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Was ist Kritik?

 
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Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44194

Beitrag(#1081598) Verfasst am: 06.09.2008, 15:12    Titel: Was ist Kritik? Antworten mit Zitat

Anlässlich Threads mit Titeln wie "Ist man Rassist, wenn man den Islam kritisiert?", "Ist man Rassist, wenn man das Christentum kritisiert?" etc. und aufgrund der insgesamt doch recht häufigen Verwendung dieses Ausdrucks nicht nur hier im Forum dachte ich mir, dass ich einfach mal einen solchen Thread eröffne. Also: Was ist Kritik?
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Malcolm
Ekelpaket



Anmeldungsdatum: 25.07.2007
Beiträge: 1231
Wohnort: Hamburg

Beitrag(#1081676) Verfasst am: 06.09.2008, 18:10    Titel: Antworten mit Zitat

Eine wichtige Frage. Nun, Du wirst nicht erwarten, daß ich jetzt aus einem Lexikon abschreibe, wie Kritik definiert wird. Ich denke, es ist wichtig, daß man einen Gegenstand in gewissen Hinsichten kritisieren kann und auch muß. Einen wissenschaftlichen Text etwa kann ich nach "logischen Widersprüchen" abklopfen. Das ist sicher Kritik, und zwar eine durchaus berechtigte. Eine in sich nicht logische wissenschaftliche Betrachtung ist quasi wertlos. Mache ich dassselbe mit einem Gedicht und stelle fest, daß ein Gedicht nicht logisch ist und erkläre es deshalb für wertlos, so habe ich dieselben "kritischen Maßstäbe" auf einen unzureichenden Gegenstand angewendet.

Wenn ich nun Religion kritisiere - worauf Deine Frage ja sicher in erster Linie abzielte - müßte ich wohl in erster Linie erst mal klären, was Religion eigentlich ist und in welcherlei Hinsicht sie zu kritisieren ist. Genau das macht das Problem aus. Ich persönlich denke, daß Religion in keine "einfache Kategorie" hinein gehört. Nehme ich sie schlicht als "fehlerhafte wissenschaftliche Anschauung" habe ich ihren Sinn sicher verfehlt. Umgekehrt jedoch nehme ich sie als bloße "poetische Umschreibung von Welt" dann unterschlage ich völlig die Tatsache, daß an sie ja geglaubt wird.

Dazu kommt, daß Religion eben auch eine "soziale Rolle" spielt. Sie ist oft die "Weltanschauung des einfachen Menschen". Sie ist aber nicht von "einfachen Menschen" gemacht. Sie ist "nicht offen". Religiöse Texte sind in der Regelung keine "offenen Texte". Es wäre unsinnig, sie als offene Texte zu kritisieren.

Religion verfolgt auch "Ziele". Wenn man dann Religion kritisiert, muß man erst einmal heraus zu finden suchen, welche Ziele das sind. Man kann dann diese Ziele kritisieren, wenn man dann meint, das einem verständlich wäre, was diese Ziele sind. Man kann Religion aber auch dahingehend kritisieren, daß es gewisse Ziele zwar anstrebt, aber letzlich nicht erreicht. Ist das Christentum etwa eine prinzipiell religiös tolerante Religion? So kann man argumentieren, aber sollte nicht die Augen dafür verschließen, daß sie es über etliche Jahrhunderte nicht war.

Natürlich muß man bei der Religion auch den religiösen Text und die real gelebte Religion unterscheiden. Wobei man das eine nicht vom anderen trennen kann.

Insgesamt finde ich Kritik an Religion gelegentlich auch äußerst langweilig. Sich bloß an der Oberfläche religiöser Dogmatik auszutoben, ist langweilig. Umgekehrt aber gibt es auch eine "Vorsicht" durchaus nicht ungebildeter Menschen, die - ohne an sich religiös zu sein - etwas "so komplexes" wie Religion erst gar nicht auf den kritischen Prüfstand legen wollen. Das läuft dann unter dem Stichwort "Respekt".

Auf diesen Respekt möchte ich mich nicht zurückziehen, bei aller "Religionsfreundlichkeit". Wo ich zum Beispiel an der christlichen Religion Kritik anzubringen hätte, wäre an ihrer Homosexuellenfeindlichkeit, bei Paulus und im alten Testament. Ich hoffe zwar, daß es dieser Religion in irgendeiner Weise gelingt, sich zu reformieren und diese Dinge im Giftschrank verschwinden zu lassen, aber ich finde das äußerst unschön. Am "mythischen Gehalt" der Religion dagegen gibt es für mich ganz persönlich nicht viel zu kritisieren. Menschen haben sich immer über den Mythos verstanden. Das finde ich im Prinzip schön, wobei ich allerdings auch Mythen anderer Religionen diesen grundsätzlichen Respekt nicht verweigern würde. Insgesamt glaube ich, daß an der Religion so etwas wie "Schönheit" ein grundsätzlicher Aspekt ist. Mohammed spricht von so etwas wie "Euch ist das Schönste offenbart". Das ist dann für mich aber auch ein Kriterium der Religionskritik, das durchaus auch "Unschöne" auch offen zu legen. Bei wissenschaftlicher Weltbetrachtung dagegen ist "das Schöne" absolut kein Kriterium.
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I.R
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Anmeldungsdatum: 08.10.2006
Beiträge: 9142

Beitrag(#1081678) Verfasst am: 06.09.2008, 18:16    Titel: Antworten mit Zitat

Wir haben doch schon einen rk72!
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Chinasky
dirty ol' man



Anmeldungsdatum: 27.03.2006
Beiträge: 1257
Wohnort: Hoher Norden

Beitrag(#1081701) Verfasst am: 06.09.2008, 19:37    Titel: Re: Was ist Kritik? Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Also: Was ist Kritik?


Ein dickes Buch, das Kant über die reine Vernunft geschrieben hat. (Und über die praktische Vernunft auch, da müßte man mal nachmessen, welches dicker ist.)
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Anmeldungsdatum: 01.09.2006
Beiträge: 1908

Beitrag(#1081762) Verfasst am: 06.09.2008, 20:36    Titel: Re: Was ist Kritik? Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Also: Was ist Kritik?


Eine Form der Meinungsäußerung. Irgendwie wird mit Kritik immer etwas negatives verbunden, obwohl Kritik auch durchaus positiv sein kann.
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Danol
registrierter User



Anmeldungsdatum: 02.04.2007
Beiträge: 3027

Beitrag(#1081798) Verfasst am: 06.09.2008, 21:01    Titel: Antworten mit Zitat

Malcolm hat folgendes geschrieben:
Eine in sich nicht logische wissenschaftliche Betrachtung ist quasi wertlos. Mache ich dassselbe mit einem Gedicht und stelle fest, daß ein Gedicht nicht logisch ist und erkläre es deshalb für wertlos, so habe ich dieselben "kritischen Maßstäbe" auf einen unzureichenden Gegenstand angewendet.


Du hast dann beim Gedicht genau dasselbe gezeigt wie bei der wissenschaftlichen Betrachtung, nämlich das sie logisch inkonsistent ist. In beiden Fällen hast Du dasselbe nachgewiesen, nämlich das durch logische Fehlschlüsse keine Wissenschaft vorliegt, da kein Wissen geschaffen wurde. Ein Gedicht ist also keineswegs ein unzureichender Gegenstand, oder sollte man nicht feststellen können, das Gedichte kein Wissen schaffen, nur weil das nie die Intention des Autors war? Gerade das sie wissenschaftlich wertlos sind kann ja schließlich durchaus ein Kritikpunkt sein. Wertlos ist m.E. kein sinnvolles Ergebnis einer Kritik.

Um mal allgemeiner zu werden:
Bei der - zunächst mal wissenschaftlichen - Kritik geht es darum, ein vorhandenes Denksystem auf schwächen bzw. unzulänglichkeiten zu untersuchen.
Unzulänglich ist ein Denksystem z.B. wenn es logische Wiedersprüche enthält, eine schwäche hat es wenn es in Konflikt mit der Realität gerät. Ein logisch konsistentes System, z.B. in der Physik, das in Wiederspruch zur Empirik (z.B. einem Experiment) gerät, ist schwach weil es nicht das leistet wozu es da war - nämlich die Realität zu beschreiben. Damit ist man bein nächsten Punkt, den man kritisieren kann: Leistet das Denksystem, wozu es erschaffen wurde? Das Problem dabei ist dann wieder, bei sehr alten Systemen überhautp noch zu erkennen, wozu sie geschaffen wurden. Man kann natürlich auch überprüfen, ob das System seinen Zweck aus rein logischer Sicht überhaupt erfüllen kann oder ob es dazu voraussetzungen Bedarf, die nicht gegeben sind. (Dazu ist besonders der Gödelsche Unvollständigkeitssatz interessant: http://de.wikipedia.org/wiki/G%C3%B6delscher_Unvollst%C3%A4ndigkeitssatz). Man kann also zusammenfassen:

Ziele der Kritik:
  • Aufzeigen von logischen Schwächen in Denksystemen
  • Aufzeigen von falschen voraussetzungen in Denksystemen
  • Aufzeigen von nicht erfüllbaren Erwartungen an ein Denksystem
  • Aufzeigen von Wiedersprüchen zwischen Realität und Denksystem


Mittel, diese Ziele zu erreichen:
  • Nachweisen logischer inkonsistenzen im kritisierten Denksystem
  • Nachweis eines Wiederspruchs zwischen Denksystem und Empirik
  • Logischer Nachweis der unerfüllbarkeit des Anspruchs des Kritisierten Systems (das ist zwar immer erfüllt, wenn man eine Inkonsistenz gefunden hat, es gibt aber auch konsistente Systeme bei denen dieser Fall eintreten kann).


Das ist natürlich nur die rein wissenschaftliche Seite der Kritik (und es besteht kein Anspruch auf vollständigkeit der Aufzählung), man kann allerdings z.B. auch von moralischer Seite ein System kritisieren, dazu muss man allerdings erst eine Argumentationsbasis schaffen, also Moralische Grundlagen finden, die für alle beteiligten (den Kritiker und die Vertreter des kritisierten Systems) akzeptabel sind, ansonsten ist die Kritik wirkungslos. Theoretisch lässt sich auch da wieder eine Liste von Zielen und Wegen, diese zu erreichen, aufstellen, aber darum gehts hier ja nicht.
Wenn man noch Grundsätzlicher werden will kann man sagen, in der Kritik von Denksystemen (das müssen jetzt nichtmehr welche mit Anspruch auf wissenschaftlichkeit sein, sondern können auch z.B. moralische sein) kommt es darauf an, zunächst gemeinsame Denkgrundlagen zu finden (in der Wissenschaft die Logik) und von diesen ausgehend die Unvollständigkeit oder schlicht die Fehler des kritisierten Systems zu finden. Fehlen diese Grundlagen, ist Kritik von Anfang an zum scheitern verurteilt, wenn z.B. ein Kommunist einen Kapitalisten kritisiert weil dieser andere für seinen Gewinn arbeiten lässt führt das höchstens dazu, dass der Kapitalist die Bestätigung hat, innerhalb seines Denksystems richtig vorgegangen zu sein; wenn ein Kommunist einen anderen für dasselbe Verhalten kritisiert sieht die Sache anders aus, da hier eine gemeinsame Denkgrundlage existiert.

Die Wirkung einer fehlenden gemeinsamen Denkgrundlage kann man hier im Forum auch immer wieder beobachten, insbesondere bei den zahlreichen ökonomischen Diskusionen hier: Da zwischen vielen beteiligten keine gemeinsamen Denkgrundlagen existieren, führen die Diskusionen regelmäßig in Sackgassen, da die Kritik des jeweils anderen das eigene Denksystem nicht erschüttern kann, da die logischen Grundlagen auf denen man es Aufgebaut hat andere sind als die, auf denen der Kritiker seine Kritik aufbaut. Diese Sackgassse kann rein logisch nur enden, wenn einer der Beteiligten seine Denkgrundlagen ganz oder teilweise revidiert (praktisch endet sie meistens weil ein großteil der Beteiligten irgendwann einfach nichtmehr schreibt).
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Malcolm
Ekelpaket



Anmeldungsdatum: 25.07.2007
Beiträge: 1231
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Beitrag(#1081960) Verfasst am: 06.09.2008, 23:13    Titel: Antworten mit Zitat

Danol hat folgendes geschrieben:
Malcolm hat folgendes geschrieben:
Eine in sich nicht logische wissenschaftliche Betrachtung ist quasi wertlos. Mache ich dassselbe mit einem Gedicht und stelle fest, daß ein Gedicht nicht logisch ist und erkläre es deshalb für wertlos, so habe ich dieselben "kritischen Maßstäbe" auf einen unzureichenden Gegenstand angewendet.


Du hast dann beim Gedicht genau dasselbe gezeigt wie bei der wissenschaftlichen Betrachtung, nämlich das sie logisch inkonsistent ist. In beiden Fällen hast Du dasselbe nachgewiesen, nämlich das durch logische Fehlschlüsse keine Wissenschaft vorliegt, da kein Wissen geschaffen wurde. Ein Gedicht ist also keineswegs ein unzureichender Gegenstand, oder sollte man nicht feststellen können, das Gedichte kein Wissen schaffen, nur weil das nie die Intention des Autors war? Gerade das sie wissenschaftlich wertlos sind kann ja schließlich durchaus ein Kritikpunkt sein. Wertlos ist m.E. kein sinnvolles Ergebnis einer Kritik.



Ehrlich gesagt verstehe ich Dich nicht, oder wir reden einfach aneinander vorbei. Ich glaube, daß ich das Gedicht einen "unzureichenden" Gegenstand genannt habe, war von meiner Seite aus einfach nur ein Formulierungsfehler. "Unpassend" wäre besser gewesen. Gedichte wie Wissenschaften kritisieren zu wollen ist "unpassend", da sie Wissenschaftlichkeit gar nicht für sich in Anspruch nehmen.

Im folgenden redest Du viel über die "Kritisierbarkeit von Denksystemen". Das mag alles sehr verdienstvoll sein und verdient meine volle Bewunderung. Nur ist die Religion ein "Denksystem"? Das ist eben die Frage.

Du bewegst Dich in der ganzen Diskussion ausschließlich auf der Ebene rationaler Systeme, die innerhalb eines solchen Konzeptes von Rationalität kritisierbar sein müssen. Das mag alles wiegesagt sehr verdienstvoll sein, nur trifft es wirklich die eigentlich viel brennenderen Fragen der Kritik oder Nichtkritik an durchaus irrationalen Systemen? Auch "politische Kritik", sofern Politik mehr ist als das bloße Hineinreichen von weltanschaulichen Problemen in die politische Ebene, hat mit einer bloßen Kritik an rationalen Systemen rein gar nichts zu tun. Ich kann etwas, was ein Politiker sagt, für in der Sache völlig falsch halten, aber trotzdem sein "politisches Geschick" bewundern, oder es sogar für "politisch richtig" halten, im Sinne eines richtigen Anzielens politischer Ziele mit argumentativ durchaus fragwürdigen Mitteln.

Und Religion ist sehr vieles, hat sehr viele Facetten, eine der wichtigesten Facetten von Religion ist aber zweifellos die politische. Man kann etwa die "Geschicklichkeit", mit der ein gewisser Herr Mohammed die religiösen Sehnsüchte seiner Muslime bedient, sehr bewundern. Mit dem Begriff der Geschicklichkeit stehen wir jedoch vollkommen außerhalb der Wahrheitsfrage. Aber sicher nicht außerhalb jeder Kritik. Wenn ich etwas ungeschickt finde, habe ich es durchaus kritisiert ohne dabei doch bei irgendeiner Wahrheit zu sein. Und ich kann "Geschicklichkeit" eben auch bezüglich der Geschicklichkeit in Hinsicht einer Erreichung gewisser Ziele definieren. Diese Ziele kann ich dann teilen oder auch nicht teilen.

Zitat:
Das ist natürlich nur die rein wissenschaftliche Seite der Kritik (und es besteht kein Anspruch auf vollständigkeit der Aufzählung), man kann allerdings z.B. auch von moralischer Seite ein System kritisieren, dazu muss man allerdings erst eine Argumentationsbasis schaffen, also Moralische Grundlagen finden, die für alle beteiligten (den Kritiker und die Vertreter des kritisierten Systems) akzeptabel sind, ansonsten ist die Kritik wirkungslos.



Damit stimme ich absolut überein, nur daß ich eben ganz stark bezweifle, daß sich solche "gemeinsamen moralischen Grundlagen" schaffen lassen. Ich halte sie ehrlich gesagt für absolute Illusion. Eine moralische Betrachtung der Religion etwa, ist zweifellos interessanter als eine formallogische, führt aber letztenendes zu gar nichts. Man wird sich da nie einig werden. Der entscheidende Kritikpunkt, den ich an einer gewissen Ausprägung von Religionskritik allerdings habe, ist, daß er "die Wahrheit" so hoch hängt, daß er die "wissenschaftliche Kritik" mit der "moralischen" schon gleich verwechselt. Etwas ist nicht wahr ( wie die Religion), also ist Religion auch schon moralisch zu verurteilen. Das Komische an der ganzen Angelegenheit ist, daß sich dergleichen atheistische "Wahrheitsmoralität" mit der christlichen völlig deckt. Atheist und Christ mögen sich völlig fremd gegenüber stehen, aber in der Ablehnung der Lüge sind sie sich doch völlig einig. Und diese Haltung empfinde ich ehrlich gesagt sehr naiv.

Und wirkliche Kritik beginnt für mich erst jenseits dieser Naivität. Ob sich dort dann "gemeinsame moralische Grundlagen" schaffen lassen, ist sehr die Frage, allerdings wird für mich ganz persönlich die Diskussion erst da interessant, wo man nicht ein einfaches moralisches Vorurteil, das gar nicht mehr in Frage gestellt werden darf, obwohl es wirklich nicht mehr als ein bloßes Vorurteil ist, wie dieses, daß man Menschen nicht belügen darf, als Grundlage der Diskussion nimmt. Denn das jemand eine andere Moralität hat als ich, nehme ich mit Gelassenheit hin, aber daß er ein bloßes Vorurteil als unumstößliche moralische Wahrheit nimmt, die er erst gar nicht mehr begründen muß, ist eigentlich das Ende jeder Diskussion.
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Danol
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Anmeldungsdatum: 02.04.2007
Beiträge: 3027

Beitrag(#1081987) Verfasst am: 06.09.2008, 23:46    Titel: Antworten mit Zitat

Malcolm hat folgendes geschrieben:
Im folgenden redest Du viel über die "Kritisierbarkeit von Denksystemen". Das mag alles sehr verdienstvoll sein und verdient meine volle Bewunderung. Nur ist die Religion ein "Denksystem"? Das ist eben die Frage.


Religion wird gedacht, ist also ein Denksystem. Alles Menschliche Denken, das festgesetzten Regeln folgt, führt letztendlich zu einem Denksystem. Das einzige, was nicht zu einem Denksystem führt, wäre ein vollkommen regelloses Denken, das endet dann aber in der Beliebigkeit und die zu kritisieren dürfte m.E. kaum möglich sein, zumindest nicht in dem Sinne, ihr Fehler, unvollständigkeiten oder nicht tragbare Ergebnisse nachzuweisen.

Zitat:
Gedichte wie Wissenschaften kritisieren zu wollen ist "unpassend", da sie Wissenschaftlichkeit gar nicht für sich in Anspruch nehmen.


Warum genau sollte die Kritik deswegen unpassend sein? Das würde verallgemeinert bedeuten, man darf ein System nicht für etwas kritisieren, das nicht vom System beabsichtig war. Man muss also erst die Intention des kritisierten kennen, bevor man kritisieren darf? Demzufolge darf dann keine der derzeit existierenden Religionen kritisiert werden ...
Was Du eventuell meinst ist, das man hier quasi auf Strohpuppen schießt da man einem Gedicht etwas abspricht, was ihm nie jemand zusprechen wollte und damit hättest Du recht - was aber nichts daran ändert das die Kritik dennoch Inhaltlich korrekt ist.

Zitat:
Du bewegst Dich in der ganzen Diskussion ausschließlich auf der Ebene rationaler Systeme, die innerhalb eines solchen Konzeptes von Rationalität kritisierbar sein müssen. Das mag alles wiegesagt sehr verdienstvoll sein, nur trifft es wirklich die eigentlich viel brennenderen Fragen der Kritik oder Nichtkritik an durchaus irrationalen Systemen?


Nenne mir mal ein irrationales System. Oder besser, definiere erstmal was irrational sein soll. Wie kann denn ein System, das einer inneren Logik folgt, wie die Religion, irrational sein? Es kann höchstens irrational sein, sich die Aussagen des Systems zu eigen zu machen weil man erkannt hat, das sie falsch/inkonsistent/untragbar sind. Wie hat man das erkannt? Durch die Kritik! Das, was ich annehme das Du mit irrationalität meinst, erkennt man also erst nachdem man bereits kritisiert hat.

Zitat:
Ich kann etwas, was ein Politiker sagt, für in der Sache völlig falsch halten, aber trotzdem sein "politisches Geschick" bewundern, oder es sogar für "politisch richtig" halten, im Sinne eines richtigen Anzielens politischer Ziele mit argumentativ durchaus fragwürdigen Mitteln.


Ja und? Im einen Fall kritisierst Du die Sache an sich, im anderen die Methoden des Politikers, das sind 2 paar Schuhe oder, besser gesagt, es handelt sich hier um 2 'Denksysteme', die voneinander getrennt kritisiert werden können/müssen.

Zitat:
Und Religion ist sehr vieles, hat sehr viele Facetten, eine der wichtigesten Facetten von Religion ist aber zweifellos die politische. Man kann etwa die "Geschicklichkeit", mit der ein gewisser Herr Mohammed die religiösen Sehnsüchte seiner Muslime bedient, sehr bewundern. Mit dem Begriff der Geschicklichkeit stehen wir jedoch vollkommen außerhalb der Wahrheitsfrage. Aber sicher nicht außerhalb jeder Kritik. Wenn ich etwas ungeschickt finde, habe ich es durchaus kritisiert ohne dabei doch bei irgendeiner Wahrheit zu sein. Und ich kann "Geschicklichkeit" eben auch bezüglich der Geschicklichkeit in Hinsicht einer Erreichung gewisser Ziele definieren. Diese Ziele kann ich dann teilen oder auch nicht teilen.


Nein, warum auch? Und wieso sollte das nicht in mein Schema passen? Zuerst definiert man sich den Begriff 'Geschickt' in diesem Kontext, vergleicht anschließend das Handeln Mohammeds mit der Definition und kommt zu einem Ergebnis. Dieses Ergebnis kann auf grundlage der oben genannten Punkte kritisiert werden - nichts anderes passiert, wenn Du etwas als ungeschickt kritisierst. Du bemerkst, dass das 'ungeschickte' Handeln nicht mit deiner Definition von Geschickt übereinstimmst und erschließt daraus logisch, das es ungeschickt ist. Ganz ohne das man Geschick irgendeine Wahrheit zuordnen muss.

Zitat:
Damit stimme ich absolut überein, nur daß ich eben ganz stark bezweifle, daß sich solche "gemeinsamen moralischen Grundlagen" schaffen lassen.


Man muss sie nicht unbedingt schaffen und sie müssen nicht universell sein. Wenn Du jemanden kritisierst ist es nur wichtig, mit der kritisierten Person gemeinsame Grundlagen zu haben. Es geht bei der Kritik ja nicht unbedingt darum, ein neues universelles Denksystem zu schaffen sondern darum, schwächen in bisherigen aufzudecken. Wenn Du als ein Denksystem von jemand anderem kritisierst reicht es, wenn Du mit ihm quasi Grundsätze außerhalb des Systems gemeinsam hast, die müssen nicht universell sein.

Zitat:
Eine moralische Betrachtung der Religion etwa, ist zweifellos interessanter als eine formallogische, führt aber letztenendes zu gar nichts.


Doch, sie hat ja unter anderem zur Aufklärung geführt. Wenn die Moral aus der Religion folgen würde hättest Du recht, da aber eine 'kritische Masse' an religiösen und atheistischen Menschen viele Moralvorstellungen teilen, kann man Religion durchaus moralisch kritisieren. Man muss dazu nur zeigen, wo die Religion Wiedersprüche zu den sonstigen moralischen Grundsätzen des Adressaten der Kritik herstellt.
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Malcolm
Ekelpaket



Anmeldungsdatum: 25.07.2007
Beiträge: 1231
Wohnort: Hamburg

Beitrag(#1082014) Verfasst am: 07.09.2008, 00:35    Titel: Antworten mit Zitat

Danol hat folgendes geschrieben:

Nenne mir mal ein irrationales System. Oder besser, definiere erstmal was irrational sein soll. Wie kann denn ein System, das einer inneren Logik folgt, wie die Religion, irrational sein? Es kann höchstens irrational sein, sich die Aussagen des Systems zu eigen zu machen weil man erkannt hat, das sie falsch/inkonsistent/untragbar sind. Wie hat man das erkannt? Durch die Kritik!


Also Du betrachtest Religion als ein "System, das einer inneren Logik folgt". Einer äußeren also nicht? Was genau meinst Du mit "innerer Logik"? Ich kann mit dem Begriff "innerer Logik" ehrlich gesagt gar nichts anfangen. Logik ist Logik. Oder etwa nicht?

Die christliche Lehre, die religiöse Lehre überhaupt, ist zutiefst unlogisch. Die christliche in Sonderheit, die islamische hat den Vorzug, in besonderer Weise an eine Scheinvernunft appellieren zu können.

Deine Argumentation geht in besonderer Weise an den Tatsachen vorbei, da sie unterstellt, daß das christliche System in besondererer Weise Logik für sich beansprucht. Es ist aber gar nicht selten, sondern sogar ziemlich häufig, daß innerhalb christlicher "Verteidigungstrategien", die Logik christlichen Glaubens gar nicht in Anspruch genommen wird. Die christliche Lehre ist unlogisch, weil sie "jenseits aller Vernunft im Göttlichen wurzelt". Wie willst Du ein solches Konzept des Irrationalismus kritisieren? Wie willst Du mit der Tatsache umgehen, daß die Irrationalität des christlichen Glaubens von vielen Christen gar nicht bestritten wird, aber in den Bereich "höherer Vernunft" verwiesen wird?

Wenn Du diese Haltung des "Irrationalismus" kritisieren willst, kannst Du dies gar nicht auf rationaler Ebene tun. Weil das völlig ins Leere führt. Solange eine Lehre für sich selber Rationalität in Anspruch nimmst, hast Du es leicht. Wenn Du aber jemand auf Punkt und Komma nachweist, daß seine Ansicht "irrational" ist, und dieser nur "na und" sagt, dann nützt Dir Deine Rationalität gar nichts und Du müßtest erst wieder einen Weg finden, eine Argumentationsstategie, die auf dieses "na und" Bezug nimmt. Und da wird es dann sehr viel schwerer. Da "wurzelt die christliche Lehre im göttliche Sein".

Zitat:
Das, was ich annehme das Du mit irrationalität meinst, erkennt man also erst nachdem man bereits kritisiert hat.


Und genau das würde von mir bestritten. Das heißt, historisch mag es wahr sein, aber es spiegelt den Gegenwartsstand der Auseinandersetzung von Religion und Aufklärung gar nicht mehr wieder. Gerade in der Auseinandersetzung mit der Aufklärung hat sich Religion teilweise auf einen Standpunkt des Irrationalismus zurückgezogen. "irrational sein" und "Irrationalismus" sind zwei verschiedene Paar Stiefel, die Du begrifflich überhaupt nicht unterscheidest.

Übrigens ist der "Irrationalismus" für mich etwas durchaus nicht durchweg böses. Ganz und gar nicht. Ganz im Gegenteil ist der Irrationalismus eine Methode, die eine weitestgehende Anpassung an die moderne Welt ganz hervorragend ermöglicht. Es ist vielleicht sogar ganz hervorragend "rational", weil man jede Form rationaler Argumentation sogar gelten läßt, sich mit moderner Wissenschaft versöhnt usw., aber alles nur, Husserlsch gesprochen, quasi einklammert, und sich religiös auf eine Irrationalität zurückzieht, die auf einem göttlichen Sein beruht, das "menschlicher Vernunft" übergeordnet bleibt.
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Hornochse
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Beitrag(#1082022) Verfasst am: 07.09.2008, 01:29    Titel: Antworten mit Zitat

Danol hat folgendes geschrieben:
Malcolm hat folgendes geschrieben:
Eine in sich nicht logische wissenschaftliche Betrachtung ist quasi wertlos. Mache ich dassselbe mit einem Gedicht und stelle fest, daß ein Gedicht nicht logisch ist und erkläre es deshalb für wertlos, so habe ich dieselben "kritischen Maßstäbe" auf einen unzureichenden Gegenstand angewendet.


Du hast dann beim Gedicht genau dasselbe gezeigt wie bei der wissenschaftlichen Betrachtung, nämlich das sie logisch inkonsistent ist. In beiden Fällen hast Du dasselbe nachgewiesen, nämlich das durch logische Fehlschlüsse keine Wissenschaft vorliegt, da kein Wissen geschaffen wurde.


Ihr untersucht Gedichte auf logische Fehler? Gedichte sind Wissenschaft? Deutsch LK war's jedenfalls nicht.
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Hornochse
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Beitrag(#1082023) Verfasst am: 07.09.2008, 01:40    Titel: Re: Was ist Kritik? Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Also: Was ist Kritik?


Kritik ist ein In-Frage-Stellen, ein Bestreiten - oft beides zugleich. Allerdings muss man diese Begriffe weit auslegen, um alle Verwendungsmöglichkeiten dieses Begriffes zu erfassen (Kritik an dem Verhalten eines Menschen dehnt diese Begriffe z.B. schon recht weit, sofern sie hier überhaupt noch zutreffend sind).

Ohne ein Adjektiv sagt das Wort Kritik erst einmal nichts weiter aus.; Weder, ob sie berechtigt oder unberechtigt, ob sie fundiert oder aus der Luft gegriffen ist.
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Danol
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Beitrag(#1082025) Verfasst am: 07.09.2008, 01:41    Titel: Antworten mit Zitat

Malcolm hat folgendes geschrieben:
Also Du betrachtest Religion als ein "System, das einer inneren Logik folgt". Einer äußeren also nicht? Was genau meinst Du mit "innerer Logik"? Ich kann mit dem Begriff "innerer Logik" ehrlich gesagt gar nichts anfangen. Logik ist Logik. Oder etwa nicht?


Innere Logik ist eine Logik, dir nur innerhalb des sie verwendenden Systems gilt. Wenn ich z.B. mit christlichen Dogmen argumentiere ist meine Argumentation nur für Christen nachvollziehbar, für Atheisten hingegen nicht. Um innerer Logik folgen zu können, muss man die Grundlagen des Systems bereits akzeptiert haben, im Gegensatz zu äußerer Logik, die auch aus einem umfassenderen und evtl. zu dem kritisierten System wiedersprüchlichen System nachvollziehbar ist. Natürlich sind die Regeln, nach denen geschlossen wird, die gleichen. "Innere Logik" meint aber nicht den Formalismus, sondern eben das gewisse Schlüsse nur innerhalb bestimmter Systeme funktionieren.

Zitat:
Die christliche Lehre, die religiöse Lehre überhaupt, ist zutiefst unlogisch.


Hier argumentierst Du z.B. mit äußerer Logik. Ein Christ würde hier anders argumentieren.

Zitat:
Deine Argumentation geht in besonderer Weise an den Tatsachen vorbei, da sie unterstellt, daß das christliche System in besondererer Weise Logik für sich beansprucht. Es ist aber gar nicht selten, sondern sogar ziemlich häufig, daß innerhalb christlicher "Verteidigungstrategien", die Logik christlichen Glaubens gar nicht in Anspruch genommen wird. Die christliche Lehre ist unlogisch, weil sie "jenseits aller Vernunft im Göttlichen wurzelt".


Womit sie dann gleichzeitig komplett beliebig wäre. Wenn Christen die Logik als inneres Schlussystem der Religion aufgeben, womit rechtfertigen sie dann z.B. die Schlussfolgerungen, die sie aus der Bibel oder anderen christlichen Texten ziehen?

Zitat:
Wie willst Du ein solches Konzept des Irrationalismus kritisieren? Wie willst Du mit der Tatsache umgehen, daß die Irrationalität des christlichen Glaubens von vielen Christen gar nicht bestritten wird, aber in den Bereich "höherer Vernunft" verwiesen wird?


Das ist nicht falsifizierbar und somit beliebig. Wissen ist nur dann wissen wenn man es überprüfen kann, kann man das nicht ist die Behauptung eine reine Beliebigkeit. Wenn sich ein Christ darauf einlässt, dass sein Glaube letztlich beliebig ist, habe ich alles erreicht was ich mir in so einer Diskusion wünschen kann.

Zitat:
Wenn Du diese Haltung des "Irrationalismus" kritisieren willst, kannst Du dies gar nicht auf rationaler Ebene tun.


Ich bezweifle, das der Glaube an sich irrational ist. Ein guter Text dazu ist z.B. http://www.dittmar-online.net/uber/hga.html#hga_irrational
Wie gesagt, wenn der Glaube irrational wäre, müssten alle rationalen Schlussfolgerungen, die aus dem Glauben gezogen werden, falsch sein. Damit ist dann alles außer dem, was wortwörtlich in der Bibel steht, im Sinne des Glaubens falsch, da durch Schlussfolgerung zustande gekommen.

Zitat:
Und genau das würde von mir bestritten. Das heißt, historisch mag es wahr sein, aber es spiegelt den Gegenwartsstand der Auseinandersetzung von Religion und Aufklärung gar nicht mehr wieder. Gerade in der Auseinandersetzung mit der Aufklärung hat sich Religion teilweise auf einen Standpunkt des Irrationalismus zurückgezogen. "irrational sein" und "Irrationalismus" sind zwei verschiedene Paar Stiefel, die Du begrifflich überhaupt nicht unterscheidest.


Der Irrationalismus ist die Folge aus der Irrationalität der Religion - soweit kann ich mitgehen. Aber um überhaupt zu erkennen, das etwas irrational ist, muss man es kritisieren. Wenn dann erkannt ist, dass ein System irrational ist, können seine vertreter sich immer noch auf den Standpunkt des Irrationalismus zurückziehen, klar. Der Irrationalismus kann aber nur rational logisch kritisiert werden, jede andere Kritik wäre in ihrem Inhalt absolut beliebig und würde daher den Makel des irrationalismus teilen. Aufgabe der Kritik ist es hier, die 'innere Rationalität' des Systems herauszustellen und damit den Irrationalismus ad absurdum zu führen und eben das ist möglich, in dem oben verlinkten Text z.B. auch geschehen.

Zitat:
Übrigens ist der "Irrationalismus" für mich etwas durchaus nicht durchweg böses.


'Böse' ist auch keine Kategorie, anhand derer man ein formales System beurteilen kann. Ist die Logik böse?

Zitat:
Ganz im Gegenteil ist der Irrationalismus eine Methode, die eine weitestgehende Anpassung an die moderne Welt ganz hervorragend ermöglicht. Es ist vielleicht sogar ganz hervorragend "rational", weil man jede Form rationaler Argumentation sogar gelten läßt, sich mit moderner Wissenschaft versöhnt usw., aber alles nur, Husserlsch gesprochen, quasi einklammert, und sich religiös auf eine Irrationalität zurückzieht, die auf einem göttlichen Sein beruht, das "menschlicher Vernunft" übergeordnet bleibt.


Mag sein, dass das für ein Individuum so ist, dennoch ist der Vorgang als ganzes beliebig, d.h. man kann keinerlei Schluss auf seine Wahrheit tätigen da der Irrationalismus an sich nicht verifizierbar/falsifizierbar ist. Man hat dann zwar ein wunderschönes Denksystem, nur leider ohne jede Aussagekraft bezogen auf Dinge außerhalb des Systems - eine Religion eben Mr. Green
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Danol
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Beitrag(#1082026) Verfasst am: 07.09.2008, 01:44    Titel: Antworten mit Zitat

Hornochse hat folgendes geschrieben:
Danol hat folgendes geschrieben:
Malcolm hat folgendes geschrieben:
Eine in sich nicht logische wissenschaftliche Betrachtung ist quasi wertlos. Mache ich dassselbe mit einem Gedicht und stelle fest, daß ein Gedicht nicht logisch ist und erkläre es deshalb für wertlos, so habe ich dieselben "kritischen Maßstäbe" auf einen unzureichenden Gegenstand angewendet.


Du hast dann beim Gedicht genau dasselbe gezeigt wie bei der wissenschaftlichen Betrachtung, nämlich das sie logisch inkonsistent ist. In beiden Fällen hast Du dasselbe nachgewiesen, nämlich das durch logische Fehlschlüsse keine Wissenschaft vorliegt, da kein Wissen geschaffen wurde.


Ihr untersucht Gedichte auf logische Fehler? Gedichte sind Wissenschaft? Deutsch LK war's jedenfalls nicht.


*sfz*

Nein, tun wir nicht. Meine Aussage war: Man kann Gedichte daraufhin untersuchen und kritisieren. Ob das sinnvoll ist oder nicht ist steht auf einem anderen Blatt. Genauso könnte man nun argumentieren "Ihr untersucht Mythen auf logische Fehler?". Genau das tun aber recht viele Leute z.B. mit den christlichen oder islamischen oder jüdischen oder Buddhistischen oder ... Mythen. Gibt es einen zwingenden Grund, warum man ein Gedicht nicht auf logische Fehler untersuchen kann?
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Hornochse
Orthographiefetischist



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Beitrag(#1082032) Verfasst am: 07.09.2008, 02:14    Titel: Antworten mit Zitat

Danol hat folgendes geschrieben:
Nein, tun wir nicht. Meine Aussage war: Man kann Gedichte daraufhin untersuchen und kritisieren. Ob das sinnvoll ist oder nicht ist steht auf einem anderen Blatt.


Wenn du "können" als Ausdruck einer reinen Möglichkeit verwendest (man kann einen Baum auf Tumore untersuchen): OK.

Danol hat folgendes geschrieben:
Genauso könnte man nun argumentieren "Ihr untersucht Mythen auf logische Fehler?". Genau das tun aber recht viele Leute z.B. mit den christlichen oder islamischen oder jüdischen oder Buddhistischen oder ... Mythen.


Da gibt es aber einen kleinen Unterschied: Im Gegensatz zu Gedichtliebhabern behaupten manche Gläubige (sofern sie textreu sind, müssen sie es sogar), ihre Texte seien logisch fehlerfrei. Das ist der Grund, weshalb sie darauf untersucht werden.

Danol hat folgendes geschrieben:
Gibt es einen zwingenden Grund, warum man ein Gedicht nicht auf logische Fehler untersuchen kann?


Siehe oben.
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Alles könnte anders sein - und fast nichts kann ich ändern.

- Niklas Luhmann -
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Agnost
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Beitrag(#1082045) Verfasst am: 07.09.2008, 02:48    Titel: Antworten mit Zitat

I.R hat folgendes geschrieben:
Wir haben doch schon einen rk72!


Strunzdummes Posting. Voll Flasche leer.

Wer hat dich eigentlich zum Mod gemacht?

Agnost
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Danol
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Beiträge: 3027

Beitrag(#1082047) Verfasst am: 07.09.2008, 02:57    Titel: Antworten mit Zitat

Hornochse hat folgendes geschrieben:
Wenn du "können" als Ausdruck einer reinen Möglichkeit verwendest (man kann einen Baum auf Tumore untersuchen): OK.


Danol hat folgendes geschrieben:
Ob das sinnvoll ist oder nicht ist steht auf einem anderen Blatt.


Gut, sind wir uns also einig zwinkern

Zitat:
Da gibt es aber einen kleinen Unterschied: Im Gegensatz zu Gedichtliebhabern behaupten manche Gläubige (sofern sie textreu sind, müssen sie es sogar), ihre Texte seien logisch fehlerfrei. Das ist der Grund, weshalb sie darauf untersucht werden.


Ich denke, es ist dem Text egal was manche Menschen von ihm denken ...
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Agnost
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Beitrag(#1082050) Verfasst am: 07.09.2008, 03:13    Titel: Re: Was ist Kritik? Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Anlässlich Threads mit Titeln wie "Ist man Rassist, wenn man den Islam kritisiert?", "Ist man Rassist, wenn man das Christentum kritisiert?" etc. und aufgrund der insgesamt doch recht häufigen Verwendung dieses Ausdrucks nicht nur hier im Forum dachte ich mir, dass ich einfach mal einen solchen Thread eröffne. Also: Was ist Kritik?


Kritik ist ursprünglich einfach nur Auswähenl.

Aber Auwahl kann Kriege auslösen, wie wir durch Homers Ilios wissen.

Paris das arme Weichei hätte kaum Helena gewählt, wenn er gewusst hätte, was er damit anrichtete.

Agnost
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Malcolm
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Beitrag(#1082051) Verfasst am: 07.09.2008, 03:19    Titel: Antworten mit Zitat

Danol hat folgendes geschrieben:


Zitat:
Wie willst Du ein solches Konzept des Irrationalismus kritisieren? Wie willst Du mit der Tatsache umgehen, daß die Irrationalität des christlichen Glaubens von vielen Christen gar nicht bestritten wird, aber in den Bereich "höherer Vernunft" verwiesen wird?


Das ist nicht falsifizierbar und somit beliebig. Wissen ist nur dann wissen wenn man es überprüfen kann, kann man das nicht ist die Behauptung eine reine Beliebigkeit. Wenn sich ein Christ darauf einlässt, dass sein Glaube letztlich beliebig ist, habe ich alles erreicht was ich mir in so einer Diskusion wünschen kann.



Hallo Danol,

das magst Du so sehen, ist aber bezüglich der Sachlage reichlich weltfremd. Ganz allgemein denke ich, daß der Gläubige bzw. der Glauben die Rationalität bzw. die Logik immer gerne dann bemühen wird, wenn sie ihm paßt und nutzt, und sie von sich weisen wird, wenn er mit ihr "in Schwierigkeiten" gerät, oder noch besser: Er wird sagen: Das verstehe ich nicht, da muß ich meinen Pastor fragen.

Daß Du einen Gläubigen dazu bringen wirst, einzugestehen, daß sein Glaube "beliebig" ist, glaube ich kaum. Er würde ein Wort wie Beliebigkeit schon gar nicht mehr begreifen. Religion arbeitet teilweise auch mit wirklich aberwitzigen Begriffen. Beliebt ist zum Beispiel ein Begriff wie "Glaubensgewißheit". Ein wirklich wunderbarer Begriff. Glaubt man nun, oder ist man einer Sache "gewiß"? Das verschwimmt in einem solchen Begriff. Was natürlich sehr praktisch ist.

Wolltest Du tatsächlich einem Gläubigen gegenüber so argumentieren, wie Du mir gegenüber argumentierst, dann würdest Du wirklich Deine Perlen vor die Säue werfen. Ich habe schon Schwierigkeiten, Dir zu folgen, glaubst Du ernsthaft, daß ein Gläubiger Deine Argumentation auch nur in Ansätzen versteht?

Den Glauben intellektuell aus dem Felde zu schlagen, ist wiegesagt weltfremd. Was nützt es Dir, einen Religionsführer "intellektuell zu schlagen", wenn die Schafsherde ihn trotzdem für den Sieger hält?

Ein Schlagwort der Aufklärung lautet: Daß man sich trauen soll, sich des eigenen Verstandes zu bedienen. Dies ist aber stets ein "frommer" Wunsch geblieben. Tatsache ist, daß ein Großteil der Menschen sich durchaus nicht des eigenen Verstandes bedienen. Übrigens ist dies durchaus nicht nur ein Thema in Bezug auf Religion, es gilt auch in Bezug auf Esoterik, Sekten, Spiritismus, Ideologien und ich weiß nicht was.

In dem moment, wo ich bereit bin, meinen eigenen Verstand einem anderen gegenüber für "unterlegen" zu halten und "Probleme des Verständnisses" ganz allgemein eigenem Unvermögen zuzuordnen, in diesem moment bin ich auch bereit, mich von eigenem logischen Denken frei zu machen und dem "überlegenen Geist" des Gurus zu folgen. Wenn mir also etwas als "unlogisch" erscheint, dann habe ich es "nicht richtig verstanden".

Ich finde ganz allgemein, daß Du viele glänzende Dinge sagst, aber wirklich von allen "praktischen Seiten" der Kritik völlig unbeleckt bist. Kritik siegt selten, aber selbst da wo Kritik siegt, was selten genug der Fall ist, ist es immer noch die Frage, ob die Kritik wirklich gesiegt hat, oder ob nicht plötzlich der Kritiker - ganz wider willen - nun plötzlich zum neuen Guru geworden ist, auch wenn er dies womöglich weder will noch gemerkt hat.

Aus all diesen Gründen sehe ich Kritik sehr kritisch. Und überhaupt: Warum überhaupt eine bestimmte Weltsicht kritisch angreifen, wenn die Konsequenz daraus nur ist, daß man damit einer anderen, die möglicherweise sogar noch schlimmer ist, das Wort redet?
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Ohne die Musik wäre das Leben ein Irrtum.

"Das beste, was du weißt, kannst du den Buben doch nicht sagen." ( Goethe)
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Danol
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Beitrag(#1082053) Verfasst am: 07.09.2008, 03:55    Titel: Antworten mit Zitat

Malcolm hat folgendes geschrieben:
das magst Du so sehen, ist aber bezüglich der Sachlage reichlich weltfremd. Ganz allgemein denke ich, daß der Gläubige bzw. der Glauben die Rationalität bzw. die Logik immer gerne dann bemühen wird, wenn sie ihm paßt und nutzt, und sie von sich weisen wird, wenn er mit ihr "in Schwierigkeiten" gerät, oder noch besser: Er wird sagen: Das verstehe ich nicht, da muß ich meinen Pastor fragen.


In dem Fall handelt es sich dann um das klassische Schaf, das der Autorität des Hirten eher folgt als dem eigenen Denken. Hier ist Kritik generell fehl am platze, egal wie sie formuliert oder strukturiert ist, da sich am Ende immer die Autorität durchsetzen wird.

Zitat:
Wolltest Du tatsächlich einem Gläubigen gegenüber so argumentieren, wie Du mir gegenüber argumentierst, dann würdest Du wirklich Deine Perlen vor die Säue werfen. Ich habe schon Schwierigkeiten, Dir zu folgen, glaubst Du ernsthaft, daß ein Gläubiger Deine Argumentation auch nur in Ansätzen versteht?


Gläubigen gegenüber argumentiere ich in der Regel auch anders.

Zitat:
Den Glauben intellektuell aus dem Felde zu schlagen, ist wiegesagt weltfremd. Was nützt es Dir, einen Religionsführer "intellektuell zu schlagen", wenn die Schafsherde ihn trotzdem für den Sieger hält?


Wenn ich mit einem Religionsführer argumentieren würde, ginge es mir nicht um ihn oder die Mehrheit seiner Herde sondern um die - aus seiner Sicht - schwarzen Schafe, die grundsätzlich in der Lage sind, noch außerhalb ihres Religiösen Denksystems zu denken und dies nach einer Kritik auch tun. Diejenigen Gläubigen, die nicht selber denken wollen, sind für Kritik doch ohnehin nicht erreichbar, warum das also überhaupt versuchen? Wenn überhaupt dann überzeugt man die am ehesten, indem man diejenigen Mitglieder der Herde anspricht, deren Verstand noch nicht durch den Glauben blockiert ist, einen naiv-Gläubigen argumentativ zu erreichen halte ich für unmöglich, zumindest mit externer, d.h. nicht auf den Grundsätzen des Glaubens aufbauenden Kritik. Allenfalls kann man hier versuchen, intern (also sich innerhalb des Glaubenssystems bewegend) zu kritisieren, was z.B. im Mittelalter auch getan wurde. Leider stößt man hier immer wieder an Grenzen, bedingt durch die Interpratierfähigkeit der heiligen Texte, gepaat mit der Autorität der geistigen Führer der Herde.

Zitat:
Ein Schlagwort der Aufklärung lautet: Daß man sich trauen soll, sich des eigenen Verstandes zu bedienen. Dies ist aber stets ein "frommer" Wunsch geblieben. Tatsache ist, daß ein Großteil der Menschen sich durchaus nicht des eigenen Verstandes bedienen.


Das sehe ich nicht so. Heutzutage sind Kritik und Kritisieren m.E. wesentlich verbreiteter, als sie es noch vor 100 oder 200 Jahren waren. Man sieht das z.B. auch an der immer größeren Zahl der Kirchenaustritte und den immer zahlreicher werdenden Atheisten - Kritik an der Religion bewirkt durchaus, das Menschen sich von ihr lösen. Ja nach dem Millieu, in dem ein Mensch aufwächst und lebt, dauert es natürlich unterschiedlich lange, bis man bereit ist Kritik zu akzeptieren.

Zitat:
In dem moment, wo ich bereit bin, meinen eigenen Verstand einem anderen gegenüber für "unterlegen" zu halten und "Probleme des Verständnisses" ganz allgemein eigenem Unvermögen zuzuordnen, in diesem moment bin ich auch bereit, mich von eigenem logischen Denken frei zu machen und dem "überlegenen Geist" des Gurus zu folgen. Wenn mir also etwas als "unlogisch" erscheint, dann habe ich es "nicht richtig verstanden".


Das ist der entscheidende Schritt in den Fundametalismus, dem man höchstens noch durch subversives Diskutieren, nicht aber durch Kritik begegnen kann.

Zitat:
Kritik siegt selten, aber selbst da wo Kritik siegt, was selten genug der Fall ist, ist es immer noch die Frage, ob die Kritik wirklich gesiegt hat, oder ob nicht plötzlich der Kritiker - ganz wider willen - nun plötzlich zum neuen Guru geworden ist, auch wenn er dies womöglich weder will noch gemerkt hat.


Es geht bei der Kritik doch nicht um Sieg oder Niederlage und Kritiker sind keine Missionare. Kritik ist dazu da, Unzulänglichkeiten bestehender Denksysteme aufzuzeigen, wenn man beginnt neue Systeme zu konstruieren hat man die Kritik längst hinter sich gelassen. Es ist auch nicht der Anspruch der Kritik, Menschen von ihren Überzeugungen abzubringen, allenfalls geht es darum, sie dazu zu ermutigen ihrem eigenen Denken zu trauen und sich selber von etwas zu lösen.
Ein bestehendes System zu kritisieren und gleich die absolut unfehlbare Alternative anzubieten ist das klassische Verhalten eines Missionars/Ideologen. Es ist natürlich legitim, von einem eigenen Denksystem überzeugen zu wollen, das aber zu tun indem man meint, alle anderen wiederlegen zu können, hat mit Kritik nichts mehr zu tun.
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Tarvoc
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Beitrag(#1082071) Verfasst am: 07.09.2008, 07:04    Titel: Antworten mit Zitat

Danol hat folgendes geschrieben:
Das ist der entscheidende Schritt in den Fundametalismus, dem man höchstens noch durch subversives Diskutieren, nicht aber durch Kritik begegnen kann.

Vielleicht sollte man mal die Rahmenbedingungen dieser Unterscheidung hinterfragen... aus der Sicht des Religionsführers ist z.B. die Kritik selbst subversiv.
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Tarvoc
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Beitrag(#1082073) Verfasst am: 07.09.2008, 07:08    Titel: Antworten mit Zitat

Malcolm hat folgendes geschrieben:
Damit stimme ich absolut überein, nur daß ich eben ganz stark bezweifle, daß sich solche "gemeinsamen moralischen Grundlagen" schaffen lassen. Ich halte sie ehrlich gesagt für absolute Illusion. Eine moralische Betrachtung der Religion etwa, ist zweifellos interessanter als eine formallogische, führt aber letztenendes zu gar nichts. Man wird sich da nie einig werden. Der entscheidende Kritikpunkt, den ich an einer gewissen Ausprägung von Religionskritik allerdings habe, ist, daß er "die Wahrheit" so hoch hängt, daß er die "wissenschaftliche Kritik" mit der "moralischen" schon gleich verwechselt. Etwas ist nicht wahr ( wie die Religion), also ist Religion auch schon moralisch zu verurteilen. Das Komische an der ganzen Angelegenheit ist, daß sich dergleichen atheistische "Wahrheitsmoralität" mit der christlichen völlig deckt. Atheist und Christ mögen sich völlig fremd gegenüber stehen, aber in der Ablehnung der Lüge sind sie sich doch völlig einig. Und diese Haltung empfinde ich ehrlich gesagt sehr naiv.

Und wirkliche Kritik beginnt für mich erst jenseits dieser Naivität. Ob sich dort dann "gemeinsame moralische Grundlagen" schaffen lassen, ist sehr die Frage, allerdings wird für mich ganz persönlich die Diskussion erst da interessant, wo man nicht ein einfaches moralisches Vorurteil, das gar nicht mehr in Frage gestellt werden darf, obwohl es wirklich nicht mehr als ein bloßes Vorurteil ist, wie dieses, daß man Menschen nicht belügen darf, als Grundlage der Diskussion nimmt. Denn das jemand eine andere Moralität hat als ich, nehme ich mit Gelassenheit hin, aber daß er ein bloßes Vorurteil als unumstößliche moralische Wahrheit nimmt, die er erst gar nicht mehr begründen muß, ist eigentlich das Ende jeder Diskussion.


Malcolm hat folgendes geschrieben:
Ich finde ganz allgemein, daß Du viele glänzende Dinge sagst, aber wirklich von allen "praktischen Seiten" der Kritik völlig unbeleckt bist. Kritik siegt selten, aber selbst da wo Kritik siegt, was selten genug der Fall ist, ist es immer noch die Frage, ob die Kritik wirklich gesiegt hat, oder ob nicht plötzlich der Kritiker - ganz wider willen - nun plötzlich zum neuen Guru geworden ist, auch wenn er dies womöglich weder will noch gemerkt hat.


Gute Ansätze. Ich glaube, in diese Richtungen sollte man mal weiter denken... Daumen hoch! Smilie
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Tarvoc
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Beitrag(#1082231) Verfasst am: 07.09.2008, 14:58    Titel: Antworten mit Zitat

Was angesichts des aktuellen Anlasses dieses Threads vielleicht auch noch interessant zu diskutieren wäre, ist, wie solche Fragen aufkommen können wie "Ist jeder, der x kritisiert, ein Rassist" - und was für ein Begriff von "Kritik" hinter solchen Fragen steckt.
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Danol
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Beitrag(#1082842) Verfasst am: 08.09.2008, 19:12    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Vielleicht sollte man mal die Rahmenbedingungen dieser Unterscheidung hinterfragen... aus der Sicht des Religionsführers ist z.B. die Kritik selbst subversiv.


Wenn man Kritik als Bedrohung empfindet sicherlich. Wenn man, was ja auch Religionsführern möglich ist, ehrlich auf der Suche nach Erkenntnis gleich welcher Art ist, dann eher nicht. Kritik an einem Glaubenssystem kann ja auch 'intern' geäußert werden, es gab z.b. auf der Grundlage der Bibel Kritik an der Inquisition, ohne das die von der damaligen Kirche direkt als subversiv angenommen worden wäre. Gebracht hat sie freilich wenig, aber das ist wieder ein anderes Kapitel ...
Unterscheiden kann man hier nur, wenn man die Ab- und Ansichten seines Gegenübers kennt. Wer sein Glaubenssystem derart in Stein meißelt, dass schon graduelle Abweichungen Häresie sind, dem erscheint natürlich jede Kritik subversiv, da sie ja letztendlich genau zu solchen Veränderungen führen würde.

Zitat:
Was angesichts des aktuellen Anlasses dieses Threads vielleicht auch noch interessant zu diskutieren wäre, ist, wie solche Fragen aufkommen können wie "Ist jeder, der x kritisiert, ein Rassist" - und was für ein Begriff von "Kritik" hinter solchen Fragen steckt.


Mich würde eher interessieren, was für ein Begriff von Rasse dahinter Steckt, wenn nun schon eine Religion eine Rasse sein soll Lachen
Die hier verwendete Auffassung von Kritik ist m.E. die, dass jeder der gegen den Islam ist automatisch Islamkritiker ist, auch wenn es sich z.B. nicht um eine inhaltliche Auseinandersetzung sondern um reinen Fremdenhass handelt.
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Beitrag(#1082871) Verfasst am: 08.09.2008, 20:16    Titel: Antworten mit Zitat

Danol hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Vielleicht sollte man mal die Rahmenbedingungen dieser Unterscheidung hinterfragen... aus der Sicht des Religionsführers ist z.B. die Kritik selbst subversiv.

Wenn man Kritik als Bedrohung empfindet sicherlich. Wenn man, was ja auch Religionsführern möglich ist, ehrlich auf der Suche nach Erkenntnis gleich welcher Art ist, dann eher nicht. Kritik an einem Glaubenssystem kann ja auch 'intern' geäußert werden, es gab z.b. auf der Grundlage der Bibel Kritik an der Inquisition, ohne das die von der damaligen Kirche direkt als subversiv angenommen worden wäre. Gebracht hat sie freilich wenig, aber das ist wieder ein anderes Kapitel ...
Unterscheiden kann man hier nur, wenn man die Ab- und Ansichten seines Gegenübers kennt. Wer sein Glaubenssystem derart in Stein meißelt, dass schon graduelle Abweichungen Häresie sind, dem erscheint natürlich jede Kritik subversiv, da sie ja letztendlich genau zu solchen Veränderungen führen würde.

Worauf ich hinauswill, ist, dass der Unterschied ein gradueller ist.
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Danol
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Beitrag(#1082881) Verfasst am: 08.09.2008, 20:34    Titel: Antworten mit Zitat

Das bezweifle ich nicht grundsätzlich, trotzdem kann dieser graduelle Unterschied enorm wichtig sein, z.B. wenn es darum geht ob man sich fundamentalisten zu Feinden macht oder eben nicht. Außerdem stehen dem subversiven Diskutanten mehr Möglichkeiten offen als dem kritischen, er kann sich z.B. auch die Emotionalität zunutze machen, in der Kritik hat die nichts verloren ...
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Malcolm
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Beitrag(#1082924) Verfasst am: 08.09.2008, 21:37    Titel: Antworten mit Zitat

Ich denke der entscheidende Punkt, der mich interessiert, ist gar nicht so sehr, was nun eigentlich Kritik ist. Vielleicht sollte ich mich deshalb in diesen Thread auch weniger einbringen, da mich das Thema als solches schon weniger interessiert.

Mich persönlich interessiert das Thema: Warum Kritik? Und warum sollte ich die religiösen oder weltanschaulichen Vorstellungen eines Menschen überhaupt kritisieren? weit mehr im Vordergrund. Aber das ist nun mal nicht das Thema dieses Threads. Oder doch auch?

Ich denke, es gibt ganz grundsätzlich eine "zwischenmenschliche Situation", wo ich einem anderen "Kritik aufdränge", obwohl dieser die Kritik gar nicht will. Und dies erscheint mir moralisch durchaus zweifelhaft. Es gibt auch so etwas wie eine "Aufdringlichkeit" der Kritik.

Wobei ich für meine Person durchaus betonen möchte, daß mir Kritik in jeder Hinsicht recht ist. Aber ich würde niemals von mir auf andere schließen.
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Danol
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Anmeldungsdatum: 02.04.2007
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Beitrag(#1082950) Verfasst am: 08.09.2008, 22:10    Titel: Antworten mit Zitat

Mach doch einen Thread dafür auf zwinkern

Wenn mich jemand mit seiner Weltanschauung belästigt dränge ich ihm auch meine Kritik auf, wenn ers bleiben lässt lasse ichs auch - eigentlich ganz einfach. Schulterzucken
Ausnahmen sind natürlich alle Dinge, in denen ich selber von etwas betroffen bin dass ich kritisiere. Da kritisiere ich auch gerne 'unaufgefordert' Mr. Green
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satsche
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Beitrag(#1087122) Verfasst am: 15.09.2008, 16:51    Titel: Antworten mit Zitat

Der Publizist Henryk M Broder erhielt den diesjährigen Hildegard von Bingen Preis Wir dokumentieren hier seine Dankesrede die er Hildegard.

http://www.faz.net/s/RubCF3AEB154CE64960822FA5429A182360/Doc~EF8EB515638B54D2F8134E55496F50811~ATpl~Ecommon~Scontent.html


Man beachte auch die unter „Zum Thema“ verlinkten Artikel zu einem Israel kritisierenden Leserbrief von Evelyn Hecht-Galinski.


Das hat was, was pornografisches.
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Keiner hat das Recht zu gehorchen. Hannah A.
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