Malcolm Ekelpaket
Anmeldungsdatum: 25.07.2007 Beiträge: 1231
Wohnort: Hamburg
|
(#1077419) Verfasst am: 31.08.2008, 02:44 Titel: |
|
|
Nun ja, immerhin war auch mal ein Meister Eckhardt katholischer Mystiker und wird, obwohl viele Jahrhunderte alt, immer noch gelesen. Der hatte noch Niveau. Aber ich fürchte, daß es mit den Kirchen immer mehr bergab geht, kein kluger Mensch mag sich da noch aufhalten, ein gewisser Bodensatz bleibt. Ich müßte mal wieder Meister Eckhardt lesen. Der hatte ja übrigens mit der katholischen Amtskirche im späten Mittelalter die größten Probleme.
Ich selber - Exkatholik - habe es in diesem Irrenhaus irgendwann einfach nicht mehr ausgehalten. Obwohl es sicher immer noch eine Menge halbwegs normal gebliebener Katholiken gibt.
Insgesamt finde ich die Tendenz zu Aberglauben und Esoterik in dieser Gesellschaft besorgniserregend. Gut, alleine ein Wort wie "Aberglauben" sollte einem natürlich suspekt sein, denn ist nicht das Christentum auch Aberglauben? Gut gut. Aber ich denke, daß in einer sehr rationalen Gesellschaft auch das Christentum sich halbwegs rational gebärden wird, in einer Gesellschaft, in der alles und jedes geglaubt wird - man sehe sich nur einmal Esoteriksendungen im Fernsehen an - wird auch das Christentum auf die Esoterikwelle drauf satteln und dann ihre eigene Esoterik entwickeln, ihren eigenen Aberglauben, von dem sie eine lange Tradition hat, um nur ja auf dieser Welle mitzuschwimmen.
Daß die katholische Kirche jetzt etwa den Exorzismus wieder ausgräbt, der vielleicht nie tot war, aber doch lange keine so große Rolle mehr gespielt hat, gehört zu den Dingen, die ich besorgniserregend empfinde. Ich könnte natürlich sagen: Ich bin Atheist, was geht mich das alles noch an. Aber es geht mich an, gerade weil man ja aus der katholischen Kirche kommt und sich für sie alberner Weise wie ein Phantomschmerz immer noch irgendwie verantwortlich fühlt.
Dabei bin ich an sich durchaus religionsfreundlich. An der stillen Andacht, dem Gebet, der Versenkung, dem Ruhe finden in Gott, kann ich gar nichts schlimmes finden, auch wenn ich es nicht zu teilen vermag. Aber leider bleibt es nicht dabei.
Meine Eltern aber sind gute Katholiken und ich habe seit langem nichts mehr unternommen, sie vom Christentum wegzubekommen. Es geht ihnen aber recht gut dabei, zumal sie da ganz in ihrem ganz persönlichen Katholizismus leben. Meine Eltern sind nicht gegen Abtreibung, finden Homoehen toll, können an der Pornographie nichts schlechtes finden, sowenig wie an Pille und Kondom, finden den heiligen Paulus zum Kotzen, glauben gelegentlich auch mal nicht mehr an Gott. Ihr Glaube hat mit der Amtskirche eigentlich gar nichts mehr zu tun. Ein Tischgebet gibt es immer noch, aber die Amtskirche und ihre höchsten Würdenträgern und Kardinäle bezeichnet mein Vater als "Pisser". Also ich hatte mit dem Katholizismus meiner Eltern eigentlich nie ein großes Problem, am meisten natürlich in meinen jungen Jahren und ich denke eine solche Erfahrung machen eben auch viele Menschen, auch wenn nicht allen Katholiken die Amtskirche so völlig wurscht ist wie meinen Eltern. Aber bei all ihrer Distanz zur katholischen Amtskirche sind sie sehr praktizierende Katholiken, gehen sehr oft in die Kirche, singen im Kirchenchor.
Ich finde solche durchgeknallten "Mystik" Magazine natürlich schlimm. Ich denke aber auch, daß das nicht der wahre Glaube ist. Der wahre Glaube ist für mich die Einkehr in der Religiösität, aber ansonsten, darüber hinaus, die selbständige und unbevormundete Auseinandersetzung mit der Welt, zu der man seine eigene Meinung hat, die von keiner Amtskirche vorgeschrieben wird. So habe ich es jedenfalls erlebt. Gut, das mit dem "wahren Glauben" ist äußerst angreifbar, ich habe es auch in diesem "Leitfaden für Missionare" gelesen, daß dergleichen tunlichst zu unterlassen ist. Nennen wir es also lieber nicht den "wahren Glauben", sondern einfach den Glauben, der auch existiert und mit dem ich keine Probleme habe. Und den ich im Verhältnis zu einem anderen, bevormundeten, fanatischen gefördert wissen will.
Und man kann in katholischen Zeitungen wie dem Rheinischen Merkur, den ich ein zeitlang gerne gelesen habe, völlig kluge und völlig nüchterne Analysen finden. Man kann die "Islamische Zeitung" im Internet lesen, sie erscheint auch als Printmedium, und dort Artikel lesen und einen Journalismus finden, den man durchaus erfreulich finden wird, auch wenn man den Islam vielleicht ablehnt. Und jenseits dessen gibt es vielleicht noch den Kirchenboten und ähnliches, was sich mehr an die Masse der Gläubigen richtet und was ich nie als so dramatisch empfunden habe, aber auch nicht weiß, was da im moment erscheint.
Insofern repräsentieren für mich Magazine wie dieses katholische "Mystik"-Magazin einen Bodensatz der Religion, den man besorgniserregend finden mag, wie man aber auch vieles, was nichtchristlich ist, esoterische Sekten etwa, besorgniserregend finden mag, was aber für mich nicht den Katholizismus oder das Christentum als solches repräsentiert, allerdings sicherlich auch nicht völlig von ihm zu trennen ist.
Gruß Martin
|
|