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Andersglaeubige im islamischen Recht

 
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ateyim
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Anmeldungsdatum: 21.05.2007
Beiträge: 3656
Wohnort: Istanbul

Beitrag(#967064) Verfasst am: 31.03.2008, 12:08    Titel: Andersglaeubige im islamischen Recht Antworten mit Zitat

Mich beschaeftigt eine Sache, die ich leider nicht ohne einen kleinen geschichtlichen Exkurs in die Zeiten des Osmanischen Reiches einbringen kann.

Zitat:
Das Millet-System beruht im Prinzip auf islamisches Recht. Danach bezeichnet der Begriff „Millet“ eine Gruppe, die zu einer Konfession und Religion gehört. In der osmanischen Verwaltung werden die Nichtmuslime als tebaa-i gayrimüslime (nichtmuslimische Untertanen), Millet, etc. bezeichnet. Der osmanische Staat gewährte den Nichtmuslimen in religiösen, rechtlichen, administrativen und erzieherischen Angelegenheiten unter ihrer Führung das Recht der Selbstbestimmung. Die Nichtmuslime unter osmanischer Herrschaft setzten sich aus Orthodoxen, Armeniern, Katholiken, Juden und Protestanten zusammen, wobei die Orthodoxen bei der Staatsbürokratie vor den anderen Gemeinschaften standen

Die Millet-Verfassung ermöglichte den nichtmuslimischen Religionen in Südosteuropa und dem Nahen Osten jeweils als Kirche, als rechtlich und politisch anerkannte Institutionen weiter zu existieren. Das Verhältnis zwischen dem Staat und den Religionsgemeinschaften kann nicht mit "Toleranz" gegenüber Andersgläubigen im modernen Sinne, sondern lediglich mit Duldung und Protektion der nichtmuslimischen Gemeinden seitens des Staates erklärt werden. Insbesondere die Kopfsteuer wurde als eine besonders ungerechte Diskriminierung empfunden.




Für viele meiner Landsleute dient dieser Teil der osmanischen Verwaltungsordnung als ein Beispiel für die "Toleranz" eines islamischen Staates, doch wie hier treffend erwaehnt wird, war dies eher eine Duldung.
Aber faszinierend finde ich den ersten Satz, dass dieses Millet-System auf islamischem Recht beruht, und aus anderen Quellen weiss ich, dass es halt nicht anders möglich gewesen sei, weil eine "Bekehrung" oder gar "Tötung" der Andersglaeubigen gegen islamisches Recht verstossen haette


Ich kenne mich zu wenig über islamische Recht aus, aber gibt es überhaupt einen islamischen Gottesstaatbefürworter, der in unserer heutigen Zeit einen islamischen Staat anstreben würde unter Berücksichtigung des obigen Systems? Wenn islamischer Gottesstaat dann habe ich den Eindruck, dass es NUR den Islam in dem Land geben darf. Wenn es doch islamischem Recht entspricht so zu verfahren, wie oben beschrieben, müsste dann nicht wenigstens eines so ein Millet-System anvisieren. Abgesehen von der Problematik einer Kopfsteuer, kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Islamist nur im Traum daran denken könnte, einen Staat zu planen, in dem Christen und Juden so behandelt werden wie oben.

Dass in den Zeiten des Niederganges des osmanischen Vielvölkerstaates, in denen die Minderheiten ihre eigenene nationalen Identitaeten wiedererkannten und nach Unabhaengigkeit strebten, diese Toleranz/Duldung bröckelte und es gar zu religiösen Progromen kam, die von meinen Landsleuten gerne totgeschwiegen werden, ist Fakt und daher will ich es nicht unerwaehnt lassen.

Dennoch: was ist heutzutage mit den Laendern, in denen der Islam Staatsreligion ist oder den Eiferern, die einen solchen Staat anstreben? wohin ist diese Art der islamischen Rechtsdeutung verschwunden? ist sie unwiderbringbar weg? Hat hier eine Evolution stattgefunden und die "offene, tolerante" Auslegung ist ausgestorben?

Heutzutage wird alles, was am Islam "positiv" rüberkommt schlechtgeredet, weil es den Islam halt im Gesamtpaket nur geben kann, und der beinhaltet auch die vielen "negativen" Zitate über Andersglaeubige. (ich spreche mich von dieser Argumentationsart nicht frei).

Es gibt die Staaten mit mehrheitlich muslimischer Bevölkerung, die eine Kombination von Saekularismus und Religion versuchen, aber selbst das Gefühl haben, dass es da Hindernisse im Koran zu geben scheint, die es im Grunde nicht zulassen und gehen einen Weg, in dem wie im Beispiel Türkei manchmal laizistischer Staat und Religion sich unversöhnlich gegenüberstehen und da gibt es die islamischen Staaten, die den Koran und die Shariah leben, aber weit von den historischen osmanischen Modell entfernt sin.

Aber ein Staat wie das Osmanische Reich, dessen Oberhaupt jahrhundertelang den Titel Kalif (Nachfolger des Propheten) trug, und somit Schutzherr über die islamische Welt war, hatte anscheinend keine Probleme den Islam/Koran/Hadithe so auszulegen, wie er es tat, und die oberste Instanz der islamischen Rechtsgelehrten wird damals bestimmt sehr sorgfaeltig auf die Auslegung von Allahs Worte wert gelegt haben.
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3525

Beitrag(#967491) Verfasst am: 31.03.2008, 20:37    Titel: Re: Andersglaeubige im islamischen Recht Antworten mit Zitat

ateyim hat folgendes geschrieben:

Für viele meiner Landsleute dient dieser Teil der osmanischen Verwaltungsordnung als ein Beispiel für die "Toleranz" eines islamischen Staates, doch wie hier treffend erwaehnt wird, war dies eher eine Duldung.


Der Begriff der Toleranz bezieht sich grundsätzlich auf etwas, das man selbst zwar für falsch, aber für noch hinnehmbar hält. Wer etwas toleriert, erachtet dies im Rahmen seiner eigenen Einstellungen und Überzeugungen für etwas Negatives, fordert aber nicht dessen Verbot, Abschaffung oder Beseitigung. Das heißt, das, was ich toleriere, nehme ich praktisch hin, obwohl ich dagegen etwas einzuwenden habe und damit eigentlich nicht einverstanden bin.
Dinge, die ich akzeptiere, weil ich sie für positiv halte, toleriere ich in diesem Sinne nicht.

Anders gesagt: Alles, was ich akzeptiere (oder mir schlicht gleichgültig ist), toleriere ich; aber nicht alles, was ich toleriere, akzeptiere ich (oder ist mir gleichgültig).

"The term 'toleration' — from the Latin tolerare: to put up with, countenance or suffer — generally refers to the conditional acceptance of or non-interference with beliefs, actions or practices that one considers to be wrong but still 'tolerable,' such that they should not be prohibited or constrained. (...) [I]t is essential for the concept of toleration that the tolerated beliefs or practices are considered to be objectionable and in an important sense wrong or bad. If this objection component is missing, we do not speak of 'toleration' but of 'indifference' or 'affirmation.'"
(http://plato.stanford.edu/entries/toleration)
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Ladeeni
Ex-Muslim & Kameltreiber



Anmeldungsdatum: 02.04.2007
Beiträge: 831
Wohnort: NRW

Beitrag(#967555) Verfasst am: 31.03.2008, 21:18    Titel: Antworten mit Zitat

Hier ein schneller Kommentar:


erst gestern habe ich bei einem Artikel gelesen, dass die Landstücke, auf denen das Knesset in Jerusalem und andere Ministerien, fast die Hälfte der Jerusalemer Altstadt, plus unzählige Ländereien in Palästina zur (griechisch) orthodoxen Kirche gehören. Das hat mir eineiges gesagt über das Millet-System.



Dass die Islamisten von heute ein Problem damit haben, dass Anhänger anderer Religionen ihren Glauben in den verschiedenen Bereichen (Bildung, Medien etc..) frei leben, hängt meiner Meinung nach zum (einen geringen) Teil damit zusammen, dass die Zeiten sich änderten. Im Gegensatz zu vor 200 Jahren, ist unsere Welt vernetzt und von Ton und Bild dominiert, d.h wenn Christen z.B in Saudi-Arabien ihren Glauben frei leben würden, sei es ein eigener Religionsunterricht, eigene Radio- und Fernsehsender, da wird der restliche muslimische Gesellschaft davon einiges mitbekommen, und ihre Gefühle werden "verletzt", z.b durch die Lehren des Evangelium und die musikalischen Gebete, die im krassen Widerspruch zum salafistischen Islam stehen. Das ist nur ein kleines Beispiel.


Hoffentlich konnte ich meine Idee erklären.
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Botschafter Kosh
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Anmeldungsdatum: 26.11.2007
Beiträge: 3972

Beitrag(#967582) Verfasst am: 31.03.2008, 21:36    Titel: Antworten mit Zitat

So wie ich es verstanden habe ist es dem Moslem vorübergehend erlaubt sich zu verstellen, um später die richtigen Ziele durchzusetzen.

mfg Kosh
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Misterfritz
mini - mal



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Beitrag(#967599) Verfasst am: 31.03.2008, 21:48    Titel: Antworten mit Zitat

Botschafter Kosh hat folgendes geschrieben:
So wie ich es verstanden habe ist es dem Moslem vorübergehend erlaubt sich zu verstellen, um später die richtigen Ziele durchzusetzen.

mfg Kosh

ausserdem ist es eigentlich unerheblich, wie FRÜHERin islamischen ländern mit andersgläubigen umgegangen wurde. heute sieht es jedenfalls echt schlecht für diese leute aus.
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beachbernie
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Beitrag(#967634) Verfasst am: 31.03.2008, 22:10    Titel: Antworten mit Zitat

Hallo ateyim,

nur wer dem Trugschluss unterliegt, dass die "heiligen Schriften" der grossen Schriftreligionen eindeutig und unabaenderlich sind, kann sich ueber die Evolutionen wundern, die diese durchgemacht haben und auch weiterhin durchmachen. Die heiligen Schriften sind ziemlich vielschichtig und sehr widerspruechlich. Dies muss auch so sein, wenn man deren Funktion bedenkt. Einerseits sollen sie Kontinuitaet garantieren und andererseits sollen sie Anpassungsprozesse an sich wandelnde Umgebungen ermoeglichen. Der Ausweg aus dem scheinbaren Widerspruch ist, dass man eine heilige Schrift zur "alleinigen Wahrheit" erklaert, die in sich so widerspruechlich ist, dass sie einer Priesterkaste als Fundus dienen kann um auf wechselnde Herausforderungen optimal reagieren zu koennen und gleichzeitig den Glaeubigen zu suggerieren, dass man genau das tut, was ihr Gott schon immer gewollt hat. Weil es nun einmal so ist, dass sich viele Leute vor Veraenderungen fuerchten und sie deshalb zu Konservativismus neigen. Fuer Buecher wie Bibel und Koran muss deshalb gelten, dass sie z.B. gleichzeitig als "Buecher des Friedens" und "Buecher des Krieges" gelten koennen, je nachdem wer sie aufgrund welchen Interesses wie interpretiert. Dies ist auch der Grund, weshalb ich dem tieferen Studium dieser heiligen Schriften zur Erkenntnis des "wahren Wesens" einer Religion so wenig Stellenwert beimesse. Man muss sich bloss die richtigen Zitate raussuchen, dann kann man damit alles sowie auch das genaue Gegenteil davon "beweisen".

Es ist uebrigens diese grosse "Geschmeidigkeit" in den Auslegungen, denen die grossen Schriftreligionen ihren grossen Erfolg verdanken und die sie erheblich stabiler macht als z.B. Staaten. Ohne die Faehigkeit im Laufe der Zeit ganz gewaltige Wandlungen durchzumachen, waeren sowohl Judentum als auch Islam und Christentum schon lange verschwunden.

Deine Frage muesste nicht lauten, wie man das von Dir angefuehrte Phaenomen aus dem Koran ableitet (das ist bloss fuer islamische Geistliche interessant, die glauben ihren Glaeubigen einen Richtungswechsel beibringen oder einen solchen verhindern zu muessen), sondern eher, wer hat welches Interesse daran, den Koran einmal so und einmal ganz anders zu interpretieren...


Gruss, Bernie
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Misterfritz
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Beitrag(#967640) Verfasst am: 31.03.2008, 22:15    Titel: Antworten mit Zitat

beachbernie hat folgendes geschrieben:
Deine Frage muesste nicht lauten, wie man das von Dir angefuehrte Phaenomen aus dem Koran ableitet (das ist bloss fuer islamische Geistliche interessant, die glauben ihren Glaeubigen einen Richtungswechsel beibringen oder einen solchen verhindern zu muessen), sondern eher, wer hat welches Interesse daran, den Koran einmal so und einmal ganz anders zu interpretieren...

ich denke mal, die, die danach leben wollen/müssen. alle anderen müssen sich nur mit den ergebnissen dieser interpretationen auseinandersetzen. so wie der atheistische junge mann, der sich in eine katholikin verliebt, z.b.
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beachbernie
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Anmeldungsdatum: 16.04.2006
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Beitrag(#967676) Verfasst am: 31.03.2008, 22:35    Titel: Antworten mit Zitat

Misterfritz hat folgendes geschrieben:
beachbernie hat folgendes geschrieben:
Deine Frage muesste nicht lauten, wie man das von Dir angefuehrte Phaenomen aus dem Koran ableitet (das ist bloss fuer islamische Geistliche interessant, die glauben ihren Glaeubigen einen Richtungswechsel beibringen oder einen solchen verhindern zu muessen), sondern eher, wer hat welches Interesse daran, den Koran einmal so und einmal ganz anders zu interpretieren...

ich denke mal, die, die danach leben wollen/müssen. alle anderen müssen sich nur mit den ergebnissen dieser interpretationen auseinandersetzen. so wie der atheistische junge mann, der sich in eine katholikin verliebt, z.b.


Eben! Mit den Ergebnissen der Interpretion und nicht unbedingt mit der heiligen Schrift selber. Die katholische Kirche verlangt immer noch, dass der nichtkatholische Teil einer Partnerschaft katholisch werden muss, bevor kirchlich getraut werden kann. In der evangelischen Kirche ist man da nicht so rigoros. Und beide berufen sich auf exakt die gleiche heilige Schrift.....komisch, nicht wahr?

Gruss, Bernie
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Misterfritz
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Anmeldungsdatum: 09.03.2006
Beiträge: 21867
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Beitrag(#967691) Verfasst am: 31.03.2008, 22:41    Titel: Antworten mit Zitat

beachbernie hat folgendes geschrieben:
Die katholische Kirche verlangt immer noch, dass der nichtkatholische Teil einer Partnerschaft katholisch werden muss, bevor kirchlich getraut werden kann. In der evangelischen Kirche ist man da nicht so rigoros. Und beide berufen sich auf exakt die gleiche heilige Schrift.....komisch, nicht wahr?

sorry bernie,
aber, im gegensatz zu europa, werden katholische töchter, wenn sie z.b. einen ev. mann heiraten, nicht gesteinigt o.ä.
fahre schlicht mal in ein islamisches land und sehe dir die WENIGEN christlichen kirchen an - so sie noch stehen. frage christen dort, falls sie sich wagen, sich als christen zu erkenn en zu geben, wie sie leben, wie sie sich fühlen, wie sie überhaupt die möglichkeit haben, ihren glauben zu leben.
und danach fahre nach europa und schaue dir die moscheen hier an und vergleiche.....
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Friedensreich
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Anmeldungsdatum: 21.02.2008
Beiträge: 469

Beitrag(#967777) Verfasst am: 31.03.2008, 23:08    Titel: Andersgläubige im islamischen Recht Antworten mit Zitat

Im Islam waren die Andersgläubigen (Christen u.Juden) als "Buchbesitzer" durch den Dhimmistatus geschützt. Diese von den Nichtmuslimen erhobene Dhimmisteuer war offiziell eine Abgeltung dafür, daß diese Leute nicht Militärdienst machen mussten. Wenn man so will, kann man sagen, daß die Christen und Juden einen großen Teil der islamischen Expansion bezahlt haben.Natürlich haben auch viele Christen und Juden den Islam angenommen um der Steuer zu entgehen. Ausserdem hatten sie dann als Muslime auch das Recht Posten bei den Behörden anzunehmen etc. Heute ist die Dhimmisteuer praktisch abgeschafft. Ich meine, dass sich auch eine Einhebung nicht mehr lohnen würde, da in den meisten islamischen Staaten die Christen und Juden nur mehr eine vernachlässigbare Minderheit sind.

" Die kath.Kirche verlangt heute immer noch, daß der nichtkatholische Teil einer Partnerschaft, katholisch werden muss, um kirchlich getraut zu werden"

Meine Erfahrung ist da anders. Als ich vor etwa 35 Jahren geheiratet habe (damals war ich noch Katholik) hat man von meiner Partnerin die ohne Bekenntnis war, dies ebenfalls verlangt. Ich habe mich auf den Standpunkt gestellt, daß ich in diesem Fall auf eine kirchliche Trauung verzichten würde. Nach einigen Stunden Bedenkzeit der Pfarrei, war aber dann doch eine Trauung OHNE weitere Auflagen möglich.
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beachbernie
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Anmeldungsdatum: 16.04.2006
Beiträge: 45792
Wohnort: Haida Gwaii

Beitrag(#967784) Verfasst am: 31.03.2008, 23:11    Titel: Antworten mit Zitat

Misterfritz hat folgendes geschrieben:
beachbernie hat folgendes geschrieben:
Die katholische Kirche verlangt immer noch, dass der nichtkatholische Teil einer Partnerschaft katholisch werden muss, bevor kirchlich getraut werden kann. In der evangelischen Kirche ist man da nicht so rigoros. Und beide berufen sich auf exakt die gleiche heilige Schrift.....komisch, nicht wahr?

sorry bernie,
aber, im gegensatz zu europa, werden katholische töchter, wenn sie z.b. einen ev. mann heiraten, nicht gesteinigt o.ä.
fahre schlicht mal in ein islamisches land und sehe dir die WENIGEN christlichen kirchen an - so sie noch stehen. frage christen dort, falls sie sich wagen, sich als christen zu erkenn en zu geben, wie sie leben, wie sie sich fühlen, wie sie überhaupt die möglichkeit haben, ihren glauben zu leben.
und danach fahre nach europa und schaue dir die moscheen hier an und vergleiche.....


Hallo Fritzie,

Da war die katholische Kirche eigentlich schon immer fortschrittlicher, die haben in solchen Faellen nie gesteinigt, sondern hoechstens mal ein bisschen wegen Ketzerei verbrannt und die heilige Schrift war immer die gleiche. Man wird Verbrennungen und Steinigungen nie erklaeren koennen, wenn man nur in den entsprechenden heiligen Schriften nach Erklaerungen sucht, sondern man ist besser beraten die Rahmenbedingungen der betreffenden Gesellschaften zu analysieren. Dann wird man auch feststellen, dass rueckstaendige Feudalgesellschaften, voellig unabhaengig von Religion und heiligen Buechern, nun mal eher zu rustikalen, archaischen Opferritualen als "Bestrafung" neigen als moderne Industriegesellschaften. Was derzeit in der islamischen Welt passiert ist zum grossen Teil darauf zurueckzufuehren, dass ebensolche Feudalgesellschaften in Rekordzeit vom Mittelalter ins 21.Jahrhundert katapultiert werden. Wer immer bloss im Koran rumsucht, der wird nie begreifen, was dort gerade laeuft.

Vor Jahren mal sah ich ein Foto in einer Illustrierten, das mehr ueber modernen Islamismus und die Umwaelzungen im Islam generell aussagte als 10 Jahre Koranstudium. Da war ein Beduine auf einem Kamel abgebildet, der mit Vorderlader und Krummdolch bewaffnet vom Scheitel einer Sandduene aus auf eine Grossbaustelle herabblickte, wo ein Meer von Baukraenen eine so futuristische Stadt errichtete, dass sie aus einem Science-fiction-Bildband haette stammen koennen. Entwicklungen, die in Europa Jahrhunderte dauerten, finden in der Region oft in wenigen Jahren statt. Das geht natuerlich nicht ohne Brueche und Regressionen ab.

Ich denke vieles, was angeblich in der islamischen Religion begruendet sein soll, ist eigentlich Folge einer rasend schnell stattfindenden Modernisierung und der Angst vieler Menschen, die mit dieser Geschwindigkeit ueberfordert sind. Obendrein spielten westliche Regierungen schon viel zu lange mit den daraus resultierenden Verwerfungen und beuteteten sie fuer egoistische Eigeninteressen aus. Und jetzt haben wir den Salat!

Gruss, Bernie
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Misterfritz
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Anmeldungsdatum: 09.03.2006
Beiträge: 21867
Wohnort: badisch sibirien

Beitrag(#967805) Verfasst am: 31.03.2008, 23:20    Titel: Antworten mit Zitat

beachbernie hat folgendes geschrieben:
Hallo Fritzie,

Da war die katholische Kirche eigentlich schon immer fortschrittlicher, die haben in solchen Faellen nie gesteinigt, sondern hoechstens mal ein bisschen wegen Ketzerei verbrannt und die heilige Schrift war immer die gleiche.
wann war das so ungefähr? und seit wann haben islamische staaten die steinigung abgeschafft?

beachbernie hat folgendes geschrieben:
Vor Jahren mal sah ich ein Foto in einer Illustrierten....
vielleicht solltest du einfach mal hinfahren, dich richtig umsehen, etwas abseits von touristengebieten. fotos sind nett, aber, was erzählen sie dir wirklich über das leben der christen in islamischen staaten (von atheisten will ich gar nicht reden).
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Myron
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Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3525

Beitrag(#967998) Verfasst am: 01.04.2008, 01:57    Titel: Salafismus Antworten mit Zitat

Ladeeni hat folgendes geschrieben:
(...) die im krassen Widerspruch zum salafistischen Islam stehen.


Apropos, zum Thema salafistischer Islam in Deutschland siehe:

http://www.zeit.de/2008/14/Salafi-Kasten

http://www.zeit.de/2008/14/Rahman-Moschee
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Botschafter Kosh
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Anmeldungsdatum: 26.11.2007
Beiträge: 3972

Beitrag(#969478) Verfasst am: 02.04.2008, 10:08    Titel: Antworten mit Zitat

beachbernie hat folgendes geschrieben:
Hallo ateyim,

nur wer dem Trugschluss unterliegt, dass die "heiligen Schriften" der grossen Schriftreligionen eindeutig und unabaenderlich sind, kann sich ueber die Evolutionen wundern, die diese durchgemacht haben und auch weiterhin durchmachen. Die heiligen Schriften sind ziemlich vielschichtig und sehr widerspruechlich. Dies muss auch so sein, wenn man deren Funktion bedenkt. Einerseits sollen sie Kontinuitaet garantieren und andererseits sollen sie Anpassungsprozesse an sich wandelnde Umgebungen ermoeglichen. Der Ausweg aus dem scheinbaren Widerspruch ist, dass man eine heilige Schrift zur "alleinigen Wahrheit" erklaert, die in sich so widerspruechlich ist, dass sie einer Priesterkaste als Fundus dienen kann um auf wechselnde Herausforderungen optimal reagieren zu koennen und gleichzeitig den Glaeubigen zu suggerieren, dass man genau das tut, was ihr Gott schon immer gewollt hat. Weil es nun einmal so ist, dass sich viele Leute vor Veraenderungen fuerchten und sie deshalb zu Konservativismus neigen. Fuer Buecher wie Bibel und Koran muss deshalb gelten, dass sie z.B. gleichzeitig als "Buecher des Friedens" und "Buecher des Krieges" gelten koennen, je nachdem wer sie aufgrund welchen Interesses wie interpretiert. Dies ist auch der Grund, weshalb ich dem tieferen Studium dieser heiligen Schriften zur Erkenntnis des "wahren Wesens" einer Religion so wenig Stellenwert beimesse. Man muss sich bloss die richtigen Zitate raussuchen, dann kann man damit alles sowie auch das genaue Gegenteil davon "beweisen".

Es ist uebrigens diese grosse "Geschmeidigkeit" in den Auslegungen, denen die grossen Schriftreligionen ihren grossen Erfolg verdanken und die sie erheblich stabiler macht als z.B. Staaten. Ohne die Faehigkeit im Laufe der Zeit ganz gewaltige Wandlungen durchzumachen, waeren sowohl Judentum als auch Islam und Christentum schon lange verschwunden.

Deine Frage muesste nicht lauten, wie man das von Dir angefuehrte Phaenomen aus dem Koran ableitet (das ist bloss fuer islamische Geistliche interessant, die glauben ihren Glaeubigen einen Richtungswechsel beibringen oder einen solchen verhindern zu muessen), sondern eher, wer hat welches Interesse daran, den Koran einmal so und einmal ganz anders zu interpretieren...


Gruss, Bernie


Das hast du schön positiv formuliert.
Weil man mit den alten, widersprüchlichen Schriften jeden Mist begründen kann, ist für jeden, der das ausnutzen will, etwas dabei.
In Krisenzeiten wird das Fähnlein in den Wind gehängt und wenn die Lage es ermöglicht wird der Unsinn wieder kämpferisch verbreitet.

mfg Kosh
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Sokrateer
souverän



Anmeldungsdatum: 05.09.2003
Beiträge: 11649
Wohnort: Wien

Beitrag(#969514) Verfasst am: 02.04.2008, 11:08    Titel: Re: Andersglaeubige im islamischen Recht Antworten mit Zitat

ateyim hat folgendes geschrieben:
Ich kenne mich zu wenig über islamische Recht aus, aber gibt es überhaupt einen islamischen Gottesstaatbefürworter, der in unserer heutigen Zeit einen islamischen Staat anstreben würde unter Berücksichtigung des obigen Systems? Wenn islamischer Gottesstaat dann habe ich den Eindruck, dass es NUR den Islam in dem Land geben darf. Wenn es doch islamischem Recht entspricht so zu verfahren, wie oben beschrieben, müsste dann nicht wenigstens eines so ein Millet-System anvisieren. Abgesehen von der Problematik einer Kopfsteuer, kann ich mir nicht vorstellen, dass ein Islamist nur im Traum daran denken könnte, einen Staat zu planen, in dem Christen und Juden so behandelt werden wie oben.

Doch, die Islamisten sprechen sehr wohl ständig von diesem System. Nur gilt es in Arabien nicht. Mohammed hat in den Hadithen angeordnet, dass es in Arabien nur den Islam geben darf. Die Saudis stehen also im Einklang mit dem orthodoxen Islam, wenn sie andere Religionen bei sich völlig verbieten.

In Europa gibt es viele Islamisten, die Sozialleistungen als Dhimmi-Steuer auffassen.

Problematischer als die Kopfsteuer, ist die Gewichtung von Zeugenaussagen vor Gericht. Ein Dhimmi darf sowieso nicht gegen einen Muslim aussagen. Das bedeutet z.B., dass ein Muslim einen Christen ermorden kann und unbehelligt bleibt, solange kein Muslim als Zeuge gegen ihn aussagt. Das war auch im osmanischen Reich so.

Die Rechtssprechung vieler islamischer Staaten ist an das islamische Recht angelegt. Wenn Christen in Ägypten keine neuen Kirchen bauen dürfen, sondern lediglich alte renovieren, dann entstammt das auch aus dem islamischen Recht.
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