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Programme und Wunschzettel

 
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DerTorsten
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Anmeldungsdatum: 28.10.2005
Beiträge: 2166

Beitrag(#528676) Verfasst am: 24.07.2006, 19:49    Titel: Programme und Wunschzettel Antworten mit Zitat

Programme und Wunschzettel
oder
Rettet die Wale, den Urwald und die OPEL-Arbeitsplätze!

Wöchentlich, nahezu täglich, werden wir mit immer neuen Ideen bombardiert, was am Kapitalismus wie verbessert werden kann. Nicht nur, daß gesagt wird, was zu verbessern ist, nein: Auch die konkreten Schritte, Finanzierungsmodelle und Kontrollmaßnahmen sind teilweise detailliert ausgearbeitet. Haben die Schöpfer solcher Vorschläge genügend Details zusammen und eine Partei oder andere Organisation im Rücken oder vor, eine solche zu gründen, schreiben sie üblicherweise „Programm“ drüber.

All diese „Programme“ haben einen kleinen, aber wesentlichen, Haken: Sie vernachlässigen, wer sie mit wem, gegen wen und mit welchen Mitteln umsetzen soll. Sie vernachlässigen ein grundlegendes Merkmal der kapitalistischen Gesellschaft: Daß nämlich der kapitalistische Staat der Staat der Kapitalisten ist, der seiner Natur gemäß nicht dazu da ist, den Profitinteressen entgegenzuwirken, sondern sie zu fördern.

Ist man sich dessen erst einmal bewußt, ist auch klar, daß alle die Profite und damit die Interessen der Herrschenden beeinträchtigenden, also sozialen und ökologischen, Maßnahmen - in Unternehmen wie Staat - erzwungen werden müssen. Sie zu erzwingen, bedarf es durchdachter, organisierter und konzentrierter Kampfmaßnahmen.

Das ist auch aus der Geschichte der Arbeiterbewegung bekannt. Forderungen der Ausgebeuteten und Unterdrückten sind nur dann umsetzbar, wenn sie
1. einzelne oder wenige und klar formuliert sind,
2. Viele betreffen,
3. das Kräfteverhältnis berücksichtigen, also den eigenen und gegnerischen Kräften angemessen und damit durchsetzbar sind und
4. mit konzentrierten Kräften in druckvollen Aktionen durchgesetzt werden.

Seitenlange „Forderungskataloge“ sind bestenfalls als Wunschzettel für den Weihnachtsmann geeignet, nicht aber als Programme im realen Klassenkampf. So ist z.B. schädlich, gleichzeitig Mindestlohn UND Grundeinkommen ODER Grundsicherung zu fordern. Und die Rettung der Wale und Urwälder und OPEL-Abeitsplätze.

Breite Bündnisse sind nötig, für die NUR entscheidend ist, daß die Bündnispartner IN DIESER Sache übereinstimmen. Hier geht's weder um Parteizusammenschlüsse noch darum, daß man sich in allen anderen Fragen auch mag. Hier geht's darum, was ja JEDE fortschrittliche (=„linke“) Organisation auf ihre Fahnen geschrieben hat: Interessenvertreter der Ausgebeuteten und Unterdrückten zu sein.

Was soll man fordern? In den letzten Jahren hat sich eingeschliffen, den politischen Lakaien des Kapitals hinterherzulaufen. Das heißt, Ziel der Kämpfe war immer, eine von fünf asozialen Maßnahmen zu verhindern oder sich zu feiern, wenn eine asoziale Maßnahme nur zu 80% umgesetzt wurde. Schon rein mathematisch ist klar, daß dieses Hinterherlaufen IMMER kontinuierliche soziale Verschlechterungen im Profitinteresse erzeugt, selbst dann, wenn vier von fünf asozialen Maßnahmen verhindert oder jede zu nur 20% umgesetzt werden.

Wir müssen wieder lernen, eigene soziale Forderungen zu stellen. Wie z.B. derzeit in Form des gesetzlichen Mindestlohns von 7,50€. Gerade daran werden die Grundsätze von Klassenkampfmaßnahmen sehr schön (und gleichzeitig durch ihre Verletzung häßlich) deutlich. Die Forderung ist eine einzelne, klar formuliert und betrifft vom Arbeiter über Arbeitslose bis hin zum Rentner sehr Viele. Unter Konzentration der Kräfte (derzeit ver.di, NGG, IGM, WASG, PDS, WASG und, man lese und staune, zumindest in Sachsen sogar SPD) ist der Mindestlohn auch umsetzbar, sprich: erzwingbar.

ABER: Die Beteiligten können sich weder auf eine gemeinsame Höhe des Mindestlohns noch auf ein gemeinsames Logo einigen. Jeder möchte, aus welchen Motiven immer, zuerst seinen Namen mit der Aktion verbunden sehen. Und nicht zuletzt: Wenn's um konkrete Aktionen geht, steht von den ganzen Organisationen nur eine Handvoll (nicht je Organisation, sondern insgesamt!) bereit, auch tatsächlich aktiv zu werden. Die ganze Zersplitterung und Trägheit der „Linken“ wird hieran deutlich.

Natürlich ist die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns nicht die Beseitigung des Widerspruchs zwischen Kapital und Arbeit, keine Revolution, aber kann ein wichtiger Schritt sein, die Arbeiterklasse zu mobilisieren, organisieren und wieder einmal im praktischen Klassenkampf zu üben. Wenn wir aber elementare Grundsätze der Durchsetzung von Forderungen verletzen, wird es nur einen ökonomischen und psychologischen Sieger geben: Die Kapitalisten und ihre Lakaien.

Die Zeiten für Wunschzettel der Arbeiter, ermöglicht durch den wirtschaftlichen Aufschwung aufgrund der Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs und erzwungen durch den unsichtbaren dritten Verhandlungspartner in Gewerkschaftskämpfen, den Sozialismus vor der Haustür, sind vorbei - auch wenn man hochtrabend „Programm“ drüberschreibt. Wünsche erfüllt mit etwas Glück und bei guten Eltern oder Verwandten der Weihnachtsmann. Für Forderungen der Arbeiter sind die Arbeiter selbst zuständig.
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