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Telliamed registrierter User
Anmeldungsdatum: 05.03.2007 Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten
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(#2007630) Verfasst am: 24.06.2015, 09:03 Titel: Die Rolle der „Unbeteiligten“ - eine neue Dimension der Streiks |
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Im ersten Halbjahr 2015 haben Streiks im Dienstleistungssektor Ausmaße erreicht wie nicht zuvor. Sie unterscheiden sich von früheren Streiks durch ihre Härte und den Umstand, dass Millionen Unbeteiligte einbezogen werden und ein beträchtlicher Schaden für die Gesamtwirtschaft entsteht.
Es gibt meines Wissens noch kein Buch über die neuen Dimensionen der Streiks, was im Internet steht, ist vergänglich. Gewöhnlich wird darauf verwiesen, dass Franzosen und Italiener an Massenstreiks im öffentlichen Dienstleistungssektor gewöhnt seien und nur „wir“ Deutschen uns daran gewöhnen müssten.
In Presseberichten bekommen die Verhandlungsführer der streikenden Seiten eine Plattform, wie das vor allem bei Claus Weselsky zu sehen war. Wegen ihrer beträchtlichen Auswirkungen auf Unbeteiligte wird die Öffentlichkeit sehr stark polarisiert. Von den Unbeteiligten, der Mehrheit, ist aber in den Medien, vierter Kraft in einer Demokratie, wenig bis gar nichts zu vernehmen.
Hatten früher Streiks im produzierenden Bereich im wesentlichen nur Auswirkungen auf die betreffenden Unternehmen, werden heute lebenswichtige Bereiche des öffentlichen Lebens davon betroffen.
Streikführer haben erkannt, dass man einen beträchtlichen Druck auf die Unternehmen aufbauen kann, weil die Unbeteiligten keine einheitliche Stimme haben. Jeder kämpft für sich mit den Folgen. Und die Regierung tut gut daran, sich herauszuhalten, obwohl Hunderte Millionen den Bach heruntergehen.
Die Sympathien schwanken von teilweise Befürwortung bis zur Ablehnung und gehen eher entlang der Linie „Betroffensein von den Auswirkungen“ - und das in unterschiedlichem Maße! - als entlang dem alten „Rechts“ („Arbeitgeber“-Sympathien) – „Links“- (Streiks sind in jedem Fall positiv zu bewerten) Schema.
Traditionell Linke verlangen auch von jenen Menschen Solidarität mit den Streikenden, die von den Folgen betroffen sind und eigentlich potentielle Verbündete sein könnten.
Die Unbeteiligten müssten politisch "aufgeklärt werden" und begreifen, dass das z.T. die Folgen von Privatisierungsmaßnahmen des Staates in früheren Jahren seien.
http://www.die-linke.de/partei/organe/parteivorstand/parteivorstand-2014-2016/beschluesse/solidaritaet-mit-den-streikenden-bei-kitas-post-und-bahn/
Das sind aber in der Mehrzahl nicht mehr Angehörige irgendwelcher „Oberschichten“. Dauerpendler, die auf die S-Bahn in den großen Städten angewiesen sind, können nicht einfach auf das Rad umsteigen. Wer kein Auto hat, muss sich auf Ausfälle im Bereich der Bahn einrichten. Werktätige Menschen können nicht frei über ihre knapp bemessene Freizeit verfügen und etwas mittelfristig planen, weil Streikankündigungen erst kurz vorher eintreffen. Dann muss man sich das Gesülze über "Freiheit" anhören, wenn man in Wirklichkeit genötigt wird.
(In der DDR wurde nicht gestreikt, und sie ging doch zugrunde, Kerzen in der evangelischen Kirche sind wirksamer gewesen; in Wirklichkeit war es die Selbstaufgabe der Herrschenden, die nicht mehr weiter regieren konnten).
Streiks in Kliniken, wo Operationen anstehen, geraten in Konflikt mit dem Eid des Hippokrates, unter allen Umständen Menschen zu helfen.
Mütter, die keine Familienangehörigen und Freunde haben, wissen nicht, wie sie ihre Kleinkinder unterbringen sollen. Das Leben spielt sich mehr in namenlosen Großstädten ohne gewohnte Familienstrukturen mit mehreren Generationen ab.
Post bleibt wochenlang liegen, darunter auch unter Umständen sehr wichtige.
Leute wie Weselsky verweisen darauf, dass man ja nicht unbedingt mit der Bahn fahren müsse. Das ist Zynismus pur, weil es an Menschen gerichtet ist, die ebenfalls Werktätige sind, nicht seine "Gegner".
Die lange vernachlässigte „Rolle der Persönlichkeit“ wird sichtbar: hätte die größere Eisenbahnergewerkschaft, die alles lahmlegen kann, so einen Mann gehabt, wäre das Frühjahr 2015 anders verlaufen. Die einen preisen ihn als großen „Arbeiterführer“, andere sind zornig über die harte Verhandlungsführung, die in die Lebensgestaltung von Millionen Menschen eingriff.
Wo gehobelt wird, fallen eben Späne, "Kollateralschäden", wegen des Prinzips kommen eben auch Unbeteiligte zuschaden - so eine Denkweise hat es schon einmal gegeben.
Zynismus pur ist der Verweis auf den explosionsartigen Profit von Fernbussen und Konkurrenzunternehmen der Post. „Wir“ können es uns ja leisten, wird suggeriert, Hunderte Millionen auch in Bereichen vernichtet zu sehen, die nicht von Streiks betroffen ist.
Autofahrer sind nicht in dem Maße von Streiks betroffen, wie Dauerpendler in der schon an sich maroden S-Bahn (für die der gepriesene Wowereit nicht das Geringste tat), Kinderlose nicht wie die Eltern von Minderjährigen – jede Gruppe schön für sich und in der Summe ohne Stimme.
Dabei geht es nicht um ein Existenzminimum, sondern oft um „symbolische Politik“, um Gesten und Einflussnahme auf künftige Geschehnisse. Es gibt Befürworter einer symbolisch betriebenen Politik, aber das Gedächtnis der meisten Menschen ist kurzlebig.
Es wurde darauf verwiesen, dass das Streikrecht nicht verändert werden soll. Aber das wollen nur Hartgesottene der Arbeitgeberseite. Streiks dieser Art greifen in eine Weise in das öffentliche Leben ein, dass großer Schaden entsteht und nicht zuletzt – die Form des Streiks generell in Mißkredit gebracht wird. Nicht nur die Parteien geraten in Mißkredit, sondern auch bestimmte Gewerkschaften, die Mehrheit der Gesellschaft ist nun einmal nicht „links“ (Streik = gut unter allen Umständen). Unbeteiligte werden wegen "fehlender Solidarität" noch von Interessierten verhöhnt, die das alte Klassenkampf-Schema verinnerlicht haben.
Die einen werden sagen: so ist es eben in einer auf Geld, Gewinn und Profit orientierten Gesellschaft: jede Gruppe sieht zu, wo sie bleibt. Eine andere werden wir zumindest hier nicht erleben. Und die exotischen Hoffnungen auf Lateinamerika haben sich auch verflüchtigt.
Warum kann man das nicht „zunehmende Entsolidarisierung“ nennen?
Fehlende Kompromißbereitschaft, weil die unbeteiligten Dritten kein Sprachrohr haben und sich die politisch Interessierten im Zweifelsfall lautstark auf „ihre“ Seite stellen?
Schlußsatz dieses überlangen Beitrages: Die Unbeteiligten müssen sehen, wie sie ihren Alltag halbwegs normal in den Griff kriegen.
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Ratio huhu
Anmeldungsdatum: 13.10.2014 Beiträge: 1482
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(#2007637) Verfasst am: 24.06.2015, 10:29 Titel: |
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Mal als Ansatz für eine Diskussion: Du kritisierst das absolute Pro-Contra Streikdenken (Pro"Arbeitnehmer" und Pro"Arbeitgeber", wie du sagtest). Weiter am Ende lässt du anklingen, dass du eine "zunehmende Entsolidarisierung" erkennst und dies nicht begrüßt. In welcher Form würdest du dir denn Solidarität wünschen?
Meiner Meinung nach sind diese harten Fronten einfach systemisch bedingt und weisen auch keine Alternative auf.
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Telliamed registrierter User
Anmeldungsdatum: 05.03.2007 Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten
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(#2007648) Verfasst am: 24.06.2015, 11:30 Titel: |
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Ratio hat folgendes geschrieben: | Mal als Ansatz für eine Diskussion: Du kritisierst das absolute Pro-Contra Streikdenken (Pro"Arbeitnehmer" und Pro"Arbeitgeber", wie du sagtest). Weiter am Ende lässt du anklingen, dass du eine "zunehmende Entsolidarisierung" erkennst und dies nicht begrüßt. In welcher Form würdest du dir denn Solidarität wünschen?
Meiner Meinung nach sind diese harten Fronten einfach systemisch bedingt und weisen auch keine Alternative auf. |
Der lange Eingangsbeitrag ist Ausdruck meiner weitgehenden Ratlosigkeit!
Ein langes monologisches "Einerseits - Andererseits". Ich kann mich nicht hinter den Appell der Linken stellen, die, um ihrer Linie zu folgen, sich eindeutig hinter alle Streiks stellt, und kann mir schwer vorstellen, dass man damit auch massenhaft neue Mitstreiter unter der Zielgruppe gewinnt, die man anvisiert: die arbeitenden Menschen, aber auch Junge und Alte, die auf Dienstleistungen angewiesen sind und keine langen gegenseitigen einseitigen Schuldzuweisungen hören wollen.
Ich habe eine Anzahl an Stellungnahmen der unterschiedlichen Seiten gehört und meine ja keineswegs, dass man nicht für berechtigte Interessen eintreten soll.
Wahrscheinlich gibt es, obwohl darüber auch laut nachgedacht wurde, keine "intelligenteren" Formen des Arbeitskampfes, als durch Druckaufbau an empfindlichen Schaltstellen auch massenhaft Unbeteiligten und der Wirtschaft (doch nicht nur dem "Kapital", sondern der Arbeit der Millionen Werktätigen, darunter etlichen Pendlern) als "Manövriermasse" Schaden zuzufügen.
Man sollte aber, vor allem als Nichtbetroffener, nicht so auf fremde Menschen einreden und sie vor den Kopf zu stoßen: "Nun habt Euch mal nicht so! Ihr könnt doch auf andere Mittel ausweichen!"
Wozu ist der von den Steuergeldern der Massen unterhaltene "Staat" denn da, wenn nicht, um den Bürgern zu helfen? Und dann ist er doch immer noch nicht Streikbrecher, wenn die Busse der Armee und der Polizei eingesetzt würden, denn die Bahn hätte doch immer noch den materiellen Schaden (mal abgesehen davon, dass der sowieso wieder auf die Fahrgäste in Gestalt von massiven Preiserhöhungen abgewälzt werden wird).
Telliamed ist immer noch so'n alter Nostalgie-Esel, der so etwas seiner DDR zugetraut hätte; während die Polen 1980/81 durch Massenstreiks eine Systemänderung erzwangen).
Wie ist es um die Demokratie bestellt, wenn sich die zahlenmäßig stärkste, die dritte Kraft der Betroffenen, nicht wehren und zu Wort melden kann? Sicher, das ist keine statische Größe, sie verändert sich, anfängliche Sympathien gehen verloren usw.
Kurzum, ich weiß nicht, welche Alternativen es zu gegenwärtigen Auseinandersetzungsformen geben soll.
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#2007670) Verfasst am: 24.06.2015, 13:51 Titel: |
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Telliamed hat folgendes geschrieben: | Ratio hat folgendes geschrieben: | Mal als Ansatz für eine Diskussion: Du kritisierst das absolute Pro-Contra Streikdenken (Pro"Arbeitnehmer" und Pro"Arbeitgeber", wie du sagtest). Weiter am Ende lässt du anklingen, dass du eine "zunehmende Entsolidarisierung" erkennst und dies nicht begrüßt. In welcher Form würdest du dir denn Solidarität wünschen?
Meiner Meinung nach sind diese harten Fronten einfach systemisch bedingt und weisen auch keine Alternative auf. |
Der lange Eingangsbeitrag ist Ausdruck meiner weitgehenden Ratlosigkeit!
Ein langes monologisches "Einerseits - Andererseits". Ich kann mich nicht hinter den Appell der Linken stellen, die, um ihrer Linie zu folgen, sich eindeutig hinter alle Streiks stellt, und kann mir schwer vorstellen, dass man damit auch massenhaft neue Mitstreiter unter der Zielgruppe gewinnt, die man anvisiert: die arbeitenden Menschen, aber auch Junge und Alte, die auf Dienstleistungen angewiesen sind und keine langen gegenseitigen einseitigen Schuldzuweisungen hören wollen.
Ich habe eine Anzahl an Stellungnahmen der unterschiedlichen Seiten gehört und meine ja keineswegs, dass man nicht für berechtigte Interessen eintreten soll.
Wahrscheinlich gibt es, obwohl darüber auch laut nachgedacht wurde, keine "intelligenteren" Formen des Arbeitskampfes, als durch Druckaufbau an empfindlichen Schaltstellen auch massenhaft Unbeteiligten und der Wirtschaft (doch nicht nur dem "Kapital", sondern der Arbeit der Millionen Werktätigen, darunter etlichen Pendlern) als "Manövriermasse" Schaden zuzufügen.
Man sollte aber, vor allem als Nichtbetroffener, nicht so auf fremde Menschen einreden und sie vor den Kopf zu stoßen: "Nun habt Euch mal nicht so! Ihr könnt doch auf andere Mittel ausweichen!"
Wozu ist der von den Steuergeldern der Massen unterhaltene "Staat" denn da, wenn nicht, um den Bürgern zu helfen? Und dann ist er doch immer noch nicht Streikbrecher, wenn die Busse der Armee und der Polizei eingesetzt würden, denn die Bahn hätte doch immer noch den materiellen Schaden (mal abgesehen davon, dass der sowieso wieder auf die Fahrgäste in Gestalt von massiven Preiserhöhungen abgewälzt werden wird).
Telliamed ist immer noch so'n alter Nostalgie-Esel, der so etwas seiner DDR zugetraut hätte; während die Polen 1980/81 durch Massenstreiks eine Systemänderung erzwangen).
Wie ist es um die Demokratie bestellt, wenn sich die zahlenmäßig stärkste, die dritte Kraft der Betroffenen, nicht wehren und zu Wort melden kann? Sicher, das ist keine statische Größe, sie verändert sich, anfängliche Sympathien gehen verloren usw.
Kurzum, ich weiß nicht, welche Alternativen es zu gegenwärtigen Auseinandersetzungsformen geben soll. |
Nu mach dir mal nicht in die Hose. Die Streiks sind überfällig und müssten noch extrem ausgeweitet werden.
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K.I.Z - Frieden
Das ist Postmoderne Ideologie! Psychologe und Philosoph analysieren RASSISMUS-Video
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Ratio huhu
Anmeldungsdatum: 13.10.2014 Beiträge: 1482
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(#2007688) Verfasst am: 24.06.2015, 14:58 Titel: |
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Soviel zur Entweder/Oder Ausprägung... q.e.d.
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Er_Win dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 31.01.2008 Beiträge: 4482
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(#2007694) Verfasst am: 24.06.2015, 15:18 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Nu mach dir mal nicht in die Hose. Die Streiks sind überfällig und müssten noch extrem ausgeweitet werden. |
soferne Streiks im Endeffekt nur die unkreativ erstrittene "Einigung" auf eine %-Zahl irgendwo zwischen X und Y als Ergebnis zeitigen, sind sie systemisch eher eindeutige Loose/Loose-Spiele...
das merkte zB. auch schon de Bono 1989 in "Konflikte. Neue Lösungsmodelle und Strategien" an.
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Ratio huhu
Anmeldungsdatum: 13.10.2014 Beiträge: 1482
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(#2007695) Verfasst am: 24.06.2015, 15:26 Titel: |
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Er_Win hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Nu mach dir mal nicht in die Hose. Die Streiks sind überfällig und müssten noch extrem ausgeweitet werden. |
soferne Streiks im Endeffekt nur die unkreativ erstrittene "Einigung" auf eine %-Zahl irgendwo zwischen X und Y als Ergebnis zeitigen, sind sie systemisch eher eindeutige Loose/Loose-Spiele...
das merkte zB. auch schon de Bono 1989 in "Konflikte. Neue Lösungsmodelle und Strategien" an. |
Wieso Loose/Loose?
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Er_Win dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 31.01.2008 Beiträge: 4482
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(#2007697) Verfasst am: 24.06.2015, 15:42 Titel: |
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Ratio hat folgendes geschrieben: |
Wieso Loose/Loose? |
weil sich arbeitsstrukturell nix ändert und eine "Kompromisszahl" durch würfeln oder auslosen viel schneller und mit viel geringerem Aufwand ermittelbar wäre
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#2007702) Verfasst am: 24.06.2015, 16:14 Titel: |
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Er_Win hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Nu mach dir mal nicht in die Hose. Die Streiks sind überfällig und müssten noch extrem ausgeweitet werden. |
soferne Streiks im Endeffekt nur die unkreativ erstrittene "Einigung" auf eine %-Zahl irgendwo zwischen X und Y als Ergebnis zeitigen, sind sie systemisch eher eindeutige Loose/Loose-Spiele...
das merkte zB. auch schon de Bono 1989 in "Konflikte. Neue Lösungsmodelle und Strategien" an. |
Er_Win hat folgendes geschrieben: | Ratio hat folgendes geschrieben: |
Wieso Loose/Loose? |
weil sich arbeitsstrukturell nix ändert und eine "Kompromisszahl" durch würfeln oder auslosen viel schneller und mit viel geringerem Aufwand ermittelbar wäre |
Es ist nur so, dass die *Arbeitgeber* davon wenig halten und das schon seit ein paar Jahrhunderten.
Die Masse der Beschäftigten würde sich sicherlich den hohen Aufwand sparen aber auf *Arbeitgeber*-Seite sitzen meist verbohrte, uneinsichtige und gnadenlos profitorientierte Figuren, mit denen man erst verhandeln kann, wenn man es schafft, genügend Gegenmacht aufzubauen. Ist das nicht möglich, dann ist die Basis für tarifliche Verhandlungen in der Regel schon mal gar nicht da.
Edward de Bono kommt ja, wie ich gelesen habe, von der Mediation her. Aber das ist in der Welt von Lohnarbeit und Kapital einfach kaum anwendbar.
Meist läuft es auf eine Win-Loose-Konstellation hinaus, je nachdem wer die besseren *Argumente* hat.
Aber ich stimme dir zu, seit Jahrhunderten schon ist es für die Lohnabhängigen eine nicht endende Sysiphos-Arbeit, sich immer wieder erneut ihren Lohn gegen den Widerstand der Unternehmen erkämpfen zu müssen - eine völlig irrationale Situation. Dies liegt aber an der Struktur der Ökonomie, an der Lohnarbeit an sich.
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K.I.Z - Frieden
Das ist Postmoderne Ideologie! Psychologe und Philosoph analysieren RASSISMUS-Video
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Ratio huhu
Anmeldungsdatum: 13.10.2014 Beiträge: 1482
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(#2007706) Verfasst am: 24.06.2015, 16:31 Titel: |
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Wie könnte ein guter Unternehmer auch daran interessiert sein Geld zu verschenken. Nichts anderes ist aus seiner Perspektive eine Lohnerhöhung. Der Anreiz für die Lohnerhöhung muss daher aus anderer Richtung kommen.
Meine Position dazu erläuter ich lieber gar nicht erst, bin hier ja sowieso von Kapitalismusgegnern umzingelt
Von daher zumindest ein Kommentar zum Streiken, das den zweiten Weg darstellt, indem es dem Proletariat ein Druckmittel zur Durchsetzung seiner Interessen in die Hand gibt: Für mich wirkt es albern, da der Gedanke hinter dem Streiken ja überhaupt erst jener ist, dass nämlich der gemeine Lohnarbeiter selbst keine Möglichkeit zur Aushandlung seines Gehaltes hat und daher ein staatliches Eingreifen notwendig ist. Statt das aber direkt zu tun und quasi staatlich ein gerechtes Gehalt zu diktieren wird über das Streikrecht halbherzig eine Möglichkeit zum Rabatz machen im kleinen Stil herausgegeben.
Falls denn jemand, auf dieser Basis, darlegen kann, wieso das Streikrecht sinnvoller ist als ein direktes Diktat des Gehaltes, so wäre ich sehr interessiert.
Im obigen Absatz versuche ich übrigens nur sozialistische Positionen nachzuvollziehen. Meine Meinung deckt sich damit überhaupt nicht
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Telliamed registrierter User
Anmeldungsdatum: 05.03.2007 Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten
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(#2007751) Verfasst am: 24.06.2015, 22:01 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Nu mach dir mal nicht in die Hose. Die Streiks sind überfällig und müssten noch extrem ausgeweitet werden. |
Auf Kosten auch und vor allem von Unbeteiligten. Die bestreikten Unternehmen hingegen verstehen es schon, sich zu sanieren, wiederum auf Kosten der Verbraucher, der Nutzer der Dienstleistungen.
Der Gewinn für die streikenden Werktätigen selbst ist vergleichsweise gering, wie es sich beim Kita-Streik abzeichnet, dessen Ausgang im übrigen noch offen ist. Zudem kann vieles wieder auf die Arbeitenden in diesem Bereich zurückschlagen.
Gemäß dem Solidaritätsprinzip hat es nicht Zustimmung bei Bahnangestellten durchweg gegeben, will man deswegen der anderen, größeren Gewerkschaft einen Vorwurf machen?
Utopien von führerlosen Zügen im Falle der Lokführerstreiks halte ich für Gedankenspielereien von Technikbegeisterten; zumindest in Deutschland. Es kann und wird immer Unvorhersehbares dazwischenkommen, "die Maschine ersetzt ihn nie" (für welchen Spruch Edgar Wibeau bei Plenzdorf Prügel bezog).
Es kann hingegen großer Schaden in anderen Bereichen entstehen, den wiederum ebenfalls Werktätige tragen müssen. Im Falle des Lokführerstreiks war es eine Phrase, dass dann mit "der Wirtschaft" eben nur das "Kapital" getroffen werde; das sind ebenfalls betroffene werktätige Menschen und deren Arbeit in anderen Wirtschaftszweigen. Tja, man hat eben bestimmten Alternativen auf deutschem Boden nicht die Spur einer Chance gelassen, voll auch über Utopisten a la Bahro gewonnen, und eine abermalige Chance auf Gesellschaftsveränderung ist - wegen systembedingten Fehlens einer führenden Kraft, die nicht nur Gruppeninteressen bedient - auf absehbare Zeit nicht mehr in Sicht.
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#2007801) Verfasst am: 25.06.2015, 09:21 Titel: |
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Telliamed hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Nu mach dir mal nicht in die Hose. Die Streiks sind überfällig und müssten noch extrem ausgeweitet werden. |
Auf Kosten auch und vor allem von Unbeteiligten. Die bestreikten Unternehmen hingegen verstehen es schon, sich zu sanieren, wiederum auf Kosten der Verbraucher, der Nutzer der Dienstleistungen.
Der Gewinn für die streikenden Werktätigen selbst ist vergleichsweise gering, wie es sich beim Kita-Streik abzeichnet, dessen Ausgang im übrigen noch offen ist. Zudem kann vieles wieder auf die Arbeitenden in diesem Bereich zurückschlagen.
Gemäß dem Solidaritätsprinzip hat es nicht Zustimmung bei Bahnangestellten durchweg gegeben, will man deswegen der anderen, größeren Gewerkschaft einen Vorwurf machen?
Utopien von führerlosen Zügen im Falle der Lokführerstreiks halte ich für Gedankenspielereien von Technikbegeisterten; zumindest in Deutschland. Es kann und wird immer Unvorhersehbares dazwischenkommen, "die Maschine ersetzt ihn nie" (für welchen Spruch Edgar Wibeau bei Plenzdorf Prügel bezog).
Es kann hingegen großer Schaden in anderen Bereichen entstehen, den wiederum ebenfalls Werktätige tragen müssen. Im Falle des Lokführerstreiks war es eine Phrase, dass dann mit "der Wirtschaft" eben nur das "Kapital" getroffen werde; das sind ebenfalls betroffene werktätige Menschen und deren Arbeit in anderen Wirtschaftszweigen. Tja, man hat eben bestimmten Alternativen auf deutschem Boden nicht die Spur einer Chance gelassen, voll auch über Utopisten a la Bahro gewonnen, und eine abermalige Chance auf Gesellschaftsveränderung ist - wegen systembedingten Fehlens einer führenden Kraft, die nicht nur Gruppeninteressen bedient - auf absehbare Zeit nicht mehr in Sicht. |
Wenn das so wäre, dann müssten sich die *Arbeitgeber* ja über massive Streiks freuen, weil nicht sie, sondern nur die Bevölkerung betroffen sei, wie du behauptest.
Tun sie aber nicht. Und jetzt überlege mal scharf, warum.
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Zu den abgewürgten, vorzeitig *geschlichteten* Kita-Streiks: Ja, das ist praktisch für viele eine Nullrunde. Aber was ist denn die Konsequenz daraus? Die Konsequenz kann doch nur sein, nicht vorzeitig Verhandlungen oder gar einer Schlichtung zuzustimmen, sondern viel massiver und flächendeckender zu streiken und dabei andere Branchen wenn möglich mit einzubeziehen. Die Basis war jedenfalls mit überwältigender Mehrheit für die Fortsetzung des Arbeitskampfes.
Hierbei geht es auch nicht einfach um ökonomische Ergebnisse, sondern um die Erfahrung, miteinander gegen Ausbeutung zu kämpfen. So etwas prägt sich tief in das Bewusstsein der Lohnabhängigen und der mit ihnen solidarischen Bevölkerung (- und die ist vorhanden, wenn auch nicht bei dir! -) ein.
Und das ist eigentlich der wesentliche politische Gewinn bei solchen Arbeitskämpfen ...-
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K.I.Z - Frieden
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Telliamed registrierter User
Anmeldungsdatum: 05.03.2007 Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten
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(#2007930) Verfasst am: 26.06.2015, 08:13 Titel: |
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Ich hätte mich schwer gewundert, wenn das nicht so von Dir gekommen wäre.
Ich fasse meines noch einmal zusammen:
Es liegt in der Natur der Medien, wenn sie während eines Streiks vor allem über die Forderungen der beteiligten Seiten berichten, die sich aufgewertet und, bei entsprechender Disposition, sich zur Verhärtung ihrer Positionen ermuntert fühlen. Die Hunderttausenden bis Millionen Unbeteiligten sind Verhandlungsmasse. Manche bezeichnen sie sogar so mit Abwertungen. Es wird damit gerechnet, dass sie zumeist nur von einer Seite im gesellschaftlichen Leben betroffen sind (Eltern mit Kleinkindern; traditionell per Post Kommunizierende; auf die S-Bahn und die Bahn Angewiesene).
Getroffen wird doch bei wochenlang anhaltenden Verhärtungen nicht allein "das Kapital", sondern in der Mehrheit einfache Menschen, arbeitende und nicht arbeitende, Rentner usw. Die Mehrheit der Menschen wollen keine "Erfahrungen im Klassenkampf" sammeln, sondern ihren Alltag bewältigen. Daran ist nichts Verwerfliches, wenn die Familien für das Hier und Heute sorgen und die Dienstleistungen in Anspruch nehmen, für die sie bereit sind zu zahlen.
Für eine revolutionäre Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse wird sich - zumindest zu meinen Lebzeiten - in Mitteleuropa keine führende Kraft und keine Mehrheit finden.
Wenn es zu Streiks kommt, sollte schon auf die Besonderheiten einer jeden Situation geschaut werden, die sich in der jeweiligen Branche herausbildete. Unschwer lassen sich vorangegangene Übergriffe der "Arbeitnehmer"-Seite erkennen, die in jenen Jahren stattfanden, als es "Uns" gut ging.
Aber wenn jegliche Verhältnismäßigkeit gesprengt wird, Millionen Unbeteiligte wochenlang und an acht Wochenenden ungefragt in Kämpfe einbezogen werden, dann ist eine neue Dimension erreicht, mit der man sich noch nicht beschäftigt hat. Dann wird man nachdenken dürfen über eine Verpflichtung zur Schlichtung in gesellschaftlich wichtigen Bereichen (aber, um Gottes Willen, solche Vorschläge kommen aus den Reihen von Politikern der CSU), womit das Streikrecht an sich noch gar nicht berührt wäre.
Und wenn jetzt ein enttäuschend schlechtes Schlichtungsergebnis für die Erzieher oder die Pflegekräfte der Charite in Sicht ist - selbstverständlich muss ihre Rolle bedeutend aufgewertet werden! - dann heisst das nur: solche Menschen bringen dem System keinen Profit, wie die produzierenden Bereiche. Und das sind dann Verteilungskämpfe: für neue hochmoderne Waffensysteme, die nicht mehr Sicherheit bringen (Konflikt mit Russland), aber viel Profit für Rüstungskonzerne, ist so viel Geld da, dass weder bei Bahn, Post oder Kitas derartige Streiks nötig wären.
Allerdings sind die Menschen mehr als zuvor auf öffentliche Dienstweisungen angewiesen, ihre berechtigten Interessen können nicht einfach vom Tisch gewischt werden. Du forderst Ausdehnung und Verhärtung der Streiks, ich bei unverhältnismässigen Dimensionen ein Nachdenken über die Formen der Auseinandersetzungen und eine Kultur der Schlichtung.
Die Folgen werden sowieso wieder auf die Masse der Bevölkerung abgewälzt (Fahrpreise), an den Zuständen
dürfte sich wenig ändern.
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Er_Win dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 31.01.2008 Beiträge: 4482
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(#2007931) Verfasst am: 26.06.2015, 08:36 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Aber ich stimme dir zu, seit Jahrhunderten schon ist es für die Lohnabhängigen eine nicht endende Sysiphos-Arbeit, sich immer wieder erneut ihren Lohn gegen den Widerstand der Unternehmen erkämpfen zu müssen - eine völlig irrationale Situation. Dies liegt aber an der Struktur der Ökonomie, an der Lohnarbeit an sich. |
sicher ist es ein strukturelles Problem, aber der vermeintlich nötige beständige (Klassen-)Kampf, den du ja befürwortest, zementiert die Systemstruktur doch genauso, wie die pöhsen profitgierigen Kapitalisten. Intelligent und kreativ ist das nicht...
Ich kann dir da - weil das leicht verdaulich und unterhaltsam ist - einen VT-Krimi von Wolfgang Schorlau empfehlen: Die blaue Liste
der Hintergrund ist die angeblich versuchte Übertragung des Modells des österr. GWM durch den ermordeten ehem. Treuhandchef Rohwedder auf die Sanierung von Betrieben im Zuge der Wiedervereinigung. Auch wenn's "nur" ein Roman ist - eine sehr kreative Idee ...
Infos zum Hintergrund des Romans
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#2008093) Verfasst am: 27.06.2015, 17:09 Titel: |
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Telliamed hat folgendes geschrieben: | Es liegt in der Natur der Medien, wenn sie während eines Streiks vor allem über die Forderungen der beteiligten Seiten berichten, die sich aufgewertet und, bei entsprechender Disposition, sich zur Verhärtung ihrer Positionen ermuntert fühlen. Die Hunderttausenden bis Millionen Unbeteiligten sind Verhandlungsmasse. Manche bezeichnen sie sogar so mit Abwertungen. Es wird damit gerechnet, dass sie zumeist nur von einer Seite im gesellschaftlichen Leben betroffen sind (Eltern mit Kleinkindern; traditionell per Post Kommunizierende; auf die S-Bahn und die Bahn Angewiesene).
Getroffen wird doch bei wochenlang anhaltenden Verhärtungen nicht allein "das Kapital", sondern in der Mehrheit einfache Menschen, arbeitende und nicht arbeitende, Rentner usw. Die Mehrheit der Menschen wollen keine "Erfahrungen im Klassenkampf" sammeln, sondern ihren Alltag bewältigen. Daran ist nichts Verwerfliches, wenn die Familien für das Hier und Heute sorgen und die Dienstleistungen in Anspruch nehmen, für die sie bereit sind zu zahlen. |
Das sind eigentlich die seit über 100 Jahren altbekannten Argumente der Unternehmer, dass Streiks im Grunde die ganze Gesellschaft treffen und nicht nur den Unternehmer selber. Und daran würde eben die egoistischen Streikenden nicht denken.
Dass aber z.B. die Charité-Beschäftigten auch dafür kämpfen, Patienten in Zukunft mit mehr Personal und Zeit besser zu versorgen, das scheint dir und solchen "Streikkritikern" entgangen zu sein.
Außerdem ist doch zu fragen, ob unterbezahlte und demotivierte Erzieher und -innen wirklich so gut sind für die von ihnen mit erzogenen Kurzen. Wo man doch heute weiß, wie wichtig gerade eine gute Erziehung für den Nachwuchs der Gesellschaft ist.
Auch Lokführer, die selbstlos das Maul halten, das tun, wozu sie angehalten sind und nur für andere da sind, sind sicher vorbildliche Diener, die sich ein mündiges, demokratisches Staatswesen des 21. Jahrhunderts wünscht.
Ja, die Demokratie endet spätestens am Werkstor oder an der Tür zum Dienstort. So soll es sein in Deutschland und morgen die ganze Welt.
Telliamed hat folgendes geschrieben: | Für eine revolutionäre Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse wird sich - zumindest zu meinen Lebzeiten - in Mitteleuropa keine führende Kraft und keine Mehrheit finden. |
Da ist wohl vor allem der Wunsch der Vater - oder auch die Mutter - des Gedankens, gelle?
Telliamed hat folgendes geschrieben: | Wenn es zu Streiks kommt, sollte schon auf die Besonderheiten einer jeden Situation geschaut werden, die sich in der jeweiligen Branche herausbildete. Unschwer lassen sich vorangegangene Übergriffe der "Arbeitnehmer"-Seite erkennen, die in jenen Jahren stattfanden, als es "Uns" gut ging.
Aber wenn jegliche Verhältnismäßigkeit gesprengt wird, Millionen Unbeteiligte wochenlang und an acht Wochenenden ungefragt in Kämpfe einbezogen werden, dann ist eine neue Dimension erreicht, mit der man sich noch nicht beschäftigt hat. |
Ich würde vorschlagen, dann sofort die Polizei zu rufen.
Telliamed hat folgendes geschrieben: | Dann wird man nachdenken dürfen über eine Verpflichtung zur Schlichtung in gesellschaftlich wichtigen Bereichen (aber, um Gottes Willen, solche Vorschläge kommen aus den Reihen von Politikern der CSU), womit das Streikrecht an sich noch gar nicht berührt wäre. |
Das Mediationsunwesen verbreitet sich derzeit auch in der Justiz. Da werden üblicher Weise faule Kompromisse "ausgehandelt" und in der Regel die schwächere Seite über den Tisch gezogen.
Das Problem ist: Die Reihenfolgen ist falsch. Ohne vorher demonstrierte Verhandlungsmacht wird es in der Regel eine Niederlage für die Beschäftigten.
Außerdem ist die ganze Denkweise dahinter korporatistisch.
Telliamed hat folgendes geschrieben: | Und wenn jetzt ein enttäuschend schlechtes Schlichtungsergebnis für die Erzieher oder die Pflegekräfte der Charite in Sicht ist - selbstverständlich muss ihre Rolle bedeutend aufgewertet werden! - dann heisst das nur: solche Menschen bringen dem System keinen Profit, wie die produzierenden Bereiche. Und das sind dann Verteilungskämpfe: für neue hochmoderne Waffensysteme, die nicht mehr Sicherheit bringen (Konflikt mit Russland), aber viel Profit für Rüstungskonzerne, ist so viel Geld da, dass weder bei Bahn, Post oder Kitas derartige Streiks nötig wären. |
Auch in der Industrie wird immer mehr ausgelagert durch Zeitarbeitsfirmen z.B. Auch hier ist das Lohndumping längst Realität und der Maximalprofit kennt ja ohnehin keine Grenze nach oben.
Die Träger sozialer Dienste werden außerdem tendenzielle zunehmend privatisiert - man denke an TTIP - wodurch es sich jetzt schon abzeichnet, dass auch hier die Rolle des Profits wächst.
Allgemein ist es so, dass auch der reproduktive Bereich (Hausarbeit, Erziehung, Ausbildung) indirekt sehr wohl Profit bringt und notwendig ist als Voraussetzung für die direkt produktiven Sektoren. Alles, was nötig ist, um Profitproduktion zu betreiben, ist Teil der Profitproduktion.
Dass die Unternehmen und Betreiber von Erziehungsanstalten tendenziell auch dann die Lohnkosten senken wollen, wenn der Betreiber z.B. der Staat selber ist, zeigt den Zusammenhang zwischen Austerität und Profit auf. Das ist ja gerade das Thema bei der Schuldenkrise Griechenlands und der geringen Produktivität seiner Volkswirtschaft.
Telliamed hat folgendes geschrieben: | Allerdings sind die Menschen mehr als zuvor auf öffentliche Dienstweisungen angewiesen, ihre berechtigten Interessen können nicht einfach vom Tisch gewischt werden. Du forderst Ausdehnung und Verhärtung der Streiks, ich bei unverhältnismässigen Dimensionen ein Nachdenken über die Formen der Auseinandersetzungen und eine Kultur der Schlichtung.
Die Folgen werden sowieso wieder auf die Masse der Bevölkerung abgewälzt (Fahrpreise), an den Zuständen dürfte sich wenig ändern. |
Lohnkosten machen meist nur einen geringen Teil der betrieblichen Kosten aus und erklären Preiserhöhungen nicht wirklich. Aber durch deutliche Lohnerhöhungen steigt die Kaufkraft im Normalfall (keine galoppierende Inflation) kaufkraftbereinigt an, so wie auch in langen Phasen der BRD und anderer Industrieländer empirisch der Fall.
Deswegen sind Lohnkämpfe wichtig. Aber sie haben auch eine nachhaltig politisierende Funktion, je umfassender und über die enge Region und Branche hinaus gehend, was ich als noch wichtiger ansehe.
Man braucht den Klassenkampf gar nicht voluntaristisch zu fordern. Es gibt ihn ohnehin. Und Streik ist nur eine Ausdruck davon als ökonomischer Klassenkampf. Es gibt auch ideologische und politische Äußerungsformen des Klassenantagonismus. Aber eine Erfindung oder Idee ist das nicht ...-
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K.I.Z - Frieden
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
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(#2008096) Verfasst am: 27.06.2015, 17:39 Titel: |
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Er_Win hat folgendes geschrieben: | Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Aber ich stimme dir zu, seit Jahrhunderten schon ist es für die Lohnabhängigen eine nicht endende Sysiphos-Arbeit, sich immer wieder erneut ihren Lohn gegen den Widerstand der Unternehmen erkämpfen zu müssen - eine völlig irrationale Situation. Dies liegt aber an der Struktur der Ökonomie, an der Lohnarbeit an sich. |
sicher ist es ein strukturelles Problem, aber der vermeintlich nötige beständige (Klassen-)Kampf, den du ja befürwortest, zementiert die Systemstruktur doch genauso, wie die pöhsen profitgierigen Kapitalisten. Intelligent und kreativ ist das nicht...
Ich kann dir da - weil das leicht verdaulich und unterhaltsam ist - einen VT-Krimi von Wolfgang Schorlau empfehlen: Die blaue Liste
der Hintergrund ist die angeblich versuchte Übertragung des Modells des österr. GWM durch den ermordeten ehem. Treuhandchef Rohwedder auf die Sanierung von Betrieben im Zuge der Wiedervereinigung. Auch wenn's "nur" ein Roman ist - eine sehr kreative Idee ...
Infos zum Hintergrund des Romans |
Habe ich mit Interesse quergelesen. Antwort heute oder morgen.
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K.I.Z - Frieden
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Desperadox Nischenprodukt
Anmeldungsdatum: 18.01.2012 Beiträge: 2246
Wohnort: Hamburg
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(#2008100) Verfasst am: 27.06.2015, 18:30 Titel: |
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Wenn am Mittwoch wg. Streik keine Post ausgetragen wird, müssen meine Kinder und ich hungern.Und in der gleichen Situation sind viele.
_________________ SUUM CUIQUE
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vrolijke Bekennender Pantheist

Anmeldungsdatum: 15.03.2007 Beiträge: 46732
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(#2008111) Verfasst am: 27.06.2015, 19:14 Titel: |
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Desperadox hat folgendes geschrieben: | Wenn am Mittwoch wg. Streik keine Post ausgetragen wird, müssen meine Kinder und ich hungern.Und in der gleichen Situation sind viele. |
Kommt Dein Essen mit der Post?
_________________ Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm
Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.
Grenzen geben einem die Illusion, das Böse kommt von draußen
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#2008121) Verfasst am: 27.06.2015, 19:47 Titel: |
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Es gibt nicht wenige, die kein Konto haben, und auf einen Postscheck vom Jobcenter angewiesen sind.
_________________ Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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tillich (epigonal) hat Spaß
Anmeldungsdatum: 12.04.2006 Beiträge: 22262
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(#2008123) Verfasst am: 27.06.2015, 20:06 Titel: |
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Ich sehe wohl ein, dass das alles für die "Unbeteiligten" sehr unbequem bis wirklich stark einschränkend ist. Allerdings haben es diese "Unbeteiligten" u.a. durch ihre Wahlentscheidungen etc. mehrheitlich ermöglicht (deswegen die Anführungszeichen), dass diese Bereiche der Daseinsvorsorge privatisiert wurden - zunehmende Streiks sind davon nur die logische Folge.
_________________ "YOU HAVE TO START OUT LEARNING TO BELIEVE THE LITTLE LIES." -- "So we can believe the big ones?" -- "YES."
(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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Desperadox Nischenprodukt
Anmeldungsdatum: 18.01.2012 Beiträge: 2246
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(#2008125) Verfasst am: 27.06.2015, 20:43 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: | Es gibt nicht wenige, die kein Konto haben, und auf einen Postscheck vom Jobcenter angewiesen sind. | Genau das ist der Grund.
_________________ SUUM CUIQUE
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Desperadox Nischenprodukt
Anmeldungsdatum: 18.01.2012 Beiträge: 2246
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(#2008126) Verfasst am: 27.06.2015, 20:47 Titel: |
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tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Ich sehe wohl ein, dass das alles für die "Unbeteiligten" sehr unbequem bis wirklich stark einschränkend ist. Allerdings haben es diese "Unbeteiligten" u.a. durch ihre Wahlentscheidungen etc. mehrheitlich ermöglicht (deswegen die Anführungszeichen), dass diese Bereiche der Daseinsvorsorge privatisiert wurden - zunehmende Streiks sind davon nur die logische Folge. | Grade die, die am meisten eingeschränkt sind (Nix zu Essen ist `ne ziemliche Einschränkung) sind bestimmt nicht die, die für mehr Privatisierung gestimmt haben.
_________________ SUUM CUIQUE
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tillich (epigonal) hat Spaß
Anmeldungsdatum: 12.04.2006 Beiträge: 22262
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(#2008141) Verfasst am: 27.06.2015, 22:24 Titel: |
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Desperadox hat folgendes geschrieben: | tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Ich sehe wohl ein, dass das alles für die "Unbeteiligten" sehr unbequem bis wirklich stark einschränkend ist. Allerdings haben es diese "Unbeteiligten" u.a. durch ihre Wahlentscheidungen etc. mehrheitlich ermöglicht (deswegen die Anführungszeichen), dass diese Bereiche der Daseinsvorsorge privatisiert wurden - zunehmende Streiks sind davon nur die logische Folge. | Grade die, die am meisten eingeschränkt sind (Nix zu Essen ist `ne ziemliche Einschränkung) sind bestimmt nicht die, die für mehr Privatisierung gestimmt haben. |
Das ist sicher richtig (auch wenn auch aus solchen Gruppen noch erstaunlich viele dafür verantwortliche Parteien wählen oder gewählt haben); insofern nehme ich das teilweise zurück. Aber das ändert nichts daran, dass Streiks einfach die logische Folge der Privatisierungspolitik sind und es deswegen mE verfehlt ist, ausgerechnet von den Betroffenen dieser Politik "Solidarität" in der Weise zu fordern, dass sie auf Streiks verzichten sollten. Im Gegenteil sind Arbeitskämpfe gegen solche Politik (wie eben die Auslagerung von Tätigkeiten bei der Post in Billiglohn-Tochtergesellschaften, während der Konzern gute Gewinne macht) mE Teil eines sinnvollen Kampfes für gute Löhne und Arbeitnehmerrechte, der letztlich alle Arbeitnehmern und indirekt auch Arbeitslosen zu Gute kommt.
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(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#2008142) Verfasst am: 27.06.2015, 22:31 Titel: |
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Desperadox hat folgendes geschrieben: | tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Ich sehe wohl ein, dass das alles für die "Unbeteiligten" sehr unbequem bis wirklich stark einschränkend ist. Allerdings haben es diese "Unbeteiligten" u.a. durch ihre Wahlentscheidungen etc. mehrheitlich ermöglicht (deswegen die Anführungszeichen), dass diese Bereiche der Daseinsvorsorge privatisiert wurden - zunehmende Streiks sind davon nur die logische Folge. | Grade die, die am meisten eingeschränkt sind (Nix zu Essen ist `ne ziemliche Einschränkung) sind bestimmt nicht die, die für mehr Privatisierung gestimmt haben. |
Seit der Privatisierung der Postbank ist das Recht auf ein Konto für jeden entfallen, wie ich las.
Das hat natürlich mit dem Poststreik nichts zu tun, zumal dieser sich ja auch gegen solche und ähnliche Tendenzen richtet.
Aber das eigentliche Problem ist neben der knallharten Neoliberalisierung der Wirtschaft halt die deutsche Sozialpolitik, die hinter Bismarck zurück zu fallen droht.
(Der Widerstand der Griechen soll hier als ein Anachronismus dargestellt werden, dabei ist es genau umgekehrt. Anachronistisch sind Austerität, Privatisierung und Lohn-/Sozialabbau.)
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K.I.Z - Frieden
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Misterfritz mini - mal
Anmeldungsdatum: 09.03.2006 Beiträge: 21867
Wohnort: badisch sibirien
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(#2008146) Verfasst am: 27.06.2015, 22:55 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Desperadox hat folgendes geschrieben: | tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Ich sehe wohl ein, dass das alles für die "Unbeteiligten" sehr unbequem bis wirklich stark einschränkend ist. Allerdings haben es diese "Unbeteiligten" u.a. durch ihre Wahlentscheidungen etc. mehrheitlich ermöglicht (deswegen die Anführungszeichen), dass diese Bereiche der Daseinsvorsorge privatisiert wurden - zunehmende Streiks sind davon nur die logische Folge. | Grade die, die am meisten eingeschränkt sind (Nix zu Essen ist `ne ziemliche Einschränkung) sind bestimmt nicht die, die für mehr Privatisierung gestimmt haben. |
Seit der Privatisierung der Postbank ist das Recht auf ein Konto für jeden entfallen, wie ich las. |
wenn du das gelesen hast, wirst du sicherlich auch gelesen haben, dass die sparkassen mittlerweile JEDEM ein konto eröffnen müssen.
_________________ I'm tapping in the dusternis
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unquest auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 10.10.2010 Beiträge: 3326
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(#2008149) Verfasst am: 27.06.2015, 23:01 Titel: |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Desperadox hat folgendes geschrieben: | Wenn am Mittwoch wg. Streik keine Post ausgetragen wird, müssen meine Kinder und ich hungern.Und in der gleichen Situation sind viele. |
Hungern?
Ich bin jetzt gerade am Rätseln ...- |
Wenn es derart existenziell wird, fordere ich die Regierung auf in Streiksituationen vom Sozialismus zu lernen.
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
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