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zeiti registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.10.2005 Beiträge: 59
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(#383303) Verfasst am: 08.12.2005, 02:06 Titel: Weimarer Geschichte - Drittes Reich |
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Ich beschäftige mich gerade mit der Geschichte der Weimarer Zeit und des Dritten reiches. Es kann durchaus auch einmal etwas weiter ins 17. oder 18. Jahrhundert zurückgehen. Das ist manchmal erforderlich, um geschichtliche Zusammenhänge zu verstehen. Dabei entdecke ich so viele interessante Details, die ich euch gerne einmal aufzeigen möchte, weil ich denke, dass sie vielleicht gar nicht so bekannt sind.
Die SPD und der erste Weltkrieg
Noch im Juli 1914 organisierte die SPD große Antikriegsdemonstrationen. So rief z.B. Rosa Luxemburg, die Wortführerin der Parteilinken, im Namen der gesamten SPD (R. L. war damals noch Mitglied der SPD) zu Kriegs- und Gehorsamsverweigerung auf. Die Reichsregierung wollte deshalb die SPD-Führung sofort nach Kriegsbeginn verhaften.
Als jedoch am 1. August 1914 die deutsche Kriegserklärung an das zaristische Russland erfolgte, ließ sich die SPD-Mehrheit von der allgemeinen Kriegsbegeisterung anstecken. Viele SPD-Abgeordnete fürchteten den Verlust von Wählerstimmen und von Einfluss im Reichstag sowie ein erneutes Partei-Verbot (Sozialistengesetze), falls sie sich ihrer „patriotischen Pflicht“ entzögen.
Parteiführung und Reichtagsfraktion der SPD waren in ihrer Haltung zum Krieg gespalten: Mit Friedrich Ebert (SPD) bejahten 96 Abgeordnete die Kriegskredite an die Reichsregierung. Mit dem zweiten Vorsitzenden der SPD Hugo Haase waren 14 Parlamentarier dagegen, stimmten aber wegen der Fraktionsdisziplin dennoch dafür. So bewilligte die gesamte SPD-Fraktion am 4. August die Kriegskredite, sagte dem Kaiser für die Kriegsdauer einen Streik- und Lohnverzicht der Gewerkschaften zu und ermöglichte so die volle Mobilisierung des deutschen Heeres.
Haase begründete den Beschluss, der gegen seinen Willen gefasst worden war, im Reichstag mit den Worten: „Wir lassen das Vaterland in der Stunde der Gefahr nicht im Stich!“ Der Kaiser begrüßte den so genannten Burgfrieden der deutschen Innenpolitik am Ende seiner Thronrede mit dem berühmt gewordenen Satz: „Ich kenne keine Parteien mehr, ich kenne nur noch Deutsche!“
Selbst Karl Liebknecht, der später zur Symbolfigur der entschiedenen Kriegsgegner wurde, beugte sich anfangs der Parteiräson: Er blieb der Abstimmung fern, um nicht gegen die eigene Fraktion stimmen zu müssen. Am 5. August 1914 gründete er jedoch mit Rosa Luxemburg, Franz Mehring und anderen Parteilinken die Gruppe Internationale, die an den Vorkriegsbeschlüssen der SPD festhielt. Daraus ging am 1. Januar 1916 der reichsweite Spartakusbund (KPD) hervor.
Am 2. Dezember 1914 stimmte Liebknecht – anfangs als einziger Reichstagsabgeordneter – gegen weitere Kriegskredite und riskierte damit sein Leben. Denn er wurde daraufhin, auf Betreiben der Parteiführung, trotz seiner politischen Immunität als einziger Reichtagsabgeordneter zum Militär eingezogen. Wegen seiner Versuche, die Kriegsgegner zu organisieren, wurde er aus der SPD ausgeschlossen und im Juni 1916 zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. Auch Rosa Luxemburg wurde nach vorübergehender Freilassung bis zum Kriegsende inhaftiert.
nachzulesen bei: Novemberrevolution
_________________ Alles Liebe. zeiti
Zuletzt bearbeitet von zeiti am 08.12.2005, 11:04, insgesamt 2-mal bearbeitet |
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zeiti registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.10.2005 Beiträge: 59
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(#383305) Verfasst am: 08.12.2005, 02:38 Titel: |
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Das Dreiklassenwahlrecht
Das Dreiklassenwahlrecht ist ein Klassenwahlrecht, das 1849 von Friedrich Wilhelm IV., dem König von Preußen, zur Wahl des preußischen Landtags eingeführt wurde und bis 1918 in Kraft blieb.
Dieses Wahlrecht galt für Preußen, Braunschweig, Waldeck und Sachsen (hier bis 1909). Die Wähler wurden dabei nach ihrem direkten Steueraufkommen in drei Klassen eingeteilt und mussten das 24. Lebensjahr vollendet haben. Es durften nur Männer wählen.
Die drei Klassen errechneten sich aus der direkten Steuerleistung, so dass diese jeweils ein Drittel des Steueraufkommens ausmachten. Die erste Klasse umfasste die Höchstbesteuerten, die zweite, die mit weniger hohem Einkommen und der dritten Klasse gehörten diejenigen an, welche wenig oder gar keine Steuern zu zahlen hatten.
Die Wähler wählten so genannte Wahlmänner, so dass jede Klasse ein Drittel der Wahlmänner stellte. 1849 machte die erste Klasse 4,7% der Gesamtbevölkerung aus, die zweite Klasse 12,7% und die dritte Klasse 82,6%. Laut dieser Verteilung hatte also ein Wähler der ersten Klasse das 17,5-fache Gewicht an Stimmen gegenüber einem Wähler der dritten Klasse.
Ein Dreiklassenwahlrecht galt auch bei Kommunalwahlen in Teilen Preußens, was u.a. dazu führte, dass Alfred Krupp in Essen allein die Abgeordneten der ersten Abteilung wählen konnte. (Als Ergebnis des Wiener Kongresses von 1815 waren die Rheinprovinz und Westfalen in den Herrschaftsbereich Preußens einbezogen worden.)
siehe: Dreiklassenwahlrecht
_________________ Alles Liebe. zeiti
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zeiti registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.10.2005 Beiträge: 59
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(#385393) Verfasst am: 12.12.2005, 22:05 Titel: |
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Fürst Metternich
Wenn man einen Sekt den Namen Fürst Metternich verleiht, so soll damit wohl offensichtlich der Eindruck verbunden werden, dass Fürst Metternich eine Person ist, der Hochachtung gebührt. Dies trifft allerdings auf Klemens Wenzel Fürst von Metternich, dem österreichischen Staatskanzler nicht unbedingt zu. Fürst Metternich war nicht nur Mitglied der "Heiligen Allianz", die 1815 von den drei Monarchien Russland, Österreich und Preußen gegründet wurden, sondern setzte sich auch für die militärische Niederschlagung bürgerlicher Revolutionen ein.
Die Heilige Allianz betrieb eine äusserst reaktionäre Politik. Sie unterdrückte alle fortschrittlichen, sozialen, nationalen und bürgerlichen Kräfte und war bemüht, die Herrschaft des Adels und all ihrer Privilegien, so wie sie vor der französischen Revolution von 1789 bestanden hatten, wieder herzustellen. Als Gegner der Demokratie und des Liberalismus errichtete er einen Polizeistaat, zu dem Zensur und Spitzelwesen gehörten (das sog. Metternichsche System).
Weiterhin sollte die napoleonische Neuordnung Europas, die mit dem Code Civil auch bürgerliche Rechte etabliert hatte, rückgängig gemacht werden. Der Code Civil (CC), auch Code Napoléon genannt, ist das französische Gesetzbuch zum Zivilrecht, das durch Napoléon Bonaparte 1804 eingeführt wurde. Binnen weniger Jahre galt das französische Gesetzbuch von Lissabon bis Warschau und von Holland bis zur Küste der Adria.
Das französische Gesetzbuch war vom Gedanken der Französischen Revolution inspiriert. Dieses Gedankengut zeigt sich vor allem im Grundsatz der Gleichheit aller vor dem Gesetz, dem Schutz und der Freiheit des Individuums und des Eigentums und der strikten Trennung von Kirche und Staat.
Im Zuge der Märzrevolution in Österreich (März 1848 bis Spätsommer 1849) und den meisten anderen Staaten des Deutschen Bundes sowie anderer europäischer Fürstentümer gelang es der revolutionären Bewegung in Wien, Metternich am 13. März 1848 zum Rücktritt zu zwingen. Er musste nach London fliehen, von wo er 1851 nach Wien zurückkehrte. Bis zu seinem Tode beriet er die österreichische Regierung.
Die Auflösung der Heiligen Allianz durch den gemeinsamen Kampf der revolutionären Völker wird als die entscheidende Voraussetzung für die Durchsetzung der bürgerlichen Demokratie in Europa angesehen.
Na, dann mal Prost.
_________________ Alles Liebe. zeiti
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Jolesch Freund des kleineren Übels
Anmeldungsdatum: 11.07.2004 Beiträge: 7390
Wohnort: Omicron Persei VIII
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(#385612) Verfasst am: 13.12.2005, 11:13 Titel: |
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Ich habe mal seine Lebenserinnerungen (Aus Diplomatie und Leben) gelesen - ein sehr interessanter Typ
_________________ Storm by Tim Minchin
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zeiti registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.10.2005 Beiträge: 59
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(#386908) Verfasst am: 16.12.2005, 22:59 Titel: |
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Die Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg geht auf das Konto der SPD
Am 6. Januar 1919 führte die Entlassung des Berliner Polizeipräsidenten, dem USPD-Mitglied (einer linken Abspaltung der SPD) Emil Eichhorn, der sich in der Weihnachtskrise 1918 geweigert hatte, gegen demonstrierende Arbeiter vorzugehen, zu einer Massendemonstration, an der hunderttausende Menschen teilnahmen. Die Demonstranten setzten sich größtenteils aus SPD-Mitgliedern zusammen. Sie wurden aber auch von den verschiedenen Gruppen links von der SPD unterstützt. Dabei bildeten die KPD-Anhänger nur eine Minderheit.
Die Initiatoren der Demonstration versammelten sich im Berliner Polizeipräsidium und bildeten einen "Provisorischen Revolutionsausschuss". Karl Liebknecht forderte den Sturz der Regierung und rief zum bewaffneten Kampf auf. Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg sind übrigens beide ehemalige SPD-Mitglieder, die sich aber aufgrund der Zustimmung der SPD zum 1. Weltkrieg von der SPD trennten. Rosa Luxemburg sprach sich im Gegensatz zu Karl Liebknecht gegen den bewaffneten Kampf aus.
Das nahm der regierende SPD-Vorsitzende Friedrich Ebert zum Anlass, die in Berlin stationierten regierungstreuen Truppen gegen die Demonstranten einzusetzen. Vom 9. Januar an schlugen sie deren improvisierten Aufstandsversuch gewaltsam nieder. Am 12. Januar rückten zudem republikfeindliche rechtsradikale Freikorps in die Stadt ein, die seit Anfang Dezember aufgestellt worden waren. Den Oberbefehl über diese Truppen hatte Gustav Noske. Damit hatte die regierende SPD-Führung eine Revolution, die überwiegend von SPD-Mitgliedern getragen wurde, gewaltsam beendet.
Friedrich Ebert, der SPD-Vorsitzende, liebäugelte schon immer mit den konservativen bürgerliche Parteien und den alten kaiserliche Eliten. Im wesentlichen ging es ihm um die Machterhaltung. Die SPD-Führung sah nur die Räte, nicht aber die alten kaiserlichen Eliten und das Militär als Gefahr, die sich insgeheim schon lange gegen jede demokratische Bestrebung ausgesprochen hatten.
Reichswehrminister und SPD-Mitglied war Gustav Noske. Er zeigte nicht nur ein außerordentlich geduldiges Verständnis für die machtorientierten Militärs, sondern war blind gegenüber den reaktionären Bestrebungen der extremen politischen Rechten, die bei den kaiserlichen Offizieren viele Sympathien besass. Er teilt ihren Antibolschewismus und ließ den von der Reichswehr unterstützten rechtsradikalen Freikorps weitgehend freie Hand bei ihrem harten Vorgehen anlässlich von Streiks und sozialen Unruhen.
Am Abend des 15. Januar 1919 wurden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in einer Wilmersdorfer Wohnung entdeckt, verhaftet und an das größte Freikorps, die schwer bewaffnete „Garde-Kavallerie-Schützendivision“ übergeben. Deren Anführer, der Hauptmann Waldemar Pabst, ließ sie verhören und schwer misshandeln. Noch in derselben Nacht wurden beide Gefangenen mit Gewehrkolben bewusstlos geschlagen und dann durch Schüsse in die Schläfen ermordet. Rosa Luxemburgs Leiche wurde in den Berliner Landwehrkanal geworfen, wo sie erst 5 1/2 Monate später, am 1. Juni entdeckt wurde.
Pabst sagte in den 60er Jahren aus, er habe vor dem Mord mit Gustav Noske in der Reichskanzlei telefoniert, der seine Zustimmung dazu gegeben habe. Dabei sei auch der SPD-Vorsitzende und Reichskanzler Friedrich Ebert anwesend gewesen. Dies bestätigt auch ein Tagebucheintrag, der 1970 in Pabsts Nachlass gefunden wurde. Somit geht die Ermordung von Karl Liebknecht, der zuvor noch von Friedrich Ebert den Posten eines Ministers angeboten bekam, und von Rosa Luxemburg, auf das Konto der SPD. Friedrich Ebert hatte die regierungsfreundlichen und rechtsradikalen Freikorps gegen die demonstrierenden Arbeiter eingesetzt und so wie es aussieht, zusammen mit Gustav Noske der Ermordung von Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg zugestimmt.
siehe: Novemberrevolution
_________________ Alles Liebe. zeiti
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zeiti registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.10.2005 Beiträge: 59
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(#387719) Verfasst am: 18.12.2005, 22:03 Titel: |
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Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht
In einem vorherigen Beitrag hatte ich geschrieben, dass Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und noch einige andere SPD-Mitglieder 1916 freiwillig aus der SPD ausgetreten sind, weil sie sich gegen die Kriegssteuer - und damit gegen den 1. Weltkrieg aussprachen, die von der SPD befürwortet wurden.
Dann kam mir aber in den Sinn, dass diese SPD-Mitglieder ja gar nicht freiwillig aus der SPD ausgeschieden sind, sondern von der SPD als "Nestbeschmutzer" rausgeworfen wurden. Also schaute ich noch einmal nach, wie es denn wirklich war. Dabei stellte ich fest, es war wie folgt:
Am 2. Dezember 1914 stimmte Karl Liebknecht – anfangs als einziger Reichstagsabgeordneter – gegen weitere Kriegskredite. 1916 stimmten bereits 20 SPD-Abgeordnete gegen weitere Kriegskredite. Daraufhin schloss die SPD-Reichstagsfraktion die Kriegsgegner, darunter Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, am 12. Januar 1916 aus der SPD aus. Diese reagierten darauf am 9. April 1917 mit der Gründung der USPD (Unabhängige Sozialdemokratische Partei Deutschlands). Karl Liebknecht wurde zusätzlich wegen seiner antimilitaristischen politischen Arbeit im März 1915 an die Front einberufen, obwohl er eigentlich als Reichtagsabgeordneter Immunität genoss.
Am 1. Mai 1916 trat Karl Liebknecht als Führer einer Antikriegsdemonstration auf dem Potsdamer Platz in Berlin auf, wurde verhaftet und wegen Hochverrats angeklagt. Er wurde im Juni 1916 inhaftiert und am 23. August 1916 zu vier Jahren und einem Monat Zuchthaus verurteilt. Am 23. Oktober 1918 wird er im Zuge einer allgemeinen Amnestie begnadigt.
Rosa Luxemburg organisierte bereits 1913 Demonstrationen, als die Balkankrise fast schon den 1. Weltkrieg auslöste. In Frankfurt am Main rief sie eine Menge von Hunderttausenden zu Kriegsdienst- und Befehlsverweigerung auf. Daher wurde sie der "Aufforderung zum Ungehorsam gegen Gesetze und Anordnungen der Obrigkeit" angeklagt und 1914 zu einem Jahr Gefängnis verurteilt. Rosa Luxemburg musste 1915 ihre Haftstrafe in Berlin antreten. Als sie ein Jahr später entlassen wurde, wurde sie schon drei Monate später wieder, dieses Mal zu zweieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt. Im Juli 1916 begann ihre „Sicherheitsverwahrung“ (Inhaftierung, die stets verlängert werden kann). Sie wurde zweimal verlegt, zuerst nach Posen, dann nach Breslau.
_________________ Alles Liebe. zeiti
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zeiti registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.10.2005 Beiträge: 59
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(#388852) Verfasst am: 21.12.2005, 22:12 Titel: |
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Mein "Freund" Bismarck
Bei meinem Streifzug durch die Geschichte bin ich auch auf Bismarck gestoßen. Da Bismarck besonders von konservativen Kreisen immer wieder so hochgelobt wird, habe ich mich ein wenig auf die Suche gemacht, um eine wenig mehr über Bismarck zu erfahren. Dabei ergab sich für mich folgendes Bild:
Bismarck war nichts anderes als ein Reaktionär übelster Sorte, der sich nicht nur durch die Sozialistengesetze auszeichnete, sondern der die Sozialdemokraten am liebsten alle aus dem Land gejagt hätte. Und die angeblichen sozialen Errungenschaften, die man gemeinhin Bismarck zuschreibt, sind nur dadurch zustande gekommen, weil er den Sozialdemokraten zuvorkommen wollte. Von selber hätte Bismarck bestimmt nichts in dieser Richtung unternommen. Wenn's nach Bismarck gegangen wäre, hätte er am liebsten alle demokratischen Bestrebungen gewaltsam unterdrückt.
Bismarck nahm das am 2. Juni 1878 verübten Attentat auf Kaiser Wilhelm I. zum Anlass für das Sozialistengesetz, wobei er wahrheitswidrig verbreiten ließ, der Attentäter sei Sozialdemokrat gewesen, obwohl dieser ein Gegner der Sozialdemokraten war. Die Sozialistengesetze wurden von 1878 bis 1890 angewendet.
Bismarck nutzte das Attentat auf den Kaiser dazu, den Reichstag aufzulösen und einen "Vernichtungsfeldzug" gegen die Sozialdemokraten zu inszenieren, denen er geistige Mittäterschaft vorwarf. Auf Grund des Sozialistengesetzes konnten Organisationen, Druckschriften und Versammlungen der Sozialdemokraten verboten werden. Allerdings konnten weiterhin Einzelpersonen bei Wahlen für die Sozialdemokratie kandidieren, so dass die Fraktionen des Reichstages bzw. der Landtage sich legal betätigen konnten. Nach § 28 des Sozialistengesetzes wurden insgesamt 797 Sozialdemokraten als "Agitatoren" aus Orten ausgewiesen.
Bereits 1888 war Bismarck mit einer Gesetzesvorlage gescheitert, der zufolge Sozialdemokraten förmlich als Deutsche ausgebürgert hätten werden können, weil die Sozialdemokraten die skrupellosen Praktiken der politischen Polizei im Reichstag enthüllten. Das Sozialistengesetz bekämpfte die Sozialdemokraten als "Reichsfeinde" und erschwerte nachhaltig die Integration von Arbeitern und Sozialdemokratie in Staat und Gesellschaft. Die faktische politische Ausbürgerung der sozialdemokratischen Opposition ging mit einer sozialen Ausbürgerung einher, derzufolge Sozialdemokraten materiell entrechtet und am Arbeitsplatz verfolgt wurden.
Die "Peitsche" des Sozialistengesetzes ergänzte er durch das "Zuckerbrot" sozialer Reformen. Bismarck versuchte, die Arbeiterschaft mit dem Staate zu versöhnen, indem er 1881–1889 weitreichende Sozialgesetze zur Kranken-, Unfall-, Renten- und Invaliditätsversicherung durchsetzte. Diese Sozialversicherungen, die heute die Säulen der sozialen Sicherung darstellen, war bis dato weltweit einzigartig. Bismarck war somit maßgeblicher Wegbereiter des Sozialstaats, auch wenn er selbst die Maßnahmen eher aufgrund politischen Kalküls traf. Eigentlich sollten die Sozialgesetze nämlich die Sozialdemokratie schwächen.
Das Ziel des Sozialistengesetzes, die Reduzierung der Stimmen für die Sozialdemokraten bei den Reichstagswahlen, wurde jedoch nicht erreicht, im Gegenteil: Erhielten die Sozialdemokraten 1881 noch 311.961 Stimmen, waren es 1884 bereits 549.990, 1887 763.128 Stimmen, 1890 sogar 1.427.000 Stimmen. Seitdem war die Sozialdemokratie ein ernstzunehmender Machtfaktor. 1912 schließlich wurde die SPD gar stärkste Partei im Reichstag.
Vom 15. November 1884 bis zum 26. Februar 1885 fand auf Einladung von Reichskanzler Bismarck in Berlin die Kongokonferenz statt. Kurz nachdem man in Amerika am 18. Dezember 1865 die Sklaverei abgeschafft hatte, trafen sich auf der Kongokonferenz die rassistischen Herrscher Europas unter der Leitung Bismarcks, um Afrika unter sich aufzuteilen (siehe Bild unten). Ihr Ziel ist die wirtschaftliche Ausbeutung des afrikanischen Staates. Außerdem wollte Deutschland sich mit den Kolonien "Weltgeltung" verschaffen. Man wollte sich also als imperialistische Großmacht Anerkennung verschaffen. In Afrika gelten in den Kolonien Rassegesetze, wie man sie aus dem Dritten Reich kennt.
Ab 1884 kooperierte Bismarck besonders mit den parlamentarischen Parteien, die seine Kolonialpolitik unterstützten. Dazu zählten besonders die Nationalliberalen, die für einen radikal-rassistischen Siedlungskolonialismus eintraten. Die Kongokonferenz am 15. November stand unter dem Motto: die Kolonisation und die Aufteilung Afrikas soll in "geordneten Bahnen" vor sich gehen. Die Propaganda behauptet, in Afrika gäbe es noch "Niemandsland" zu verteilen, so genannte "weisse Flecken". Diese "weissen Flecken" auf der Landkarte gelte es zu vermessen und zu besiedeln. Die afrikanische Bevölkerung gilt als "Niemand". Es wurde die These verbreitet, bis jetzt herrsche in Afrika ein "kulturloser Zustand".
Die Zivilisierung der Afrikaner sieht dann so aus, dass die afrikanischen Frauen ihre Arbeit auf den Feldern zukünftig in Ketten verrichten dürfen und die afrikanische Bevölkerung gezwungen wird, europäische Sprachen zu sprechen, da die afrikanischen Sprachen als minderwertig angesehen werden. Nach Bismarcks Ansicht, sollte Afrika europäisiert werden, alle Afrikaner "zivilisiert" und zu "brauchbaren" Menschen gemacht werden. In Wirklichkeit meinte er aber wohl, alle Afrikaner sollten zu brauchbaren Untertanen gemacht werden. Geplant wurde eine freie Schifffahrt und Freihandel, so dass alle europäischen Mächte Gelegenheit zur Ausbeutung Afrikas hatten. Nur die Afrikaner sollten dabei leer ausgehen. Bismarck legte damit die Grundlage, die Profitgier der europäischen Staaten in Afrika ins unermessliche zu steigern.
Deutschland besaß unter Bismarck vier Kolonien in Afrika, die insgesamt mehr als die vierfache Fläche des Deutschen Reichs hatten. Zu den deutschen Kolonien zählten Deutsch-Südwestafrika (Namibia), Togo, Kamerun und Deutsch-Ostafrika. Deutsch-Ostafrika umfasste die heutigen Länder Tansania, Burundi und Ruanda. Sie war die größte und bevölkerungsreichste Kolonie des Deutschen Reiches. Weiter kamen im Pazifischen Ozean im nordöstlichen Teil der Insel Neuguinea (nördlich von Australien) das Kaiser-Wilhelm-Land (Deutsch-Neuguinea) und die davor gelegene Inselgruppe das "Bismarck-Archipel" hinzu.
1883 hat der Bremer Kaufmann Lüderitz für einen Preis von 500 Pfund und 50 Gewehren einen Gebietsstreifen in Südwestafrika vom Nama-Häuptling Joseph Fredericks gekauft. 1885 kaufte er noch weitere Gebiete im Norden. Damit war die Basis für das spätere Deutsch-Südwestafrika geschaffen. Nachdem sich die Hoffnungen Lüderitz’ auf ein attraktives Wirtschaftsgebiet nicht erfüllten, verkaufte er das gesamte Gebiet für fünfhunderttausend Mark an die neugegründete Deutsche Kolonialgesellschaft für Südwestafrika. Nach 1918 propagierte sie die Wiedererrichtung eines deutschen Kolonialreiches in Afrika und Asien. Mit diesen Forderungen befand sich die Gesellschaft in Übereinstimmung mit der Kolonialpolitik der NSDAP, mit der sie Ende der 20er Jahre eng zusammenarbeitete.
Unter den Hereros, einem afrikanischen Stamm in Deutsch-Südwestafrika, wurde übrigens der zum Häuptling gewählt, der den größten Viehbesitz hatte. Je größer dieser Besitz, desto mehr Leute empfingen von ihm einen Lebensunterhalt. Ich denke, aus dieser humanen Einstellung können wir heute eine ganze Menge lernen, nämlich die Tatsache, dass Reichtum auch mit sozialer Verantwortung verbunden ist. Unter den Herero war Weideland Stammesbesitz.
Die Hereros erhoben sich 1904 gegen die deutschen Kolonisten und deren Herrschaft in Deutsch-Südwestafrika. Dem Aufstand schlossen sich wenig später die Hottentotten an. Die Aufständischen richteten ein Blutbad unter den deutschen Siedlern an und brannten deren Siedlungen nieder. Die auf 17.000 Mann verstärkte "Schutztruppe" nahm dafür grausam Rache. Bis Ende 1907 zog sich der Kampf gegen versprengte Gruppen der Aufständischen schließlich hin. Von ursprünglich 80.000 Herero überlebten nur 12.000, und von den 20.000 aufständischen Hottentotten kam die Hälfte ums Leben.
Der Krieg gegen die Herero endete schließlich darin, dass Generalleutnant Lothar v. Trotha als Oberbefehlshaber der Schutztruppe nach Südwestafrika entsandt wurde. Er stand in dem Ruf ein schlechter Staatsmann zu sein und dazu ein unedler, selbstsüchtiger und kalter Mensch, ein Mensch der Oberflächlichkeit und des Scheins. Trothas Kriegsführung wurde als brutal und primitiv bezeichnet. Trotha hatte schließlich eine "geniale" taktische Idee: Völkermord durch Vertreibung. Er trieb die Hereros in die wasserlose Halbwüste im Norden Namibias. Für über 80 Prozent des einst mächtigen und reichen Volkes ist diese Kriegstaktik das Todesurteil. Kinder, Frauen und Männer erleiden mit ihrem Vieh den grauenvollen Tod des Verdurstens. Wenn dieses auch erst 1904 nach dem Tode Bismarcks geschah, so hatte Bismarck doch die Saat für die Kolonialisierung ausgesät.
_________________ Alles Liebe. zeiti
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OPA registrierter User
Anmeldungsdatum: 12.12.2005 Beiträge: 77
Wohnort: Nürnberg
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(#390951) Verfasst am: 27.12.2005, 19:20 Titel: |
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Noch eine Anmerkung zu Bismarck:
Er wird oft für sein Bündnissystem gelobt, dass angeblich den Frieden in Europa 1871-1914 bewahrte.
Doch stellt niemand die Frage, vor wem hätte man den Frieden bewahren sollen?
Vor dem um die Balance of Power besorgten Engländer, die Deutschland eigentlic positiv gegenüber standen?
Vor den 1866 verschonten und seit den 70er Jahren verbündeten Österreichern, die durch ihre Vielvölkerprobleme und durch den Balkan beschäftigt waren?
Vor dem seit dem Kriegkrieg befreundeten Rußland, das sehr deutschlandfreundlich gesinnt war und sich mehr um den Panslawismus auf dem Balkan und um Zentralasien kümmerte?
Vor Frankreich, das 1871 praktisch in zwei Monaten besiegt wurde und außenpolitisch absolut isoliert dastand?
Vor dem zerfallenden Osmanischen Reich, das seit 1878 gar nichts mehr zu melden hatte?
Der cauchemar de coalitions war ein Märchen, denn niemand hätte sich gegen Deutschland vereinigen können: Österreich und Rußland wren wegen dem Balkan zerstritten. Seit dem Kriegkrieg konnten sich Frankreich+GB nicht mehr mit Rußland verständigen.
Italien war mit Deutschland verbündet, seit 1859 mit Österreich verfeindet.
England und Frankreich stießen in Afrika aufeinander, sie wahren Konkurrenten im Wettlauf um Kolonien.
Das einzige, was Bismarck bewirkte, war, dass Frankreich weiter verfeindet blieb, obwohl die Franzosen den Interessenausgleich vorgeschlagen haben. Er hat es 1875 zur Krieg-in-Sicht-Krise kommen lassen, die fast zum Krieg geführt hätte.
1878 vergrämte er in berlin die Russen, das Verhältnis zu denen sich nie wieder davon erholte.
Seit 1884 mischte er halbwegs aktiv bei Kolonien mit, was England gegen den Strich ging.
Im großen und Ganzen führte Bismarck Deutschland und Europa auf direktem Weg in die Katastrophen des 20. Jahrhunderts, auch wenn andere (Wilhelm II z.B. auch sehr viel beigetragen haben)
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