PsychPhil registrierter User
Anmeldungsdatum: 06.11.2007 Beiträge: 107
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(#854567) Verfasst am: 07.11.2007, 00:26 Titel: Der Antichrist im Karnevalskostüm |
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Die folgende Bemerkung stammt aus dem Jahre 2005, da sie aber bestimmte zentrale Aspekte der katholischen Dogmatik zum Thema hat, halte ich es für angemessen, sie hier zu veröffentlichen. - V.B.
Der Antichrist im Karnevalskostüm
Die Vorgänge, die sich während des öffentlich inszenierten Siechtums Karol Woytilas und um den neuen Papst Karl Josef Ratzinger abgespielt haben, offenbaren einige sehr ernüchternde Erkenntnisse über die geistige Verfassung unsrer Zeit. Soweit muß die Diagnose gehen, denn betroffen sind ja nicht nur Katholiken oder Christen ganz allgemein, nein, auch die gesamte, weitestgehend unkritische Berichterstattung und Darstellung der o.g. Szenarien in den Medien, inklusive der zu beobachtenden Haltung der Konsumenten, läßt nur ungute Schlußfolgerungen zu.
In meiner Bemerkung soll es aber weniger um die Hauptpersonen dieses Schauspieles gehen, denn die Grundproblematik liegt weit tiefer und soll anhand zweier konkreter Beispiele aus der katholischen Glaubenslehre angedeutet werden.
Die eigentliche Grundlage der heutigen Form der Hauptströmung des Katholizismus ist ja nicht das vermeintliche Vorbild des Jesus von Nazareth, sondern seit dem Jahre 1993 der Weltkatechismus der Römischen Kirche. Dieses, unter der Federführung des jetzigen Papstes Ratzinger entstandene Bollwerk gegen jede bessere Einsicht, welche die Vernunft eigentlich über 200 Jahre nach der Zeit der Aufklärung gebieten sollte und müßte, liefert genügend Beispiele, um zu zeigen, wie es um die geistige Verfassung der Kirchenhierarchen und ihren Anhängern steht. Einleitend sei noch angemerkt, daß ich als Nichtkatholik und Nichtchrist genau das den vermutlich allermeisten Katholiken voraus habe, denn ich habe dieses Buch allen meinen inneren Widerständen zum Trotz genauestens gelesen.
Zudem sei angemerkt, daß bei auch nur einigermaßen kritischer Zurkenntnisnahme des im Weltkatechismus zusammengetragenen geistigen Unrates, eines sofort klar wird: Was die Römische (Amts-)Kirche am meisten fürchtet, sind nicht der so oft angeprangerte Glaubensverlust in unserer Gesellschaft, oder etwa die Stellung der mündigen und selbstbestimmten Frau in der Gesellschaft und ihren Institutionen, noch nicht einmal die mögliche Existenz des Teufels persönlich – nein, was die katholische Kirche am meisten fürchtet, ist die direkte Konfrontation mit der Wahrheit: Die Wahrheit über uns Menschen und über die Gesamtheit der Welt. Es ist kaum zu glauben, daß das, was im Weltkatechismus im Status des vermeintlichen Alleinbesitzes der Wahrheit, gegen jede Form der objektiven Wahrheit vorgebracht wird, immer noch bei so vielen Gläubigen so großen Anklang findet. Sollte aber nicht schon der Alleinanspruch auf absolute Wahrheit nur einer Religionsgemeinschaft größtes Mißtrauen bei den Gläubigen erwecken?
Von den viele Punkten, die im Weltkatechismus der Römischen Kirche einer näheren Überprüfung und Diskussion nicht standhalten können, seien hier nur zwei der mir wichtigsten herausgegriffen. Ich halte es deshalb so, weil es um das Auslöschen von Menschenleben geht, und diesbezügliche Problemstellungen immer unendlich viel wichtiger sind, als z.B. Debatten über die kirchliche Dogmatik inklusive der daraus abgeleiteten Moraltheologie, oder dem falschen Menschenbild, das der Moraltheologie und auch der kirchlichen Soziallehre zugrunde liegt.
Als erstes, sehr ernstes Problem, geht es mir um die Todesstrafe. Was vielen katholischen Christen offenbar gar nicht so recht klar ist, ist die Tatsache, daß im Weltkatechismus die Todesstrafe in bestimmten Fällen eindeutig als erlaubt, bzw. gar als Ausdruck göttlichen Willens hingestellt wird. Wie sich das Bekenntnis zur Todesstrafe allerdings mit dem Gebot „Du sollst nicht töten“ und der von Jesus eingeforderten Nächsten- und Feindesliebe in Übereinstimmung bringen lassen soll, scheint für die allermeisten Kirchenhierarchen, bis hinauf zum Papst, kein Problem darzustellen. Deutlicher kann der eklatante Unterschied der Kirche in ihrem Fundamentalprogramm gegen das vermeintliche Vorbild des Gottessohnes aber nicht ausfallen. Gewiß, offiziell soll auch laut Kirchenmeinung einzig Gott das Recht oder die Macht haben, endgültig über Menschen zu richten, wie aber verträgt sich diese Ansicht mit der moralischen Rechtfertigung der von allzuweltlichen Gerichten ausgesprochenen Todesstrafe?
Als zweiten Punkt möchte ich anführen, daß im Weltkatechismus der Römischen Kirche die Lehre vom „gerechten Krieg“ immer noch aufrecht erhalten und verteidigt wird. Die Diskussion um die eventuelle Notwendigkeit von kriegerischen Maßnahmen, etwa zur Verteidigung im Falle eines Angriffs, oder zur Bekämpfung von Terrorherrschaften, will ich hier nicht aufwerfen, zumal es keine letztendgültige Antwort auf dieses menschliche Grundproblem gibt, aber wieder muß gefragt werden, wie sich die heutige Kirchenmeinung zum Thema Krieg mit der Friedensbotschaft des Messias aus Israel veträgt. Diesbezüglich muß als Zusatzinformation noch hinzugefügt werden, daß es zu den offiziellen Kapitalanlagestratigen der Römischen Kirche gehört, daß rund 20 % ihres weltweit eingesetzten Investitionsvolumens für Investitionen in der Rüstungsindustrie verwendet werden. Wie ernst kann man die alljährlich pünktlich zu Ostern und Weihnachten verkündeten päpstlichen Friedensbotschaften eigentlich nehmen, wenn die Waffen, mit denen Kriege geführt werden, von Rüstungskonzernen stammen, in welche die Kirche beträchtliche Summen investiert, um Gewinne zu erwirtschaften?
Solange die Römische Kirche die Auffassung vertritt und verkündet, daß Todesstrafe und Krieg zur Lösung bestimmter Konflikte geeignete und gerechtfertigte Mittel darstellen, so nimmt sie sich damit automatisch selber jegliches Recht, sich als Stellvertreterin Gottes auf Erden und Alleinverkündigerin göttlicher und in Jesus Christus der Welt geoffenbarter Wahrheit zu präsentieren. Mindestens müßte man kirchlicherseits so mutig sein und zugeben, daß das jesuanische Vorbild mit seinen Idealvorstellungen den konkreten Gefährdungen der Weltwirklichkeit nicht standhält. Damit würde die Kirche natürlich automatisch ihr christliches Fundament verlieren, aber sie wäre wenigstens zum ersten Mal in ihrer Geschichte aufrichtig und konsequent.
Als Nebenbemerkung ist es abgesehen davon immer wieder erschreckend und erstaunlich zugleich: Wenn es etwa darum geht, eine einzelne Frau in einer womöglich zutiefst tragischen Lebenssituation als Mörderin zu diffamieren, wenn sie eine Abtreibung in Erwägung ziehen muß, ist man katholischerseits moraltheologisch sofort dabei; geht es aber darum, ein energisches Veto gegen das zigtausendfache Töten von Menschen im Krieg zu formulieren, hat man kirchlicherseits offenbar die Hosen voll. Bis ins Detail hinein das Privatleben des Einzelnen moralisch zu reglementieren, darin ist man nach wie vor großartig, aber sich prinzipiell und ein für allemal öffentlich gegen den Krieg auszusprechen - dafür ist katholischerseits offenbar moralisch keine Grundlage zu entdecken.
Wenn nun aber der Papst als das Oberhaupt der Kirche für die im Weltkatechismus verkündeten Positionen steht, und diese Positionen den Überzeugungen des göttlichen Vorbildes in der Person des Christus in aboluter Weise entgegenstehen, müßte dann nicht das Oberhaupt dieser Kirche als der Antichrist schlechthin betrachtet werden?
Vergessen wir niemals, daß das Christentum die größte Verbrecherorganisation darstellt, welche je auf Erden ihr Unwesen getrieben haben wird: Keine Kultur, keine Gesellschaft, keine Organisation hat jemals so viel an Ungerechtigkeit, Leid, Verfolgung, Verleumdung, Folter und Tod in die Welt getragen, wie das Christentum. Die Hauptdevise des Christentums in seinem Expansions- und Missionierungswahn lautete über viele Jahrhunderte hinweg genau so: Entweder Du glaubst an unseren Gott, der der Gott der Liebe und des Friedens ist, oder wir werden Dich im Namen eben dieses Gottes Foltern oder töten.
Wie schafft man ein kritisches Bewußtsein bei den Anhägern einer Kirchenlehre, deren innere Widersprüche so offensichtlich sind, daß man eigentlich kaum darüber hinwegsehen kann? Vielleicht, indem man ihnen immer wieder mal einen Blick hinter die karnevalartige Kostümierung kirchlicher „Würdenträger“ aufnötigt. Nur darum geht es mir. Der biblischen Legende nach war Jesus in der Lage, Blindheit zu heilen - möge er doch wiederkehren, um zuallererst die Betriebsblindheit der Christen, mindestens jene der Katholiken zu heilen!! - V.B.
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