Freigeisterhaus Foren-Übersicht
 FAQFAQ   SuchenSuchen   MitgliederlisteMitgliederliste   NutzungsbedingungenNutzungsbedingungen   BenutzergruppenBenutzergruppen   LinksLinks   RegistrierenRegistrieren 
 ProfilProfil   Einloggen, um private Nachrichten zu lesenEinloggen, um private Nachrichten zu lesen   LoginLogin 

Heuschreckendebatte

 
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen   Drucker freundliche Ansicht    Freigeisterhaus Foren-Übersicht -> Politik und Geschichte
Vorheriges Thema anzeigen :: Nächstes Thema anzeigen  
Autor Nachricht
Malone
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 02.09.2004
Beiträge: 5269

Beitrag(#400510) Verfasst am: 12.01.2006, 23:56    Titel: Heuschreckendebatte Antworten mit Zitat

Ich habe in einem anderen Forum einen Beitrag zur Heuschreckendebatte verfasst. Vielleicht interessiert es ja jemanden zwinkern


Zitat:
Ich sehe es ähnlich wie Ante. Ich werde in 14 Tagen einen Vortrag von eben diesen "Heuschrecken" zum Thema hören.

Letztenendes sind Manager nur Verwalter des Vermögens für die Eigner, d.h. hier meistens die Aktienbesitzer. Nach Friedman sollen Manager eben gerade nicht Unternehmensmittel für soziale Projekte verwenden, die den Wert des Unternehmens nicht steigern. Soziale Aktionen als Imagekampagnen sind ok, Umfangreiche Spenden aber nicht. Der Manager verschenkt ja nicht sein geld, sondern das der Unternehmenseigner.
Ziel des Managers ist demnach eine Steigerung des Unternehmenswertes, der Shareholder Value (maximierungs-) Gedanke.

Private Equity Unternehmen kaufen 2 Arten von anderen Unternehmen. Zum einen solche, die sie direkt zerschlagen können und deren Teileinheiten dann mehr bringen als der Konzernverbund. Dies ist nicht häufig anzutreffen, bedeutet dies doch negative Synergieeffekte - d.h. jede Konzerneinheit ist alleijne mehr Wert als im Verbund mit den anderen, der Konzern vernichtet Wertschöpfung! In diesem Fall ist es volkwirtschaftlich gewollt, daß ineffiziente Unternehmen auszuspalten, wie es auch die "Heuschrecken" tun werden, entdecken sie solche Unternehmen.

Abgesehen von diesem Spezialfall ist der weitaus häufigere der, daß Unternehmen gekauft werden, weil man kurzfristiges Wertsteigerungspotential sieht. Dieses wird realisiert und danach wird das Unternehmen weiterverkauft.

Wenn man durch das Entlassen oder durch das Auslagern von Arbeitsplätzen den Unternehmenswert steigern kann, so sollte dies das Management tun. Es ist schließlich seinen Aktionären verantwortlich. Wo sie es eben nciht konsequent genug tun helfen diese "Aasfresser" des Kapitalismus nach.



Es wird Atrox vielleicht überraschen, dass ich ihm ziemlich weitgehend zustimme. Wenn ein Unternehmen profitabler gemacht werden kann, sollte man dies alleine schon um Spielraum für die Wettbewerbsfähigkeit zu schaffen, auch tun. Sogar Friedmans These kann ich weitestgehend zustimmen, Unternehmen sind keine Caritasverbände, sie sollen effizient wirtschaften und nicht Ressourcen für unternehmensfremde Zwecke verschwenden. Dies kommt dann letztlich der Volkswirtschaft durch einen höheren Investitionsanreiz und preiswertere Produkte zugute, solange keine Monopole oder Scheinoligopole entstehen. Prinzipiell ist auch zu begrüßen, dass im Ausland Arbeitsplätze geschaffen werden. Und jetzt kommt das große Aber:

Betriebswirtschaftlich gesehen ist die kurzfristige Wertsteigerung oft langfristig bedenklich. Schickt man beispielsweise etliche erfahrene Mitarbeiter in den Ruhestand, kann dies zwar zu Einsparungen führen, die sich aber auf Dauer im Produktionsablauf negativ niederschlagen. Auch Kürzungen beispielsweise im Forschungsetat sind langfristig kaum sinnvoll. In dem Zusammenhang kommt mir auch die starke Lobby der Pharmaunternehmen in den Sinn, die zum obendrein gesellschaftlichen Schaden mehr Geld für Marketing ausgeben als für die Forschung. Einsparungen im Servicebereich, man denke nur an die Warteschleifen bei Hotlines, bei denen man mit viel Glück nur unterqualifizierte Mitarbeiter erwischt, und der Qualitätssicherung schaden dem Verbraucher obendrein.

Volkswirtschaftlich gesehen gibt es noch viel erheblichere Bedenken, gerade wenn der Unternehmensankauf schuldenfinanziert ist. Dadurch steigt die Verpflichtung der Konsumenten und Arbeitnehmer, leistungslose Einkommen der ohnehin Reichsten durch ihre Wertschöpfung mittels Zinszahlungen zu vergrößern, was für die anteilsmäßig konsumstärkere Gruppe der Arbeitenden einen Einkommensverlust bedeutet. Und somit deren entgangenes Einkommen, meistens werden ja im Zuge von Outplacements etc. Gehaltskürzungen realisiert, nicht mehr dem weiteren Konsum zur Verfügung steht, woran wiederum nachgelagerte Anbieter zu leiden haben. Die schuldenfinanzierte Version stellt auch nur die verschärfte Variante der volkswirtschaftlich schädlichen Einkommensumverteilung von Arm nach Reich dar, denn Gleiches gilt natürlich auch für die Bereicherung der ebenfalls konsumschwächeren Aktionäre.

Weiters sind erhebliche Bedenken angebracht, wie sie für die hier schon ausgiebig diskutierte und an sich zu befürwortende Automatisierung gelten. Denn die übrigbleibenden Arbeitnehmer, die obendrein unter verstärkten Leistungsdruck gesetzt werden können und die in der Regel, bis auf ihre Antreiber, Abstriche bei der Bezahlung hinnehmen müssen, sind momentan gezwungen, durch ihre Versicherungsbeiträge die zunehmende Zahl der ausgemusterten Arbeitslosen oder Frührentner mitzufinanzieren, während die Kapitalgeber und Shareholder von dieser Verpflichtung verschont bleiben, insbesondere dann, wenn die Gewinne wie bei Private Equity hauptsächlich ins Ausland fließen. Ergebnis sind dann wieder steigende Beiträge, die dem Konsum zusätzlich verloren gehen, und sinkende Wohlfahrtausgaben pro Kopf, die sich sogar noch viel erheblicher in sinkendem Konsum niederschlagen. Somit wird der Wirtschaft und dem Wohlergehen der Bürger durch die Vergrößerung der Kapitalbestände einiger Weniger auf Kosten der wertschöpfenden Bevölkerung oder der vom Wertschöpfungsprozess ausgegrenzten und zusätzlich diskriminierten Menschen massiver Schaden zugefügt, und dabei ist noch nicht der sich steigernde politische Machteinfluss der Vermögenden berücksichtigt.

Fazit: Private Equity stellt nur eine Sonderform des an sich durchaus fruchtbaren Kapitalismus dar, der ungehemmt und unreguliert aber direkt, auch wenn es martialisch klingt, ins Verderben führt, wie man es auch schon oft genug in der Menschheitsgeschichte erlebt hat. Die heftige Propaganda des Neoliberalismus setzt auf einfache Formeln, die die schädlichen Wechselwirkungen ausblenden will, und kommt damit leider noch immer viel zu gut bei der Bevölkerung an. So habe ich Kollegen, die allen Ernstes dafür Verständnis haben, dass obwohl sie eh unterbezahlt sind ihr Leistungsbonus gestrichen wird, da es dem outgeplaceten Unternehmen ja so schlecht gehe, obwohl die anteilhabenden Firmen Milliardengewinne einfahren.

Lösungsansätze, ohne die wünschenswerte Effizienzsteigerung der Unternehmen zu gefährden, liegen einzig in einer nachhaltigen Umverteilung durch den Staat. Zugegeben nicht leicht, in Anbetracht diverser Steueroasen, die in den Medien sogar auch noch propagiert werden (zum Beispiel die ausgiebige, unkritische Berichterstattung der Verbuddelung des Fürsten Rainiers) und in der EU sogar durch Steuergelder mitfinanziert werden, indem neuen Mitgliedern lachhaft geringe Steuersätze durch massive Subventionen ermöglicht werden.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Stefan
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 03.08.2004
Beiträge: 6217

Beitrag(#403072) Verfasst am: 17.01.2006, 22:06    Titel: Antworten mit Zitat

Du beschreibst das Dilemma sehr gut.

Zitat:
Lösungsansätze, ohne die wünschenswerte Effizienzsteigerung der Unternehmen zu gefährden, liegen einzig in einer nachhaltigen Umverteilung durch den Staat.


Und da liegt das Problem. Das würde nur funktionieren, wenn eine relevante Anzahl von wichtigen Industriestaaten, beispielsweise alle EU-Staaten, an einem Strang ziehen würden. Davon sind wir aber meilenweit entfernt. Alleingänge sind der wirtschaftliche Untergang. Wer sich zuerst bewegt verliert. Leider. Traurig
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Malone
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 02.09.2004
Beiträge: 5269

Beitrag(#404026) Verfasst am: 19.01.2006, 11:12    Titel: Antworten mit Zitat

Nunja, es ist ja durchaus denkbar, so wie das große liberale Vorbild USA die Staatsbürger unabhängig von Wohnsitz zum Steuerzahlen zu verpflichten...
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Stefan
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 03.08.2004
Beiträge: 6217

Beitrag(#404033) Verfasst am: 19.01.2006, 11:27    Titel: Antworten mit Zitat

Malone hat folgendes geschrieben:
Nunja, es ist ja durchaus denkbar, so wie das große liberale Vorbild USA die Staatsbürger unabhängig von Wohnsitz zum Steuerzahlen zu verpflichten...


Aber nicht nur die Bürger, auch die Unternehmen. Das wäre ein guter Anfang. Sicherlich sind die EU-Beitritte osteuropäischer Staaten dann besser zu verkraften, wenn auch nicht mehr ganz so interessant für die großen Unternehmen.

Gleichzeitig müssen finanzielle und materielle Förderungen seitens der Staaten aber verboten werden, sonst kann der Effekt aus der Steuergleichheit zu leicht untergraben werden.
Nach oben
Benutzer-Profile anzeigen Private Nachricht senden
Beiträge der letzten Zeit anzeigen:   
Neues Thema eröffnen   Neue Antwort erstellen   Drucker freundliche Ansicht    Freigeisterhaus Foren-Übersicht -> Politik und Geschichte Alle Zeiten sind GMT + 1 Stunde
Seite 1 von 1

 
Gehe zu:  
Du kannst keine Beiträge in dieses Forum schreiben.
Du kannst auf Beiträge in diesem Forum nicht antworten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht bearbeiten.
Du kannst deine Beiträge in diesem Forum nicht löschen.
Du kannst an Umfragen in diesem Forum nicht mitmachen.



Impressum & Datenschutz


Powered by phpBB © 2001, 2005 phpBB Group