Sokrateer souverän
Anmeldungsdatum: 05.09.2003 Beiträge: 11649
Wohnort: Wien
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(#748448) Verfasst am: 17.06.2007, 11:29 Titel: Die Araber - Geschichte eines Feindbildes |
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Die Araber - Geschichte eines Feindbildes [Teil1]
Die Araber - Geschichte eines Feindbildes [Teil2]
Das ist wieder mal eine typisch tendenziöse Dokumentation von 3sat.
Zu Beginn wird erklärt, dass die Araber als solche ja überhaupt nicht existieren würden, denn die Araber seien in Wahrheit multiethnisch und ein Araber könne Christ, Jude, oder Atheist sein. Das stimmt natürlich. (In welchem Volk gibt es eigentlich keine Atheisten) Die Dokumentation selbst bezeichnet die Araber aber im Anschluss sehr wohl gerne als Kollektiv. Z.b., dass "die Araber" die Gründung eines nichtislamischen Staates als Kränkung betrachteten. Nanu, warum sollte sie das stören, wo sie doch so multiethnisch und multireligiös sind?
Weiters wird immer wieder der Westen als Verantwortlicher angeprangert, wenn "Araber auf Araber" schossen. Nun, wenn die Araber so heterogen sind, was ist dann so unnatürlich daran, dass sie auch mal aufeinander schießen?
Beim Westen wird freilich niemals differenziert. Es ist "der Westen", der Arabien kolonisierte und es ist "der Westen", der im Irak angriff. Was das mit Österreich, Deutschland oder Schweden zu tun haben soll, sehe ich nicht ein. Aber "der Westen" ist in dieser Doku ein einheitliches Kollektiv.
Dem Westen wird zu Recht der Kolonialismus angekreidet, auch wenn das eigentlich nur Frankreich und GB betrifft und der algerische Befreiungskampf wird als positive Sache dargestellt. Gleichzeitig wird dem Westen aber auch die Unterstützung des Befreiungskampfes gegen die Sowjetunion angelastet. Genauso wird ihm die Duldung der Machtübernahme der Taliban 1996 angekreidet. (Duldung? Anerkannt wurden die Taliban nur von drei islamischen Ländern.) Genauso wird ihm der Versuch vorgeworfen, diese Länder nun gewaltsam demokratisieren zu wollen.
Fazit: Egal, wie der Westen handelt, es ist immer falsch.
Überhaupt war in Arabien vor dem 20. Jhdt alles friedlich und wunderbar. Nur der Westen und seine Ideologien (Kommunismus, Kapitalismus, Nationalismus) waren dann im 20. Jhdt. an allem Unheil schuld. Sind wir etwa dafür verantwortlich, wenn die Araber westliche Schnappsideen übernehmen? Und inwiefern ist der Kommunismus westlich? Im fraglichen Zeitraum wurde der schließlich vom Osten vorangetrieben. Kritik an den Einmischungen der Sowjetunion bleibt in dieser Dokumentation völlig aus.
Die Araber wurden weiters vom Westen (=GB, FR) betrogen, als sie nach dem Befreiungskampf den Revolutionsführer Faisal zum König machten. Nun, bedeutet das nicht auch, dass sie auch von ihrem eigenen Revolutionsführer betrogen wurden?
1967 wollte Nasser lediglich hoch pokern und eine Drohkulisse aufbauen. Angegriffen haben die bösen Juden und dann die Araber geschlagen. Tja, Bush hat ja anfänglich auch behauptet, der Truppenaufmarsch rund um den Irak sei lediglich eine Drohkulisse.
Im Jom-Kippur-Krieg wurde zwar zugegeben, dass Nasser angriff, allerdings wollte er Israel angeblich nicht besiegen, sondern ja nur als Druckmittel besetzen. (Wie soll das eigentlich funktionieren, ein Land zu besetzen, ohne es vorher zu besiegen?) Seine Ankündigung, die Juden ins Meer werfen zu wollen, bleibt freilich unerwähnt.
In der Ölkrise stoppten die Araber dann die Öllieferungen, um die Europäer auf die Abhängigkeit vom Öl aufmerksam zu machen. Der Ölboykott wird hier quasi als Konsumkritik dargestellt.
Dass an den Boykott konkrete politische Forderungen geknüpft waren, bleibt unerwähnt. Außerdem wurde nicht erwähnt, dass von einem Stopp der Lieferungen durch die Araber keine Rede sein kann. Nur SA und Kuwait drosselten die Lieferungen ein wenig. Und das hielten sie nur ein paar Monate durch. Offenbar wurden sie selbst darauf aufmerksam, dass sie genauso von unserem Geld und unseren Gütern abhängig sind.
Weitere Aussagen: "bis heute tut sich der Westen schwer zwischen Islam als Religion und Islamismus als politischer Ideologie zu unterscheiden."
"Scharons Besuch auf dem Tempelberg löst die Intifada aus" (hat Scharon eigentlich als erster mit Steinen geworfen?)
Beim ersten Golfkrieg wird zwar erwähnt, dass Saddam Kuwait überfallen hat. Aber eine viel größere Rolle nimmt die erfundene Aussage der kuwaitischen Krankenschwester ein, die übrigens selbst Araberin war. (Ich glaube sie war mit dem kuwaitischen Botschafter verwandt)
Wenn der Westen Kuwait nicht von Saddam befreit hätte, dann hätte der selbe Dokumentarfilmer dem Westen sicherlich vorgeworfen, den Überfall geduldet zu haben.
Die Dokumentation endet mit der rhetorischen Frage, wer den Kampf der Kulturen nun erklärt hätte. Die Araber oder der Westen? Zuseher, die mit sachlichen und ausgewogenen Informationen nicht vorbelastet sind, können hier eigentlich nur zu einem Schluss kommen: Der Westen ist an allem schuld.
Wenn diese wirre Dokumentation eines zeigt, dann vor allem das dumpfe und undifferenzierte Feindbild "der Westen" bei 3sat.
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ateyim registrierter User
Anmeldungsdatum: 21.05.2007 Beiträge: 3656
Wohnort: Istanbul
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(#748648) Verfasst am: 17.06.2007, 19:55 Titel: Re: Die Araber - Geschichte eines Feindbildes |
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Wenn das die Kreise in der Türkei lesen sollten, die immer noch nostalgisch dem Osmanischen Reich nachtrauern....
ich höre schon ein: "seht ihr, als wir die Araber verwalteten, war die Welt in Ordnung"
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