben.


fwo hat folgendes geschrieben:
Die Anzahl derer, die freiwillig zum Bund gehen, wenn ihnen woanders bessere Bedingungen geboten werden, würde ich nur sehr bedingt als Maßstab für die Wehrfähigkeit einer Generation nehmen. ...

Da hast Du allerdings Recht, ohne Wehrpflicht gehts also nicht. Dazu gehört nicht nur die papierne Wehrpflicht, sondern auch die de facto Armutswehrpflicht (Beispiel USA, Russland etc.). Letztere ist für unseren Staat natürlich eher nicht die Zielvorstellung.


fwo hat folgendes geschrieben:
Wirklich sichtbar wird die Stimmung erst werden, wenn wieder alle eine Dienstzeit absolvieren müssen, so dass die Leute keine Wahl mehr zwischen persönlicher Karriere und Wehrdienst haben, sondern nur eine Wahl zwischen Wehr- und Zivildienst, wie zu Zeiten des kalten Krieges.

Zugegeben, meine Befürchtungen beruhen auf Spekulation, ich kann mir halt nicht vorstellen, dass in einer Generation von SPD-lern, die Drohnenbewaffnung ablehnen und überhaupt einer Generation von Studenten, die sich für Zivilklauseln einsetzen von einem Tag auf den anderen eine überwiegende Mehrheit eine 180 Grad Wende macht. (bzw. eine 360 Grad Wende in der nichteuklidischen Baerbockschen Geometrie)
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fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 26436
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2309906) Verfasst am: 28.03.2025, 12:08    Titel: Antworten mit Zitat

VanHanegem hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Dass man einen Angriff normalerweise mit einen Drittel des "Materials" des Angreifers abwehren kann, gilt m.W. seit Clausewitz und hat sich, wenn ich neueren Aussagen z.B. des Militärhistorikers Neitzel oder der Sicherheitsfachfrau Claudia Major glauben darf, die beide regelmäßig in Talkshows unsere Lage oder die der Ukrainer kommentieren, bis heute nicht geändert.

mal abgesehen davon, dass ich eine universelle Gültigkeit dieser Regel anzweifle, wurde diese m.W. nur für das unmittelbare Terrain der Kämpfe hergeleitet. ...

Da weißt Du was Falsches. Ich kenne diese allgemeine Regel seit ca. 50 Jahren, mw. beruht sie auf Clausewitz.
Dass von derartigen Regeln nichts mehr stimmt, wenn eine der beiden Parteien entscheidende taktische oder gar strategische Fehler macht, darüber brauchen wir uns nicht zu streiten.
Neitzel erwähnte vor kurzem in einer Diskussion zum Thema, ab wann wir kriegsfähig sein sollten (für einige Bedenkenträger: auch ein Verteidigungskrieg ist ein Krieg), dass die Angaben dazu leicht unterschiedlich seien, weil mache Strategen beim Angreifer Russland mit seiner prognostizierten Angriffsfähigkeit von einem tauglichen Verhältnis von 1 / 3,4 statt von 1 / 3 ausgehen.

Er ließ offen, ob es sich da um ein Pfeifen im Walde handelte.
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Wilson
zwischen gaga und dada



Anmeldungsdatum: 04.02.2008
Beiträge: 21443
Wohnort: Swift Tuttle

Beitrag(#2309918) Verfasst am: 28.03.2025, 19:42    Titel: Antworten mit Zitat

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/in-ruestung-investieren-frankreich-plant-anlageprodukt-fuer-buerger-110369346.html
Faz bezahlartikel:

Zitat:

Mit 500 Euro Rüstungssparer werden

Frankreich plant ein Anlageprodukt, mit der Bürger in Aufrüstung investieren können. So sollen 450 Millionen Euro aufgebracht werden.

Franzosen sollen sich durch die Einzahlung in einen neuen Fonds künftig an der Finanzierung der Rüstungsindustrie beteiligen können. Aufgelegt werden soll er von der staatlichen französischen Förderbank Bpifrance. Finanz- und Wirtschaftsminister Eric Lombard sprach am Donnerstag von der Schaffung eines Anlageprodukts, mit dem man 450 Millionen Euro an Ersparnissen mobilisieren wolle. Der Mindestbetrag betrage 500 Euro und der Höchstbetrag „einige Tausend Euro“. Der Zinssatz ist noch unklar.
(...)






das handelsblatt for free:

https://www.handelsblatt.com/politik/international/verteidigung-frankreich-will-ruestungsindustrie-mit-sparbuechern-finanzieren/29514748.html



Zitat:
Paris. Frankreich erschließt eine neue Quelle zur Finanzierung der Verteidigungsausgaben: die Ersparnisse seiner Bürger. Ein Passus im Haushaltsgesetz für 2024 ermöglicht, die Milliardeneinlagen des französischen Volkssparbuchs Livret A auch für Investitionen in Rüstungsprojekte zu nutzen. Bisher flossen diese Mittel nur in den sozialen Wohnungsbau.

Das Livret A ist die populärste Geldanlage in Frankreich – vor allem, weil die Zinsen bis zu einer Grenze nicht versteuert werden müssen. Mehr als 50 Millionen Franzosen besitzen ein solches Guthaben.

Auch das „Sparbuch für nachhaltige Entwicklung“,(...)
Viele Banken und Fonds haben sich in den vergangenen Jahren aus der Finanzierung von Rüstungsunternehmen zurückgezogen, weil sie nicht den jeweiligen Nachhaltigkeitskriterien entsprach.


na so was wird wohl auch hier nicht lange auf sich warten lassen...
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hat Spaß



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Beiträge: 22250

Beitrag(#2309922) Verfasst am: 28.03.2025, 21:21    Titel: Antworten mit Zitat

Wilson hat folgendes geschrieben:
na so was wird wohl auch hier nicht lange auf sich warten lassen...

Das muss nicht auf sich warten lassen, denn das gibt es schon längst: Bei Bundesanleihen, die dem wohl am ehesten entsprechen dürften, steht einfach nicht drauf, wofür der Staat es verwenden soll, also kann er es selbstverständlich auch für Rüstung verwenden. Für Frankreich ist das bloß eine Meldung, weil dieses Geld bis dahin anscheinend anderweitig zweckgebunden war.

Mit Geld aus Sparguthaben bei privaten Banken dagegen können eben diese privaten Banken wirtschaften. Selbstverständlich können auch die es wiederum dem Staat für beliebige Zwecke leihen (es sei denn, selbstgegebene Richtlinien schreiben bestimmte Zwecke vor).
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VanHanegem
Weltmeister



Anmeldungsdatum: 24.04.2006
Beiträge: 3180

Beitrag(#2309935) Verfasst am: 29.03.2025, 15:08    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
a weißt Du was Falsches. Ich kenne diese allgemeine Regel seit ca. 50 Jahren, mw. beruht sie auf Clausewitz.
...

... der zur Zeit der napoleonischen Kriege aktiv war, bei denen sich die Kampfhandlungen hauptsächlich auf örtlich begrenzten Schlachtfeldern stattfanden. Für derartige Schwerpunkte gilt sie noch heute. Die gesamte Situation einer mehrere tkm langen Front wird hierdurch nur beding abgebildet.
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fwo
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Anmeldungsdatum: 05.02.2008
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Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2309936) Verfasst am: 29.03.2025, 16:05    Titel: Antworten mit Zitat

VanHanegem hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
a weißt Du was Falsches. Ich kenne diese allgemeine Regel seit ca. 50 Jahren, mw. beruht sie auf Clausewitz.
...

... der zur Zeit der napoleonischen Kriege aktiv war, bei denen sich die Kampfhandlungen hauptsächlich auf örtlich begrenzten Schlachtfeldern stattfanden. Für derartige Schwerpunkte gilt sie noch heute. Die gesamte Situation einer mehrere tkm langen Front wird hierdurch nur beding abgebildet.

Da bin ich mir nicht so sicher - wie gesagt, in den 70ern wurde das noch so gelehrt, und wenn ich mir Neitzel anhöre, wird es immer noch gelehrt - und der Häuserkampf wird auch nicht abgebildet, da rechnet man aktuell mit einem Verhältnis 1 / 12. Das ist der Hintergrund dafür, dass Putin Städte lieber plattbombt. Aber so kann er keine Flächen erobern.
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Anmeldungsdatum: 22.07.2003
Beiträge: 16337
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Beitrag(#2309953) Verfasst am: 31.03.2025, 11:14    Titel: Antworten mit Zitat

Wilson hat folgendes geschrieben:
Ich jedenfalls bin soooo froh wie nie, keine Kinder zu haben, die ich los schicken müsste oder die selbst auf die idee kämen ( ok, unter meinem einfluss wohl eher weniger), von sich aus los zu ziehen, um zu schießen bzw sich erschießen zu lassen.


Daran anklingend, aber noch ein Gedanke:

(Also ich muß letztlich auch wieder den advocatus diaboli spielen, weil mir das irgendwie zu glatter Kartoffelbrei wäre, wenn jetzt alle für die Einführung der Wehrpflicht wären etc.):

Ich bin ja sowieso reserviert gegen die Einführung von Pflichten mit ihren Risiken und Verdrückungen.

Ich erinnere mich gerade so an eine Anekdote, die mein Vater erzählt hat: Es habe damals schon "Selbstverständlichkeiten" oder subtile Drücke gegeben. Er und seine Brüder hätten jedenfalls nicht verweigert. Möglicherweise noch schlimmer fühlte sich allerdings ein Offizerssohn, der mit ihm in der Kaserne gelandet sei: Der sei ein "sehr schlechter Soldat" gewesen, habe dann auch als Einziger die Grundausbildung nicht bestanden. Er hat natürlich keinen Kontakt mehr zu den Leuten, also kann man das wahrscheinlich nicht mehr klären, welchen Grund das hatte. Aber ich habe (damals wie heute) über die Erzählung so gedacht: Womöglich wäre er ja woanders lieber gewesen. Aber vielleicht hat damals der Vater mehr oder weniger subtil Druck gemacht, daß der Sohn eines Berufssoldaten "nicht sowas Luschiges tut wie etwa Behinderte betreuen", sondern mindestens die Pflichtzeit beim Kommiss absolviert.

Mir ist auch eine Äußerung von Jose Ortega y Gasset übel aufgestoßen, die er in "Aufstand der Masse" zum Besten gab: Das war ja eine Zeitdiagnose, auf sehr stark die moderne Gesellschaft für den Faschismus verantwortlich machte, und von konservativer Seite wurde ja gerne die Theorie propagiert, am Faschismus sei eine "Vermassung" schuld (#).

Jedenfalls formulierte Ortega in der Zeit des entstehenden Faschismus Ende der 1920er Jahre auch ein Gesellschaftsbild, typisch für die junge Generation seiner Zeit sei "der satte junge Herr", der es ja zu leicht im Leben habe, der in der modernen Gesellschaft nicht mehr für seinen Lebensunterhalt kämpfen müsse etc., und meint dann wohl, einige dieser Leute würden dann auch zu Faschisten aufgrund überzogenen Anspruchsdenkens, daß die Gesellschaft ihre Wünsche erfüllen müsse - und bei Manchen auch, daß sie dabei auch nicht nach Legitimität oder Moralität ihrer Wünsche fragten. (&) Man kann das jetzt hin und her psychologiiseren und auseinandernehmen, aber irgendwo eckt das an:

Denn die Generation seiner (ob tatsächlichen oder hypothetischen) Kinder waren ja letztlich (wenn überhaupt) oft nur die "Ausführenden des Faschismus". Während Vertreter seiner Generation (er war 1883 geboren) ja viel größeren Anteil daran hatten, die geistigen Voraussetzungen für den Faschismus zu schaffen. Einige Historiker sehen auch Vertreter der "Elitensoziologie" (also einem Kreis, dem auch Ortega angehörte) mehr oder weniger als "Vordenker eines Faschismus" an. (*) Und mit eben diesem Faschismus mußten sich die "satten jungen Herren" dann je nach dem Land, in dem sie lebten, für Jahre oder sogar Jahrzehnte herumschlagen.


Der Punkt dabei: Natürlich könnte in Rußland noch viel Zeit vergehen, bis jemand an die Macht kommt, der nicht zum "System Putin" gehört, keine Lust auf diese Form der Konfrontation hat. Und mit Trump im Weißen Haus wird ein Krieg auch nicht eben unwahrscheinlicher.

Es sind dennoch immer Andere, die für die Wiedereinführung der Wehrpfliicht entscheiden, als die es dann letztendlich betrifft. Was also, wenn die Jugend überhaupt nicht "dienen müssen" will, nicht für die Folgen der jahrzehntelang verfehlten Politik gegen den russsichen Ditkator jetzt ihre Knochen hinhalten will?

Man sollte nicht Andere dafür kritisieren, wenn sie auf diese Scheiße, die ihre "Altvorderen" ihnen eingebrockt haben, keine Lust haben.




_________
(#) (Oder sei "links" gewesen, wo der überwiegende Teil der Forschung den ja wohl als rechtsextrem sieht. Während der Faschismus aber auch elitäre Komponenten hat. Und auch aus Sicht Einiger als "Extremsimus der Mitte" charaktierisert wird. Aber ich schweife ab.)

(&) Also: Man sollte Dinge auch erst recht nicht einführen aus Geisteshaltungen wie "hat uns ja auch nicht geschadet" oder "die Jugend ist zu faul, zu zu verweichlicht" oder "weil man's kann"...

(*) Wiederum abschweifend: Er gehört vielleicht nicht so dazu. Er hatte sich 1936 für die spanische Republik erklärt, das Land dann verlassen, aber nachher lange Zeit im diktatorisch regierten Portugal und nach dem 2.Wk auch wieder in Spanien gelebt. Er hat ja auch viele Ideen für ein liberales Europa formuliert und konstatiert (oder zumindest die Hoffnung geäußert), daß letzten Endes diktatorische Systeme zusammenbrechen müssen. Die Machthaber haben ihn allerdings dann auch nicht "einkassiert".
_________________
"Die Pentagon-Gang wird in der Liste der Terrorgruppen geführt"

Dann bin ich halt bekloppt. Mit den Augen rollen

"Wahrheit läßt sich nicht zeigen, nur erfinden." (Max Frisch)
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fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 26436
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2309955) Verfasst am: 31.03.2025, 18:36    Titel: Antworten mit Zitat

Critic hat folgendes geschrieben:
....
Der Punkt dabei: Natürlich könnte in Rußland noch viel Zeit vergehen, bis jemand an die Macht kommt, der nicht zum "System Putin" gehört, keine Lust auf diese Form der Konfrontation hat. Und mit Trump im Weißen Haus wird ein Krieg auch nicht eben unwahrscheinlicher.

Es sind dennoch immer Andere, die für die Wiedereinführung der Wehrpfliicht entscheiden, als die es dann letztendlich betrifft. Was also, wenn die Jugend überhaupt nicht "dienen müssen" will, nicht für die Folgen der jahrzehntelang verfehlten Politik gegen den russsichen Ditkator jetzt ihre Knochen hinhalten will?

Man sollte nicht Andere dafür kritisieren, wenn sie auf diese Scheiße, die ihre "Altvorderen" ihnen eingebrockt haben, keine Lust haben.....

Ja, stimmt. Meine Generation hat meiner Kinder- und meiner Enkel-Generation Scheiße eingebrockt.

Die besteht darin, dass wir*** nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion geglaubt haben, der Kampf zwischen Ost und West sei nun vorbei, und überall abgerüstet haben, anstatt die Rüstung und die Armeen auf Höhe zu halten. Die Jahrzehnte dauernde verfehlte Politik bestand darin, davon auszugehen, dass jemand, der nicht angegriffen wird, selbst auch nicht angreift.

Jetzt greift Putin an, und Schuld sind alle, die in religiösem Abrüstungswahn oder auch nur Bequemlichkeit nicht für genügend Wehrhaftigkeit gesorgt haben - war ja wirklich bequemer, so blieb mehr Geld für anderes übrig. So ganz jung bist Du ja auch nicht mehr und müsstest Dich da eigentlich auch angesprochen fühlen.

Und, ganz unter uns: Sich an der Wieder-Aufrüstung je nach der Form, in der man es kann, nicht zu beteiligen, durfte aus Sicherheitsaspekten eher kontraproduktiv sein. Es hieße, unsere Scheiße fortzusetzen und Putin zu weiterer Expansion einzuladen.

btw: Der "subtile Druck", von dem Du erzählst, hat einen Namen. Er nennt sich Sozialisation. Du lebst doch nicht etwa in der Illusion, unsere Entscheidungen wären wirklich frei? Weder hätte es dann überhaupt eine kulturelle Evolution geben können, noch könnte irgend eine Gesellschaft existieren.

Statt vom subtilen Druck zu reden, hättest Du auch ganz bedeutungsschwer sagen können, dass wir in einer Gesellschaft leben.

*** Das Wir steht deshalb da, weil ich an die Demokratie glaube. Ich war in einer weniger gutgläubigen Minderheit und habe nicht genügend gewarnt.
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Beitrag(#2309957) Verfasst am: 31.03.2025, 20:13    Titel: Antworten mit Zitat

(Kann sein, daß ich das nochmal durchgehe oder hier noch was ergänze, aber hier mal so Gedanken:)

Ich gehe wie gesagt zunächst mal in soweit mit, als man offenbar mit Putin falsch umgegangen ist:

Einerseits hat man nach dem Ende des Kommunismus Einblicke gehabt, daß die Bedrohung, die vom Osten ausging, letztlich auch zum Teil in der Phantasie der jeweiligen Militärpolitiker entstanden war: Atomwaffen ja, andererseits gingen aber selbst die militärischen Planungen des Warschauer Paktes davon aus, daß man einen Blitzsieg in Europa hätte erringen müssen, weil man einen längeren Krieg gegen den Westen unweigerlich verlieren würde ("Zu den Kriegsplanungen des Warschauer Paktes", "Kriegsführungspläne des WP"; oder kürzer auch in Wikipedia; * ; in dem Zusammenhang interessant ist natürlich, daß nie davon die Rede ist, wie viele Opfer auf beiden Seiten ein solcher Krieg verursacht hätte) - hat die SU dennoch bis zu einem Drittel ihres Staatshaushaltes für die Armee ausgegeben, eben auch aus der gleichen Paranoia heraus, so etwas wie ein "Gleichgewicht des Schreckens" aufrechtzuerhalten. Also jedenfalls war die SU schon "totgerüstet", insofern war es ja kaum "conceivable", daß da wirklich weiterhin eine ernsthafte militärische Bedrohung kommen könnte.

Andererseits - als sich die "imperiale Agenda" schon zeigte, hat man das - im Falle Tschetschenien - ignoriert (bzw. es als "Kampf gegen den Terror" gesehen), oder man ging - Georgien 2008 bzw. Ukraine 2014 - relativ schnell wieder zur Tagesordnung über. Man hat Putin insofern auch die Mittel an die Hand gegeben, die er in seine Kriegskasse stecken konnte. Ggf. auch mit der Argumentation, "wenn wir das Gas nicht kaufen, dann kaufen es halt die Chinesen".

Andererseits ist militärisches Gerät ziemlich unproduktiv, das Geld wäre ja in der Regel besser in alle möglichen anderen Dinge investiert, von bröckelnden Schulen und Bahnstrecken, über Bildung und Kultur bis - müßte man wohl auch betrachten - zum Kampf gegen neue Nazi-Umtriebe in der Gesellschaft. Vieles davon ist natürlich auch nicht so alete wie die tollen neuen Waffensysteme aufzuzählen (was die Militärpolitiker da aufrufen, erinnert mich an Dialoge aus "Raumpatrouille Orion" oder aus Ronald Reagans "Star Wars"-Projekt). (#)

Und ich bin auch sehr reserviert gegenüber Erklärungen, daß jetzt ein gesellschaftliches Klima geschaffen werden müsse, "Mit 18 geht man zum Kommiss. Punkt." und daß es, wenn überhaupt, nur eine kleine Minderheit anzweifelt. Siehe etwa das Beispiel Israel. Das schafft ja andererseits auch gewisse Probleme. (§)

Die Akteure handeln z.B. in so einem gesellschaftlichen Klima auch wider besseres Wissen: Wo wir ja schon bei meinem Vater waren, der meinte auch mal, daß sein Vater (der noch zu den Soldaten des 2.Weltkriegs gehörte) nie von seinen Kriegserlebnissen gesprochen habe. Er habe wohl eine heftige Narbe gehabt, muß also irgendwo schwer verwundet worden sein, aber Näheres hätte er nie erzählt. Von den Eltern meiner Mutter habe ich ja immerhin die Quintessenz mitbekommnen, daß man sich nicht freiwillig melden sollte - es sei schon schlimm genug gewesen, was man habe machen müssen. Und wenn die Akteure weiter so handeln, ist ja die Frage, ob das nicht auch Konflikte perpetuiert.

(Btw.: Die Chinesen brauchen - trotz "diktatorisches Land" - interessanterweise auch niemanden einzuziehen. Zwar steht die Wehrpflicht dort immer noch in den Büchern, aber es gibt wesentlich mehr Freiwillige als Stellen bei der Armee, die kann sich ihre besten Rekruten aussuchen.)

Die Einschätzung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags schließt mit einem "sowohl als auch":

Zitat:
Im Unterschied zu einer gegen einen oder mehrere baltische Staaten gerichteten militärischen
Aggression oder insbesondere im Vergleich zu den Angriffsplanungen des Warschauer Paktes im
Kalten Krieg dürfte sich ein militärischer Vorstoß konventioneller russischer Streitkräfte nach
Mittel- oder gar Westeuropa heute jedoch weitaus schwieriger gestalten, weil aufgrund der Tiefe
des Raums, aber auch aufgrund deutlich verbesserter Aufklärungsfähigkeiten der NATO, einer
solchen Operation wahrscheinlich weitgehend das Überraschungsmoment fehlen würde und
die NATO rechtzeitig entsprechende Verteidigungsvorbereitungen und Gegenmaßnahmen tref-
fen könnte. Dies impliziert, dass die russischen Streitkräfte für einen erfolgreichen Angriff auf
Mitteleuropa heute eine solche materielle und personelle Überlegenheit bräuchten, die die des
Kalten Krieges grundsätzlich sogar noch deutlich übersteigen müsste.

Die Entwicklung modernen
Kriegsgeräts, bspw. unbemannte (bewaffnete) Systeme, dürfte hiesigen Erachtens an den operati-
ven Überlegungen des russischen Militärs zum Kräfteansatz wenig geändert haben, wie Moskaus
völkerrechtswidriger Angriff auf die Ukraine zeigte, bei dem laut einer vorläufigen Analyse des
RUSI die russische Übermacht im Raum Kyjiw am 24. Februar 2022 12 zu 1 betragen hatte.

Gegenwärtig dürfte Russland das für einen konventionellen Angriff auf Mitteleuropa benötigte
Kriegsmaterial aufgrund des Ukraine-Krieges jedoch ohnehin nicht zur Verfügung haben, da ein
hoher Prozentsatz in diesem Konflikt gebunden ist oder gar zerstört wurde. Die jüngst auf Kriegs-
wirtschaft umgestellte russische Rüstungsindustrie könnte aber – mit Unterstützung anderer
autokratischer Staaten – mittelfristig eine solche Produktionskapazität erreichen, die ausreicht,
um unter Berücksichtigung der operativ verlangten Kräfteverhältnisse in wenigen Jahren die rus-
sischen Landstreitkräfte zu einem Angriff auf Mitteleuropa zu befähigen.


(Sprich: Die russische Soldateska konnte Kiew nicht stürmen, obwohl sie bis zu 12fach überlegen war. Es erscheint relativ unwahrscheinlich, daß Rußland den Westen wirklich 12fach "überrüstet". Aber auch weil die Logistik schauderhaft war. Um eine Stadt gegen entschlossene Verteidiger zu erobern, muß man sie schon "grosnifizieren", das erscheint bei Großstädten kaum möglich. Es ist aus der Erfahrung Ukraine heraus und wieviel russsiche Regierungspropaganda sich mittlerweile darauf bezieht, sicherlich erforderlich, sich vorzubereiten, weil auch die Russen dazulernen dürften. Nur ob das zwingend durch mehr Kanonenfutter geschehen muß. Die Ukrainer sehen sich gezwungen, den Krieg zu führen, den wir nicht führen wollen. Die russischen Verluste in der Ukraine mögen uns zusätzliche Zeit geben, uns vorbereiten, oder auch die Hoffnung geben, daß gerade wegen der langen Vorlaufzeiten ein großer konventioneller Krieg immer schwieriger wird.)

________
(*) Das kann man vielleicht auch "so oder so" betrachten: Man geht in der Mililtärdoktrin wohl davon aus, daß man an Manpower mindestens dreifach überlegen sein muß, um einen eingegrabenen Gegner mit Ortskenntnis etc. besiegen zu können. Das haben wohl auch die Pläne abgebildet: "Massentaktik" mit bis zu sechsfacher Überlegenheit auf der einen Seite, während man auf der anderen Seite argumentierte, daß eine um so größere Verteidigungsarmee insofern immer noch besser sei. Bevor sich auch schon während des Kalten Krieges einige der Staaten im Westen von der Wehrpflicht verabschiedeten. Andererseits ging man ja selbst zu dieser Zeit im Westen davon aus, daß Deutschland als Ganzes zum Schlachtfeld werden könnte, man bestenfalls hoffte, punktuell lange genug durchhalten zu können, bis die Verbündeten ihre Hauptarmeen mobilisiert hatten. (Kanonenfutter?)


(#) Ich erinnere mich da auch an die "Great Society", also Pläne für sozialpolitische Reformen, die z.B. von LBJ formuliert wurden, die die Armut beseitigen, die Bildung und Gesundheitsfürsorge verbessern sollten. Und die haben ja tatsächlich viele Millionen Menschen aus der Armut geholt. (Zumindest statistisch - es kann ja sein, daß als "nicht mehr arm" gilt, wer einen Dollar mehr als die Armutsgrenze verdient). Diese Pläne wurden aber letztlich auch dadurch ausgebremst, daß die USA gleichzeitig den Krieg in Vietnam führten, der ja auch immense Milliarden kostete. Diese großen Batzen wurden letztlich spätestens unter Reagan gegeneinander ausgespielt, als das Militärbudget massiv ausgedehnt und im Sozialbereich zusammengestrichen wurde (Link).

Reagan wollte sogar Militärausgaben nicht einmal als Ausgaben im Sinne des Staatshaushalts sehen. (Und man könnte sogar fragen, ob manche Ultrakonservative nicht sogar bewußt "auf Krise" gehen, um eine Rechtfertigung zu haben, Sozialprogramme zu streichen...)


(§) Ja, es gehört auch zur deutschen Staatsraison, die Israelis zu unterstützen. Und insoweit wie die Israelis die Angegriffenen sind, hat das ja auch seine Legitimation. Andererseits sieht man auch, was die "grimmige Entschlossenheit" der israelischen Regierung bewirkt hat. Zumindest die UN meinen, daß Gaza auch "grosnifiziert" ist. Verliert die Hamas nun den Rückhalt der Palästinenser, es soll ja inzwischen offene Proteste geben. Gibt es also eine Hoffnung, daß der Krieg irgendwann endet -, oder sind das allenfalls punktuelle Anzeichen?

Andererseits ist der Konflikt für zu Viele auf beiden Seiten auch so bequem gewesen. Die Axel-Springer-Presse behauptet zwar, daß Rassismus und rassistisch motivierte Übergriffe vom israelischen Militär nicht geduldet und dementsprechend geahndet würden. Kann aber auch sein - daß halt "Staatsraison" für Manche auch "Kritiklosigkeit" bedeutet: Andere Berichte sagen, daß es Übergriffe gibt, die nicht geahndet werden. Und mich hat auch befremdet, daß etliche Israelis sich schon als Teenager jahrelang auf ihre Militärzeit vorbereiten, körperlich drillen lassen etc., "um möglichst in eine Eliteeinheit aufgenommen zu werden".
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Zuletzt bearbeitet von Critic am 01.04.2025, 04:59, insgesamt 8-mal bearbeitet
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tillich (epigonal)
hat Spaß



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Beitrag(#2309959) Verfasst am: 31.03.2025, 22:32    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Die Jahrzehnte dauernde verfehlte Politik bestand darin, davon auszugehen, dass jemand, der nicht angegriffen wird, selbst auch nicht angreift.

Ich halte das als Grundannahme weiterhin nicht verfehlt. Denn erst einmal heißt das ja - bei den Kosten, die Krieg nun einmal hat - davon auszugehen, dass die Politiker eines Landes eine Politik verfolgen, die ihrem Land nicht schadet. In sehr vielen Fällen trifft diese Grundannahme ja auch zu, sonst müsste es ja noch viel häufiger Krieg geben. Und das liegt mE nicht nur daran, dass sich die Länder gegenseitig erfolgreich abschrecken.

Nur manchmal schaffen sich Länder eben doch Politiker an, die ihrem eigenen Land durch Aggressivität schaden. Und das müssen die anderen Länder dann eben rechtzeitig merken.

fwo hat folgendes geschrieben:
Jetzt greift Putin an, und Schuld sind alle, die in religiösem Abrüstungswahn oder auch nur Bequemlichkeit nicht für genügend Wehrhaftigkeit gesorgt haben - war ja wirklich bequemer, so blieb mehr Geld für anderes übrig.

Auch da wäre ich nicht so harsch. Die Friedensdividende zu kassieren, isr mMn auch weder per se illegitim noch unvernünftig.

Bloß hätte man stärker darauf achten müssen, ob das auch allseitig passiert. Und fernner hätte man in diesem Fall mit dem Russland unter Putin früher erkennen können und deshalb auch müssen, dass dieses eben nicht mehr mitmacht.
Also die Abrüstung nach dem Zusammenbruch der UdSSR war mE schon in Ordnung. Ein früherer und deutlicherer Kurswechsel wäre aber nötig gewesen - spätestens nach der Besetzung der Krim.
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Beitrag(#2309961) Verfasst am: 01.04.2025, 00:32    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
....
Also die Abrüstung nach dem Zusammenbruch der UdSSR war mE schon in Ordnung. Ein früherer und deutlicherer Kurswechsel wäre aber nötig gewesen - spätestens nach der Besetzung der Krim.

Die Krim war schon zu spät.
Tschetschenien wäre eigentlich der Wecker gewesen. Die Aufrüstung durch Putin wurde ab ca 2008 von allen westlichen Geheimdiensten und Militärs als Kriegsvorbereitung gewertet, aber in der Politik wurde nicht reagiert. 2008 wurde auch mit der Gleichschaltungsbehörde Roskomnadsor begonnen, die Bevölkerung auf die kommenden Kriege vorzubereiten, bei uns wurde weiterhin abgerüstet.

Was Du hier mit der Einleitung Bloß verniedlichst
tillich hat folgendes geschrieben:
Bloß hätte man stärker darauf achten müssen, ob das auch allseitig passiert. Und fernner hätte man in diesem Fall mit dem Russland unter Putin früher erkennen können und deshalb auch müssen, dass dieses eben nicht mehr mitmacht.

hat bis jetzt über 1 000 000 Kriegsopfer gekostet, vom restlichen Leiden ganz zu schweigen. Das Ende ist noch nicht abzusehen.
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Beitrag(#2309965) Verfasst am: 01.04.2025, 11:56    Titel: Antworten mit Zitat

Critic hat folgendes geschrieben:
....

(Btw.: Die Chinesen brauchen - trotz "diktatorisches Land" - interessanterweise auch niemanden einzuziehen. Zwar steht die Wehrpflicht dort immer noch in den Büchern, aber es gibt wesentlich mehr Freiwillige als Stellen bei der Armee, die kann sich ihre besten Rekruten aussuchen.)

Was ist jetzt daran interessant? Genau das ist der schon etwas länger bekannte Effekt der medialen Gleichschaltung eines Landes. Deshalb macht man das ja.
Deshalb - die russische Gleichschaltung ist seit ca 2008 komplett - folgt die Mehrheit der Russen Putin in der Argumentation, dass die Ukraine
1. keine Recht auf eine eigene Existenz hat,
2. von Faschisten regiert wird, und
3. Ukrainer sowieso minderwertig sind.

Critic hat folgendes geschrieben:
Die Einschätzung des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags schließt mit einem "sowohl als auch":

Zitat:
.....Die jüngst auf Kriegs-
wirtschaft umgestellte russische Rüstungsindustrie könnte aber – mit Unterstützung anderer
autokratischer Staaten – mittelfristig eine solche Produktionskapazität erreichen, die ausreicht,
um unter Berücksichtigung der operativ verlangten Kräfteverhältnisse in wenigen Jahren die rus-
sischen Landstreitkräfte zu einem Angriff auf Mitteleuropa zu befähigen.

Das ist genau das, wovor z.B. Carlo Masala warnt. Dass Russland aus der dann entstandenen Situation nur einen kurzen Ausfallschritt in den baltischen Staaten macht, "um die dortige russische Bevölkerung zu schützen" und sich dann nur eingräbt, bis sich die konfliktunwilligen Westeuropäer, die dafür keinen Krieg eingehen werden, wieder beruhigt haben. Die große Vorlaufzeit wegen der dafür nötigen Truppenzusammenziehungen wird es übrigens nicht geben: Russland ist bereits dabei, entlang der baltischen Grenze viele neue Garnisonen aufzubauen.

Den nächsten Schritt gibt es, wenn die Beruhigung eingetreten ist - das Muster ist die Krim.

Das Baltikum ist nicht so breit wie die Ukraine.

Critic hat folgendes geschrieben:
(Sprich: Die russische Soldateska konnte Kiew nicht stürmen, obwohl sie bis zu 12fach überlegen war. Es erscheint relativ unwahrscheinlich, daß Rußland den Westen wirklich 12fach "überrüstet". Aber auch weil die Logistik schauderhaft war. Um eine Stadt gegen entschlossene Verteidiger zu erobern, muß man sie schon "grosnifizieren", das erscheint bei Großstädten kaum möglich. Es ist aus der Erfahrung Ukraine heraus und wieviel russsiche Regierungspropaganda sich mittlerweile darauf bezieht, sicherlich erforderlich, sich vorzubereiten, weil auch die Russen dazulernen dürften. Nur ob das zwingend durch mehr Kanonenfutter geschehen muß. Die Ukrainer sehen sich gezwungen, den Krieg zu führen, den wir nicht führen wollen. Die russischen Verluste in der Ukraine mögen uns zusätzliche Zeit geben, uns vorbereiten, oder auch die Hoffnung geben, daß gerade wegen der langen Vorlaufzeiten ein großer konventioneller Krieg immer schwieriger wird.)
....


So halbherzig, wie wir sie unterstützen, ist die Ukraine in nicht all zu langer Zeit Vergangenheit und wird ihre "Aufgabe", möglichst viel russische Kampfkraft zu binden oder zu verbrauchen, dann nicht weiter erfüllen.

btw: Davon abgesehen, dass Deine Argumentation etwas kurzsichtig ist, halte ich das für Zynismus pur, sich darauf ausruhen zu wollen. Und genau darauf läuft Deine Argumentation letztlich hinaus.
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Beitrag(#2309972) Verfasst am: 02.04.2025, 03:29    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Critic hat folgendes geschrieben:
....

(Btw.: Die Chinesen brauchen - trotz "diktatorisches Land" - interessanterweise auch niemanden einzuziehen. Zwar steht die Wehrpflicht dort immer noch in den Büchern, aber es gibt wesentlich mehr Freiwillige als Stellen bei der Armee, die kann sich ihre besten Rekruten aussuchen.)

Was ist jetzt daran interessant? Genau das ist der schon etwas länger bekannte Effekt der medialen Gleichschaltung eines Landes. Deshalb macht man das ja.
Deshalb - die russische Gleichschaltung ist seit ca 2008 komplett - folgt die Mehrheit der Russen Putin in der Argumentation, dass die Ukraine
1. keine Recht auf eine eigene Existenz hat,
2. von Faschisten regiert wird, und
3. Ukrainer sowieso minderwertig sind.


Doch, ich würde das schon interessant sehen im Hinblick darauf, wie Akteure sich verhalten: In diesen schon verlinkten Papers wird meiner Erinnerung nach auch erwähnt, daß zu einer bestimmten Zeit der WP massiv aufrüstete - und im Westen währenddessen trotzdem UK und insbesondere die USA wieder auf eine Berufsarmee umstellten.

Argumentationen, mit denen das geführt wurde, gingen von den wirtschaftllichen Kosten der Wehrpflicht: Über Jahre wurden viele Arbeitskräfte der Wirtschaft entzogen, die Eingezogenen entstammten gerade der Gruppe der Altersklasse, die auch am produktivsten arbeite) (z.B. zu lesen bei Richard Vines, "National service - conscription in Britain 1945-1963"). (Und es ist halt einfach teuer, eine Armee zu unterhalten, und eine Armee ist letztlich kaum produktiv.)

Und auch "Zivildiener" würden oft zu wirtschaftlich wenig wertigen Tätigkeiten herangezogen, auch bedingt dadurch, daß man sie ja in der z.V. stehenden Zeit kaum ausbilden könne (vgl. Simon Duindam, "Military conscription - An economic analysis of the labour component in the armed forces", 1999). (Mittlerweile ist z.B. Pflege ein Studium - also letztlich würde man Zivis da zum Ausgeben dieses vorangerührten Kaffees einsetzen oder zum Putzen?)

Schließlich habe ich da z.B. auch einen Sammelband gefunden, der damals unter der Ägide von Guttenberg veröffentlicht wurde: Wir erinnern uns, damals wurde die Wehrpflicht ja einstweilen eingestampft. Der Band "Wehrpflicht - Legitimes Kind der Demokratie"(?!) bildet immerhin das Meinungsspektrum ab, von Vorstellungen, daß die Wehrpflicht ein "Zukunftsmodell" sei bis hin zur Ablehnung. Kritiker haben etwa darauf abgestellt, daß sowieso keine "Wehrgerechtgkeit" geherrscht habe: Es sei nur ein geringer Teil gezogen worden. Nach einer Hochphase Ende der 1970er Jahre hätten Berufssoldaten immer die Mehrheit der Soldaten gebildet, während die letztlichen Stellen für Eingezogene immer weiter zusammengeschnurrt seien. (Also auch und gerade in einer Phase neuerlicher massiver Nachrüstung.)

Auch kritisiert wurde, daß keiner der Eingezogenen eine Chance hätte, in ieine Position zu kommen, in der er bestimmen könnte, was geschehe (*) - während diejenigen, die über sie bestimmten/befehlen, natürlich freiwillig dort seien. Bis hin zu prinzipiellen Betrachtungen, daß eine Wehrpflicht dem Wesen des liberalen Staates fundamental widerspreche (so damals etwa George McGovern, vgl. in Thomas Reeves/Karl Hess, "The end of the draft - a proposal", 1970?).

(*): Ein Reader mit Tips zur Vermeidung der Dienstpflicht aus den 1990er Jahren erwähnte etwa Betrachtungen von Heiner Geißler Anfang der 1980er Jahre, daß auch "Zivis" im Kriegsfall für dreckige und gefährliche Jobs eingesetzt würden: Er könne sich z.B. das "Räumen von Blindgängern" vorstellen...


Ja, es mag natürlich noch andere Größen geben: Also etwa, wie man die Psyche der Machthaber einschätzte - warum man z.B. die Sowjets, obwohl dort der Beschluß gefaßt wurde, massiv aufzurüsten, eher so einschätzte, daß sie in Nato-Europa nicht angreifen würden, auch trotz dieser tollen Schlachtpläne. Während man von Putin annimmt, daß er das womöglich ausprobieren würde, ob man wirklich für die baltischen Länder (also letztlich Kleckerchen auf der Landkarte) den dritten Weltkrieg riskieren würde.

(Es ist aber auch nicht so klar, wie volatil "öffentliche Meinung" in Rußland so ist: Sind nicht auch die Machtmittel des Diktators letztlich begrenzt? Ja, es gibt die massive Regierungspropaganda, die es so darstellt, daß Rußland sich bereits im Krieg mit dem Westen befinde. Könnte sich andererseits die "öffentliche Meinung" trotz der massiven Repressionsmaßnahmen letztlich gegen Putin wenden, wenn er sein "Kanonenfutter" nicht nur aus der Peripherie, sondern auch aus den großen Städten einziehen ließe?

Andererises liefern Regierungen im "Westen" teilweise auch Putin Munition: In den baltischen Staaten gibt es aktuell die Tendenz, die Rechte der russischen Minderheit einzuschränken. Was ihm natürlich erlaubt, es wieder so darzustellen, als würden die dort lebenden Russen unterdrückt. Was ja auch eine der "offiziellen Begründungen" für die Angriffe auf Georgien und Ukraine war. Man hat versucht, die Regierungen der Nachbarstaaten dazu zu provozieren, bzw. hat wartet zumindest auf derartiges Gebaren.)
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Beitrag(#2309976) Verfasst am: 02.04.2025, 11:39    Titel: Antworten mit Zitat

Critic hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Critic hat folgendes geschrieben:
....

(Btw.: Die Chinesen brauchen - trotz "diktatorisches Land" - interessanterweise auch niemanden einzuziehen. Zwar steht die Wehrpflicht dort immer noch in den Büchern, aber es gibt wesentlich mehr Freiwillige als Stellen bei der Armee, die kann sich ihre besten Rekruten aussuchen.)

Was ist jetzt daran interessant? Genau das ist der schon etwas länger bekannte Effekt der medialen Gleichschaltung eines Landes. Deshalb macht man das ja.
Deshalb - die russische Gleichschaltung ist seit ca 2008 komplett - folgt die Mehrheit der Russen Putin in der Argumentation, dass die Ukraine
1. keine Recht auf eine eigene Existenz hat,
2. von Faschisten regiert wird, und
3. Ukrainer sowieso minderwertig sind.


Doch, ich würde das schon interessant sehen im Hinblick darauf, wie Akteure sich verhalten: In diesen schon verlinkten Papers wird meiner Erinnerung nach auch erwähnt, daß zu einer bestimmten Zeit der WP massiv aufrüstete - und im Westen währenddessen trotzdem UK und insbesondere die USA wieder auf eine Berufsarmee umstellten.

....

Noch ein paar Punkte dazu:
Die Wehrgerechtigkeit war zu Guttenbergs Zeit tatsächlich auch ein juristisches Problem. Man hatte den Pflichtwehrdienst zu Guttenbergs Zeit schon auf eine für Ausbildungszwecke unrealistische Zeit zusammengekürzt, um auf die Art bei identischen Kosten die Zahl der tatsächlich eingezogenen zu erhöhen, aber der Anteil der Eingezogen war derart gering, dass Juristen davon ausgingen, dass eine Verfassungsklage wegen Ungleichheit vor dem Gesetz durchkommen könne.

Das Problem werden wir auch weiterhin haben, wenn die Wehrpflicht nicht, wie z.B. in Schweden in eine allgemeine Dienstpflicht eingebettet würde.

Gründe, Wehrdienst zu leisten, die Du nicht aufgezählt hast:

Bei den alten Preußen galt die Armee als die Schule der Nation, deshalb waren es nach der Einführung der Schulpflicht häufig ehemalige Soldaten, die in der "Volksschule" den Unterricht machten und dort das weitergaben, was man ihnen in der Armee an Allgemeinbildung beigebracht hatte. Ein bisschen was davon wurde bei der Schaffung der Bundeswehr wieder eingeführt, indem Zeitsoldaten ein Anrecht auf Ausbildung nach ihrer Dienstzeit in den Bundeswehrfachschulen bekamen, wo sie Schulabschlüsse, ohne die sie zur Bundeswehr gekommen waren, nachholen konnten, von der Hauptschule bis zum Abitur. Außerdem werden / wurden auch Ausbildungen wie zum Erzieher angeboten. Mangels Masse an ausscheidenden Zeitsoldaten sind von diesen ehemals ca 70 Bundeswehrfachschulen nur noch 10 übrig. Da die allgemeinbildenden Schulabschlüsse bei uns im Ergebnis immer dürftiger werden, das merken nicht nur Handwerksbetriebe und Unis, werden diese Bundeswehrfachschulen in Zukunft evtl. stärker dienstzeitbegleitend genutzt werden dürfen, damit die Soldaten überhaupt sinnvoll in ihre soldatischen Lehrgänge geschickt werden können.

Ähnliche Gründe gibt es in den USA, wo die Armee die Möglichkeit bot/bietet, den Ghettos zu entkommen.

Eine allgemeine Dienstpflicht wie in Schweden hätte auch noch andere Vorteile. Aber dazu wäre es günstig, wenn der Tenor zum Staat, der in den Schulen und Elternhäusern vermittelt wird, sich ändern würde: Es fällt auf, dass die jungen Schweden es für ziemlich selbstverständlich halten, dem Staat nach der Schule auch außerhalb der Steuern, die sie mal zahlen werden, etwas zurückzugeben. Das hat in Schweden übrigens keine Untertanenhaltung als Hintergrund, wie etwa die CDU sie gerne hätte, der Hintergrund in Schweden ist eher demokratisch bis sozialistisch: Der Staat als gemeinsames Projekt.
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Bravopunk
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Beitrag(#2309977) Verfasst am: 02.04.2025, 12:25    Titel: Antworten mit Zitat

Eine allgemeine Dienstpflicht fände ich auch gut.

Ein Jahr, ggf. verkürzbar bei Krankheit, Schwangerschaft o. ä., für jeden. Mit 18 kriegt jeder, wie ehedem, einen Brief mit Einladung zum Beratungsgespräch. Da wird dann abgeklärt welchen Dienst man sich denn vorstellt oder gar wünscht zu leisten (Zivil-, Wehr- oder Ersatzdienst) und auch noch wann genau man dafür am liebsten Zeit hat (vielleicht will man erst studieren oder so). Und erst danach geht es zur Eignungsuntersuchung und dann wird genau abgeklärt wo genau man am besten eingesetzt werden kann. Also auch ohne das lästige Kriegsdienstverweigern mit Interview und so weiter. Einfach sagen: "Ich möchte lieber im Krankenhaus Dienst tun." und der Berater nickt verstehend und macht das entsprechende Kreuzchen.

Und ich denke auch, dass man dadurch einige wertvolle Lektionen fürs Leben lernt, ganz gleich welchen Dienst man tut. Wie fwo schon sagt: Dass der Staat, aber auch die Gesellschaft als solche, ein Gemeinschaftsprojekt von allen ist. Teamfähigkeit. Das Verlassen der eigenen Komfortzone. Und auch ein Gefühl dafür, wofür man im Ernstfall denn kämpfen und helfen würde. Ein Sinn für Gemeinsinn als solches eben.

Ich sprach erst kürzlich mit einem Azubi, der 18 wurde, nachdem die Wehrpflicht gerade ausgesetzt worden war. Er meinte auch, dass er damals natürlich keinen Bock darauf gehabt hätte und froh darüber war, dass es ihm erspart blieb, aber heute auch denkt, dass hätte ihm gerade damals vermutlich sogar gut getan aus seinem gewohnten Umfeld herauszukommen. Sei es jetzt beim Bund oder in der Pflege. Er glaubt also, dass ihm dadurch sogar etwas genommen wurde, dass er gar nicht erst die Gelegenheit bekam sich mit der Wehrpflicht auseinanderzusetzen.
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Kaguya-hime

Kanashikute Yarikirenai

Ceterum censeo Russiam delendam esse!
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Wilson
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Beitrag(#2309979) Verfasst am: 02.04.2025, 13:37    Titel: Antworten mit Zitat

Und wie genau hat sie der Zivildienst in der pflege positiv ausgewirkt, also welche Lektion wurde gelernt. Und warum läuft es ultraschlecht wie eh und je?

Die Zivis von damals sind die manager oder Aktionäreoder Politiker von heute.
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"als ob"
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Beitrag(#2309980) Verfasst am: 02.04.2025, 14:27    Titel: Antworten mit Zitat

Wilson hat folgendes geschrieben:
Und wie genau hat sie der Zivildienst in der pflege positiv ausgewirkt, also welche Lektion wurde gelernt. Und warum läuft es ultraschlecht wie eh und je?

Die Zivis von damals sind die manager oder Aktionäreoder Politiker von heute.

Wie kommst Du nur auf so einen Blödsinn?

War damals verweigert hat, war nicht besonders angepasst, also tendenziell weniger ehrgeizig als der Rest der Gesellschaft.

D.h. der Anteil der Manager, Aktionäre oder Politiker unter den ehemaligen Zivildienstleistenden dürfte erkennbar geringer sein als deren Anteil unter der übrigen Bevölkerung.

Das heißt, dass Du mit der Aussage "Du gehörst zu den Boomern, dann müsstest Du doch heute Manager, Aktionär oder Politiker sein" wahrscheinlich eine größere Trefferquote hättest als bei den ehemaligen Zivildienstleistenden.

Der Erfolg der Zivildienstleistenden, die übrigens regelmäßig den schwereren Dienst hatten als die Wehrdienstleistenden, war ein anderer. Sie erhöhten durch ihre Arbeit in Krankenhäusern, Altenheimen usw. das Ansehen der "Langhaarigen" und Unangepassten in der übrigen Bevölkerung.

Ansonsten war in diesen Zeiten der Pflegestand noch kein Pflegenotstand und die Zivildienstleistenden taten ihr Bestes, um die Belastung des beruflichen Pflegepersonals nicht zu vergrößern.
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Beitrag(#2309981) Verfasst am: 02.04.2025, 16:27    Titel: Antworten mit Zitat

Wilson hat folgendes geschrieben:
Und wie genau hat sie der Zivildienst in der pflege positiv ausgewirkt, also welche Lektion wurde gelernt.

Einige meiner Freunde haben ihren Zivildienst in einer Behindertenwerkstatt gemacht und haben dabei einen angemessenen, entspannten, menschlichen Umgang mit Behinderten gelernt. Den habe ich - als untauglich Gemusterter und daher in keiner Weise Gedienter - so leider nicht, das sehe ich als ernsthafte Schwäche.
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Beitrag(#2309986) Verfasst am: 03.04.2025, 01:27    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
...Schule der Nation...


(1) Mag sein, daß es Anknüpfungspunkte für eine Art "Dienst an der Gesellschaft" gibt. Es könnte einfallen: (Ich bin reserviert gegenüber Redensarten wie "Zwangidienst kann doch auch ganz schön sein, wenn du was tust, das dir gefällt.) Wenn es viele Möglichkeiten gibt, das Tätigkeiten sind, die insgesamt als wertvoll und nicht als Zeitverschwendung empfunden werden, es mehr oder weniger einen fließenden Übergang zum Ehrenamt gibt: Das könnte ja theoretisch dann auch zeitlich flexibel sein, über längere Zeit vollzeitig oder immer mal wieder für eine Woche oder für einen halben Tag pro Woche sein o.ä.. Dieses müßte dann auch aufgewertet und üblicher - und ggf. auch in gewisser Weise staatlich anerkannt werden (z.B. durch zusätzliche Rentenpunkte o.ä.). Und halt positiv motiviert als "man gewinnt dadurch etwas" als negativ durch "man tut es, weil man sonst bestraft wird".


(2) Mag auch sein, daß "Kommiss" nicht "nur negativ" ist. Bekannt ist ja das Beispiel, daß die Beteiligung von Schwarzen insbesondere am 2.Weltkrieg sicherlich auch die Bürgerrechtsbewegung befeuert hat: Man hatte gerade auf der Welt seine Knochen hingehalten, um gegen den Faschismus zu kämpfen, und kehrte dann nach Hause zurück, wo vielerorts noch Rassentrennung herrschte und Schwarze von der Mitbestimmung ausgegrenzt waren. Das wollte man sich dann auch nicht mehr länger bieten lassen.


(3) Andererseits argumentierst Du aber teilweise auch mit Dingen, die eigentlich Mißstände darstellen bzw. in sich bergen:

(a) Schule und Armee waren im Kaiserreich nun einmal wichtige Quellen einer "autoritären Sozialisation": Die Leute sollten zu obrigkeitsstaatlichem Denken geformt werden, wie Du ja selbst bemerktest. Dieses Denken hat dementsprechend den Großteil der Gesellschaft beeinflußt und es stellte bekanntermaßen auch eine schwere Hypothek für die folgenden Jahrzehnte dar, insofern daß die Menschen nach einem kurzen Intermezzo wieder ihr Heil in den autoritären Heilsversprechen suchten.

(Und es gab auch da schon soziale Unterschiede: Wer für seinen Unterhalt währenddessen selbst aufkommen konnte, mußte ja dann "nur" ein Jahr "dienen" und nicht in der Baracke wohnen, hatte i.d.R. schnell einen deutlich höheren Rang etc. - das auch vorbereitend für eine etwaige militärische Karriere ("Einjährig-Freiwilliger").)


(b) Zum anderen ist ja dieses "Die Armee führt dich aus dem Ghetto heraus" ein Kennzeichen für eine "Armee der Armen":

Ja, das kann durchaus so sein, daß (auch seinerzeit) Viele mit Hilfe der "GI Bill" eine höherwertige Ausbildung bekommen haben und so auch den Aufstieg in die Mittelschicht geschafft haben. Und mag auch sein, daß wer auf Rang X steckt, auf Rang X+1 qua "besonderer Leistung" kommt und nicht per se qua "Einkommen der Eltern" (das mag zum Teil gelten, aber auch Schulbildung etc. kann sich ja auswirken, ob jemand dann als "besonders schlauer Soldat" gilt?).

Wer andere Karrierewege für sich sieht, geht aber häufig nicht gerade zur US-Armee.

Und das war vielleicht auch in Zeiten, in denen es die Wehrpflicht in den USA noch gab, nicht einmal so sehr anders (vielleicht die fuzzy Einkommensgrenze, ab der man als "arm" oder "reich" im Sinne dieser Erzählung gelten kann, ein bißchen verschoben):

Die Reichen haben studiert, waren von daher oft von der Wehrpflicht zurückgestellt (Manche dann solange, bis sie das Einziehungsalter verlassen hatten), oder hatten ihre Atteste, oder haben es gedeichselt, in relativ leichtere Dienststellungen zu kommen (kannte man ja dann: z.B. Nationalgarde, wo man dann ab und zu mal heimatnah am Wochenende oder mal eine Woche im Block geschult wurde etc.). Oder sie, sofern sie zum Kommiss gingen, waren dann sogar freiwillig da und häufig die Offiziere. Während die Armen kaum Möglichkeiten hatten, darum herumzukommen, und in der Armee auch wieder die "Dienenden" waren.

Andererseits würde ich den Umstand, daß viele Ärmere die Armee als beste Chance sehen, der Armut zu entkommen, auch nicht als positiv bewerten: Das liegt ja auch daran, daß der Zugang zu höherer Bildung in den USA viel, viel Geld kostet, was sich eben Viele nicht leisten können. (Da wären ja dann auch politische Reformen nötig, die aber unter dem gegenwärtigen politischen Klima wieder nicht kommen werden.) Und ihnen werden, um eine Chance darauf zu haben, ja dann auch erheblich höhere persönliche Risiken abgefordert als denen, die sich ein Studium "von Haus aus" leisten können. (Denn wer zur Armee geht - das ist durchaus auch mit dem Risiko verbunden, an einem von "Amerikas" Kriegsschauplätzen verletzt zu werden oder zu sterben. Letzten Endes: Es sind wieder mal meistens die Armen, die bluten, um "Amerikas" Reichtum zu mehren.)


(c) Da fand ich auch noch einen Essayband mit dem Titel "Die Wehrpflicht - Entstehung, Erscheinungsformen und politisch-militärische Wirkung". Nunja, wenn jetzt schon Sachen vom "Militärgeschichtlichen Forschungsamt" herausgegeben werden, würde man ja eigentlich fast denken, daß die schreiben "Zukunftsmodell, am besten noch mehr einziehen, alles super". (Es mag ja auch Leute geben, die so denken. Müssen müssen andererseits aber auch kritisch sein, weil sie ja letztlich täglich sehen müssen, wie sie mit den sich stellenden Aufgaben umgehen. Und jetzt massenhaft Leute einziehen, das wenig motiviert sind bzw. das auch nicht können, wird da auch nicht helfen. .)

Allerdings zeigt z.B. eine Betrachtung "Conscription warfare: The Israeli experience" von Martin van Creveld (relativ bekannter israelischer Militärexperte) auch einige Sachen, die z.B. auch in Israel ein Problem sind bzw. aus unschönen Erfordernissen geboren sind:

In der Mandatszeit hatte sich ja bereits die Haganah gebildet, gewissermaßen als "inoffizelle", von den Briten punktuell bestenfalls geduldete Truppe, die dann letztlich während des Entstehungskrieges recht schnell zum Kern des "offiziellen Militärs" wurde. Zum Teil wurde das als geradezu "Notwendigkeit" angesehen, schießen zu lernen etc., weil es immer wieder zu Konflikten mit militanten Arabern gekommen sei. Die Haganah konnte allerdings unter der jüdischen Bevölkerung auch viel Druck ausüben, die Leute dazu zu zwingen, sich bei ihr einzugliedern: Es konnte auch die Einkommensmöglichkeiten immens reduzieren, nicht Mitglied zu werden, weil die wichtigsten Arbeitgeber eng mit der Haganah verzahnt waren.

Die hohen Personalforderungen, also daß quasi alle Tauglichen auch eingezogen werden, sind letztlich auch durch die geringe Bevölkerung bedingt. Und sie waren am Anfang auch als Kompensation gedacht, weil den Israelis technische Ausstattung fehlte und man versuchte, (einerseits argumentierte, dennoch möglichst viele Leute daran auszubilden, andererseits aber auch) das durch möglichst viel Personal zu kompensieren: Man hat ja die "idealtypische Auswahl" mit den Extremen "Massentaktik" auf der einen und "hohem technischen Standard und Spezialisierung" auf der anderen Seite. Das hat man dann als "Idealvorstellung einer Nation unter Waffen" umformuliert.

Der relativ hohe Anteil an potentiell Einziehbaren an der Bevölkerung erfordert auch, daß die Leute sich quasi alle ständig "100% combat-ready" halten müssen, weil sie bei Ausbruch des nächsten Kriegs gleich wieder eingezogen werden können.

Natürlich hat man auch die Vorstellung, daß es einem nicht noch einmal so gehen darf wie in der Nazizeit. Andererseits aber auch, daß man letztlich "keine Wahl" habe (was dann letztlich sogar als feststehender Begriff verwendet werde): Und das wurde ja 2023 den Israelis auch vor Augen geführt, daß wenn es nach dem Willen der Hamas ginge, das Leben jedes Einzelnen akut bedroht sein könnte. Die hohe Rüstung wird also quasi als einzige Chance auf ein halbwegs sicheres Leben gesehen - alle Kämpfe zu gewinnen wurde so gewissermaßen zur Überlebensfrage. Und keine Wahl zu haben ist ja nicht positiv: Wenn man es geschafft hätte, Frieden zu schaffen, würde sich das ja dann auch ändern.)

Man hat das indessen positiv umzudeuten versucht. Auch quasi alle öffentlichen Insitutitonen (Schule, Medien, Populärkultur etc.) sind irgendwo stark darauf ausgerichtet, ein "positives Bild" von der Armee, vom In-der-Armee-Sein etc. zu vermitteln. Das sei so tief verankert und so selbstverständlich, daß man es kaum als Last wahrnehme, sondern sich sogar freiwillig für Sachen melde, die als besonders anstrengend gälten.

(Also auch eine gewisse verbreitete "Kritiklosigkeit", weil das ja als so schön und so selbstverständlich dargestelt wird, daß letztlich, wer sich dem System verweigert oder das irgendwie strange findet, daß man überall Teenager in Uniform und mitunter auch mit schweren Wummen herumlaufen sieht, als "psychisch krank" gilt?! Und der Kommiss nutzt ja dann auch per se aus, daß man als junger Mensch tendentielll eher nicht an seine eigene Sterblichkeit denkt - man meldet sich da und es dauert eine ganze Weile, bis man sich bewußt wird, daß es ein Risiko gibt, mit dem Gesicht im Dreck liegen zu bleiben. Und man mag argewöhnen, daß diese weit verbreitete Militärkultur im "worst case" auch dazu führt, daß man Perspektiven außerhalb dessen dann auch nicht mehr sieht: Die Politik in Israel driftete ja auch ohne die Hamas-Anschläge nach rechts. Klar, die Armee könnte theoretisch Gaza einäschern und noch mehr Hamas-"Aktivisten" töten. Allerdings ist es ja noch ein Unterschied zwischen "den Krieg gewinnen" und "den Frieden gewinnen"...)

Ja klar, auch dort gab es das Bild einer "Schule der Nation". Allerdings finde ich das immer etwas befremdlich, wenn quasi von oben vorgegeben wird, wie zu denken ist, und die Leute dann alle davon begeistert sind... (Edit: Miliätir ist halt ein "autoritärer Laden", hier wie dort. Und wer bestimmt? Doch letztlich nicht diejenigen, die da hin verplfichtet werden. Letztlich kann man Militär insofern auch (je nachdem, wie man es denn haben will) als einen "Mißstand" (oder "Paradox", oder "Schönheitsfleck", oder "Fremdkörper") in einer demokratischen Gesellschaft sehen.)
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Zuletzt bearbeitet von Critic am 03.04.2025, 05:42, insgesamt einmal bearbeitet
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Beitrag(#2309988) Verfasst am: 03.04.2025, 04:42    Titel: Antworten mit Zitat

Critic hat folgendes geschrieben:
....
(3) Andererseits argumentierst Du aber teilweise auch mit Dingen, die eigentlich Mißstände darstellen bzw. in sich bergen:

....

Das siehst Du falsch.

Ich argumentiere nicht mit diesen Missständen, ich nenne sie.

Die Frage war doch nicht, wie der ideale Staat aussieht, sondern welche Gründe die Leute in dem Staat, in dem sie leben, haben, sich freiwillig zum Armeedienst zu melden.

Daran, dass unsere Schulen im Moment schöne Scheiße sind, können ihre Absolventen nichts ändern. Aber sobald sie das erkannt haben, können sie sich z.B. auf die Suche nach einem bezahlten zweiten Bildungsweg machen.

Und wenn die Armee da etwas hinkriegt, was unsere Bildungspolitiker nicht hinkriegen, dann finde ich das besser, als würde es keiner hinkriegen.

usw.
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Beitrag(#2309989) Verfasst am: 03.04.2025, 06:09    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Critic hat folgendes geschrieben:
....
(3) Andererseits argumentierst Du aber teilweise auch mit Dingen, die eigentlich Mißstände darstellen bzw. in sich bergen:

....

Das siehst Du falsch.

Ich argumentiere nicht mit diesen Missständen, ich nenne sie.

Die Frage war doch nicht, wie der ideale Staat aussieht, sondern welche Gründe die Leute in dem Staat, in dem sie leben, haben, sich freiwillig zum Armeedienst zu melden.

Daran, dass unsere Schulen im Moment schöne Scheiße sind, können ihre Absolventen nichts ändern. Aber sobald sie das erkannt haben, können sie sich z.B. auf die Suche nach einem bezahlten zweiten Bildungsweg machen.

Und wenn die Armee da etwas hinkriegt, was unsere Bildungspolitiker nicht hinkriegen, dann finde ich das besser, als würde es keiner hinkriegen.

usw.


Andererseits: Wenn Einer etwas tut, das eigentlich Aufgabe eines Anderen wäre, dann ist das für den Anderen oft Veranlassung, in der Hinsicht nix zu tun: Ist ja für die Leute so schon gesorgt.

Wobei man auch wieder argumentieren könnte - wiederum, auch im Paper "Die israelische Erfahrung" zu finden -, wenn man den Rekruten teilweise erstmal Kenntnisse in den Kernfächern auf Klasse-8-Niveau beibringen muß, damit was mit ihnen anzufangen ist, dann geht das wieder von der restlichen Zeit ab, die Leute sind geringer qualifiziert als sie sein könnten, kann das Militär dann "seine Aufgabe" auch schlechter erfüllen als sein könnte. (Es hängt natürlich davon ab, was man als "Kernaufgabe" definiert (*): Im im Kaiserreich sollten die Rekruten soweiso halt hauptsächlich gehorchen lernen, auch für später.)

Und bei Manchen möchte man sogar argwöhnen, daß das sogar ein Bestandteil von deren Philosophie ist:

(Ich habe da zwar jetzt vor meinem geistigen Auge diesen Lord aus einer dieser britischen Gesellschaftsserien, der sich bei Ausbruch des Großen Krieges eine Uniform anzog und dann über die Dörfer chauffieren ließ, um der dortigen Jugend schmackhaft zu machen, wie süß und ehrenvoll es doch sei, für König und Vaterland zu sterben. Während er selbst doch ganz froh war, daß er das selbst nicht mußte und - in Ermangelung von Söhnen - auch keiner aus seiner Familie in den Krieg zog.

Aber es ist ja ziemlich offensichtlich, daß Einige z.B. in den USA tatäsächlich so denken: Laß doch die Armen die Kriege führen, die unseren Reichtum mehren. Oder wie es Andy Tanenbaum mal kurz schrieb: "Republikaner kümmern sich nicht um arme Leute".)


_________
(*) Wobei man das da auch so "besorgt" habe, weil früher oder später auch die meisten Einwanderer u.U. ohne Sprachkenntnisse und ohne Bildung, die nicht mehr schulpflichtig waren, beim Kommiss landeten. Und dann mußte halt das Militär ihnen erstmal Hebräisch, Mathematik und Gedöns beibringen.
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Beitrag(#2309992) Verfasst am: 03.04.2025, 12:04    Titel: Antworten mit Zitat

Critic hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Critic hat folgendes geschrieben:
....
(3) Andererseits argumentierst Du aber teilweise auch mit Dingen, die eigentlich Mißstände darstellen bzw. in sich bergen:

....

Das siehst Du falsch.

Ich argumentiere nicht mit diesen Missständen, ich nenne sie.

Die Frage war doch nicht, wie der ideale Staat aussieht, sondern welche Gründe die Leute in dem Staat, in dem sie leben, haben, sich freiwillig zum Armeedienst zu melden.

Daran, dass unsere Schulen im Moment schöne Scheiße sind, können ihre Absolventen nichts ändern. Aber sobald sie das erkannt haben, können sie sich z.B. auf die Suche nach einem bezahlten zweiten Bildungsweg machen.

Und wenn die Armee da etwas hinkriegt, was unsere Bildungspolitiker nicht hinkriegen, dann finde ich das besser, als würde es keiner hinkriegen.

usw.


Andererseits: Wenn Einer etwas tut, das eigentlich Aufgabe eines Anderen wäre, dann ist das für den Anderen oft Veranlassung, in der Hinsicht nix zu tun: Ist ja für die Leute so schon gesorgt.

....

nochmal:

Die Frage war doch nicht, wie der ideale Staat aussieht, sondern welche Gründe die Leute in dem Staat, in dem sie leben, haben, sich freiwillig zum Armeedienst zu melden.

Ausgangspunkt war Deine Frage, warum die Chinesen es schaffen, ohne Wehrpflicht ihre Armee voll zu kriegen, wahrscheinlich mit dem Gedanken, dass, wenn selbst die Chinesen ohne Wehr- bzw. Dienstpflicht auskommen, wir es doch gefälligst auch schaffen sollten.

Und dann kommst Du ausgerechnet beim Thema Bildung damit, dass dann eine politische Partei sagen könnte, dass wir keine besseren Schulen bräuchten, weil das Militär das schon macht ????

Das spielt für den, der sich zum freiwilligen Militärdienst entscheidet, keine Rolle.

Oder möchtest Du es dem Militär verbieten, die Leute, die es braucht, selbst auszubilden, damit die Schulen weiterhin einen Anreiz haben, es richtig zu machen? Gerade bei diesem Beispiel ist dieser Gedanke komplett gaga, weil nicht mehr schulpflichtig ist, wer sich zum Militär meldet. Aus bildungspolitischer Sicht sind diese "Kinder" bereits endgültig im Brunnen.

Überhaupt ist das ein ziemlich wirrer Gedanke, um eine Dienstpflicht abzulehnen: Wir nehmen Defizite im Militär in Kauf, damit die restliche Politik nicht den Anreiz verliert ????

Nur nochmal ein Hinweis - nicht auf die gerade diskutierte Frage - sondern auf die Lage, wegen der wir hier diskutieren:

Wir brauchen das Militär nicht als Schmuck und Spielzeug für die ewig gestrigen, die es als Verstärkung ihrer eigentlich obsoleten Männlichkeit beanspruchen, sondern wir brauchen das Militär, um durch seine Präsenz einen imperialistischen Nachbarn davon abzuhalten, uns zu kolonialisieren, wie er es gerade in sehr unschöner Weise bei der Ukraine vorführt. Und die, die das sagen, berufen sich nicht nur auf Taten und Aussagen dieses Nachbarn selbst, sondern sie beobachten ihn schon sehr lange und haben seit ca 2005 versucht, unsere Politik zu warnen, was der alles vorhat. Sie haben bisher mit ihrer Analyse Recht gehabt und ihre Vorhersagen trafen bisher zu - der Überfall auf die Ukraine war angesagt.

Zusammengefasst: Wir brauchen eine kriegsfähige Bundeswehr, um eine Demokratie im Frieden bleiben zu können.

Du kannst natürlich auch dabei bleiben, Deine Signatur zu bestätigen. Aber ohne mich.
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Beitrag(#2309994) Verfasst am: 03.04.2025, 14:44    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
nochmal:

Die Frage war doch nicht, wie der ideale Staat aussieht, sondern welche Gründe die Leute in dem Staat, in dem sie leben, haben, sich freiwillig zum Armeedienst zu melden.

Ausgangspunkt war Deine Frage, warum die Chinesen es schaffen, ohne Wehrpflicht ihre Armee voll zu kriegen, wahrscheinlich mit dem Gedanken, dass, wenn selbst die Chinesen ohne Wehr- bzw. Dienstpflicht auskommen, wir es doch gefälligst auch schaffen sollten.


"Beides, euer Majestät.": Ich finde es halt merkwürdig, daß in einem Moment, wo ein diktatorisches Land zwar nicht de jure, aber de facto eine Berufsarmee hat, hier (und auch in anderen Ländern in Europa) darüber diskutiert wird, wieder zum Militäridienst zu zwingen.

(Du hast den Einschub ansonsten damit kommentiert, das sei hier eher nicht relevant. Also wer weiß schon, in wieweit der in der Folge noch relevant war.)

Wie gesagt, kann das - neben vielem Anderen - eine Frage des "staatsbürgerlichen Selbstbewußtseins" sein - oder einfach Konsequenz aus der Situation am Arbeitsmarkt.



fwo hat folgendes geschrieben:
Und dann kommst Du ausgerechnet beim Thema Bildung damit, dass dann eine politische Partei sagen könnte, dass wir keine besseren Schulen bräuchten, weil das Militär das schon macht ????

Das spielt für den, der sich zum freiwilligen Militärdienst entscheidet, keine Rolle.

Oder möchtest Du es dem Militär verbieten, die Leute, die es braucht, selbst auszubilden, damit die Schulen weiterhin einen Anreiz haben, es richtig zu machen? Gerade bei diesem Beispiel ist dieser Gedanke komplett gaga, weil nicht mehr schulpflichtig ist, wer sich zum Militär meldet. Aus bildungspolitischer Sicht sind diese "Kinder" bereits endgültig im Brunnen.


Die Logik, an der ich mich gestoßen habe, war doch eher: "Bildung ist gut. Die Armee bildet aus. Und weil die Armee ausbildet, ist auch die Wehrpflicht gut."

(Und Manche behaupten wie gesagt auch, die Wertvorstellungen des Militärs seien nicht nur gut, sondern die Menschen im Staat müßten diese Vorstellungen teilen, und deshalb sei die Wehrpflicht gut, weil die da vermittelt würden. Das kann so oder so ein Irrglaube sein. (Also ob "Gediiente" wirklich einen anderen, "gerne auch konservativeren" Mindset haben, bzw. ob das wünschenswert ist, wenn es in der Gesellschaft autoritärer zugeht.) Aber die glauben das halt.)


fwo hat folgendes geschrieben:
Überhaupt ist das ein ziemlich wirrer Gedanke, um eine Dienstpflicht abzulehnen: Wir nehmen Defizite im Militär in Kauf, damit die restliche Politik nicht den Anreiz verliert ????


Ist doch klar, daß das Mililtär Leute für seine Zwecke und spezielle Aufgaben ausbildet. Andererseits sehe ich es aber auch nicht als originäre Aufgabe des Militärs, den Leuten die Grundrechenarten und einigermaßen lesbare Schriftsprache beizubringen. Allgemeinbildung gehört ja doch in die Schule.

(Sonst kriegen wir in der Hinsicht am Ende tatsächlich amerikanisierte Verhältnisse: Die Schulen gerade dort, wo viele Arme leben, bräuchten eigentlich höhere Budgets, die werden aber nicht erhöht oder sogar noch weiter kaputtgespart, und die unzureichend ausgebildeten Absolventen gehen dann zum Militär, weil sie dort die Chance erhalten, bildungsmäßig aufzuholen bzw. die Chance auf eine Karriere kriegen.)


Zitat:
Wir brauchen das Militär nicht als Schmuck und Spielzeug für die ewig gestrigen, die es als Verstärkung ihrer eigentlich obsoleten Männlichkeit beanspruchen, sondern wir brauchen das Militär, um durch seine Präsenz einen imperialistischen Nachbarn davon abzuhalten, uns zu kolonialisieren, wie er es gerade in sehr unschöner Weise bei der Ukraine vorführt. Und die, die das sagen, berufen sich nicht nur auf Taten und Aussagen dieses Nachbarn selbst, sondern sie beobachten ihn schon sehr lange und haben seit ca 2005 versucht, unsere Politik zu warnen, was der alles vorhat. Sie haben bisher mit ihrer Analyse Recht gehabt und ihre Vorhersagen trafen bisher zu - der Überfall auf die Ukraine war angesagt.


Ja, Putin wurde stattdessen noch hofiert, als vielleicht noch die Chance bestand, ihn zu begrenzen. Etwa indem man nicht dieses Geld in seine Kriegskasse pumpt - ihm signalisiert hätte, daß das dauerhafte Konsequenzen haben wird, wenn er Nachbarländer angreift.

Aber auch schon gesagt: Die Anderen müssen jetzt für dieses Appeasement bluten und sollen das jetzt auch so schlucken...

(Und davon ausgehend könnte man auch sinnieren: Wie können die jetzt "moralische Führerschaft" beanspruchen, die das jahrzehntelang versaubeutelt haben?)



fwo hat folgendes geschrieben:
Zusammengefasst: Wir brauchen eine kriegsfähige Bundeswehr, um eine Demokratie im Frieden bleiben zu können.


Und das kann man nur durch die Wehrpflicht erreichen? (Was uns a. wieder zurück zur 1.Frage bringt, aber (neben vielen anderen Dingen) b. auch zur Notwendigkeit von Allianzen: Das sieht man gerade dann, wo sie einem auf die Füße fallen. Ja, Trump hat signalisiert, daß die USA nicht mehr länger bereit sein könnten, für die Sicherheit Europas zu garantieren. (Zumal, wo er Strongman Putin auch so mag und ihm viel Erfolg gewünscht hat.) Und für die versaubeutelte Politik von Trump müssen wir jetzt auch noch geradestehen. Das ist eine Quadratur des Kreises.

Mir fällt auch noch eine banal-profunde Beobachtung eines Herrn aus der Vergangenheit ein: Was kann denn der Staatsbürger sich von Kriegen erhoffen? Doch bestenfalls, einigermaßen ohne Blessuren wieder aus dem Krieg herauszukommen. Und sein Leben könnte infolge des Krieges sogar noch mühseliger werden. Andererseits ist leider auch klar, daß solange es Leute gibt, die sich einspannen lassen - und davon gibt es ja in Rußland genug -, diese Logik auch weitergehen wird.)



Zitat:

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