blaue fee registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.10.2007 Beiträge: 276
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(#872644) Verfasst am: 30.11.2007, 07:35 Titel: Der Humanismus |
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Dieser Thread soll die Verschiedenen Varianten des Humanismuses diskutieren. Ich kopiere daher mal von Wikipedia:
Zitat: | Humanismus bezeichnet die Gesamtheit der Ideen von Menschlichkeit und des Strebens danach, das menschliche Dasein zu verbessern. Der Begriff leitet sich ab von den lateinischen Begriffen humanus (menschlich) und humanitas (Menschlichkeit). Das Glück und Wohlergehen des einzelnen Menschen und der Gesellschaft bilden den höchsten Wert, an dem sich jedes Handeln orientieren soll. |
Diese Definition hat zwei Schwachstellen:
(a) was ist unter dem "Glück und Wohlergehen" der Menschen zu verstehen
(b) die Phrase "des einzelnen Menschen und der Gesellschaft" ignoriert mögliche Interessenkonflikte zwischen dem Einzelnen und dem Ganzen
Je nachdem, welche Antwort man nun für (a( und (b) gibt, erhält man einen andere Interpretation des Humanismuses.
Dazu drei Beispiele:
Setzt man für (a) das materialistische Wohl ein, und definiert man die Wichtigkeit eines einzelnen als nicht geringer als den Wert des Ganzen (d.h. die Gesellschaft kann nicht erwarten, dass der einzelne zu ihrem Gunsten auf sein eigens Wohl verzichtet>es gibt absolute Grundfreiheiten), so bekommt man etwas, was ich unter säkularen Humanismus verstehe.
Wenn man aber nun unter (a) das materialistische Wohl versteht, aber die Gesellschaft über den Einzelnen einordnet, erhält man eine Ideologie, wie man sie aus kommunistischen Diktaturen kennt/kannte. Dort war die Gesellschaft zwar auch mit der Verbesserung ihreres Wohlstandes beschäftigt, aber die Masse konnte sich von wenigen nehmen was sie braucht, wenn es dem Volk nützt (Zwangsenteignungen, Arbeitslager, keine Redefreiheit um den inneren frieden zu bewahren, ..)
Als drittes Beispiel eine religiös motiviertes Weltbild: Z.B. das Katholische: Genauso wie im ersten Beispiel, gilt hier zwar jeder einzelnen Mensch als gleich dem anderen und dem Ganzen, aber das Wohl ist nicht auf materielle Werte beschränkt, sondern ist durch transzendente Werte erweitert.
Es gibt natürlich noch viel mehr Spielarten (die sind mir nur gerade eingefallen), die all auf ihrer Weise humanistisch sind. Was ich hier aber diskutieren wollte:
Kann man manche Varianten als "besser" bezeichnen? Sind einige Varianten, aus philosophischer Sicht, anderen überlegen?
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#872904) Verfasst am: 30.11.2007, 14:34 Titel: |
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blaue fee hat folgendes geschrieben: | Dieser Thread soll die Verschiedenen Varianten des Humanismuses diskutieren. Ich kopiere daher mal von Wikipedia:
Zitat: | Humanismus bezeichnet die Gesamtheit der Ideen von Menschlichkeit und des Strebens danach, das menschliche Dasein zu verbessern. Der Begriff leitet sich ab von den lateinischen Begriffen humanus (menschlich) und humanitas (Menschlichkeit). Das Glück und Wohlergehen des einzelnen Menschen und der Gesellschaft bilden den höchsten Wert, an dem sich jedes Handeln orientieren soll. |
Diese Definition hat zwei Schwachstellen:
(a) was ist unter dem "Glück und Wohlergehen" der Menschen zu verstehen
(b) die Phrase "des einzelnen Menschen und der Gesellschaft" ignoriert mögliche Interessenkonflikte zwischen dem Einzelnen und dem Ganzen |
Das sind keine Schwachstellen der Definition, sondern Schwachstellen des Humanismus, oder noch besser Kernprobleme einer jeden Ethik.
blaue fee hat folgendes geschrieben: | Je nachdem, welche Antwort man nun für (a( und (b) gibt, erhält man einen andere Interpretation des Humanismuses.
Dazu drei Beispiele:
Setzt man für (a) das materialistische Wohl ein, und definiert man die Wichtigkeit eines einzelnen als nicht geringer als den Wert des Ganzen (d.h. die Gesellschaft kann nicht erwarten, dass der einzelne zu ihrem Gunsten auf sein eigens Wohl verzichtet>es gibt absolute Grundfreiheiten), so bekommt man etwas, was ich unter säkularen Humanismus verstehe. |
"Das Ganze" hat keine Interessen, sondern ist eine normierte, sublimierte, institutionalisierte Version der Interessen der anderen Individuen. Das materielle Wohl Einzelner hängt zudem auf oft komplexe Weise mit dem Wohl der Gemeinschaft zusammen (Sicherheit, Synergie, Investition ...)
blaue fee hat folgendes geschrieben: | ... Als drittes Beispiel eine religiös motiviertes Weltbild: Z.B. das Katholische: Genauso wie im ersten Beispiel, gilt hier zwar jeder einzelnen Mensch als gleich dem anderen und dem Ganzen, aber das Wohl ist nicht auf materielle Werte beschränkt, sondern ist durch transzendente Werte erweitert. |
- der Mensch gilt im Christentum nicht als gleich dem Anderen, sondern nur vor Gott (also z.B. nach seinem Tod).
- Und selbst untereinander gelten nicht die Interessen als gleichwertig, sondern nur die sog. Seelen. Wegen "every sperm is sacred" werden daher z.B. Aidstote inkaufgenommen.
- der Mensch gilt im Christentum nicht als gleich dem Ganzen, sondern ist Gottes Interessen untergeordnet.
- das materielle Wohl des Einzelnen steht im Protestantismus eher hoch, im Katholizismus beschränkt sich das auf das materielle Wohl der Kirche, und bei Jesus steht das materielle Wohl sehr niedrig (grob gesagt).
- Transzendent ist vor allem das katholische Glückskonzept, im Leben ist da ja auch Leiden sehr populär.
blaue fee hat folgendes geschrieben: | Kann man manche Varianten als "besser" bezeichnen? Sind einige Varianten, aus philosophischer Sicht, anderen überlegen? |
Ich denke nicht, daß wir eine optimale Ethik benennen können. Aber wir können einige Mindestanforderungen stellen, die eine Ethik in einer aufgeklärten Gesellschaft erfüllen sollte, z.B.:
- metaphysische Unspezifik (keine abergläubischen Axiome)
- Kritikfähigkeit (keine Steintafeln mit Geboten, sondern die Erkenntnis, daß Ethik auch nur von Menschen gemacht wird und änderbar ist)
- Zielklarheit (was genau soll mit einer bestimmten Norm erreicht werden?)
- Transparenz (verstehen, welche Faktoren uns beeinflussen)
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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