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Idler auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 24.11.2007 Beiträge: 246
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(#884373) Verfasst am: 14.12.2007, 13:48 Titel: Müßiggang: zum Begriff |
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Müßiggang: zum Begriff
Müßiggang wird laut Wikipedia als das Aufsuchen der Muße, als das entspannte und von Pflichten freie Dasein beschrieben. Müßiggang, heißt es weiter, geht mit geistigen Genüssen oder leichten vergnüglichen Tätigkeiten einher.
Da steht aber auch:
Wikipedia hat folgendes geschrieben: | „In der Umgangssprache besitzt der Müßiggang – im Gegensatz zur Muße – eine negative Konnotation und wird oft mit Faulheit in Verbindung gebracht. In der christlichen Theologie wird er in die sieben Hauptlaster oder Wurzelsünden eingeordnet, die ihrerseits die Todsünden nach sich ziehen können. Ausdruck dieser Einschätzung ist das Sprichwort "Müßiggang ist aller Laster Anfang".“ |
Sind Atheisten die freieren Müßiggänger?
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astarte Foren-Admin

Anmeldungsdatum: 13.11.2006 Beiträge: 46545
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(#884387) Verfasst am: 14.12.2007, 14:24 Titel: |
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"Müssigang ist nichts Übles, ja man kann sagen: ein Mensch, der für diesen keinen Sinn hat, zeigt damit, dass er sich nicht zur Humanität erhoben hat."
Sören Kierkegaard
Die Leute, die niemals Zeit haben, tun am allerwenigsten" G.Chr. Lichtenberg
"Gründer
Geschäftig sind die Menschenkinder,
die große Zunft von kleinen Meistern,
als Mitbegründer, Miterfinder
sich diese Welt zurecht zu kleistern...
Welch ein Gedrängel und Getriebe
von Lieb und Hass bei Nacht und Tage,
und unaufhörlich setzt es Hiebe,
und unaufhörlich tönt die Klage.
Gottlob, es gibt auch stille Leute,
die meiden dies Gewühl und hassen's
und bauen auf der andren Seite
sich eine Welt des Unterlassens."
Wilhelm Busch
Alexander v. Schönburg „Die Kunst des stilvollen Verarmens.“ hat folgendes geschrieben: | „In der Muße ist der Mensch am meisten bei sich. Nur in der Muße, oder aus Spaß, vermag er wirklich große Dinge, Albert Einstein hat die Relativitätstheorie entwickelt, als er auf dem Caputher See im Ruderboot saß. Die Glühbirne wurde von einem Freizeittüftler, einem deutschen Uhrmacher, und das Internet von ein paar Computerfreaks erfunden, die ihre Rechner aus Spaß vernetzten. Egon Fridell meint in seiner „Kulturgeschichte der Neuzeit“, man müsse sich darüber im Klaren sein, dass manche der größten Erfindungen der Menschheit aus spielerischem Erfindungsgeist – diletto – , also von Dilettanten gemacht wurden.“ |
Ist man in der Muße kreativer?
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Telliamed registrierter User
Anmeldungsdatum: 05.03.2007 Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten
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(#884388) Verfasst am: 14.12.2007, 14:26 Titel: |
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Die Begriffe "Muße" oder "Müßiggang", die bei unseren Vorfahren positive oder negative Gefühle auslösten, scheinen immer mehr zu Archaismen zu werden.
Für die Sehnsucht nach mehr "Muße" kam in letzter Zeit der Begriff der "Entschleunigung" auf, der mir allerdings zu technizistisch und nicht sehr glücklich erscheint. Mit der irren "Beschleunigung" in den Medien, dem hektischen Leben in den Großstädten, kommen viele Leute nicht mehr zurecht.
Sehe man sich etwa an: Manfred Osten: "Veloziferisch" oder Goethes Entdeckung der Langsamkeit. Zur Modernität eines Klassikers im 21. Jahrhundert. Frankfurt am Main u.a. 2003.
Goethe wurde am Ende seines Lebens durch Berichte von den Eisenbahnen verstört. Was gewinnt man durch größere Geschwindigkeit? (das spielt auch in dem 130 Stundenkilometer- Geschwindigkeits-Beschränkungs-Thread in diesem Forum hinein; als Nicht-Auto-Besitzer ohne Fahrerlaubnis fühlt man sich da schon fast wie ein Exot).
In den "Wahlverwandtschaften" tauchen Figuren auf, die geradezu süchtig nach schnellem Wechsel und immer neuen Eindrücken sind, während Ottilie das Prinzip der "Beharrung" verkörpert. Auch der blinde Faust fällt am Ende einer Täuschung über die Geschwindigkeit zum Opfer (die Lemuren schaufeln sein Grab; er hört keineswegs eine große Sumpf-Trockenlegungs-Aktion).
Von Manfred Osten folgte übrigens ein Buch über die Gefahr, die den elektronischen Medien durch das rasche Veralten droht; Texte von einer Diskette 1990 kann man kaum noch lesen. Vor kurzem zerbröckelten vor meinen Augen die Seiten in einem Buch von 1949 (während die Bücher aus dem 18. und 19. Jh. strahlend weiß geblieben sind).
Mehr "Muße" wünscht man sich heutzutage, um angesichts der großen Beschleunigung zu sich zu kommen und auch einmal die Stille auf sich einwirken zu lassen, die der Großstädter kaum noch vernehmen kann.
"Müßiggang" und das aus Wikipedia zitierte wirklich schaurig-blöde Sprichwort bringen so richtig die protestantische Arbeitsmoral zum Ausdruck, wie sie sich vor allem im calvinischen Bereich verbreitete. Schuften, schuften (für die da oben), und das als Selbstzweck verinnerlichen.
In den katholischen Ländern des Südens kann man sich wenigstens während der größten Mittagshitze unter einen Olivenbaum zu einer Siesta hinknallen; während die dummen nördlichen Protestanten unter dem auf sie ausgeübten Druck "durcharbeiten" und schon vergessen zu haben scheinen, was ein gepflegter Mittagsschlaf ist.
Angesichts der allgemeinen Ergriffenheit während einer katholischen Prozession wird wohl kaum ein Teilnehmer die Frechheit aufbringen, diese als einen "Müßiggang" zu bezeichnen.
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#884392) Verfasst am: 14.12.2007, 14:34 Titel: freie Arbeit |
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astarte007 hat folgendes geschrieben: | "Müssigang ist nichts Übles, ja man kann sagen: ein Mensch, der für diesen keinen Sinn hat, zeigt damit, dass er sich nicht zur Humanität erhoben hat."
Sören Kierkegaard
Die Leute, die niemals Zeit haben, tun am allerwenigsten" G.Chr. Lichtenberg
"Gründer
Geschäftig sind die Menschenkinder,
die große Zunft von kleinen Meistern,
als Mitbegründer, Miterfinder
sich diese Welt zurecht zu kleistern...
Welch ein Gedrängel und Getriebe
von Lieb und Hass bei Nacht und Tage,
und unaufhörlich setzt es Hiebe,
und unaufhörlich tönt die Klage.
Gottlob, es gibt auch stille Leute,
die meiden dies Gewühl und hassen's
und bauen auf der andren Seite
sich eine Welt des Unterlassens."
Wilhelm Busch
Alexander v. Schönburg „Die Kunst des stilvollen Verarmens.“ hat folgendes geschrieben: | „In der Muße ist der Mensch am meisten bei sich. Nur in der Muße, oder aus Spaß, vermag er wirklich große Dinge, Albert Einstein hat die Relativitätstheorie entwickelt, als er auf dem Caputher See im Ruderboot saß. Die Glühbirne wurde von einem Freizeittüftler, einem deutschen Uhrmacher, und das Internet von ein paar Computerfreaks erfunden, die ihre Rechner aus Spaß vernetzten. Egon Fridell meint in seiner „Kulturgeschichte der Neuzeit“, man müsse sich darüber im Klaren sein, dass manche der größten Erfindungen der Menschheit aus spielerischem Erfindungsgeist – diletto – , also von Dilettanten gemacht wurden.“ |
Ist man in der Muße kreativer? |
Also, zunächst mal - das Zitat von Schönburg trifft es genau. Bingo!
Kreative und für die Menschen gebrauchswerthafte Leistungen setzen Freiheit voraus.
Freiheit von zeitlichem Druck ist nur eine der Freiheiten, die ich meine.
Und ich zitiere noch einen anderen Tüftler, der das ganz gut beschreiben konnte, was freie Arbeit bedeutet:
Zitat: | Sowie nämlich die Arbeit naturwüchsig verteilt zu werden anfängt, hat Jeder einen bestimmten ausschließlichen Kreis der Tätigkeit, der ihm aufgedrängt wird, aus dem er nicht heraus kann; er ist Jäger, Fischer oder Hirt oder kritischer Kritiker und muss es bleiben, wenn er nicht die Mittel zum Leben verlieren will - während in der kommunistischen Gesellschaft, wo Jeder nicht einen ausschließlichen Kreis der Tätigkeit hat, sondern sich in jedem beliebigen Zweige ausbilden kann, die Gesellschaft die allgemeine Produktion regelt und mir eben dadurch möglich macht, heute dies, morgen jenes zu tun, morgens zu jagen, nachmittags zu fischen, abends Viehzucht zu treiben, nach dem Essen zu kritisieren, wie ich gerade Lust habe, ohne je Jäger, Fischer, Hirt oder Kritiker zu werden.
K. Marx, Dt. Ideologie, MEW 3, 33
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Selbstverständlich kann es hier nicht bloß um eine geistig-moralische Einstellung gehen, sondern zuerst um die materielle, will sagen gesellschaftliche (!) Grundlage der entspannten, wenn man so will Muße-vollen Arbeit ...-!
Skeptiker
_________________ °
K.I.Z - Frieden
Das ist Postmoderne Ideologie! Psychologe und Philosoph analysieren RASSISMUS-Video
Informationsstelle Militarisierung e.V.
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Idler auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 24.11.2007 Beiträge: 246
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(#884393) Verfasst am: 14.12.2007, 14:36 Titel: |
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Alexander v. Schönburg „Die Kunst des stilvollen Verarmens.“ hat folgendes geschrieben: | „[...] Die Glühbirne wurde von einem Freizeittüftler, einem deutschen Uhrmacher, und das Internet von ein paar Computerfreaks erfunden, die ihre Rechner aus Spaß vernetzten. [...]“ |
Wobei der Erfinder der Glühbirne wohl eher als des Müßiggängers Feind gelten kann. Edison hat aus Nacht Tag gemacht. Er ermöglichte die Arbeit bei Nacht und verunglimpfte den Schlaf.
Harald Eggebrecht hat folgendes geschrieben: | Dennoch störte es einfach den Betrieb, dass die Menschen lebenslang in diesem vollkommen untätigen Zustand [Schlaf; Idler] von Bewußtlosigkeit sinken, tagtäglich stundenlang ausfallen. Der große Erfinder Thomas Alva Edison hatte geschimpft: "Die meisten Menschen essen hundert Prozent mehr als nötig und schlafen hundert Prozent mehr als nötig, und zwar weil es ihnen Spaß macht. Und diese überflüssigen hundert Prozent machen sie ungesund und ineffizient. Ein Mensch, der acht oder zehn Stunden pro Nacht schläft, wird nie richtig schlafen und nie richtig wach sein - er döst lediglich in verschiedenen Stufen vor sich hin, 24 Stunden am Tag." Gut gebrüllt, vom Erfinder der Glühbirne kann man auch nichts anderes erwarten. (Eggebrecht, Harald: Die Kunst des Nickerchens, S. 21) |
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kolja der Typ im Maschinenraum

Anmeldungsdatum: 02.12.2004 Beiträge: 16631
Wohnort: NRW
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(#884395) Verfasst am: 14.12.2007, 14:40 Titel: |
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Hard work often pays off after time, but laziness always pays off now.
_________________ Hard work often pays off after time, but laziness always pays off now.
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Idler auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 24.11.2007 Beiträge: 246
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(#884396) Verfasst am: 14.12.2007, 14:41 Titel: |
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Telliamed hat folgendes geschrieben: | [...] In den katholischen Ländern des Südens kann man sich wenigstens während der größten Mittagshitze unter einen Olivenbaum zu einer Siesta hinknallen; während die dummen nördlichen Protestanten unter dem auf sie ausgeübten Druck "durcharbeiten" und schon vergessen zu haben scheinen, was ein gepflegter Mittagsschlaf ist. [...] |
Liest man Tom Hodgkinsons "Die Kunst frei zu sein", erkennt man eine deutliche Präferenz des katholisch geprägten Mittelalters gegenüber der protestantischen Arbeitsmoral, wie sie heute gilt.
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Kramer postvisuell
Anmeldungsdatum: 01.08.2003 Beiträge: 30878
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(#884397) Verfasst am: 14.12.2007, 14:43 Titel: |
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Da fällt mir ein, die Biathlon-Saison hat ja schon längst begonnen.
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Botschafter Kosh auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 26.11.2007 Beiträge: 3972
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(#885138) Verfasst am: 15.12.2007, 12:54 Titel: |
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Zuse hat den Computer erfunden(als Student), weil er zu faul war selbst zu rechnen.
mfg Kosh
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PataPata Agnostiker und Pataphysiker
Anmeldungsdatum: 05.11.2007 Beiträge: 2977
Wohnort: Toscana
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(#893060) Verfasst am: 25.12.2007, 22:45 Titel: |
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astarte007 hat folgendes geschrieben: | Ist man in der Muße kreativer? |
Muss man die Musse tatsächlich damit verteidigen, dass sie einen gesteigerten Kreativitätszustand darstellt? Fällt man damit nicht wieder in die Verteidigung eines Utilitarismus zurück? "Ich bin Müssiggänger, um mehr Leistung erbringen zu können" - sozusagen...
_________________ Alles denkbare ist real
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Idler auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 24.11.2007 Beiträge: 246
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(#893228) Verfasst am: 26.12.2007, 11:06 Titel: |
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Agnostiker hat folgendes geschrieben: | astarte007 hat folgendes geschrieben: | Ist man in der Muße kreativer? |
Muss man die Musse tatsächlich damit verteidigen, dass sie einen gesteigerten Kreativitätszustand darstellt? Fällt man damit nicht wieder in die Verteidigung eines Utilitarismus zurück? "Ich bin Müssiggänger, um mehr Leistung erbringen zu können" - sozusagen... |
Es gibt den schrecklichen Begriff des "power-napping". Unternehmen haben entdeckt, dass Mitarbeiter, die nach dem Essen ein kurzes Nickerchen machen, danach effizienter arbeiten. Mancherorts wird das power-napping deshalb offiziell in den Arbeitstag integriert.
Ein Müßiggänger verteidigt das Nickerchen aber um seiner selbst willen bzw. um sich der Effizienzmaschine für kurze Zeit zu verweigern.
Der müßige Erfinder der Glühbirne hat dem Müßiggang einen Bärendienst erwiesen. Seine Kreativität führte dazu, dass man auch in der Nacht effizient arbeiten kann.
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gwarpy Psychonaut
Anmeldungsdatum: 19.09.2004 Beiträge: 2012
Wohnort: KinA
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(#893232) Verfasst am: 26.12.2007, 11:25 Titel: |
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Zu einem produktiven Müßiggang, wie er oben erwähnt wurde, gehört aber - wie ich meine - die Vorraussetzung erst mal die Fähigkeit zu besitzen völlig unproduktiv sein zu können.
Wann habt ihr zuletzt stundenlang einfach gar nichts gemacht (abgesehen vom Schlaf)?
Richtig abgeschalten?
In meinem Umfeld kenne ich nur sehr wenige Menschen, die das überhaupt noch können, oder gar wissen, dass man das kann.
gwarpy
_________________ Die Menschen glauben das, was sie wünschen.
Gaius Julius Caesar
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Idler auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 24.11.2007 Beiträge: 246
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(#893260) Verfasst am: 26.12.2007, 12:24 Titel: |
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Müßiggang sollte vergnüglich sein. Ein Frei-Sein von äußeren Zwängen oder ein Sich-Verweigern gegenüber äußeren Zwängen. Stundenlang ausschließlich gar nichts zu tun, kann von Vergnüglichkeit in Langeweile umschlagen. Deshalb ist Müßiggang für mich eine Zeit wechselnder Vergnüglichkeiten: Sie schließt das Rumhängen (Hängematte) und Spazieren genauso mit ein wie das Kochen und Plaudern (geistige Genüsse).
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#893647) Verfasst am: 26.12.2007, 20:36 Titel: Re: Müßiggang: zum Begriff |
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Idler hat folgendes geschrieben: | Müßiggang: zum Begriff |
Siehe im grimmschen Wörterbuch:
http://tinyurl.com/39qkr8
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