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Der Materialismus
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3483

Beitrag(#2304763) Verfasst am: 13.04.2024, 20:16    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
.....
Denke über meine Intelligenz und Bildung, wie du willst; aber ich lasse mich ungern beleidigen! Reduktiver Materialist zu sein, ist kein Anzeichen von Dummheit oder Ungebildetheit!

Hä?
Es gibt doch weder Psyche noch irgendwelche psychischen Instanzen. Das ist doch alles Einbildung (wessen eigentlich?)?
Wie kann ich (wer oder was soll das sein?) Dich (wer oder was soll das sein?) überhaupt beleidigen (und was ist das überhaupt?)?

Wenn ich mir all die Transformationen ansehe, die die Informationen in unserer aktuellen Kommunikation durchlaufen, in der Du Deine Antworten auch noch mit einem "ich" beginnst und jetzt auch noch von Gefühlen sprichst, die nach Deiner Aussage gar nicht existieren, dann halte ich das, was Du äußerst, für reichlich absurd. Die Frage nach dem evolutionären Vorteil derartiger Systeme müsste auch neu gestellt werden.


Du verwechselst den reduktiven Materialismus mit dem eliminativen Materialismus!
Reduktive Materialisten (wie ich) sind psychologische Realisten, die die Realität/Existenz psychischer Phänomene nicht verneinen, wohingegen eliminative Materialisten psychologische Antirealisten sind, die die Realität/Existenz psychischer Phänomene verneinen.
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Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44153

Beitrag(#2304764) Verfasst am: 13.04.2024, 20:35    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Ich glaube inzwischen gar nicht mehr, dass Myron irrt - dazu müsste er selber denken. Ich habe aber inzwischen den Eindruck, dass er das grundsätzlich vermeidet und stattdessen auch da zitiert, wo er behauptet, zu denken.

Das klingt jetzt natürlich schon sehr nach mittelalterlicher Scholastik. zwinkern

Mit einer kleinen Ausnahme (korrigier mich bitte, wenn ich da was Falsches im Kopf habe):
Soweit ich weiß, durfte man im scholastischen Disput erst dann eine eigene Meinung tröten, wenn man gezeigt hatte, dass man die Gegenseite, der man etwas entgegnen wollte, vollständig darstellen konnte.

Ach ja richtig.
_________________
Geh mir aus der Sonne, Alexander!
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3483

Beitrag(#2304766) Verfasst am: 13.04.2024, 22:57    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
So wie ich das sehe, liegt Myrons Irrtum hier darin, zu meinen, die Philosophie könne die tatsächliche Reduktion von Psychologie, Sozialwissenschaft, Kulturwissenschaft, etc. auf Neurologie und Biologie tatsächlich leisten. Deshalb führt er hier also Gewährsmänner für den Elimination und reduktiven Materialismus ausschließlich Philosophen und Metaphysiker an. So als wäre eine wirkliche Reduktion von Psychologie auf Biologie schon dadurch geleistet, dass man die theoretische Möglichkeit einer solchen philosophisch sauber artikuliert. Mit Verlaub: So ein Vorgehen ist keine moderne Wissenschaft, sondern ähnelt eher mittelalterlicher Scholastik. Die tatsächliche Reduktion von z. B. Psychologie oder Soziologie auf Biologie hat nicht die Philosophie oder Metaphysik zu leisten, sondern die betreffenden Wissenschaften selbst, und bei einem Erfolg würde das zu einer völligen Absorbtion ter reduzierten Wissenschaft in die Biologie als nunmehr eines ihrer Teilgebiete führen. Das funktioniert so wie ich das sehe gegenwärtig noch nicht mal für die Medizin ohne Weiteres. Bei der Psychologie oder gar der Soziologie kann davon nun wirklich gar keine Rede mehr sein. Die Aufgabe der Philosophie besteht hier allenfalls darin, zu ermitteln, ob eine solche Reduktion überhaupt konsistent denkbar und formulierbar ist, und gegebenfalls noch zu begründen, warum es sich um ein wissenschaftliches Desiderat handelt. Jede Philosophie, die auf eigene Rechnung versucht, darüber hinaus zu gehen und die Reduktion tatsächlich selbst zu vollziehen, überzieht ihren Kredit. Ich bin mir ziemlich sicher, dass sowohl Armstrong als auch die Churchlands das verstehen.


Der Materialismus/Physikalismus ist in all seinen Versionen eine philosophische (metaphysische/ontologische) Lehre, egal ob er von Philosophen oder Wissenschaftlern vertreten wird.

Ein physikalistischer Metaphysiker will den Physikern nicht ins erfahrungswissenschaftliche Handwerk pfuschen. Andererseits werfen die physikalische Forschung und darauf basierende Theorien metaphysische/ontologische Fragen auf, die nicht mit empirischen oder experimentellen Mitteln beantwortet werden können. Außerdem sind Physiker nicht per se die besseren Metaphysiker!

Es gibt unterschiedliche Arten von Reduktionismus, sodass leicht Missverständnisse entstehen. Wenn von Reduktion die Rede ist, dann stellt sich die Frage, was genau worauf reduziert wird (bzw. werden soll). So besteht ein Unterschied zwischen einem repräsentationalen/semiotischen Reduktionismus und einem existenziellen/ontologischen Reduktionismus.

1. repräsentationaler/semiotischer Reduktionismus:
Hier geht es um die Übersetzung bzw. die semantische (definitorische) Gleichsetzung von Zeichen der Sprache einer "höherstufigen" Wissenschaft (z.B. Psychologie) in/mit andere(n) Zeichen der Sprache einer "niederstufigen" Wissenschaft (z.B. Physik).
Unter Zeichen sind Wörter (Begriffe), Sätze (Aussagen), Texte (Theorien) oder nichtsprachliche Symbole (Formeln) zu verstehen.

2. existenzieller/ontologischer Reduktionismus:
Hier geht es um die ontologische Gleichsetzung "höherstufiger" außersymbolischer Entitäten (die zur Ontologie einer "höherstufigen" Wissenschaft gehören, z.B. zur Ontologie der Psychologie) mit (Komplexen/Systemen von) "niederstufigen" außersymbolischen Entitäten (die zur Ontologie einer "niederstufigen" Wissenschaft gehören, z.B. zur Ontologie der Physik).
Zu den außersymbolischen Entitäten zählen Dinge (Objekte/Substanzen), Eigenschaften, Beziehungen, Sachverhalte, Tatsachen, Zustände, Ereignisse und Vorgänge.

Zitat:
"Many reductionist views seem to involve ontological claims. If one denies classical substance-dualism and advocates a version of reductionism rather than eliminativism for minds, persons and mental state, then one seems to assert that objects or substances reduce to objects. If one rejects any dualistic parallelism of mental and physical events and advocates a version of reductionism rather than eliminativism for events such as perceivings, willings or pain events, then one seems to assert that events may reduce to events. If one denies property-dualism, and advocates a version of reductionism regarding properties such as that of being a person or of being a pain, then one seems to be committed to the assumption that properties reduce to properties. These different candidate-relata share one important feature: They are non-representational in nature (ignoring cases of objects that are used as vehicles for representations); they are real world items, not representations about items in the world. Especially in the philosophy of mind, these candidate relata have received special attention.

In contrast, most classical explications of reduction developed in the philosophy of science treat the reduction relation to be primarily instantiated by representational entities, such as theories or models. Building on these two lines of thought, one can, following Van Gulick (2001), draw a distinction between representational and non-representational relata of the reduction relation, and accordingly between representational and ontological reduction. Representational reduction is reduction cashed out as a relation between representational devices, like theories or concepts; ontological reduction is a relation defined in terms of ontic links between the things theories or concepts are about. Representational reduction is sometimes referred to as “epistemological reduction” (Silberstein 2002, Sarkar 1992, Brigandt and Love 2012, Hoyningen-Huene 1989)."

Quelle: https://plato.stanford.edu/entries/scientific-reduction/


Wichtig ist nun der Punkt, dass man als reduktiver Materialist/Physikalist ohne Selbstwiderspruch 2 annehmen und 1 ablehnen kann. Das heißt, der Glaube an die ontologische Selbigkeit (Identität) aller nichtphysikalischen Entitäten mit (Komplexen von) physikalischen Entitäten erfordert nicht unbedingt den Glauben an die semiotische (linguistische) Übersetzbarkeit aller nichtphysikalischen Wissenschaftssprachen in die Sprache der Physik.

Die frühen reduktiven Physikalisten des 20. Jh.s aus dem logisch-positivistischen Kreis der Wiener Schule wie Rudolf Carnap befürworteten den repräsentationalen Reduktionismus in Bezug auf Begriffe und Aussagen nichtphysikalischer Wissenschaftssprachen, hatten damit jedoch in der Praxis kaum Erfolg. Der Versuch, alle psychologischen oder soziologischen Begriffe (mikro-)physikalisch zu definieren, oder alle psychologischen oder soziologischen Aussagen in (mikro-)physikalische Aussagen (oder gar entsprechende mathematische Formeln) zu übersetzen, erscheint in der Tat aussichtslos.

Daraus haben spätere reduktive Physikalisten wie Jack Smart (& David Armstrong) ihre Lehre gezogen und ausdrücklich darauf hingewiesen, dass der von ihnen vertretene materialistische Reduktionismus "ein ontologischer, kein translatorischer Physikalismus ist". Sie sind also keineswegs Wissenschaftsreduktionisten, die alle nichtphysikalischen Wissenschaften und deren jeweilige Wissenschaftssprachen auf die Physik und deren Wissenschaftssprache reduzieren wollen.

Zitat:
"Physicalism may be characterized as a reductionist thesis. However, it is reductionist in an ontological sense, not as a thesis that all statements can be translated into statements about physical particles, and so on."

(Smart, J. J. C. Our Place in the Universe: A Metaphysical Discussion. Oxford: Blackwell, 1989. p. 81)

"In taking the identity theory (in its various forms) as a species of physicalism, I should say that this is an ontological, not a translational physicalism. It would be absurd to try to translate sentences containing the word ‘brain’ or the word ‘sensation’ into sentences about electrons, protons and so on. Nor can we so translate sentences containing the word ‘tree’. After all ‘tree’ is largely learned ostensively, and is not even part of botanical classification. If we were small enough a dandelion might count as a tree. Nevertheless a physicalist could say that trees are complicated physical mechanisms."

(J. J. C. Smart: The Mind/Brain Identity Theory)


Zitat:
"Physicalism is sometimes known as ‘materialism’. Indeed, on one strand to contemporary usage, the terms ‘physicalism’ and ‘materialism’ are interchangeable. But the two terms have very different histories. The word ‘materialism’ appears in English towards the end of the 17th century, but the word ‘physicalism’ was introduced into philosophy only in the 1930s by Otto Neurath (1931) and Rudolf Carnap (1959/1932), both of whom were key members of the Vienna Circle, a group of philosophers, scientists and mathematicians active in Vienna prior to World War II. While it is not clear that Neurath and Carnap understood physicalism in the same way, one thesis often attributed to them (e.g. in Hempel 1949) is the linguistic thesis that every statement is synonymous with (i.e. is equivalent in meaning with) some physical statement. But materialism as traditionally construed is not a linguistic thesis at all; rather it is a metaphysical thesis in the sense that it tells us about the nature of the world. [meine Hervorhebung] At least for the positivists, therefore, there was a clear reason for distinguishing physicalism (a linguistic thesis) from materialism (a metaphysical thesis). Moreover, this reason was compounded by the fact that, according to official positivist doctrine, metaphysics is nonsense. Since the 1930s, however, the positivist philosophy that under-girded this distinction has for the most part been rejected—for example, physicalism is not a linguistic thesis for contemporary philosophers—and this is one reason why the words ‘materialism’ and ‘physicalism’ are now often interpreted as interchangeable."

Quelle: https://plato.stanford.edu/entries/physicalism/
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3483

Beitrag(#2304768) Verfasst am: 14.04.2024, 00:51    Titel: Antworten mit Zitat

John Heil kritisiert die Bezeichnung "ontologischer Reduktionismus":

Zitat:
"I am not confident I understand what reduction amounts to, but whatever it is, reduction is not a relation among entities, not an ontological relation. What would it be to reduce one property, or state, or object to another? (The image here is of a philosopher in a white lab coat wedging entities into a vice, and turning the handle so as to squeeze them together.) Reduction evidently involves theories, categories, taxonomies. You do not reduce one thing, water, to another thing, H2O. You discover that 'water' and 'H2O' have a common denotation: what we call water is H2O. Truthmakers for assertions about water turn out to be portions of H2O; the deep story about water is that water is H2O."

(Heil, John. The Universe As We Find It. Oxford: Oxford University Press, 2012. p. 25)


Heils Einwand ist nicht unberechtigt; denn wenn von einer ontologischen Reduktion die Rede ist, dann klingt das so, als ob es sich dabei um eine von Philosophen oder Wissenschaftlern ausgeübte Tätigkeit handelt, die in der Identischmachung von Entitäten besteht, die zunächst nicht identisch sind.
Doch das ist keineswegs der Fall! Das Behaupten einer Identität von Entitäten ist freilich eine Tätigkeit unsererseits, aber Identitäten zwischen Entitäten bestehen an sich oder sie bestehen an sich nicht, unabhängig davon, ob wir ihr Bestehen behaupten oder nicht.

Im Gegensatz dazu bestehen semiotische Reduktionen in von Philosophen oder Wissenschaftlern ausgeübten Tätigkeiten.

Vielleicht wäre es also besser, den Namen "reduktiver Materialismus/Physikalismus" durch einen anderen zu ersetzen, sofern sich darin "reduktiv" auf den ontologischen Reduktionismus bezieht—was im zeitgenössischen philosophischen Diskurs der Fall ist.

In meiner Darstellung der drei Versionen des Materialismus habe ich bereits geschrieben:

"2. reduktiver (äquativer) Materialismus: Es gibt psychische Entitäten, aber sie sind mit physischen Entitäten identisch."

Der Name "äquativer Materialismus" (oder "identitiver M.") bietet sich als geeignete Alternative an.

Zitat:
"Als metaphysische Richtung hat ferner der Materialismus eine monistische (d.h. singularistische…) und eine dualistische Form angenommen. Nach der letzteren gibt es zwei verschiedene Arten von Materie, eine gröbere und eine feinere, eine trägere und eine beweglichere, nach der monistischen Auffassung dagegen ist die Materie etwas durchaus Einheitliches. Innerhalb der monistischen Anschauung endlich lassen sich noch drei verschiedene Betrachtungsweisen sondern, von denen die attributive Form das Geistige als eine Eigenschaft, die causale es als eine Wirkung der Materie ansieht, während die äquative Form die seelischen Vorgänge ihrem Wesen nach als materielle bezeichnet."

(Külpe, Oswald. Einleitung in die Philosophie. 2. Aufl. Leipzig: Hirzel, 1898. S. 122)


Es bietet sich übrigens ein weiterer geeigneter Alternativname für den reduktiven Materialismus an, nämlich "kompositiver/konstitutiver Materialismus" ("kompositioneller/konstitutioneller M.").

Denn wenn alle nichtphysikalischen Entitäten (1 mit physikalischen Entitäten identisch sind, dann bedeutet dies, dass sie mit Komplexen/Systemen physikalischer Entitäten identisch sind—was wiederum bedeutet, dass alle nichtphysikalischen Entitäten Ganzheiten sind, die letztlich aus einfachen physikalischen Entitäten zusammengesetzt (komponiert) sind, von einfachen physikalischen Entitäten gebildet (konstituiert) werden.

(1: Unter nichtphysikalischen Entitäten verstehe ich nicht nichtphysische Entitäten, sondern solche, die nicht (unmittelbar) zum Themengebiet oder Forschungsbereich der Physik gehören. Denn es wäre ja selbstwidersprüchlich zu sagen, dass alle nichtphysischen Entitäten mit physischen Entitäten identisch sind. Ich setze außerdem voraus, dass alle physikalischen Entitäten physische Entitäten sind. Aus der Sicht des reduktiven Physikalismus sind natürlich auch alle nichtphysikalischen Entitäten physische Entitäten.)

Zitat:
"Physicalism is the view that all phenomena are in some sense physical – that is, they are either the subject matter of physical science, or constituted by things which are the subject matter of physics."

(Crane, Tim. "Reply to Tanney." International Journal of Philosophical Studies 6/2 (1998): 279–282. p. 281)
——————
"[P]hysicalism with respect to the mind-body problem is the thesis that mental properties are ultimately composed of fundamental physical properties."

(Walter, Sven, and Heinz-Dieter Heckmann. Physicalism and Mental Causation. Exeter: Imprint Academic, 2003. p. 3)
——————
"Physicalism – The global view that takes all entities in nature to be identical to, or composed by, the entities of microphysics."

(Gillett, Carl. Reduction and Emergence in Science and Philosophy. Cambridge: Cambridge University Press, 2017. p. 360)
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fwo
Caterpillar D9



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Beiträge: 25902
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2304770) Verfasst am: 14.04.2024, 02:32    Titel: Antworten mit Zitat

@ Myron
Da hast Du ja wieder ganze Zitatwände aufgestellt. Hast Du sie auch verstanden?
Was sagen die denn zu dieser Aussage:
Myron hat folgendes geschrieben:
....
Aus meiner materialistischen Sicht ist die Psyche nichts anderes als das zentrale Nervensystem.
....


In meiner ersten Paraphrasierung habe ich versucht, die Komplexität des Gegenstands zu erhalten:
fwo hat folgendes geschrieben:
...
dann ist diese Äußerung ähnlich intelligent wie
Zitat:
Aus meiner materialistischen Sicht ist die Software nichts anderes als der Computer.

...


Das war wohl etwas zu viel für Dich, ich biete Dir eine andere an:
Zitat:
Der 100-Meter-Weltrekord der Männer ist aus materialistischer Sicht nichts anderes als die Person Usain Bolt.

_________________
Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3483

Beitrag(#2304771) Verfasst am: 14.04.2024, 03:20    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
@ Myron
Da hast Du ja wieder ganze Zitatwände aufgestellt. Hast Du sie auch verstanden?
Was sagen die denn zu dieser Aussage:
Myron hat folgendes geschrieben:
....
Aus meiner materialistischen Sicht ist die Psyche nichts anderes als das zentrale Nervensystem.
....


Vielleicht hilft es dir Schlaumeier, meine Aussage richtig zu verstehen, wenn ich Folgendes hinzufüge:

"Aus meiner materialistischen Sicht ist die Psyche (aufgefasst als Substanz) nichts anderes als das zentrale Nervensystem."

Und aus meiner materialistischen Sicht ist die Psyche (aufgefasst als Prozess) nichts anderes als ein neuronaler Prozess im zentralen Nervensystem.

Damit ist dein Vorwurf erledigt, ich hätte einen Kategorienfehler begangen!
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fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 25902
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2304772) Verfasst am: 14.04.2024, 03:39    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
@ Myron
Da hast Du ja wieder ganze Zitatwände aufgestellt. Hast Du sie auch verstanden?
Was sagen die denn zu dieser Aussage:
Myron hat folgendes geschrieben:
....
Aus meiner materialistischen Sicht ist die Psyche nichts anderes als das zentrale Nervensystem.
....


Vielleicht hilft es dir Schlaumeier, meine Aussage richtig zu verstehen, wenn ich Folgendes hinzufüge:

"Aus meiner materialistischen Sicht ist die Psyche (aufgefasst als Substanz) nichts anderes als das zentrale Nervensystem."

Und aus meiner materialistischen Sicht ist die Psyche (aufgefasst als Prozess) nichts anderes als ein neuronaler Prozess im zentralen Nervensystem.

Damit ist dein Vorwurf erledigt, ich hätte einen Kategorienfehler begangen!

Warum versuchst Du noch mit dem Konjunktiv II?

Welcher Schwachkopf kommt denn auf die Idee, die Psyche als Substanz "aufzufassen"?

Und muss dann x mal getreten werden, bis er es bemerkt?
_________________
Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44153

Beitrag(#2304773) Verfasst am: 14.04.2024, 05:33    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Der Materialismus/Physikalismus ist in all seinen Versionen eine philosophische (metaphysische/ontologische) Lehre, egal ob er von Philosophen oder Wissenschaftlern vertreten wird.

Red doch keinen Schmarrn. Es geht hier nicht um "den Materialismus" in abstractu, sondern um die wirklichen Möglichkeiten, z. B. Psychologie auf Biologie zu reduzieren. Solange wir vom Materialismus als bloßem philosophischem Gedankenspiel reden, abstrahiert von den wirklichen (man könnte auch sagen materiellen) Gegenstandsbereichen, um die es hier eigentlich gehen soll, bleibt dein Bekenntnis dazu nichts anderes als eben genau das: ein letzten Endes willkürliches Glaubensbekenntnis (und erreicht damit nie die Stufe, auf der es zum Beispiel als Argument in der Transgender-Diskussion fungieren könnte). Dass die Frage, ob die Psychologie als Disziplin sich gegenwärtig auf die Biologie reduzieren lässt oder nicht, in letzter Konsequenz nicht von oder in der Philosophie entschieden werden kann, sollte sich eigentlich von selbst verstehen, und zwar gerade für jemanden, der beansprucht, irgendeine Form des wissenschaftlichen Materialismus zu vertreten. Und wenn du sagst, es geht nicht um die gegenwärtige, sondern um die grundsätzliche Möglichkeit, dann gilt eben genau das, was ich gesagt habe: Dann ist das nichts weiter als eine Konsistenzprüfung und gegebenenfalls noch die Begründung eines Desiderats der Reduktion. (Dass Reduktion ganz generell eine epistemologische und keine ontologische Operation ist, versteht sich hoffentlich von selbst. Eine gelungene Reduktion ist ja gerade ein Vorgang, bei dem man nachweist, dass es ontologisch überhaupt nie etwas zu reduzieren gab, bzw. das Reduzierte überhaupt nie ontologische Eigenständigkeit hatte.)

Myron hat folgendes geschrieben:
Doch das ist keineswegs der Fall! Das Behaupten einer Identität von Entitäten ist freilich eine Tätigkeit unsererseits, aber Identitäten zwischen Entitäten bestehen an sich oder sie bestehen an sich nicht, unabhängig davon, ob wir ihr Bestehen behaupten oder nicht.

Lachen Wie bitte?? Von zwei Dingen zu sagen, sie seien miteinander identisch, ist schlichter Unsinn, und von einem Ding zu sagen, es sei mit sich selbst identisch, ist bloße Tautologie - und zwei Dinge, die nur ein Ding sind und nicht zwei, ist klarerweise ein Selbstwiderspruch. Also was zur Hölle ist bitte eine unabhängig von menschlichen Worten und Behauptungen, menschlicher Wahrnehmung und menschlicher Tätigkeit an sich bestehende Identität zwischen zwei oder mehr Entitäten?? Mit den Augen rollen

Myron hat folgendes geschrieben:
Vielleicht wäre es also besser, den Namen "reduktiver Materialismus/Physikalismus" durch einen anderen zu ersetzen [...]

Dass du meinst, das von mir Gesagte durch eine Ersetzung von Worten oder Bezeichnungen umgehen zu können, zeigt einfach nur, dass du noch nicht mal das Problem verstehst.

Myron hat folgendes geschrieben:
Vielleicht hilft es dir Schlaumeier, meine Aussage richtig zu verstehen, wenn ich Folgendes hinzufüge:

"Aus meiner materialistischen Sicht ist die Psyche (aufgefasst als Substanz) nichts anderes als das zentrale Nervensystem."

Aus einer materialistischen Sicht ist "die Psyche aufgefasst als Substanz" nicht das Zentralnervensystem, sondern einfach Unsinn bzw. eine falsche Auffassung der Psyche: Die Psyche ist keine Substanz. Jetzt müsstest du - wie fwo schon richtig bemerkt hat - nur noch zeigen, dass überhaupt irgendjemand in dieser Diskussion die Psyche als Substanz aufgefasst hätte. (Weder Materialisten noch Konstruktivisten fassen die Psyche als eine Substanz auf!)
_________________
Geh mir aus der Sonne, Alexander!


Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 14.04.2024, 06:25, insgesamt einmal bearbeitet
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
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Beitrag(#2304775) Verfasst am: 14.04.2024, 06:23    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Welcher Schwachkopf kommt denn auf die Idee, die Psyche als Substanz "aufzufassen"?

(Psyche = Seele/Geist)

Alle Substanzdualisten und alle spiritualistischen Substanzmonisten, zu denen "Schwachköpfe" wie Augustinus, Albertus Magnus, Descartes, Christian Wolff, Berkeley und Franz Brentano zählen.

Zitat:
"In uns ist eine unräumliche Substanz, welche in uns als Denkenden, Wollenden, Sehenden, Hörenden gleichmäßig als substanzieller Teil enthalten ist, unser Hören von dem gleichen Hören eines andern unterscheidet und uns als Hörenden, Sehenden, Denkenden u.s.w. zu einer individuellen Einheit macht. Man nennt sie Seele."

(Brentano, Franz. Kategorienlehre. 1933. Hrsg. v. Alfred Kastil. Nachdruck, Hamburg: Meiner, 1985. S. 152)


Die Psyche kann aber auch von Materialisten als Substanz aufgefasst werden, indem sie beispielsweise sagen: "Jede Seele ist ein Körper" (Tadeusz Kotarbinski), "Der Geist ist das (lebende) Gehirn" (kein Zitat), oder "Jede res cogitans ist eine res extensa" (kein Zitat).
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44153

Beitrag(#2304776) Verfasst am: 14.04.2024, 06:28    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Alle Substanzdualisten und alle spiritualistischen Substanzmonisten, zu denen "Schwachköpfe" wie Augustinus, Albertus Magnus, Descartes, Christian Wolff, Berkeley und Franz Brentano zählen.

Was haben die in der Transgender-Debatte verloren?

Myron hat folgendes geschrieben:
Die Psyche kann aber auch von Materialisten als Substanz aufgefasst werden, indem sie beispielsweise sagen: "Jede Seele ist ein Körper" (Tadeusz Kotarbinski), "Der Geist ist das (lebende) Gehirn" (kein Zitat), oder "Jede res cogitans ist eine res extensa" (kein Zitat).

Ich halte solche Sätze für Kinderkrankheiten des Materialismus. Gerade am letzten Satz wird das ganz besonders deutlich: Warum sollte ein Materialist ausgerechnet die cartesianische Terminologie übernehmen??
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Myron
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Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3483

Beitrag(#2304777) Verfasst am: 14.04.2024, 06:35    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Alle Substanzdualisten und alle spiritualistischen Substanzmonisten, zu denen "Schwachköpfe" wie Augustinus, Albertus Magnus, Descartes, Christian Wolff, Berkeley und Franz Brentano zählen.

Was haben die in der Transgender-Debatte verloren?


Wir sind hier im Thread Der Materialismus!

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Die Psyche kann aber auch von Materialisten als Substanz aufgefasst werden, indem sie beispielsweise sagen: "Jede Seele ist ein Körper" (Tadeusz Kotarbinski), "Der Geist ist das (lebende) Gehirn" (kein Zitat), oder "Jede res cogitans ist eine res extensa" (kein Zitat).

Ich halte solche Sätze für Kinderkrankheiten des Materialismus. Gerade am letzten Satz wird das ganz besonders deutlich: Warum sollte ein Materialist ausgerechnet die cartesianische Terminologie übernehmen??


Können heißt nicht sollen!
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44153

Beitrag(#2304781) Verfasst am: 14.04.2024, 13:13    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Alle Substanzdualisten und alle spiritualistischen Substanzmonisten, zu denen "Schwachköpfe" wie Augustinus, Albertus Magnus, Descartes, Christian Wolff, Berkeley und Franz Brentano zählen.

Was haben die in der Transgender-Debatte verloren?

Wir sind hier im Thread Der Materialismus!

Ach soo, also diese Diskussion hat gar nicht dort angefangen, weil sie dort relevant wurde? Du machst hier wirklich einfach nur interesseloses Herumphilosophieren ohne jeden Zusammenhang zum anderen Thread?

Nun gut, wenn du einsiehst, dass deine Meinungsäußerungen dazu, welche Spielart des Materialismus du persönlich am liebsten magst, keinerlei Relevanz für die Transgender-Debatte haben, dann kann ich das natürlich akzeptieren.

Myron hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Die Psyche kann aber auch von Materialisten als Substanz aufgefasst werden, indem sie beispielsweise sagen: "Jede Seele ist ein Körper" (Tadeusz Kotarbinski), "Der Geist ist das (lebende) Gehirn" (kein Zitat), oder "Jede res cogitans ist eine res extensa" (kein Zitat).

Ich halte solche Sätze für Kinderkrankheiten des Materialismus. Gerade am letzten Satz wird das ganz besonders deutlich: Warum sollte ein Materialist ausgerechnet die cartesianische Terminologie übernehmen??

Können heißt nicht sollen!

...Hä??
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Myron
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Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3483

Beitrag(#2304787) Verfasst am: 14.04.2024, 20:45    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Der Materialismus/Physikalismus ist in all seinen Versionen eine philosophische (metaphysische/ontologische) Lehre, egal ob er von Philosophen oder Wissenschaftlern vertreten wird.

Red doch keinen Schmarrn. Es geht hier nicht um "den Materialismus" in abstractu, sondern um die wirklichen Möglichkeiten, z. B. Psychologie auf Biologie zu reduzieren. Solange wir vom Materialismus als bloßem philosophischem Gedankenspiel reden, abstrahiert von den wirklichen (man könnte auch sagen materiellen) Gegenstandsbereichen, um die es hier eigentlich gehen soll, bleibt dein Bekenntnis dazu nichts anderes als eben genau das: ein letzten Endes willkürliches Glaubensbekenntnis (und erreicht damit nie die Stufe, auf der es zum Beispiel als Argument in der Transgender-Diskussion fungieren könnte).

Dass die Frage, ob die Psychologie als Disziplin sich gegenwärtig auf die Biologie reduzieren lässt oder nicht, in letzter Konsequenz nicht von oder in der Philosophie entschieden werden kann, sollte sich eigentlich von selbst verstehen, und zwar gerade für jemanden, der beansprucht, irgendeine Form des wissenschaftlichen Materialismus zu vertreten. Und wenn du sagst, es geht nicht um die gegenwärtige, sondern um die grundsätzliche Möglichkeit, dann gilt eben genau das, was ich gesagt habe: Dann ist das nichts weiter als eine Konsistenzprüfung und gegebenenfalls noch die Begründung eines Desiderats der Reduktion. (Dass Reduktion ganz generell eine epistemologische und keine ontologische Operation ist, versteht sich hoffentlich von selbst. Eine gelungene Reduktion ist ja gerade ein Vorgang, bei dem man nachweist, dass es ontologisch überhaupt nie etwas zu reduzieren gab, bzw. das Reduzierte überhaupt nie ontologische Eigenständigkeit hatte.)


I. Wenn das Reduzierte nicht ontologisch "eliminiert" (für nichtexistent/nichtreal erklärt) wird, dann muss die ontologische Beziehung zwischen dem (existenten/realen) Reduzierten und dem Reduzierenden nicht Identität sein; denn es kann auch nur eine Dependenzbeziehung sein wie Supervenienz, funktionale Realisation, nichtidentitive Konstitution und nichtidentitive Komposition.

Fußnote1: Für mich ist Konstitution/Komposition identitätsimplizierend, d.h. ein Ganzes ist nach meiner Auffassung mit der Summe seiner Teile identisch, wobei zu den Teilen nicht nur Dinge, sondern auch Eigenschaften und Beziehungen zählen können.)

Fußnote2: Man kann nicht eliminieren, was gar nicht existiert. Man kann nicht aus der Welt schaffen, was in der Welt nicht vorhanden ist. Man kann also nur existente Repräsentationen (Begriffe) von Nichtexistentem aus einer Wissenschaftssprache und aus wissenschaftlichen Theorien eliminieren.

II. Was ist "wissenschaftlicher Materialismus"? Ich verstehe darunter wissenschaftlich angewandten Materialismus, methodologischen Materialismus in der Wissenschaft.

III.
Zitat:
"As I conceive of metaphysics it is largely an activity of conceptual clarification in the service of attaining the most plausible view of the universe in the light of a synthesis of the various sciences. Plausibility in the light of total science is the ontologist's touchstone. On this view there is of course no sharp line between science and metaphysics. Metaphysics is the most conjectural and conceptually interesting end of total science. Many scientific theories give rise to highly conceptual discussions of the sort that we can recognize as typical of what is generally regarded as philosophy. Consider for example the well-known discussion between Bohr and Einstein (Bohr, 1959). The more the scientist challenges commonly held assumptions, assumptions that are so deep rooted they are rarely thought about but are taken for granted, the greater the similarity between the scientist and the traditional metaphysician."

(Smart, J. J. C. "Methodology and Ontology." In Imre Lakatos and Theories of Scientific Change, edited by Kostas Gavroglu, Yorgos Goudaroulis, and Pantelis Nicolacopoulos, 47-57. Dordrecht: Kluwer Academic, 1989. p. 50)


Nun, wie glaubwürdig ist der reduktive (äquative/identitive) Materialismus im Licht der Gesamtschau der Wissenschaften? Ich halte ihn für höchst glaubwürdig; aber das ist letztlich eine (mehr oder weniger) spekulative Annahme meinerseits, denn seine Wahrheit folgt nicht logisch aus unserem wissenschaftlichen Gesamtwissen über die Welt.

Man zwar argumentieren, dass der reduktive Materialismus umso glaubwürdiger ist, je erfolgreicher repräsentationale Reduktionen in den Wissenschaften sind, aber—siehe I.!—die einer semiotischen Reduktion zugrunde liegende ontologische Beziehung muss nicht notwendigerweise Identität sein, sodass interpretatorisch Raum für den ontologisch nichtreduktiven/emergentiven Materialismus bleibt.

Galen Strawson meint, dass…

Zitat:
"Belief in the truth of materialism is a matter of faith and needs to be tempered by agnosticism. This is particularly apparent when it comes to the 'mind-body' problem."

(Strawson, Galen. Mental Reality. Cambridge, MA: MIT Press, 1994. p. 43)


Mag sein, aber dann halte ich den (reduktiven) Materialismus nichtsdestoweniger für den glaubwürdigsten Glauben und die vernünftigste Annahme (im Vergleich mit seinen metaphysischen Konkurrenten und im Licht unseres erfahrungswissenschaftlichen Weltwissens).

IV. Hm…, was genau ist "epistemologische Reduktion"?

Zitat:
"Representational reduction is sometimes referred to as “epistemological reduction”."

Quelle: https://plato.stanford.edu/entries/scientific-reduction/
——————
"Epistemic reduction is the idea that the knowledge about one scientific domain (typically about higher level processes) can be reduced to another body of scientific knowledge (typically concerning a lower or more fundamental level). While an endorsement of some form of epistemic reduction can be motivated by ontological reduction in combination with methodological reductionism (e.g., the past success of reductionist research in biology), the possibility of epistemic reduction does not follow directly from their conjunction. Indeed, debates about reduction in the philosophy of biology have centered on this third type of reduction as the most controversial issue (see Section 4), and therefore our discussion will focus primarily on issues related to epistemic reduction. Prior to evaluating any reduction of one body of knowledge to another, a conception of those bodies of knowledge and what it would mean for them to be “reduced” must be explicated. A number of different models of reduction have been proposed. Thus, the debate about reduction in biology has not only revolved around whether epistemic reduction is possible, but also which notions of epistemic reduction are operative in actual scientific reasoning. Two basic categories can be distinguished: (a) models of theory reduction maintain that one theory can be logically deduced from another theory (Section 3.1); and, (b) models of explanatory reduction focus on whether higher level features can be explained by lower level features."

Quelle: https://plato.stanford.edu/entries/reduction-biology/


Ich sehe somit vier Arten repräsentationaler Reduktionen:

1. semantische Reduktionen:
1.1 reduktive Definitionen von Wörtern (Begriffen) einer "höheren" Wissenschaftssprache durch Wörter (Begriffe) einer "niedrigeren" Wissenschaftssprache.
1.2 reduktive Translationen (Übersetzungen) von Sätzen (Aussagen) oder Texten (Theorien) einer "höheren" Wissenschaftssprache in Sätze (Aussagen) oder Texte (Theorien) einer "niedrigeren" Wissenschaftssprache.
2. logisch-epistemische Reduktionen: reduktive Deduktionen (Ableitungen) wahrer Aussagen (Tatsachen) einer "höheren" Wissenschaft aus wahren Aussagen (Tatsachen) einer "niedrigeren" Wissenschaft.
3. ätiologische Reduktionen: reduktive Explanationen (ursächliche Erklärungen) von Tatsachen einer "höheren" Wissenschaft durch Tatsachen einer "niedrigeren" Wissenschaft.

Zitat:
"The Varieties of Reductionism: Ontological and Epistemological

The basic idea of reduction is conveyed by the “nothing more than . . .” cliché. If Xs reduce to Ys, then we would seem to be justified in saying or believing things such as “Xs are nothing other (or more) than Ys,” or “Xs are just special sorts, combinations or complexes of Ys.” However, once beyond cliches, the notion of reduction is ambiguous along two principal dimensions: the types of items that are reductively linked and the nature of the link involved. To define a specific notion of reduction, we need to answer two questions:

* Question of the relata: Reduction is a relation, but what types of things may be related?
* Question of the link: In what way(s) must the items be linked to count as a reduction?

Let us first consider the question of the relata. The things that may be related have been viewed either as:

* real world items – entities, events, properties, etc. – which is the Ontological form of Reduction, or
* representational items – theories, concepts, models, frameworks, schemas, regularities, etc. – which is the Epistemological form of Reduction.

Thus, the first step in our taxonomy subdivides into two types of reduction. Each type further subdivides based on the specific kinds of relata in question. Ontological subdivisions include: parts and wholes; properties; events/processes; and causal capacities. Epistemological subdivisions include: concepts; laws (epistemically construed); theories; and models. (These lists are not intended to be exhaustive, but merely representative.)

The second question about the link was in what way(s) must the items be linked to count as a case of reduction? Again, there are a variety of answers on both the ontological and the epistemological side.

Question of the ontological link: How must things be related for one to ontologically reduce to the other? At least four major answers have been championed:

* Elimination
* Identity
* Mereological supervenience (includes “composition”, “realization” and other related weaker versions of this kind of determination relation)
* Nomological supervenience/determination" (p. 82)

"In epistemological reduction one set of representational items is reduced to another. These representational items are all human constructions and often taken to be linguistic or linguistic surrogates, though this need not be the case. It was noted above that reduction relations might hold among at least four different kinds of representational items.

Concerning the epistemological links (or relations) that do the reducing, a diversity of claims have been made. Some relations, such as derivability, make sense as a relation between theories seen as sets of propositions but not among models or concepts. However, certain commonalities run through the family of epistemological-reductive relations. Most of the specific variants of epistemological reduction fall into one of four general categories:

* Replacement
* Theoretical-derivational (logical empiricist)
* Semantic/model-theoretic/structuralist analysis
* Pragmatic" (p. 84)

(Silberstein, Michael. "Reduction, Emergence and Explanation." In The Blackwell Guide to the Philosophy of Science, edited by Peter Machamer & Michael Silberstein, 80-107. Oxford: Blackwell, 2002.)


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Doch das ist keineswegs der Fall! Das Behaupten einer Identität von Entitäten ist freilich eine Tätigkeit unsererseits, aber Identitäten zwischen Entitäten bestehen an sich oder sie bestehen an sich nicht, unabhängig davon, ob wir ihr Bestehen behaupten oder nicht.

Wie bitte?? Von zwei Dingen zu sagen, sie seien miteinander identisch, ist schlichter Unsinn, und von einem Ding zu sagen, es sei mit sich selbst identisch, ist bloße Tautologie - und zwei Dinge, die nur ein Ding sind und nicht zwei, ist klarerweise ein Selbstwiderspruch. Also was zur Hölle ist bitte eine unabhängig von menschlichen Worten und Behauptungen, menschlicher Wahrnehmung und menschlicher Tätigkeit an sich bestehende Identität zwischen zwei oder mehr Entitäten??


Ich habe oben keine Zahlwörter verwendet!

A = A, das ist natürlich eine logische Wahrheit.
A = B oder A = B+C, das sind keine Tautologien.

Wenn A = B oder A = B+C, dann folgt daraus freilich, dass sich "A" und "B" bzw. "B+C" auf ein und dieselbe Sache beziehen. Aus der Identität des Bezugsgegenstandes von "A" und "B"/"B+C" folgt aber nicht deren Synonymität!

Dass Olaf Scholz mit Olaf Scholz identisch ist, ist eine logisch notwendige Wahrheit, wohingegen es keine solche Wahrheit ist, dass Olaf Scholz mit dem Bundeskanzler der BRD identisch ist. "Olaf Scholz" ist auch kein Synonym von "der Bundeskanzler der BRD", da Olaf Scholz nicht notwendigerweise der Bundeskanzler der BRD ist. Die Beschreibung "der Bundeskanzler der BRD" kann sich auf andere Personen beziehen.

Wenn ich sage, dass ein Molekül M aus den vier Atomen A1, A2, A3, A4 zusammengesetzt ist, sodass M = A1+A2+A3+A4 ("+" = das mereologische Plus als Summenzeichen), dann ist das auch keine logische Tautologie.

Ein Atom kann nicht mit zwei Atomen identisch sein, aber zwei oder mehr Atome können mit einem Molekül identisch sein.

Ein Elefant kann nicht zwei oder mehr Elefanten sein, aber viele Elefanten können eine Herde von Elefanten sein.

Die reduktiven (äquativen) Materialisten geben mitnichten Unsinn von sich, wenn sie (kompositorische) Identitäten zwischen psychologischen Entitäten und (Summen oder Komplexen von) neurologischen Entitäten postulieren.

Fußnote: Es gibt zwei Lager in der Mereologie—die einen sagen "Composition is (entails) identity!" und die anderen "Composition isn't (doesn't entail) identity!". Ich gehöre zu ersterem Lager!

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Vielleicht wäre es also besser, den Namen "reduktiver Materialismus/Physikalismus" durch einen anderen zu ersetzen [...]

Dass du meinst, das von mir Gesagte durch eine Ersetzung von Worten oder Bezeichnungen umgehen zu können, zeigt einfach nur, dass du noch nicht mal das Problem verstehst.


Von wegen! Die Alternativnamen sind verständnisfördernd!
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Tarvoc
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Beiträge: 44153

Beitrag(#2304788) Verfasst am: 14.04.2024, 21:04    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Doch das ist keineswegs der Fall! Das Behaupten einer Identität von Entitäten ist freilich eine Tätigkeit unsererseits, aber Identitäten zwischen Entitäten bestehen an sich oder sie bestehen an sich nicht, unabhängig davon, ob wir ihr Bestehen behaupten oder nicht.

Wie bitte?? Von zwei Dingen zu sagen, sie seien miteinander identisch, ist schlichter Unsinn, und von einem Ding zu sagen, es sei mit sich selbst identisch, ist bloße Tautologie - und zwei Dinge, die nur ein Ding sind und nicht zwei, ist klarerweise ein Selbstwiderspruch. Also was zur Hölle ist bitte eine unabhängig von menschlichen Worten und Behauptungen, menschlicher Wahrnehmung und menschlicher Tätigkeit an sich bestehende Identität zwischen zwei oder mehr Entitäten??

Ich habe oben keine Zahlwörter verwendet!

(Fettung durch mich.) Dass das Wort "Entitäten" ein Plural ist, gibst du aber schon zu? Oder musst du das erst in Grimms Wörterbuch nachschlagen? Mit den Augen rollen

Myron hat folgendes geschrieben:
A = B oder A = B+C, das sind keine Tautologien.

Wenn A = B oder A = B+C, dann folgt daraus freilich, dass sich "A" und "B" bzw. "B+C" auf ein und dieselbe Sache beziehen. Aus der Identität des Bezugsgegenstandes von "A" und "B"/"B+C" folgt aber nicht deren Synonymität!

Richtig. Jetzt sag mir aber mal bitte noch, was in einem solchen Fall von der nicht-tautologischen "Identität" des Bezugsgegenstandes von A und B übrigbleibt, wenn man sich jeden menschlichen Faktor - also die Zeichen "A" und "B" und die beiden unterschiedlichen Perspektiven auf das selbe Phänomen - wegdenkt. (Wobei dein komisches Herumaddieren ohnehin mystifiziert, worum es hier ging, denn die Venus ist ja nicht der Abendstern plus der Morgenstern.)

Myron hat folgendes geschrieben:
Dass Olaf Scholz mit Olaf Scholz identisch ist, ist eine logisch notwendige Wahrheit, wohingegen es keine solche Wahrheit ist, dass Olaf Scholz mit dem Bundeskanzler der BRD identisch ist. "Olaf Scholz" ist auch kein Synonym von "der Bundeskanzler der BRD", da Olaf Scholz nicht notwendigerweise der Bundeskanzler der BRD ist. Die Beschreibung "der Bundeskanzler der BRD" kann sich auf andere Personen beziehen.

Wirklich niemand käme auf die Idee, zu sagen, dass Olaf Scholz an sich, unabhängig von menschlicher Betrachtung und menschlicher Rede, mit dem Bundeskanzler der BRD identisch ist. Also niemand außer einer ganz besonderen Art von "Ontologen". Lachen

Myron hat folgendes geschrieben:
Die reduktiven (äquativen) Materialisten geben mitnichten Unsinn von sich, wenn sie (kompositorische) Identitäten zwischen psychologischen Entitäten und (Summen oder Komplexen von) neurologischen Entitäten postulieren.

Nein, natürlich nicht. Aber du gibst Unsinn von dir, wenn du von einer gänzlich unabhängig von menschlicher Betrachtung und Behauptung an sich bestehenden Identität zwischen Entitäten (Plural!) sprichst. Und das hast du nun mal getan.

Myron hat folgendes geschrieben:
Fußnote: Es gibt zwei Lager in der Mereologie—die einen sagen "Composition is (entails) identity!" und die anderen "Composition isn't (doesn't entail) identity!". Ich gehöre zu ersterem Lager!

Kann man ja machen, aber dann sollte man zugeben, dass man das Wort "Identität" dabei in ungewöhnlicher Weise verwendet. Etwas ist ja zweifellos richtig daran, zu sagen, dass das Auto mit den Einzelteilen identisch ist, aus denen es besteht - also richtig daran ist mindestens, dass durch den Zusammenbau nicht irgendwie magisch ein weiteres Teil dazukommt. Nur wenn du das Auto auseinandernimmst, dann hast du zwar immer noch die Einzelteile, sogar als Summe (T1+T2+T3 etc. wie oben), aber das Auto hast du dann nicht mehr.

Wenn jemand bei dir ein Auto bestellt und du ihm einen Haufen Einzelteile lieferst, selbst mit vollem Benzinkanister, wird sich kein Gericht auf dein Argument einlassen, diese seien mit dem zusammengebauten Auto identisch.

Oder meinst du, die Einzelteile sind nur dann mit dem Auto identisch, wenn sie tatsächlich eins bilden? Dann wäre aber die Behauptung einer Identität beider an sich sogar noch viel alberner.

Myron hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Vielleicht wäre es also besser, den Namen "reduktiver Materialismus/Physikalismus" durch einen anderen zu ersetzen [...]

Dass du meinst, das von mir Gesagte durch eine Ersetzung von Worten oder Bezeichnungen umgehen zu können, zeigt einfach nur, dass du noch nicht mal das Problem verstehst.

Von wegen! Die Alternativnamen sind verständnisfördernd!

Nur bestand an der Stelle überhaupt kein Verständnisproblem.
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fwo
Caterpillar D9



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Beiträge: 25902
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2304789) Verfasst am: 14.04.2024, 21:57    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Welcher Schwachkopf kommt denn auf die Idee, die Psyche als Substanz "aufzufassen"?

(Psyche = Seele/Geist)

Alle Substanzdualisten und alle spiritualistischen Substanzmonisten, zu denen "Schwachköpfe" wie Augustinus, Albertus Magnus, Descartes, Christian Wolff, Berkeley und Franz Brentano zählen....

Tarvoc hat schon die wesentliche Frage gestellt:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:

Was haben die in der Transgender-Debatte verloren?...


In der habe ich mich nämlich bewegt und habe keine Lust, einfach das Thema zu wechseln, weil es Dir in den Sinn kam, geändert zu googeln.

Aber ich kann auch noch direkter werden: Diese tollen Leute von Albertus Magnus bis einschließlich Franz Brentano, der sogar Ernsthaftes zur Psychologie beigetragen hat, müsste man heute in diesem Thema als Schwachköpfe bezeichnen, würden sie ihre alten Weisheiten von damals unverändert vortragen. Es fehlte ihnen ganz schlicht an erheblichem Wissen, das wir heute als gesichert betrachten.

Das haben sie anscheinend mit Dir gemeinsam. Da kannst Du wirklich stolz drauf sein.
_________________
Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Myron
Metaphysischer Materialist



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Beiträge: 3483

Beitrag(#2304791) Verfasst am: 14.04.2024, 23:22    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Dass das Wort "Entitäten" ein Plural ist, gibst du aber schon zu? Oder musst du das erst in Grimms Wörterbuch nachschlagen?


Wenn ich von A und B im Plural als Entitäten spreche und sage, dass zwischen der Entität A und der Entität B die Beziehung der Identität besteht, dann ist daran nichts widersinnig, weil ich damit natürlich nicht sage, dass es sich um zwei (verschiedene) Entitäten handelt—im Gegenteil!

Außerdem kann eine Entität mit einer Entität identisch sein, die aus zwei oder mehr Entitäten besteht.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Wenn A = B oder A = B+C, dann folgt daraus freilich, dass sich "A" und "B" bzw. "B+C" auf ein und dieselbe Sache beziehen. Aus der Identität des Bezugsgegenstandes von "A" und "B"/"B+C" folgt aber nicht deren Synonymität!

Richtig. Jetzt sag mir aber mal bitte noch, was in einem solchen Fall von der nicht-tautologischen "Identität" des Bezugsgegenstandes von A und B übrigbleibt, wenn man sich jeden menschlichen Faktor - also die Zeichen "A" und "B" und die beiden unterschiedlichen Perspektiven auf das selbe Phänomen - wegdenkt. (Wobei dein komisches Herumaddieren ohnehin mystifiziert, worum es hier ging, denn die Venus ist ja nicht der Abendstern plus der Morgenstern.)


Die mereologische Summation hat nichts Mystisches an sich!

Wir könnten nun darüber streiten, ob logische Beziehungen wie Identität Teil der Realität sind; aber gleichgültig ob sie es sind oder nicht: Wenn A = A, dann existiert das selbstidentische A unabhängig von allen Zeichen, die für A stehen; und wenn A = B, dann existiert das mit B identische A bzw. das mit A identische B unabhängig von allen Zeichen, die für A bzw. für B stehen.

Wenn die äquativen Materialisten recht haben, und alle psychologischen Phänomene mit (dynamischen) Systemen neurologischer Phänomene identisch sind, dann besteht diese Identität repräsentationsunabhängig als objektive natürliche Tatsache.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Die reduktiven (äquativen) Materialisten geben mitnichten Unsinn von sich, wenn sie (kompositorische) Identitäten zwischen psychologischen Entitäten und (Summen oder Komplexen von) neurologischen Entitäten postulieren.

Nein, natürlich nicht. Aber du gibst Unsinn von dir, wenn du von einer gänzlich unabhängig von menschlicher Betrachtung und Behauptung an sich bestehenden Identität zwischen Entitäten (Plural!) sprichst. Und das hast du nun mal getan.


Ich habe oben bereits erklärt, dass die pluralische Rede von identischen Entitäten nicht widersprüchlicherweise impliziert, dass es sich um zwei (verschiedene) Entitäten handelt.
Allerdings kann eine Summe von zwei oder mehr (verschiedenen) Entitäten mit einer Entität identisch sein: A = B+C+…

Erkläre du mir doch, inwiefern die selbstidentische Erde nicht an sich existiert, d.h. nicht "unabhängig von menschlicher Betrachtung und Behauptung"!

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Fußnote: Es gibt zwei Lager in der Mereologie—die einen sagen "Composition is (entails) identity!" und die anderen "Composition isn't (doesn't entail) identity!". Ich gehöre zu ersterem Lager!

Kann man ja machen, aber dann sollte man zugeben, dass man das Wort "Identität" dabei in ungewöhnlicher Weise verwendet. Etwas ist ja zweifellos richtig daran, zu sagen, dass das Auto mit den Einzelteilen identisch ist, aus denen es besteht - also richtig daran ist mindestens, dass durch den Zusammenbau nicht irgendwie magisch ein weiteres Teil dazukommt. Nur wenn du das Auto auseinandernimmst, dann hast du zwar immer noch die Einzelteile, sogar als Summe (T1+T2+T3 etc. wie oben), aber das Auto hast du dann nicht mehr.

Wenn jemand bei dir ein Auto bestellt und du ihm einen Haufen Einzelteile lieferst, selbst mit vollem Benzinkanister, wird sich kein Gericht auf dein Argument einlassen, diese seien mit dem zusammengebauten Auto identisch.

Oder meinst du, die Einzelteile sind nur dann mit dem Auto identisch, wenn sie tatsächlich eins bilden? Dann wäre aber die Behauptung einer Identität beider an sich sogar noch viel alberner.


Ich habe geschrieben:

Zitat:
"Fußnote1: Für mich ist Konstitution/Komposition identitätsimplizierend, d.h. ein Ganzes ist nach meiner Auffassung mit der Summe seiner Teile identisch, wobei zu den Teilen nicht nur Dinge, sondern auch Eigenschaften und Beziehungen zählen können." – Myron


Du hast insofern recht, als die bloße mereologische Summe der Elementarteilchen eines integralen Ganzen wie eines Autos oder eines Hundes auch dann unverändert weiterbestünde, wenn die einzelnen Elementarteilchen Lichtjahre voneinander getrennt wären, in welchem Fall das Auto oder der Hund natürlich nicht mehr bestünde.

Ein integrales materielles Ganzes wie ein Organismus bildet eine strukturell-funktionale Einheit, sodass es in dieser Hinsicht tatsächlich mehr ist als eine bloße Summe oder ein bloßes Aggregat seiner Elementarteilchen. Komplexe oder Systeme sind keine bloßen Haufen von Dingen.

Aus diesem Grund unterscheidet David Lewis zwischen mereologischen Standardsummen (standard sums) und erweiterten Summen (augmented sums). Bei letzteren werden die räumlichen und zeitlichen Beziehungen zwischen den Elementarteilchen eines Systems als zusätzliche Teile in die Summe einbezogen, sodass die erweiterte Summe aller substanziellen Teile plus aller relationalen Teile eines Autos oder eines Hundes nicht weiterbesteht, wenn das Auto oder der Hund aufhört zu sein. An der Standardsumme der Elementarteilchen ändert sich dagegen nichts, solange nicht einzelne oder mehrere davon vernichtet werden.

Fußnote: Die Rede von Beziehungen oder Eigenschaften als zusätzlichen Teilen eines realen Ganzen setzt strenggenommen den ontologischen Realismus in Bezug auf sie voraus; denn wenn Relationen oder Attribute keine Entitäten sind, dann können sie keine Komponenten realer Komplexe sein. In die ontologische Debatte zwischen dem Eigenschafts- oder Beziehungsrealismus und dem Eigenschafts- oder Beziehungsnominalismus müssen wir hier aber nicht einsteigen.

Zitat:
"[T]here is such a thing as a + b, the mereological sum of a and b and nothing more. For there’s a mereological sum of anything and anything. But a + b is not the whole of c, because it leaves out R. The whole c is more than the sum of its parts a and b. Not because it’s more than the sum of all its parts – nothing is that – but because a and b aren’t all its parts.

Let me distinguish the standard mereological sum from the augmented mereological sum. The standard sum is defined by (5) [x is the sum of y and z iff, for all w, w overlaps x iff x overlaps either y or z]. The augmented sum is defined in terms of a standard sum:

In general, the augmented sum of x and y is the standard sum of x and y and whatever external relations obtain between them.

Standard sum is a topic-neutral notion; appropriately part of mereology understood as a generalisation of the logic of identity. Augmented sum is a more theoretically loaded notion."

(Lewis, David. "Letter to D. M. Armstrong, 8 June 1983." In Philosophical Letters of David K. Lewis, Volume 1: Causation, Modality, Ontology, edited by Helen Beebee and A. R. J. Fisher, 506-509. New York: Oxford University Press, 2020. p. 507)


Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Von wegen! Die Alternativnamen sind verständnisfördernd!

Nur bestand an der Stelle überhaupt kein Verständnisproblem.


Soso…

Was ist denn dein Standpunkt bezüglich des guten alten Geist-Körper-/Leib-Seele-Verhältnisses?
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44153

Beitrag(#2304795) Verfasst am: 15.04.2024, 03:49    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Wir könnten nun darüber streiten, ob logische Beziehungen wie Identität Teil der Realität sind; aber gleichgültig ob sie es sind oder nicht: Wenn A = A, dann existiert das selbstidentische A unabhängig von allen Zeichen, die für A stehen; und wenn A = B, dann existiert das mit B identische A bzw. das mit A identische B unabhängig von allen Zeichen, die für A bzw. für B stehen.

Lachen Lachen Lachen Also mit anderen Worten: Dafür, ob die logische Beziehung der Identität zwischen A und B an sich in der Realität existiert, ist es gleichgültig, ob die logische Beziehung der Identität an sich in der Realität existiert.

Hast du wirklich geglaubt, dass mir das nicht auffallen würde? Ob Identität an sich in der Realität existiert, ist natürlich nicht unabhängig davon, ob Identität an sich in der Realität existiert.

Können wir solche Albernheiten bitte in Zukunft lassen?

Myron hat folgendes geschrieben:
Wenn die äquativen Materialisten recht haben, und alle psychologischen Phänomene mit (dynamischen) Systemen neurologischer Phänomene identisch sind, dann besteht diese Identität repräsentationsunabhängig als objektive natürliche Tatsache.

Die Auffassung, dass psychologische Phänomene als solche überhaupt unabhängig von menschlicher Betrachtung und Beurteilung (inklusive der ihres Trägers!) in der Realität an sich auftreten, ist mindestens erklärungsbedürftig. Reduktion bedeutet ja hier gerade, eine bestimmte Perspektive auf ein Phänomen auf ihre materielle Basis zu reduzieren - so wie die reduzierende Identifikation des Morgensterns und Abendsterns mit der Venus die Perspektive des Menschen, dem der selbe Himmelskörper an zwei unterschiedlichen Tageszeiten erscheint, auf diesen Himmelskörper als ihren Gegenstand reduziert; oder wie eine Reduktion psychischer Vorgänge auf neuronale die Innenwahrnehmung auf die von außen wahrnehmbare materielle Basis zurückführt (ob nun als Identität, funktionale Realisation oder was auch immer). Was es heißen soll, dass diese Reduktion einer Perspektive auf ihre materielle Grundlage als objektive natürliche Tatsache auch unabhängig von der Perspektivebestehen soll, ist nicht klar. Nur weil die Reduktion der Perspektive nicht unabhängig von der Perspektive selbst ist, die sie reduziert, ist die Identitätsbehauptung eine bedeutsame Aussage und nicht bloß tautologische Attestierung von Selbstidentität. Frei nach Hegel: Die Differenz (nämlich der Perspektiven) ist die Voraussetzung der Identität (im bedeutungsvollen, nicht-tautologischen Sinne). Identität in diesem bedeutungsvollen Sinne ist Identität von Identität und Nicht-Identität. Klar: Wenn das leuchtende Ding da oben die Venus ist, dann ist es das auch, wenn wir was anderes glauben. Aber das stand ja nicht in Frage. Aber zu sagen, dass der Morgenstern und der Abendstern der selbe Himmelskörper sind, setzt unsere Unterscheidung von Morgenstern und Abendstern voraus. Und in genau dem Sinne gibt es eben keine bedeutungsvolle Identität an sich, unabhängig von uns: in dem Sinne, dass es schlicht keinen Sinn hat, das zu sagen - bzw. in dem Sinne, dass wir immer dann, wenn wir versuchen, zu sagen, was das überhaupt heißen soll, wieder bei der bloß tautologischen Selbstidentität landen, also gerade bei dem, was es eben nicht nur heißen sollte.

Deshalb konnte Wittgenstein TLP 5.5303 bezweifeln, dass von der Identität von Gegenständen zu sprechen überhaupt einen Sinn habe.

Myron hat folgendes geschrieben:
Ich habe oben bereits erklärt, dass die pluralische Rede von identischen Entitäten nicht widersprüchlicherweise impliziert, dass es sich um zwei (verschiedene) Entitäten handelt.

Nur wenn es sich nicht um zwei verschiedene Entitäten handelt, dann reduziert sich die Aussage der Identität unter Abstraktion menschlicher Betrachtung und Beurteilung nun mal auf die reine Tautologie der Selbstidentität.

Myron hat folgendes geschrieben:
Allerdings kann eine Summe von zwei oder mehr (verschiedenen) Entitäten mit einer Entität identisch sein: A = B+C+…

Au weia! Das mathematische Gleichheitszeichen bedeutet nicht Identität, sondern Wertgleichheit.

Myron hat folgendes geschrieben:
Erkläre du mir doch, inwiefern die selbstidentische Erde nicht an sich existiert, d.h. nicht "unabhängig von menschlicher Betrachtung und Behauptung"!

Es geht hier aber nun mal nicht um tautologische Behauptungen von Selbstidentität und schon gar nicht darum, ob die Erde als Gegenstand existiert. Wie kann es eigentlich sein, dass du das immer wieder durcheinanderbringst? Mit den Augen rollen

Myron hat folgendes geschrieben:
Die Rede von Beziehungen oder Eigenschaften als zusätzlichen Teilen eines realen Ganzen setzt strenggenommen den ontologischen Realismus in Bezug auf sie voraus; denn wenn Relationen oder Attribute keine Entitäten sind, dann können sie keine Komponenten realer Komplexe sein. In die ontologische Debatte zwischen dem Eigenschafts- oder Beziehungsrealismus und dem Eigenschafts- oder Beziehungsnominalismus müssen wir hier aber nicht einsteigen.

Nein, wahrlich nicht. Wer sich für meine Position zu dem Thema interessiert, kann sich ja etwa gegen Ende des Jahres mein Buch kaufen. Der Punkt ist jedenfalls geschenkt.

Myron hat folgendes geschrieben:
Was ist denn dein Standpunkt bezüglich des guten alten Geist-Körper-/Leib-Seele-Verhältnisses?

Meinen Standpunkt zum "Geist" darzustellen ist hier vermutlich wenig hilfreich, weil mein Geistbegriff ein ganz anderer ist als der, den du im Sinn hast. Für mich drücken z. B. auch Kunstwerke einen Geist aus (um noch vergleichsweise simpel zu bleiben). Den Begriff "Seele" mag ich nicht, aber wenn wir mal annehmen, dass damit die Gesamtheit der Gegenstände der Psychologie gemeint ist, dann ist das ein Sammelbegriff mit sehr heterogenem Inhalt. Einiges davon mag nahtlos auf Gehirnchemie und Neurologie reduzierbar sein, bei anderem dürfte das hingegen schwierig werden, z. B. weil es dabei schon begrifflich eher um Verhältnisse des Individuums zu seiner Umwelt geht - womit wir wieder beim Thema Verhältnisrealismus wären. Aber man wird sehen.
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Myron
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Beitrag(#2304812) Verfasst am: 15.04.2024, 21:49    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Wir könnten nun darüber streiten, ob logische Beziehungen wie Identität Teil der Realität sind; aber gleichgültig ob sie es sind oder nicht: Wenn A = A, dann existiert das selbstidentische A unabhängig von allen Zeichen, die für A stehen; und wenn A = B, dann existiert das mit B identische A bzw. das mit A identische B unabhängig von allen Zeichen, die für A bzw. für B stehen.

Also mit anderen Worten: Dafür, ob die logische Beziehung der Identität zwischen A und B an sich in der Realität existiert, ist es gleichgültig, ob die logische Beziehung der Identität an sich in der Realität existiert.


Aufmerksames Lesen ist hilfreich! Wenn ich von der repräsentationsunabhängigen Existenz des selbstidentischen A oder des mit B identischen A bzw. des mit A identischen B spreche, dann impliziert das keine ontologische Festlegung auf die Existenz der Identität als einer realen Relation.

Es ist allgemein so, dass die Wahrmacher relationaler Wahrheiten nicht unbedingt reale Relationen einschließen. Ein Beispiel: "Der 80-jährige Peter ist älter als der 60-jährige Markus." – Was muss existieren, damit dies wahr ist? Es müssen nur der 80-jährige Peter und der 60-jährige Markus existieren; denn daraus folgt unmittelbar, dass Peter älter ist als Markus. Die zusätzliche Existenz der vergleichenden Beziehung des Älterseins ist nicht vonnöten.

Übrigens, Existenz impliziert Identität: Alles Existente ist selbstidentisch.
Der Wahrmacher von "A existiert" ist einfach A selbst; und da "A existiert" "A is selbstidentisch" impliziert, ist A auch der Wahrmacher von "A ist selbstidentisch".

Alternativ kann man argumentieren, dass logisch notwendige Wahrheiten wie A = A überhaupt keine Wahrmacher benötigen, weil sie allein die Unmöglichkeit von Falschmachern wahr macht. (Was unmöglicherweise falsch ist, ist notwendigerweise wahr: ~<>~p –> []p)

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Die Auffassung, dass psychologische Phänomene als solche überhaupt unabhängig von menschlicher Betrachtung und Beurteilung (inklusive der ihres Trägers!) in der Realität an sich auftreten, ist mindestens erklärungsbedürftig.


Es kommt darauf an, was unter Ansichsein verstanden wird. Subjektive Erfahrungen kommen nicht an sich vor, wenn dies bedeutet, dass sie nicht für mich da sind. Sie kommen aber an sich vor, wenn dies bedeutet, dass sie selbst keine Einbildungen, sondern wirkliche Vorkommnisse sind. (Das Halluzinieren ist real, das Halluzinierte hingegen nicht.)

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Reduktion bedeutet ja hier gerade, eine bestimmte Perspektive auf ein Phänomen auf ihre materielle Basis zu reduzieren - so wie die reduzierende Identifikation des Morgensterns und Abendsterns mit der Venus die Perspektive des Menschen, dem der selbe Himmelskörper an zwei unterschiedlichen Tageszeiten erscheint, auf diesen Himmelskörper als ihren Gegenstand reduziert; oder wie eine Reduktion psychischer Vorgänge auf neuronale die Innenwahrnehmung auf die von außen wahrnehmbare materielle Basis zurückführt (ob nun als Identität, funktionale Realisation oder was auch immer). Was es heißen soll, dass diese Reduktion einer Perspektive auf ihre materielle Grundlage als objektive natürliche Tatsache auch unabhängig von der Perspektivebestehen soll, ist nicht klar. Nur weil die Reduktion der Perspektive nicht unabhängig von der Perspektive selbst ist, die sie reduziert, ist die Identitätsbehauptung eine bedeutsame Aussage und nicht bloß tautologische Attestierung von Selbstidentität. Frei nach Hegel: Die Differenz (nämlich der Perspektiven) ist die Voraussetzung der Identität (im bedeutungsvollen, nicht-tautologischen Sinne). Identität in diesem bedeutungsvollen Sinne ist Identität von Identität und Nicht-Identität. Klar: Wenn das leuchtende Ding da oben die Venus ist, dann ist es das auch, wenn wir was anderes glauben. Aber das stand ja nicht in Frage. Aber zu sagen, dass der Morgenstern und der Abendstern der selbe Himmelskörper sind, setzt unsere Unterscheidung von Morgenstern und Abendstern voraus. Und in genau dem Sinne gibt es eben keine bedeutungsvolle Identität an sich, unabhängig von uns: in dem Sinne, dass es schlicht keinen Sinn hat, das zu sagen - bzw. in dem Sinne, dass wir immer dann, wenn wir versuchen, zu sagen, was das überhaupt heißen soll, wieder bei der bloß tautologischen Selbstidentität landen, also gerade bei dem, was es eben nicht nur heißen sollte.

Deshalb konnte Wittgenstein TLP 5.5303 bezweifeln, dass von der Identität von Gegenständen zu sprechen überhaupt einen Sinn habe.


ZU SAGEN, DASS der Morgenstern und der Abendstern identisch sind, "setzt unsere Unterscheidung von Morgenstern und Abendstern voraus," aber nicht DASS sie identisch sind, weil es sich dabei um eine sprachunabhängige Tatsache handelt.

Alle Identitätssätze wie "der Morgenstern = der Abendstern" sind selbstverständlich sprachabhängig, sodass es einer sprachlosen Welt keine wahren Identitätssätze gibt, weil es darin überhaupt keine Sätze gibt, die wahr oder falsch sein können.
(An Bolzanos "Sätze an sich" = Freges "Gedanken" = sprachunabhängige abstrakte Propositionen glaube ich nicht.)

Die Einführung der verschiedenen Namen "der Morgenstern" und "der Abendstern" hat mit unterschiedlichen Perspektiven unserer Himmelsbetrachtung zu tun; aber das bedeutet nicht, dass es von unserer Wahrnehmungsperspektive und unserer Sprache abhängt, ob der Morgenstern mit dem Abendstern identisch ist oder nicht. Denn der von uns "der Morgenstern" genannte Gegenstand und der von uns "der Abendstern" genannte Gegenstand waren ein und derselbe Gegenstand, d.i. identisch, lange bevor der Mensch anfing zu sprechen, und lange bevor er deren Identität erkannte.

Es besteht zwar ein Unterschied zwischen der phänomenologischen Perspektive der ersten Person und der neurophysiologischen Perspektive der dritten Person; aber wenn erstpersönlich, introspektiv wahrnehmbare Bewusstseinserlebnisse mit drittpersönlich, extrospektiv wahrnehmbaren Gehirnereignissen identisch sind, dann ist das eine perspektivenunabhängige, objektive Tatsache.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Ich habe oben bereits erklärt, dass die pluralische Rede von identischen Entitäten nicht widersprüchlicherweise impliziert, dass es sich um zwei (verschiedene) Entitäten handelt.

Nur wenn es sich nicht um zwei verschiedene Entitäten handelt, dann reduziert sich die Aussage der Identität unter Abstraktion menschlicher Betrachtung und Beurteilung nun mal auf die reine Tautologie der Selbstidentität.


Wenn A = B, dann impliziert dies freilich, dass der eine Bezugsgegenstand von "A" und "B" selbstidentisch ist; aber das bedeutet keineswegs, dass alle Identitätsaussagen der Form "A = B" oder "A = B+C" bloß logische Tautologien sind (wie "A = A"), die allein aufgrund ihrer logischen Form wahr sind.

Ob der Abendstern mit dem Abendstern identisch ist, ist a priori feststellbar, aber nicht, ob der Abendstern mit dem Morgenstern identisch ist—oder ob psychische Entitäten mit physischen Entitäten identisch sind. Wenn letztere Identitätsaussagen wahr sind, dann handelt es sich dabei nicht um analytische, a priori wissbare Identitätstatsachen.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Allerdings kann eine Summe von zwei oder mehr (verschiedenen) Entitäten mit einer Entität identisch sein: A = B+C+…

Au weia! Das mathematische Gleichheitszeichen bedeutet nicht Identität, sondern Wertgleichheit.


Das von mir oben verwendete Pluszeichen ist das mereologische + und nicht das mathematische +. Das mereologische + ist gewissermaßen das ontologische Gegenstück zur logischen Konjunktion &.

Ein Unterscheid zwischen dem mereologischen und dem mathematischen + besteht darin, dass in der Mereologie gilt, dass A + A = A, während in der Mathematik nicht gilt, dass 1 + 1 = 1, sondern, dass 1 + 1 = 2. Das mathematische Identitätszeichen hat aber hier keine andere Bedeutung als das mereologische, denn in beiden Fällen wird damit numerische Identität ausgedrückt.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Was ist denn dein Standpunkt bezüglich des guten alten Geist-Körper-/Leib-Seele-Verhältnisses?

Meinen Standpunkt zum "Geist" darzustellen ist hier vermutlich wenig hilfreich, weil mein Geistbegriff ein ganz anderer ist als der, den du im Sinn hast. Für mich drücken z. B. auch Kunstwerke einen Geist aus (um noch vergleichsweise simpel zu bleiben). Den Begriff "Seele" mag ich nicht, aber wenn wir mal annehmen, dass damit die Gesamtheit der Gegenstände der Psychologie gemeint ist, dann ist das ein Sammelbegriff mit sehr heterogenem Inhalt. Einiges davon mag nahtlos auf Gehirnchemie und Neurologie reduzierbar sein, bei anderem dürfte das hingegen schwierig werden, z. B. weil es dabei schon begrifflich eher um Verhältnisse des Individuums zu seiner Umwelt geht - womit wir wieder beim Thema Verhältnisrealismus wären. Aber man wird sehen.


Ich habe "Geist" im rein (individual-)psychologischen Sinn gebraucht; aber ich weiß, dass es im Deutschen einen nichtpsychologischen Geistbegriff gibt, so wie er in dem Ausdruck "Geisteswissenschaft(en)" verwendet wird.

Nicolai Hartmann unterscheidet zwischen dem personalen Geist, dem objektiven Geist und dem objektivierten Geist: Der personale Geist ist der mentale Geist, die Psyche eines Individuums; der objektive Geist ist der "lebendige" soziokulturelle (sozialhistorische) Geist einer Gesellschaft/Gemeinschaft; und der objektivierte Geist ist der "unlebendige" materialisierte Geist als Gesamtheit der materiellen Erzeugnisse (z.B. Kunstwerke) des objektiven Geistes (und der ihm zugrunde liegenden personalen Geister).

Der objektive Geist im Hartmannschen Sinn manifestiert sich in soziokulturellen Institutionen und ist somit ein konkreter Bestandteil der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Die entsprechende Ontologie des objektiven Geistes ist die Sozialontologie der Institutionen (& Organisationen).

Daneben gibt es im Rahmen des objektiven Idealismus (den Hartmann nicht vertritt) eine weitere nichtpsychologische, platonistische Auffassung von Geist als einer abstrakten Ideensphäre. (Dazu kann man auch Bolzanos "Sätze an sich" und Freges "Gedanken" als abstrakten Propositionen zählen sowie Poppers "Welt 3".)

Zitat:
"[T]he third [world] is the world of intelligibles, or of ideas in the objective sense; it is the world of possible objects of thought: the world of theories in themselves, and their logical relations; of arguments in themselves; and of problem situations in themselves."

(Popper, Karl R. Objective Knowledge: An Evolutionary Approach. Rev. ed. Oxford: Oxford University Press, 1979. p. 154)


Zitat:
"So auch ist der Geist nicht aus dem Bewußtsein zu verstehen. Geistiges Sein ist keine psychologische Angelegenheit. Dieser Satz darf als eine Errungenschaft der letzten Jahrzehnte gelten. In den Tendenzen des Psychologismus lag es, das Logische, die Erkenntnis, das große Gebiet des Ethos, des künstlerischen Schaffens, des Glaubens u. a. m. als seelisches Sein zu verstehen und aus psychischer Gesetzlichkeit zu erklären. Das hat sich als ein Irrweg erwiesen. Die Überwindung des Psychologismus ist das Freiwerden des philosophischen Blickes für das Reich des geistigen Seins."

(Hartmann, Nicolai. Das Problem des geistigen Seins. 2. Aufl. Berlin: De Gruyter, 1949. S. 48-9)

"Die Konsequenz ist, daß tatsächlich das geistige Sein auf der Linie zum seelischen nicht im Überformungsverhältnis steht, sondern im Überbauungsverhältnis. Und so allein ist die einzigartige Autonomie zu verstehen, die ihm – auch gegen die Enge der seelischen Vorgänge – eignet. Diese Autonomie aber ist es, mit der recht eigentlich wir es zu tun haben. Sie ist aus der Gesetzlichkeit des Ethos, des Rechts, der sozialen Gemeinschaft, des künstlerischen und erkennenden Schaffens genugsam bekannt; und es wird heute nicht leicht jemand sie nach der Art des Psychologismus für bloße Spitzenleistung seelischer Funktionen erklären.

Sein seelisches Sein hat jeder für sich. Es ist ein esoterisches Sein des Individuums, unübertragbar, mit dem man wohl Fühlung haben, in das man aber nicht hineingelangen kann. Man kann wohl mit ihm mitleiden und sich mitfreuen; aber es ist und bleibt ein zweites Leiden und ein zweites Sichfreuen neben dem originalen, und es bleibt auch bei aller Innigkeit ein qualitativ von ihm verschiedenes. Den Gedanken aber, den einer hat, kann man als denselben denken, wenn man ihn erfaßt; es ist zwar ein zweiter Denkakt, Akt eines anderen Bewußtseins, aber es ist derselbe Gedanke. Der Gedanke ist eben von Hause aus objektiv. Er ist expansiv, er verbindet, wo der Bewußtseinsvorgang isoliert. Dasselbe ist es mit Willenszielen, Strebens- und Schaffensrichtungen, Überzeugungen, Glaubens-, Wertungs- und Anschauungsweisen. Sie alle gehören der Sphäre des Geistes an. Der Geist aber verbindet, das Bewußtsein isoliert."

(Hartmann, Nicolai. Das Problem des geistigen Seins. 2. Aufl. Berlin: De Gruyter, 1949. S. 70-1)


Zitat:
"Das Grundphänomen des Geistes ist, dass er zwar auf psychologischem Boden erwächst, an sich aber nicht etwas Seelisches, sondern ein objektiver Sinn, eine gemeinschaftliche Welt ist. Der einzelne Mensch wird geistig allein durch Teilnahme am allgemeinen Geist, der in geschichtlicher Überlieferung in jeweils bestimmter Gestalt ihn umgibt. Der allgemeine oder objektive Geist ist jeweils gegenwärtig als die Sitten, Gedanken, Normen des öffentlichen Lebens, als die Sprache und in den Werken der Wissenschaft, Kunst und Dichtung, in den Institutionen."

(Jaspers, Karl. Allgemeine Psychopathologie. 5. Aufl. Berlin: Springer, 1948. S. 241)


Zitat:
"…Es mochte dieses Geschäft mehr oder weniger gut gelingen in Bezug auf Religion, Recht, Staat, Sprache, Kunst, Geschichte, kurz in allen den Wissenschaften, deren Gegenstand sich wesentlich aus psychologischer Grundlage entwickelt, und die daher unter dem Namen der Geisteswissenschaften passend zusammengefasst werden."

(Helmholtz, Hermann von. "Über das Verhältnis der Naturwissenschaften zur Gesamtheit der Wissenschaft." 1862. In Vorträge und Reden, Bd. 1, 4. Aufl., 157-185. Braunschweig: Vieweg & Sohn, 1896. S. 163)
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Tarvoc
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Beitrag(#2304815) Verfasst am: 15.04.2024, 22:38    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Es ist allgemein so, dass die Wahrmacher relationaler Wahrheiten nicht unbedingt reale Relationen einschließen.

Lachen Nur dummerweise ist Identität keine Relation. Nein, auch keine Selbstrelation.

Myron hat folgendes geschrieben:
Übrigens, Existenz impliziert Identität: Alles Existente ist selbstidentisch.

Was du nicht sagst! Warum insistiere ich wohl darauf, dass (Selbst-)Identität in diesem Sinne rein tautologisch ist?

Myron hat folgendes geschrieben:
Alternativ kann man argumentieren, dass logisch notwendige Wahrheiten wie A = A überhaupt keine Wahrmacher benötigen, [...]

Dafür kann man nicht nur argumentieren, sondern das ist sogar recht offensichtlich so, wenn auch nicht aus dem verquarkten Grund, den du dafür angibst.

Myron hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Die Auffassung, dass psychologische Phänomene als solche überhaupt unabhängig von menschlicher Betrachtung und Beurteilung (inklusive der ihres Trägers!) in der Realität an sich auftreten, ist mindestens erklärungsbedürftig.

Es kommt darauf an, was unter Ansichsein verstanden wird. Subjektive Erfahrungen kommen nicht an sich vor, wenn dies bedeutet, dass sie nicht für mich da sind. Sie kommen aber an sich vor, wenn dies bedeutet, dass sie selbst keine Einbildungen, sondern wirkliche Vorkommnisse sind. (Das Halluzinieren ist real, das Halluzinierte hingegen nicht.)

Schön. Nur war hier immer von "an sich" im ersten Sinne die Rede. Sowohl in dem ersten Beitrag von dir, in dem das vorkam, als auch in der ganzen weiteren Diskussion.

Myron hat folgendes geschrieben:
Die Einführung der verschiedenen Namen "der Morgenstern" und "der Abendstern" hat mit unterschiedlichen Perspektiven unserer Himmelsbetrachtung zu tun; aber das bedeutet nicht, dass es von unserer Wahrnehmungsperspektive und unserer Sprache abhängt, ob der Morgenstern mit dem Abendstern identisch ist oder nicht.

Unabhängig von unserer Wahrnehmungsperspektive gibt es weder einen Abendstern noch einen Morgenstern, sondern nur die Venus. Was es nicht gibt, kann trivialerweise auch nicht identisch sein. Man kann eben aus dem Ausdruck z. B. "Abendstern" nicht die Perspektive herauskürzen, ohne dass der Begriff jede über seinen Gegenstand hinausgehende Bedeutung verliert - und wenn er diese verliert, dann ist er damit wirklich nur noch ein Synonym zu "Venus".

(Mir fällt die Metapher eines Hundes ein, der eines Tages endlich den Wagen des Briefträgers fängt und dann keine Ahnung mehr hat, was er eigentlich mit ihm anstellen wollte.)

Myron hat folgendes geschrieben:
Denn der von uns "der Morgenstern" genannte Gegenstand und der von uns "der Abendstern" genannte Gegenstand waren ein und derselbe Gegenstand, d.i. identisch, lange bevor der Mensch anfing zu sprechen, und lange bevor er deren Identität erkannte.

Dass die Worte "Abendstern" und "Morgenstern" den selben Gegenstand bezeichnen und dieser Gegenstand auch ohne Menschen existiert, bestreitet niemand. (Allerdings ist dieser Gegenstand ohne Perspektivität weder ein Abendstern noch ein Morgenstern.)

Myron hat folgendes geschrieben:
Es besteht zwar ein Unterschied zwischen der phänomenologischen Perspektive der ersten Person und der neurophysiologischen Perspektive der dritten Person; aber wenn erstpersönlich, introspektiv wahrnehmbare Bewusstseinserlebnisse mit drittpersönlich, extrospektiv wahrnehmbaren Gehirnereignissen identisch sind, dann ist das eine perspektivenunabhängige, objektive Tatsache.

Du gehst aus welchem Grund auch immer nach wie vor davon aus, dass perspektivenunabhängig überhaupt von "erstpersönlich introspektiv wahrnehmbaren Bewusstseinserlebnissen" die Rede sein könne. Und ich will immer noch von dir wissen, was das heißen soll.

Myron hat folgendes geschrieben:
Wenn A = B, dann impliziert dies freilich, dass der eine Bezugsgegenstand von "A" und "B" selbstidentisch ist; aber das bedeutet keineswegs, dass alle Identitätsaussagen der Form "A = B" oder "A = B+C" bloß logische Tautologien sind (wie "A = A"), die allein aufgrund ihrer logischen Form wahr sind. Ob der Abendstern mit dem Abendstern identisch ist, ist a priori feststellbar, aber nicht, ob der Abendstern mit dem Morgenstern identisch ist—oder ob psychische Entitäten mit physischen Entitäten identisch sind. Wenn letztere Identitätsaussagen wahr sind, dann handelt es sich dabei nicht um analytische, a priori wissbare Identitätstatsachen.

Deprimiert Myron, darauf, dass es auch eine nicht-tautologische Bedeutung von Identität gibt und sie sich von der tautologischen Selbstidentität grundsätzlich unterscheidet, insistiere ich schon die ganze Zeit. Du bist derjenige, der immer wieder vom nicht-tautologischen Identitätsbegriff in den tautologischen zurückschlittert, nämlich sobald du versuchst, die Bedeutung von ersterem von Perspektivität und Wortgebrauch zu abstrahieren.
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Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 15.04.2024, 22:42, insgesamt einmal bearbeitet
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fwo
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Beitrag(#2304816) Verfasst am: 15.04.2024, 22:41    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
...
Meinen Standpunkt zum "Geist" darzustellen ist hier vermutlich wenig hilfreich, weil mein Geistbegriff ein ganz anderer ist als der, den du im Sinn hast. Für mich drücken z. B. auch Kunstwerke einen Geist aus (um noch vergleichsweise simpel zu bleiben). Den Begriff "Seele" mag ich nicht, aber wenn wir mal annehmen, dass damit die Gesamtheit der Gegenstände der Psychologie gemeint ist, dann ist das ein Sammelbegriff mit sehr heterogenem Inhalt. Einiges davon mag nahtlos auf Gehirnchemie und Neurologie reduzierbar sein, bei anderem dürfte das hingegen schwierig werden, z. B. weil es dabei schon begrifflich eher um Verhältnisse des Individuums zu seiner Umwelt geht - womit wir wieder beim Thema Verhältnisrealismus wären. Aber man wird sehen.

Das klingt für mich alles ganz aufgeräumt, da passt auch meine zoologische Sicht dazu, dass unser Geist das Ergebnis einer kulturellen Akkumulation seit den Anfängen der menschlichen Kultur ist.

Auch die "Gesamtheit der Gegenstände der Psychologie" wird es immer geben, selbst wenn wir im Verständnis dessen, was da abläuft, erheblich weiterkommen, als wir im Moment sind - was wir im Moment verstehen, ist ja herzlich wenig.

Aber selbst, wenn wir unsere biologische Datenverarbeitung auf der "Prozessorebene" verstünden, werden die Ebenen der Psyche immer sinnvolle Ebenen der Beschreibung des Menschlichen sein, weil alles darunter mit zunehmender Tiefe immer weniger handhabbar sein wird.

Insofern werden Aussagen wie "Es gibt keine Gefühle" oder "Es gibt keine Psyche" immer praxisuntaugliche Glaubensbekenntnisse bleiben.
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Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

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Tarvoc
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Beitrag(#2304818) Verfasst am: 15.04.2024, 22:46    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Aber selbst, wenn wir unsere biologische Datenverarbeitung auf der "Prozessorebene" verstünden, werden die Ebenen der Psyche immer sinnvolle Ebenen der Beschreibung des Menschlichen sein, weil alles darunter mit zunehmender Tiefe immer weniger handhabbar sein wird.

Na ja. Eher: Wenn es irgendwann in einem solchen Ausmaß handhabbar würde, entstünde daraus ein ganzer Haufen ethischer Probleme, über die nachzudenken uns gegenwärtig völlig das theoretische Rüstzeug fehlt.

Da das aber ohnehin nicht absehbar ist, fällt das wohl eher in den Bereich der Science-Fiction als der Philosophie.
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Myron
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Beitrag(#2304819) Verfasst am: 15.04.2024, 23:19    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Nicolai Hartmann unterscheidet zwischen dem personalen Geist, dem objektiven Geist und dem objektivierten Geist: Der personale Geist ist der mentale Geist, die Psyche eines Individuums; der objektive Geist ist der "lebendige" soziokulturelle (sozialhistorische) Geist einer Gesellschaft/Gemeinschaft; und der objektivierte Geist ist der "unlebendige" materialisierte Geist als Gesamtheit der materiellen Erzeugnisse (z.B. Kunstwerke) des objektiven Geistes (und der ihm zugrunde liegenden personalen Geister).

Der objektive Geist im Hartmannschen Sinn manifestiert sich in soziokulturellen Institutionen und ist somit ein konkreter Bestandteil der gesellschaftlichen Wirklichkeit. Die entsprechende Ontologie des objektiven Geistes ist die Sozialontologie der Institutionen (& Organisationen).

Daneben gibt es im Rahmen des objektiven Idealismus (den Hartmann nicht vertritt) eine weitere nichtpsychologische, platonistische Auffassung von Geist als einer abstrakten Ideensphäre. (Dazu kann man auch Bolzanos "Sätze an sich" und Freges "Gedanken" als abstrakten Propositionen zählen sowie Poppers "Welt 3".)


Ich verstehe Hartmann so, dass der objektivierte Geist als materialisierter Geist für ihn insofern ein "irrealer Geist" (Hartmann) und damit eigentlich ein Ungeist ist, als "nur die geformte 'Materie', in der er festgehalten ist (die Schrift, der Stein mit seiner Raumform)" (Hartmann) real ist.

Nun gibt es aber Platonisten oder objektive Idealisten, die den objektivierten Geist einer Gesellschaft nicht (vollständig) mit dem materialisierten Geist bzw. den materiellen Manifestationen (Kreationen/Produkten) des objektiven Geistes (oder personaler Geister) gleichsetzen, weil sie an die Existenz immaterieller, abstrakter Artefakte glauben.
(Unter Artefakten verstehe ich im weitesten Sinn nicht nur Kunstwerke, sondern auch wissenschaftliche Theorien und überhaupt alles vom Menschen kulturell Hervorgebrachte, einschließlich seiner sozialen Institutionen.)

Popper erwähnt (siehe unten!) Shakespeare's Hamlet und Beethovens 5. Symphonie als Beispiele. Jedes Buchexemplar von Hamlet und jedes Partiturexemplar der 5. Symphonie ist ein konkretes, materielles Objekt; aber was ist mit Hamlet "an sich" und der 5. Symphonie "an sich"? Es gibt Kunstontologen, die diese als abstrakte, immaterielle Objekte betrachten und deren Existenz als solche postulieren. Wenn diese Leute recht haben, dann ist der materielle Teil des objektivierten Geistes nur ein Teil davon, weil er dann auch Immaterielles oder "Ideelles" im platonistischen Sinn umfasst.

Das ist für Materialisten wie mich natürlich inakzeptabel, für die es keinen Unterschied zwischen dem objektivierten Geist und dem materialisierten Geist gibt. Es gibt keine immateriellen, abstrakten Artefakte und somit auch keine immaterielle Kultur im platonistischen oder objektiv-idealistischen Sinn.

Aus meiner materialistischen Sicht sind abstrakte Artefakte nichts weiter als soziale Fiktionen, irreale Objekte kollektiver Intentionalität—egal ob es um abstrakte Kunstwerke (1, abstrakte Theorien, abstrakte moralische Normen/Regeln oder juristische Gesetze geht.

(1: Ich meine ontologisch abstrakte Kunstwerke, nicht ästhestisch abstrakte Kunstwerke = materielle Werke der abstrakten Kunst wie die Gemälde von Jackson Pollock.)

Der sogenannte "objektive Geist" einer Gesellschaft besteht aus deren konkreten Institutionen (& Organisationen) als dynamischen sozialen Systemen, deren reale Elemente allesamt psychischer oder physischer Natur sind, wobei die psychischen Elemente ontologisch auf physische Entitäten reduzierbar sind.

Zitat:
"Der personale und der objektive Geist haben die Lebendigkeit gemeinsam, wie verschieden auch deren Form und Seinsweise in ihnen sein mag. Der objektive und objektivierte Geist dagegen haben dieses gemeinsam, daß sie überpersönlich und überindividuell sind. Einzelgeist ist nur der personale; nicht lebender Geist ist nur der objektivierte. Jenen kennen wir in uns menschlichen Individuen, diesen in den Produkten geistigen Schaffens, in geformten Gebilden und "Werken", die als solche natürlich nicht Leben und Wandel haben, sondern "fixierter" geistiger Gehalt sind.

Da nun der geistige Gehalt der "Werke" – in Schrift oder künstlerischer Form festgehalten – über den Strom realen geschichtlichen Lebens erhoben, gleichsam in die Idealität erhoben, dasteht und in dieser seiner Erhobenheit dem Wandel des lebenden Geistes in der Geschichte standhält, so läßt sich von ihm sagen, daß er auch der Realität überhoben ist; wie denn das im geschaffenen Werk Dargestellte eben nur dargestellt und nicht realisiert ist, auch nicht als real vorgetäuscht ist. Man darf also weiter sagen: nur der personale und der objektive Geist sind "realer Geist", der objektivierte ist es nicht; und was an den geformten Werken real ist, das ist nicht ihr geistiger Gehalt, sondern nur die geformte "Materie", in der er festgehalten ist (die Schrift, der Stein mit seiner Raumform). Realität also hat nur der "lebende" Geist, der dem Leben enthobene und in einer Materie fixierte ist durchaus irrealer Geist."

(Hartmann, Nicolai. Das Problem des geistigen Seins. 2. Aufl. Berlin: De Gruyter, 1949. S. 72)


Zitat:
"Theories, or propositions, or statements are the most important third-world linguistic entities."

(Popper, Karl R. Objective Knowledge: An Evolutionary Approach. Rev. ed. Oxford: Oxford University Press, 1979. p. 157)
——————
"By world 3 I mean the world of the products of the human mind, such as languages; tales and stories and religious myths; scientific conjectures or theories, and mathematical constructions; songs and symphonies; paintings and sculptures. But also aeroplanes and airports and other feats of engineering.

It would be easy to distinguish a number of different worlds within what I call world 3. We could distinguish the world of science from the world of fiction; and the world of music and the world of art from the world of engineering. For simplicity’s sake I shall speak about one world 3; that is, the world of the products of the human mind.

Examples of world 3 objects are: the American Constitution; or Shakespeare’s The Tempest; or his Hamlet; or Beethoven’s Fifth Symphony; or Newton’s theory of gravitation."

(Popper, Karl. "Three Worlds." In The Tanner Lectures on Human Values, Vol. 1, edited by Sterling M. McMurrin, 141-167. Salt Lake City, UT: University of Utah Press, 1980. pp. 144-5)

"To sum up, we arrive at the following picture of the universe. There is the physical universe, world 1, with its most important sub-universe, that of the living organisms.
World 2, the world of conscious experience, emerges as an evolutionary product from the world of organisms.
World 3, the world of the products of the human mind, emerges as an evolutionary product from world 2."

(Popper, Karl. "Three Worlds." In The Tanner Lectures on Human Values, Vol. 1, edited by Sterling M. McMurrin, 141-167. Salt Lake City, UT: University of Utah Press, 1980. pp. 166-7)

"Many of the objects belonging to world 3 belong at the same time also to the physical world 1. Michelangelo’s sculpture The Dying Slave is both a block of marble, belonging to the world 1 of physical objects, and a creation of Michelangelo’s mind, and as such belonging to world 3. The same holds of course for paintings.

Of most though not of all world 3 objects it can be said that they are embodied, or physically realized, in one, or in many, world 1 physical objects. A great painting may exist only as one physical object, although there may be some good copies of it. By contrast, Hamlet is embodied in all those physical volumes that contain an edition of Hamlet; and in a different way, it is also embodied or physically realized in each performance by a theatrical company. Similarly, a symphony may be embodied or physically realized in many different ways. There is the composer’s manuscript; there are the printed scores; there are the actual performances; and there are the recordings of these performances, in the physical shape of discs, or of tapes. But there are also the memory engrams in the brains of some musicians: these too are embodiments, and they are particularly important. One can, if one wishes, say that the world 3 objects themselves are abstract objects, and that their physical embodiments or realizations are concrete objects."

(Popper, Karl. "Three Worlds." In The Tanner Lectures on Human Values, Vol. 1, edited by Sterling M. McMurrin, 141-167. Salt Lake City, UT: University of Utah Press, 1980. pp. 144-5)
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fwo
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Beitrag(#2304820) Verfasst am: 15.04.2024, 23:21    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Aber selbst, wenn wir unsere biologische Datenverarbeitung auf der "Prozessorebene" verstünden, werden die Ebenen der Psyche immer sinnvolle Ebenen der Beschreibung des Menschlichen sein, weil alles darunter mit zunehmender Tiefe immer weniger handhabbar sein wird.

Na ja. Eher: Wenn es irgendwann in einem solchen Ausmaß handhabbar würde, entstünde daraus ein ganzer Haufen ethischer Probleme, über die nachzudenken uns gegenwärtig völlig das theoretische Rüstzeug fehlt.

Da das aber ohnehin nicht absehbar ist, fällt das wohl eher in den Bereich der Science-Fiction als der Philosophie.

Da hab ich mich wohl mistverständlich ausgedrückt: Ich meinte mit handhabbar handhabbare Werkzeuge für Verständnis und Beschreibung, nicht handhabbare Werkzeuge zur Kontrolle. Die sind noch viel weiter weg - oder bereits mit unzureichendem Verständnis im Einsatz..
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Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

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Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Myron
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Beitrag(#2304821) Verfasst am: 15.04.2024, 23:40    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:

Nun gibt es aber Platonisten oder objektive Idealisten, die den objektivierten Geist einer Gesellschaft nicht (vollständig) mit dem materialisierten Geist bzw. den materiellen Manifestationen (Kreationen/Produkten) des objektiven Geistes (oder personaler Geister) gleichsetzen, weil sie an die Existenz immaterieller, abstrakter Artefakte glauben.


Platonisten müssen keine Platoniker sein! Platonische "Ideen" oder "Formen" sind zwar abstrakte (immaterielle, nichtraumzeitliche) Entitäten, aber keine kulturellen Artefakte, da sie ewig und unerschaffen in "Platons Himmel" existieren.

In der zeitgenössischen Ontologie ist Platonismus = Abstraktismus.

Zitat:
"Platonism is the view that there exist such things as abstract objects — where an abstract object is an object that does not exist in space or time and which is therefore entirely non-physical and non-mental. Platonism in this sense is a contemporary view. It is obviously related to the views of Plato in important ways, but it is not entirely clear that Plato endorsed this view, as it is defined here. In order to remain neutral on this question, the term ‘platonism’ is spelled with a lower-case 'p'."

Quelle https://plato.stanford.edu/entries/platonism/
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3483

Beitrag(#2304823) Verfasst am: 16.04.2024, 00:33    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Auch die "Gesamtheit der Gegenstände der Psychologie" wird es immer geben, selbst wenn wir im Verständnis dessen, was da abläuft, erheblich weiterkommen, als wir im Moment sind - was wir im Moment verstehen, ist ja herzlich wenig.

Aber selbst, wenn wir unsere biologische Datenverarbeitung auf der "Prozessorebene" verstünden, werden die Ebenen der Psyche immer sinnvolle Ebenen der Beschreibung des Menschlichen sein, weil alles darunter mit zunehmender Tiefe immer weniger handhabbar sein wird.

Insofern werden Aussagen wie "Es gibt keine Gefühle" oder "Es gibt keine Psyche" immer praxisuntaugliche Glaubensbekenntnisse bleiben.


In Bezug auf die Psyche als einer immateriellen/spirituellen Substanz bin ich eliminativer Materialist; aber den eliminativen Materialismus in Bezug auf subjektiv erlebte "impressions & ideas" (Hume) = Fühlungen, Empfindungen, Vorstellungen (Denkungen) halte auch ich für falsch und aberwitzig.

Ernsthaft fragwürdig ist dagegen die Annahme einer subjektiv unerlebten/unbewussten psychologischen Ebene zwischen der subjektiv erlebten/bewussten psychologischen Ebene (der Bewusstseinsebene) und der subjektiv unerlebten/unbewussten neurologischen Ebene.

Jene angebliche Zwischenebene wird "das kognitive Unbewusste" ("the cognitive unconscious") genannt, und darin sollen sich unsere gedanklichen Einstellungen (propositional attitudes) wie Glaube (belief) und Begierde (desire) befinden.

Aber woher wissen wir, dass es solche unbewussten psychischen Zustände überhaupt gibt, wo sie doch weder der (unmittelbaren) inneren Wahrnehmung von Bewusstseinsinhalten noch der äußeren Wahrnehmung von Nervenvorgängen zugänglich sind?

Paul Churchland hält propositional attitudes für volkspsychologische Fiktionen.
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3483

Beitrag(#2304829) Verfasst am: 16.04.2024, 06:37    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Es ist allgemein so, dass die Wahrmacher relationaler Wahrheiten nicht unbedingt reale Relationen einschließen.

Lachen Nur dummerweise ist Identität keine Relation. Nein, auch keine Selbstrelation.


Doch, formal betrachtet ist Identität eine Relation, wenngleich eine reflexive, da alles mit sich selbst identisch ist. Wenn du mir nicht glaubst, dann vielleicht Saul Kripke:

Zitat:
"[S]ome philosophers have thought that a relation, being essentially two-termed, cannot hold between a thing and itself. This position is plainly absurd. Someone can be his own worst enemy, his own severest critic and the like. Some relations are reflexive such as the relation 'no richer than'. Identity or schmidentity is nothing but the smallest reflexive relation."

(Kripke, Saul A. Naming and Necessity. Cambridge, MA: Harvard University Press, 1980. p. 108n50)


Zitat:
"Suppose identity were a relation in English between the names. I shall introduce an artificial relation called 'schmidentity' (not a word of English) which I now stipulate to hold only between an object and itself."

(Kripke, Saul A. Naming and Necessity. Cambridge, MA: Harvard University Press, 1980. p. 108)


Kripkes Einführung der "Schmidentität" ist eine Reaktion auf einen Logiker, der sagt, "that x = y if and only if 'x' and 'y' are names for the same object." (p. 107) Kripke merkt zunächst richtigerweise an, dass "x" und "y" eigentlich keine Namen, sondern Variablen sind; aber selbst wenn man sie als Namen auffasst, muss man verneinen, dass zwischen "x and y sind identisch" und "'x' and 'y' sind koreferenziell" logische Äquivalenz oder gar semantische Synonymität besteht.

Ich selbst beging einen Fehler, als ich schrieb: "Wenn A = B, dann impliziert dies freilich, dass der eine Bezugsgegenstand von 'A' und 'B' selbstidentisch ist."
Der Fehler besteht darin, dass dieser Bedingungssatz nur dann wahr ist, wenn die Namen "A" und "B" existieren. Richtig formuliert ist es so:

"Wenn A = B & die Namen 'A' und 'B' existieren, dann impliziert dies freilich, dass der eine Bezugsgegenstand von 'A' und 'B' selbstidentisch ist."

Der entscheidende Punkt ist, dass die Identität von A und B (oder die Selbstidentität von A) nicht davon abhängt, ob es die Namen "A" und "B" gibt, weil sie nicht mit der Koreferenzialität von "A" und "B" gleichgesetzt werden darf. Der Mond und der Erdtrabant wären auch dann identisch, wenn es die koreferenziellen Bezeichnungen "der Mond" und "der Erdtrabant" nicht gäbe.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Übrigens, Existenz impliziert Identität: Alles Existente ist selbstidentisch.

Was du nicht sagst! Warum insistiere ich wohl darauf, dass (Selbst-)Identität in diesem Sinne rein tautologisch ist?


Ax(x = x) ist bekanntlich eine logische Wahrheit, die immer gilt—egal, was man für "x" einsetzt.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:

Myron hat folgendes geschrieben:
Die Einführung der verschiedenen Namen "der Morgenstern" und "der Abendstern" hat mit unterschiedlichen Perspektiven unserer Himmelsbetrachtung zu tun; aber das bedeutet nicht, dass es von unserer Wahrnehmungsperspektive und unserer Sprache abhängt, ob der Morgenstern mit dem Abendstern identisch ist oder nicht.

Unabhängig von unserer Wahrnehmungsperspektive gibt es weder einen Abendstern noch einen Morgenstern, sondern nur die Venus. Was es nicht gibt, kann trivialerweise auch nicht identisch sein. Man kann eben aus dem Ausdruck z. B. "Abendstern" nicht die Perspektive herauskürzen, ohne dass der Begriff jede über seinen Gegenstand hinausgehende Bedeutung verliert - und wenn er diese verliert, dann ist er damit wirklich nur noch ein Synonym zu "Venus".


Wenn die Venus existiert und die Venus = der Abendstern = der Morgenstern, dann existieren logischerweise auch der Abendstern und der Morgenstern. Das ist keine Frage unserer Wahrnehmungsperspektive!

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Es besteht zwar ein Unterschied zwischen der phänomenologischen Perspektive der ersten Person und der neurophysiologischen Perspektive der dritten Person; aber wenn erstpersönlich, introspektiv wahrnehmbare Bewusstseinserlebnisse mit drittpersönlich, extrospektiv wahrnehmbaren Gehirnereignissen identisch sind, dann ist das eine perspektivenunabhängige, objektive Tatsache.

Du gehst aus welchem Grund auch immer nach wie vor davon aus, dass perspektivenunabhängig überhaupt von "erstpersönlich introspektiv wahrnehmbaren Bewusstseinserlebnissen" die Rede sein könne. Und ich will immer noch von dir wissen, was das heißen soll.


Von welcher Perspektive aus treffe ich die Unterscheidung zwischen der Perspektive der 1. Person und der Perspektive der 3. Person?
Meine äußere Fremdwahrnehmung durch meine äußeren Sinne (Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Tasten) findet genauso wie meine innere Selbstwahrnehmung durch meine inneren Sinne in meiner geistigen Innenwelt statt, sodass die drittpersönliche Perspektive die erstpersönliche Perspektive auf "das Nichtich", auf andere(s) als mich ist.
Um also die Frage zu beantworten: Jene Unterscheidung gründet in der subjektiven Perspektive.

Fußnote: Es gibt auch eine äußere Selbstwahrnehmung durch die äußeren Sinne. Ich kann mich z.B. sehen und hören. Wenn von der drittpersönlichen Perspektive die Rede ist, dann scheint damit aber üblicherweise die äußere Fremdwahrnehmung gemeint zu sein.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Myron, darauf, dass es auch eine nicht-tautologische Bedeutung von Identität gibt und sie sich von der tautologischen Selbstidentität grundsätzlich unterscheidet, insistiere ich schon die ganze Zeit. Du bist derjenige, der immer wieder vom nicht-tautologischen Identitätsbegriff in den tautologischen zurückschlittert, nämlich sobald du versuchst, die Bedeutung von ersterem von Perspektivität und Wortgebrauch zu abstrahieren.


Mein Punkt war und ist, dass das Bestehen "tautologischer" oder "nicht-tautologischer" Identitätsbeziehungen (A = A, A = B, A = B+C) weder von unserer Wahrnehmung (Blickrichtung) noch von unserer sprachlichen Benennung abhängt.
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fwo
Caterpillar D9



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Beitrag(#2304830) Verfasst am: 16.04.2024, 07:55    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Auch die "Gesamtheit der Gegenstände der Psychologie" wird es immer geben, selbst wenn wir im Verständnis dessen, was da abläuft, erheblich weiterkommen, als wir im Moment sind - was wir im Moment verstehen, ist ja herzlich wenig.

Aber selbst, wenn wir unsere biologische Datenverarbeitung auf der "Prozessorebene" verstünden, werden die Ebenen der Psyche immer sinnvolle Ebenen der Beschreibung des Menschlichen sein, weil alles darunter mit zunehmender Tiefe immer weniger handhabbar sein wird.

Insofern werden Aussagen wie "Es gibt keine Gefühle" oder "Es gibt keine Psyche" immer praxisuntaugliche Glaubensbekenntnisse bleiben.


In Bezug auf die Psyche als einer immateriellen/spirituellen Substanz bin ich eliminativer Materialist; aber den eliminativen Materialismus in Bezug auf subjektiv erlebte "impressions & ideas" (Hume) = Fühlungen, Empfindungen, Vorstellungen (Denkungen) halte auch ich für falsch und aberwitzig.

Ernsthaft fragwürdig ist dagegen die Annahme einer subjektiv unerlebten/unbewussten psychologischen Ebene zwischen der subjektiv erlebten/bewussten psychologischen Ebene (der Bewusstseinsebene) und der subjektiv unerlebten/unbewussten neurologischen Ebene.

Jene angebliche Zwischenebene wird "das kognitive Unbewusste" ("the cognitive unconscious") genannt, und darin sollen sich unsere gedanklichen Einstellungen (propositional attitudes) wie Glaube (belief) und Begierde (desire) befinden.

Aber woher wissen wir, dass es solche unbewussten psychischen Zustände überhaupt gibt, wo sie doch weder der (unmittelbaren) inneren Wahrnehmung von Bewusstseinsinhalten noch der äußeren Wahrnehmung von Nervenvorgängen zugänglich sind?

Paul Churchland hält propositional attitudes für volkspsychologische Fiktionen.

Das ist ja ganz toll, dass Du das so siehst und sogar Paul Churchland dafür anführen kannst.

Ich hab übrigens keine Ahnung, was für eine Art Materialist ich bin, und es ist mir auch ziemlich egal.
_________________
Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Tarvoc
would prefer not to.



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Beiträge: 44153

Beitrag(#2304831) Verfasst am: 16.04.2024, 09:12    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Doch, formal betrachtet ist Identität eine Relation, wenngleich eine reflexive, da alles mit sich selbst identisch ist. Wenn du mir nicht glaubst, dann vielleicht Saul Kripke:

Nee, ich halt mich da lieber an Wittgenstein. Bzw. dass man, wenn man Identität als Relation auffasst, regelrechten Unsinn beweisen kann , hat eigentlich schon der olle Kant gezeigt.

Zum Beispiel: Der Große Gott Ra ist die Sonne. Es gibt die Sonne. Also gibt es den Großen Gott Ra, und zwar unabhängig von der (religiösen) Perspektive. Lachen
_________________
Geh mir aus der Sonne, Alexander!
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Myron
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Beiträge: 3483

Beitrag(#2304841) Verfasst am: 16.04.2024, 19:30    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Doch, formal betrachtet ist Identität eine Relation, wenngleich eine reflexive, da alles mit sich selbst identisch ist. Wenn du mir nicht glaubst, dann vielleicht Saul Kripke:

Nee, ich halt mich da lieber an Wittgenstein.


Zitat:
"5.5301. Dass die Identität keine Relation ist, leuchtet ein."

"5.5303. Beiläufig gesprochen: Von zwei Dingen zu sagen, sie seien identisch, ist Unsinn, und von einem zu sagen, es sei identisch mit sich selbst, sagt gar nichts."

(Wittgenstein, Ludwig. Tractatus Logico-Philosophicus. [1921.] Frankfurt/Main: Suhrkamp, 1963. S. 82+83)


Colin McGinn hat dazu etwas zu sagen.

Zitat:
"The very ubiquity and indepensability of identity has sometimes worked as an incitement to declare it a pseudo-relation. Thus Wittgenstein wrote in the Tractatus: 'It is self-evident that identity is not a relation between objects' (5.5301); and 'Roughly speaking, to say of two objects that they are identical is nonsense, and to say of one thing that it is identical to itself is to say nothing at all' (5.5303). He goes on to refer to standard identity sentences as 'pseudo-propositions' (5.534), stipulating a notation in which they cannot even be formulated; he prefers to express identity by sameness of sign, not by a special sign for the identity relation (5.53). The feeling that identity is a pseudo-relation is doubtless connected to the apparent triviality of the relation: it comes too cheaply, being found in every object whatsoever. It is therefore felt to be a redundant concept, a mere flourish. But consider the concept of distinctness, which is defined simply as the negation of identity. We might characterize distinctness, parodying Frege, as 'that relation which any object has to every object except itself'. Does this relation have the look of a pseudo-relation? Well, certainly not because it only relates an object to itself! On the contrary, it relates an object to a vast range of other objects. Surely it is clear that distinctness is a genuine relation between things; but then identity must also be, since it is simply the negation of distinctness. Negation cannot take us from a genuine relation to a pseudo-relation.

Both relations are important simply because we don't always know the truth about distinctness and identity; and it can be a matter of great moment whether or not it is the same or distinct things that are both F and G (e.g. whether two crimes were committed by a single person). If we were omniscient about identity, then indeed identity truths would not inform us of anything; but the same could be said of any kind of truth. Identity propositions are not always analytic ot a priori, as Frege long ago taught us, so there is nothing trivial about such propositions. The claim of redundancy ignores the epistemic role that the concept of identity plays."

(McGinn, Colin. Logical Properties: Identity, Existence, Predication, Necessity, Truth. Oxford: Oxford University Press. 2000. pp. 12-3)


Zitat:
"Every thing is what it is, and not another thing."

"Jedes Ding ist, was es ist, und kein anderes Ding."
[© meine Übers.]

(Butler, Joseph. Preface to Fifteen Sermons Preached at the Rolls Chapel. 2nd ed. London, 1729. p. xxix)


Diese Aussage ist nicht so seicht, wie es scheint.
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3483

Beitrag(#2304842) Verfasst am: 16.04.2024, 19:59    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
…Bzw. dass man, wenn man Identität als Relation auffasst, regelrechten Unsinn beweisen kann , hat eigentlich schon der olle Kant gezeigt.

Zum Beispiel: Der Große Gott Ra ist die Sonne. Es gibt die Sonne. Also gibt es den Großen Gott Ra, und zwar unabhängig von der (religiösen) Perspektive.


Wenn die Sonne existiert—was der Fall ist—und mit Ra identisch ist, dann existiert Ra; aber ob Ra = die Sonne als Gott angesehen wird oder nicht, hängt natürlich von der jeweiligen Betrachtungsweise ab. In der ägyptischen Mythologie gilt Ra = die Sonne als Gott und in der modernen Astrophysik nicht, was aber nichts daran ändert, dass Ra mit der Sonne identisch ist und somit als Sonne existiert. Ob die Sonne auch als Gott existiert, hängt von der Wahrheit der ägyptischen Mythologie ab; und da diese wohl falsch ist, ist Ra = die Sonne wohl kein Gott. Aber die objektive Identität von Ra und der Sonne besteht, gleichgültig ob sie ein Gott ist oder nicht. – An dieser Argumentation ist nichts unsinnig!

P.S.:
Es besteht ein Unterschied zwischen dem bloßen Eigennamen "Ra" und der Kennzeichnung "der Gott Ra". Ich habe von der Identität der Sonne mit Ra gesprochen und nicht von ihrer Identität mit dem Gott Ra. Wäre die Sonne ein Gott, wenn sie mit dem Gott Ra identisch wäre?
Der Gott Ra existiert nur dann, wenn Ra existiert und ein Gott ist. Wenn dies der Fall wäre, dann wäre die mit Ra identische Sonne ein Gott. Ra existiert als Sonne, aber existiert Ra auch als Gott? Das hängt davon ab, ob Ra ein Gott ist oder nicht. Wenn Ra kein Gott ist—was alle außer den Anhängern der ägyptischen Mythologie annehmen—, dann ist auch die Sonne kein Gott, sodass sie zwar mit Ra identisch ist, aber nicht mit dem Gott Ra. Eine Entität (wie die Sonne) kann nur mit einer Entität (wie Ra) identisch sein und nicht mit einer (mutmaßlichen) Nichtentität (wie dem Gott Ra).
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