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Forscher widerlegen Willensfreiheit
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Ascanius
abnorm



Anmeldungsdatum: 14.06.2005
Beiträge: 375
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1422356) Verfasst am: 26.01.2010, 06:28    Titel: Antworten mit Zitat

Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Ascanius hat folgendes geschrieben:
Vielleicht wäre die angedachte "umständliche" Variante klarer gewesen: Wir können tun, was wir wollen (z.B. spazieren gehen), oder auch tun, was wir nicht wollen (z.B. eine Steuererklärung machen).


Wenn Du Dich selbst nicht nur als "bewußtes Ich", sondern auch Deine unbewußten Prozesse als Dir zugehörig betrachtest, hast Du recht. Dann ist das alles möglich.


Prozesse sind Zustandsänderungen von Dingen, und "meine unbewußten Prozesse" sind Zustandsänderungen meines Körpers - wie könnte ich sie <b>nicht</b> als "mir zugehörig" betrachen, ohne sofort mein Köfferchen für einen längeren Klapsenaufenthalt packen zu müssen?

Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Wenn Du Dich jedoch nur als "bewußtes Ich" betrachtest, hast Du in diesem Falle unrecht, da die Willensregungen bereits unbewußt initiiert sind.


Was soll denn das "bewußte Ich" überhaupt sein? "Ich" bin mein Körper! Einige meiner Zustandsänderungen werden mir bewußt, andere nicht.

Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Wir ordnen Begriffe wie "Ich", "Selbst", "freier Wille", "Bewußtsein" etc. unterschiedlich zu und schon kommt es zum Streit.


Nur, wenn man es versäumt, sie rechtzeitig zu klären. Sollte das nicht gelingen oder kein Einvernehmen herzustellen sein, kann man sich jede Diskussion gleich ganz sparen.

Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Darüber hinaus tauscht die Wissenschaft alte philosophische und religiöse Begriffe durch neue aus oder übernimmt sie samt Sprachhoheit (wenn beispielweise früher jemand von "Bewußtsein als Schwingung" gesprochen hat, wurde er als esoterischer Esel beschimpft.


Wer solchen Quatsch von sich gibt, wird auch heute noch zurecht als esoterischer Esel beschimpft! "Bewußtsein" ist nämlich kein Ding sondern eine Äquivalenzklasse von Zustandsänderungen eines Dinges, und "Schwingungen" sind immer die Schwingungen von Dingen. "Bewußtsein als Schwingung" ist also nicht nur eine "metaphysische Mißformulierung" (Bunge), sondern ein echter ontologischer Kategorienfehler ("Reifikation").

Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Heutzutage ist das "40-Hertz-Neuronenfeuer" der Nervenzell-Ensembles ein ganz gewöhnlicher Ausdruck in den Neurowissenschaften.


Siehst Du wohl, hier geht es um <u>Dinge</u> wie Neuronen/Nervenzellen.
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Roter Ballon
Lifted



Anmeldungsdatum: 22.12.2006
Beiträge: 2631
Wohnort: München

Beitrag(#1422420) Verfasst am: 26.01.2010, 12:49    Titel: Antworten mit Zitat

Ascanius hat folgendes geschrieben:
(...)

Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Poesie ist die metaphysische Qualität der Idee.


<b>Noch</b> ne Schwafelwolke?

Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Denken ist größtenteils unscharf - bei mir auf jeden Fall unbestritten.


<b>Al-ler-dings!</b> Nur sehe ich keinen Grund, darauf auch noch stolz zu sein. Unscharfes Denken führt zu ebenso unscharfen Äußerungen, und die sind eine Zumutung für jeden, der die Welt <b>verstehen</b> will und sich mit dem Ungefähren nicht zufriedengeben kann.


nur mal die zwei Aussagen abgenommen ... den rest kniffel ich mir später zu recht.

Denken sollte schon auch Spaß machen, oder genauer die bei der neuronalen Aktivierung freigesetzten Botenstoffe erzeugen ja genau das Hochgefühl.
Dabei ist es unerheblich ob "das denken" scharf oder unscharf bleibt. für den Bedenkenden ist eher der Reiz ausschlaggebend als das evtl. logische Ergebnis.

und grober grober denkfehler der Philosophie, wir interagieren sprachlich und gedanklich nicht mit der WELT, sondern mit ANDEREN.
Du konzentrierst dich also auf "feedbacklose Aussagequalitäten".
Dein Widerspruch zielt daher auf objektivierte Repräsentationen
Wie willst du den von der Warte aus das Sprachspiel des anderen verstehen?
Du, muß zuerst den Menschen verstehen, bevor du die Welt verstehen willst.

oder poetischer gesagt,
wer den Focus verengt, verliert den Blick fürs Ganze
oder mittlealterlicher:
der Teufel liegt im Detail.
_________________
____________________
ertrage die Clowns!
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#1422431) Verfasst am: 26.01.2010, 13:18    Titel: Antworten mit Zitat

Ascanius hat folgendes geschrieben:

<b>Al-ler-dings!</b> Nur sehe ich keinen Grund, darauf auch noch stolz zu sein. Unscharfes Denken führt zu ebenso unscharfen Äußerungen, und die sind eine Zumutung für jeden, der die Welt <b>verstehen</b> will und sich mit dem Ungefähren nicht zufriedengeben kann.

Wer sich mit dem Vorläufigen nicht zufrieden geben kann, ersetzt die Vermutung durch den Irrtum.
Roter Ballon hat folgendes geschrieben:

oder poetischer gesagt,
wer den Focus verengt, verliert den Blick fürs Ganze
oder mittlealterlicher:
der Teufel liegt im Detail.

Oder modern: Der Teufel ist ein Eichhörnchen. zwinkern
_________________
"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

Friedrich Nietzsche
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step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1422610) Verfasst am: 26.01.2010, 19:45    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Nach Deiner Definition kann der Vergewaltiger einerseits nur dann "Schuld" auf sich laden, wenn er "freiwillig" handelt, wenn er seine Präferenzen also langfristig hinterfragt hat, wenn er sie einer rationalen Abwägung unterworfen hat usw.

Freiwillig handelt er mE, wenn er weiß, was er tut, was das für den anderen bedeutet. Und das werden ja wohl die meisten wissen, niemand vergewaltigt aus Versehen und nur die Wenigsten tun das aus einem von ihnen nicht kontrollierbaren Trieb heraus. Sie wissen sehr wohl, dass das gegen den Willen des Anderen ist.

Zu einer absichtlichen Handlung gehört nicht unbedingt langfristige Hinterfragung; aktuelles Verständnis dessen, was man tut, (bzw. was man vorhat, zu tun), reicht dazu locker. ...

Naja, für eine einfach absichtliche Handlung reicht sogar Handlungsfreiheit aus (tun können, was man will). Du hattest die höhere Latte (mit rationaler Durchdringung, Arbeit an den eigenen Präferenzen und so) ja extra aufgelegt, um Dich gegen mein Argument zu wehren, Deine WF sei in Wirklichkeit nicht mehr als HF.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Woher sollte sein Recht überhaupt kommen, nicht schuldig gesprochen, nicht belangt zu werden, wie sollte sowas aussehen und wie könnte man es begründen?

Er könnte argumentieren, daß er nicht einsah, daß er durch konformes Verhalten langfristig an Freiheit gewinnt, und nicht anders als (aus seiner Sicht) rational handeln konnte. Oder er könnte einwenden, daß Schuldspruch und Strafe den Anderen nichts bringen, und stattdessen darum ersuchen, nochmal unter anderen Umständen determiniert zu werden.

Die Begründungslage für den Schuldspruch ist viel dünner: weil es so im Strafgesetzbuch steht.
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Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1422636) Verfasst am: 26.01.2010, 20:00    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Nach Deiner Definition kann der Vergewaltiger einerseits nur dann "Schuld" auf sich laden, wenn er "freiwillig" handelt, wenn er seine Präferenzen also langfristig hinterfragt hat, wenn er sie einer rationalen Abwägung unterworfen hat usw.

Freiwillig handelt er mE, wenn er weiß, was er tut, was das für den anderen bedeutet. Und das werden ja wohl die meisten wissen, niemand vergewaltigt aus Versehen und nur die Wenigsten tun das aus einem von ihnen nicht kontrollierbaren Trieb heraus. Sie wissen sehr wohl, dass das gegen den Willen des Anderen ist.

Zu einer absichtlichen Handlung gehört nicht unbedingt langfristige Hinterfragung; aktuelles Verständnis dessen, was man tut, (bzw. was man vorhat, zu tun), reicht dazu locker. ...

Naja, für eine einfach absichtliche Handlung reicht sogar Handlungsfreiheit aus (tun können, was man will). Du hattest die höhere Latte (mit rationaler Durchdringung, Arbeit an den eigenen Präferenzen und so) ja extra aufgelegt, um Dich gegen mein Argument zu wehren, Deine WF sei in Wirklichkeit nicht mehr als HF.

Ich verstehe unter Handlungsfreiheit etwas anderes als unter Willensfreiheit, ja. Das habe ich nun doch schon oft genug dargelegt:

Handlungsfreiheit: tun können, was man will
Willensfreiheit: das, was man tun will, auf seine Auswirkungen hin prüfen und daraufhin justieren zu können

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Woher sollte sein Recht überhaupt kommen, nicht schuldig gesprochen, nicht belangt zu werden, wie sollte sowas aussehen und wie könnte man es begründen?

Er könnte argumentieren, daß er nicht einsah, daß er durch konformes Verhalten langfristig an Freiheit gewinnt, und nicht anders als (aus seiner Sicht) rational handeln konnte. Oder er könnte einwenden, daß Schuldspruch und Strafe den Anderen nichts bringen, und stattdessen darum ersuchen, nochmal unter anderen Umständen determiniert zu werden.

Die Begründungslage für den Schuldspruch ist viel dünner: weil es so im Strafgesetzbuch steht.

Nö, ist sie mAn keineswegs. Ein Recht existiert nur als gegenseitige Zuweisung und mit gegenseitiger Akzeptanz und ein Recht beinhaltet auch immer Pflichten, gegenseitige.

Niemand kann sich auf ein Recht berufen, wenn er keine reziproke Pflicht daraus akzeptieren will, es ist unlogisch, ein Recht nur für sich zu beanspruchen, dem anderen aber nicht gewähren zu wollen, wenn es dafür keinen Grund gibt.

A akzeptiert B's Recht nicht, dann braucht B A's Recht auch nicht zu akzeptieren. Wieso sollte er auch, was ist der Grund dafür dAn?

A argumentiert, er habe nicht anders handeln können, als B's Recht zu missachten, weil alle immer so handeln müssen, wie sie es tun und es keine Alternative dazu gäbe. Dann kann B das ganz genauso sagen, es gibt ja keinen Grund, warum B anders als A sein sollte.
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step
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Beitrag(#1422706) Verfasst am: 26.01.2010, 21:06    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ein Recht existiert nur als gegenseitige Zuweisung und mit gegenseitiger Akzeptanz und ein Recht beinhaltet auch immer Pflichten, gegenseitige.

Das stimmt so nicht. Recht existiert auch als einseitige Zuweisung, z.B. Grundrechte gelten als gegenleistungslos, ebenso Tierrechte oder Rechte von "Personen", die keine mehr sind.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Niemand kann sich auf ein Recht berufen, wenn er keine reziproke Pflicht daraus akzeptieren will, es ist unlogisch, ein Recht nur für sich zu beanspruchen, dem anderen aber nicht gewähren zu wollen, wenn es dafür keinen Grund gibt.

Auf welcher Basis argumentiert Du hier? Naturgesetz? Gleichheitsgrundsatz? Wieso ist es unlogisch, wenn z.B. jemand, der mehr Macht hat, mehr Rechte beansprucht? Rechte sind oft sogar verhandelbar.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
A argumentiert, er habe nicht anders handeln können, als B's Recht zu missachten, weil alle immer so handeln müssen, wie sie es tun und es keine Alternative dazu gäbe. Dann kann B das ganz genauso sagen, es gibt ja keinen Grund, warum B anders als A sein sollte.

Sagen kann man viel. In dem Fall (Verbrechen und Rache) handeln beide aus meiner Sicht unerwünscht (fügen anderen Leid zu, ohne daß die Gemeinschaft einen großen Vorteil davon hat). Das heißt, bei beiden muß man sich überlegen, wie man sie dazu bringt, sich in Zukunft anders zu verhalten. Die entsprechenden Maßnahmen für A und B sind vermutlich unterschiedlich.
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
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Beitrag(#1422735) Verfasst am: 26.01.2010, 21:45    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ein Recht existiert nur als gegenseitige Zuweisung und mit gegenseitiger Akzeptanz und ein Recht beinhaltet auch immer Pflichten, gegenseitige.

Das stimmt so nicht. Recht existiert auch als einseitige Zuweisung, z.B. Grundrechte gelten als gegenleistungslos, ebenso Tierrechte oder Rechte von "Personen", die keine mehr sind.

Nope. Rechte beinhalten immer Pflichten. Es gibt kein Recht ohne Pflicht, das ist mein Punkt hier. Ohne Pflicht existiert überhaupt kein Recht.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Niemand kann sich auf ein Recht berufen, wenn er keine reziproke Pflicht daraus akzeptieren will, es ist unlogisch, ein Recht nur für sich zu beanspruchen, dem anderen aber nicht gewähren zu wollen, wenn es dafür keinen Grund gibt.

Auf welcher Basis argumentiert Du hier? Naturgesetz? Gleichheitsgrundsatz? Wieso ist es unlogisch, wenn z.B. jemand, der mehr Macht hat, mehr Rechte beansprucht? Rechte sind oft sogar verhandelbar.

Es ist unlogisch, dass, nachdem A B vergewaltigt hat, er dann von ihm fordert, sein Selbstbestimmungsrecht zu akzeptieren. Dazu hat er jedoch keine, aber auch gar keine Grundlage, kein Argument, gar nichts. Wenn A das Sebstbestimmungsrecht für unwesentlich hält, gut, dann wird es ihm ja wohl auch egal sein können, dass B ihn auseinandernimmt. Wenn es aber ihm für sich selber wichtig ist, er es aber B nicht zugestehen will: wieso?

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
A argumentiert, er habe nicht anders handeln können, als B's Recht zu missachten, weil alle immer so handeln müssen, wie sie es tun und es keine Alternative dazu gäbe. Dann kann B das ganz genauso sagen, es gibt ja keinen Grund, warum B anders als A sein sollte.

Sagen kann man viel. In dem Fall (Verbrechen und Rache) handeln beide aus meiner Sicht unerwünscht (fügen anderen Leid zu, ohne daß die Gemeinschaft einen großen Vorteil davon hat). Das heißt, bei beiden muß man sich überlegen, wie man sie dazu bringt, sich in Zukunft anders zu verhalten. Die entsprechenden Maßnahmen für A und B sind vermutlich unterschiedlich.

Der Punkt ist der: wenn jemand das Selbstbestimmungsrecht anderer mit Füßen tritt, wie kann er dann fordern, sein Selbstbestimmungsrecht anzuerkennen?

Eben das hast Du aber oben behauptet:

"Aus meiner Sicht würde daraus folgen, daß man Vergewaltiger, die obiges nicht einsehen, nicht schuldig sprechen kann, während diejenigen, die es einsehen, "frei" sind, aber niemals vergewaltigen." -> der Vergewaltiger hat ein Recht - aber wieso?

"Er könnte argumentieren, daß er nicht einsah, daß er durch konformes Verhalten langfristig an Freiheit gewinnt, und nicht anders als (aus seiner Sicht) rational handeln konnte."

Du unterscheidest anscheinend zwei Sorten von Menschen: die, die willensfrei nach meiner Definition sind, die also ansprechbar für Gründe und Argumente sind, die abschätzen können, was ihre Handlungen bewirken und solche, die das nicht können und Du stellst unterschiedliche moralische Anforderungen an die beiden Sorten Menschen.

Aber wieso tust Du das eigentlich, worauf beruht das?
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1422758) Verfasst am: 26.01.2010, 22:19    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Du unterscheidest anscheinend zwei Sorten von Menschen: die, die willensfrei nach meiner Definition sind, die also ansprechbar für Gründe und Argumente sind, die abschätzen können, was ihre Handlungen bewirken und solche, die das nicht können und Du stellst unterschiedliche moralische Anforderungen an die beiden Sorten Menschen. Aber wieso tust Du das eigentlich, worauf beruht das?

Naja, in dem Punkt waren wir uns eigentlich einig: Moralische Apelle / Anforderungen machen nur bei Wesen Sinn, die das auch nachvollziehen können.

Wenn ein Vergewaltiger moralisch nicht ansprechbar oder auch nur nicht überzeugbar ist, muß ich die Vergewaltigung auf andere Weise verhindern.

Das ist auch so ein Punkt: Unser intuitives Schuldkonzept geht etwa so: je brutaler das Verbrechen, desto höher die Schuld. Intuitiv bewerten wir nämlich den Schaden, das Leiden der Opfer u.ä.

Unser rechtliches und vor allem Dein auf Tätereinsicht basierendes Schuldkonzept dagegen führen dazu, daß gerade die besonders brutalen, gefühllosen, perversen Verbrechen tendenziell weniger Schuld beinhalten.

Und jede Wette: Auch wenn der Vergewaltiger beteuert, er habe sich das Leiden des Opfers nicht vorgestellt, wird er trotzdem schuldig gesprochen.
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AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1422850) Verfasst am: 27.01.2010, 00:29    Titel: Antworten mit Zitat

Es gibt (einige wenige) Menschen, die ihre Handlungen nicht kontrollieren können, die nicht ansprechbar für Gründe und Argumente sind. Aber das sind eben nur einige, es gibt daher keinen Grund, alle Kriminellen so zu behandeln, als ob sie moralische Objekte wären.

Wenn der Vergewaltiger einfach so mal behauptet, er habe ja gar nicht gewusst, dass seine Vergewaltigung gegen den Willen seines Opfers geschah, dann ist ist das erst mal wenig glaubwürdig, man wird das als Schutzbehauptung, als Lüge, ansehen. Die ihm aber selbst dann nicht viel nutzen würde, wenn das akzeptiert würde, denn wenn er erst mal als moralisches Objekt und nicht mehr als moralisches Subjekt, das seine Handlungen kontrollieren kann, eingestuft wird, dann erlischt jede Empathie, jedes Verständnis, er ist dann nur noch eine Gefahr, so wie eine Naturkatastrophe, die verhindert werden muss, kein Mitglied der moralischen Gemeinschaft mehr.

Es ist mE furchtbar falsch, zu fordern, man müsse die meisten Menschen zu moralischen Objekten erklären und das würde dann eine viel humanere Vorgehensweise im Strafrecht hervorrufen. Genau das Gegenteil wäre mE der Fall. Ein moralisches Subjekt hat Anspruch auf Endlichkeit seiner Strafe, ein moralisches Objekt wird nur nach seiner Gefährlichkeit beurteilt. Ein moralisches Subjekt hat Einfluss darauf, mit seinen eigenen Handlungen, (keine Strafe ohne Schuld), was mit ihm geschieht und das weiß es im Vorneherein, (keine Strafe ohne Gesetz), ein moralisches Objekt hat keinerlei Einfluss auf seine Behandlung. Es ist egal, was es sagt oder meint, das spielt keine Rolle. Vielleicht gefährlich? Dann weg mit ihm und zwar für immer. So läuft das, auch heute schon und es wird immer schlimmer mit der fortwährenden Ausweitung der Sicherungsverwahrung.

Und es gibt ja auch kein Argument dafür, diese Zweiteilung von Menschen vorzunehmen, eine, die über die unbestrittenenen Ausnahmefälle hinausgeht, die ihre Handlungen tatsächlich nicht kontrollieren können.

Wenn aber jemand zwar seine Handlungen kontrollieren kann, er aber es schlicht nicht einsehen will, wieso er das sollte, dann kann er auch keine besonderen, ausschließlich für sich geltenden Rechte beanspruchen, ich wüsste jedenfalls nicht, wie und mit welcher Argumentation.

All diese Ausführungen hindern natürlich nicht daran, über das Strafrecht zu diskutieren und mit guten Argumenten Änderungen zu verlangen. Aber einen Zusammenhang zu Willensfreiheit gibt es dabei mE schlicht nicht, denn ich halte Menschen grundsätzlich für fähig, ihre Handlungen zu kontrollieren und daher halte ich es auch für berechtigt, ihnen Normverletzungen zuzuschreiben und vorzuhalten und mir konnte noch niemals jemand auch nur im Ansatz zeigen, dass dies nicht der Fall ist oder was dagegen spräche und was libertarische Willensfreiheit damit zu tun haben sollte. Könnten sie das generell nicht, dann könnte man überhaupt kein Recht mehr proklamieren, das ist schlicht die Voraussetzung für jedes Recht, das nämlich immer Forderungen an moralische Subjekte beinhaltet. Ohne moralische Subjekte kein Recht, ganz einfach.

Und es wäre geradezu absurd, aberwitzig, zu sagen, nur die normtreuen Bürger seien rechtsfähig, die Normverletzer aber nicht, denen stünde ein besonderes Recht zu, ein Recht auf Nichtbestrafung, das nicht angetastet werden dürfe, die dürften also tun, was sie wollten, die anderen aber nicht. Denn dann wäre es schlicht total bescheuert, rechtstreu zu sein. Dann würde eben einfach jeder aus guten Gründen zum Normverletzer, dann hätten wir wieder Auge um Auge und Zahn um Zahn. Wenn es gut liefe.
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Ascanius
abnorm



Anmeldungsdatum: 14.06.2005
Beiträge: 375
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1422905) Verfasst am: 27.01.2010, 06:18    Titel: Antworten mit Zitat

Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Denken sollte schon auch Spaß machen, oder genauer die bei der neuronalen Aktivierung freigesetzten Botenstoffe erzeugen ja genau das Hochgefühl.
Dabei ist es unerheblich ob "das denken" scharf oder unscharf bleibt.


Dann ist es aber keine Philosophie, sondern ein zielloses Durcheinander von Gedanken.

Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
für den Bedenkenden ist eher der Reiz ausschlaggebend als das evtl. logische Ergebnis.


Das ist doch ein recht egoistisches Motiv und obendrein dem Ernst philosophischen Erwägens angesichts der Folgenschwere seiner Resultate gänzlich unangemessen. Es geht um nichts weniger als ein "geistiges Betriebssystem" für die Menschen. Je zusammenhangloser und fehlerhafter es ist, umso weniger tragfähig werden die Fundamente einer aus ihm entwickelten Ethik sein. Letztlich ist philosophische Sorgfalt also eine Frage des Verantwortungsbewußtseins.

Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
und grober grober denkfehler der Philosophie, wir interagieren sprachlich und gedanklich nicht mit der WELT, sondern mit ANDEREN.


Wer ist "die Philosophie"? Ich zumindest kenne keinen einzigen Philosophen, der die von Dir beanstandete Behauptung aufstellt.

Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Du konzentrierst dich also auf "feedbacklose Aussagequalitäten".


Meine Begriffe und Aussagen beziehen sich auf die Welt (Dinge) und Äquivalenzklassen von Gehirnprozessen (Konstrukte) - was ist daran "feedbacklos"?

Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Dein Widerspruch zielt daher auf objektivierte Repräsentationen


Was sind "objektivierte Repräsentationen"?

Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Du, muß zuerst den Menschen verstehen, bevor du die Welt verstehen willst.


Der Mensch ist <b>Teil der Welt</b> und insofern nichts Besonderes. Allerdings bedarf seine Funktion als erkennendes Subjekt eingehender Untersuchung. Dafür ist eine philosophische Disziplin namens Erkenntnistheorie zuständig.

Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
oder poetischer gesagt,
wer den Focus verengt, verliert den Blick fürs Ganze


Erfreulicherweise muß ich mich nicht angesprochen fühlen, denn der Emergentistische/Wissenschaftliche Materialismus <b>ist</b> ein <u>"Blick fürs Ganze"</u>.
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Ascanius
abnorm



Anmeldungsdatum: 14.06.2005
Beiträge: 375
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1422906) Verfasst am: 27.01.2010, 06:19    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Ascanius hat folgendes geschrieben:

Unscharfes Denken führt zu ebenso unscharfen Äußerungen, und die sind eine Zumutung für jeden, der die Welt <b>verstehen</b> will und sich mit dem Ungefähren nicht zufriedengeben kann.


Wer sich mit dem Vorläufigen nicht zufrieden geben kann, ersetzt die Vermutung durch den Irrtum.


Bitte genauer hinsehen und Gehirn einschalten!: Es geht um das Ungefähre und nicht das Vorläufige.
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#1422927) Verfasst am: 27.01.2010, 10:12    Titel: Antworten mit Zitat

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Ascanius hat folgendes geschrieben:

Unscharfes Denken führt zu ebenso unscharfen Äußerungen, und die sind eine Zumutung für jeden, der die Welt <b>verstehen</b> will und sich mit dem Ungefähren nicht zufriedengeben kann.


Wer sich mit dem Vorläufigen nicht zufrieden geben kann, ersetzt die Vermutung durch den Irrtum.


Bitte genauer hinsehen und Gehirn einschalten!: Es geht um das Ungefähre und nicht das Vorläufige.

Denk einfach noch einmal drüber nach. Dann wirst du schon verstehen, was ich meine.
_________________
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1423084) Verfasst am: 27.01.2010, 15:29    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Es gibt (einige wenige) Menschen, die ihre Handlungen nicht kontrollieren können, die nicht ansprechbar für Gründe und Argumente sind. Aber das sind eben nur einige, es gibt daher keinen Grund, alle Kriminellen so zu behandeln, als ob sie moralische Objekte wären.

Es ging nicht um das Kontrollieren von Handlungen, sondern um das Kontrollieren eigener Präferenzen durch Analyse der Folgen und des gesellschaftlichen Gesamtzusammenhangs.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn der Vergewaltiger einfach so mal behauptet, er habe ja gar nicht gewusst, dass seine Vergewaltigung gegen den Willen seines Opfers geschah, ...

In dem von mir genannten Fall war das aber gar nicht der Fall, sondern der V. behauptet, er wisse natürlich, daß dies gegen den Willen des Opfers geschah, er könne aber einfach nicht einsehen, warum sein Wille weniger zähle als der des Opfers.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... dann ist ist das erst mal wenig glaubwürdig, man wird das als Schutzbehauptung, als Lüge, ansehen. Die ihm aber selbst dann nicht viel nutzen würde, wenn das akzeptiert würde, denn wenn er erst mal als moralisches Objekt und nicht mehr als moralisches Subjekt, das seine Handlungen kontrollieren kann, eingestuft wird, dann erlischt jede Empathie, jedes Verständnis, er ist dann nur noch eine Gefahr, so wie eine Naturkatastrophe, die verhindert werden muss, kein Mitglied der moralischen Gemeinschaft mehr. ...

Das ist Schwarzweißmalerei. Es wäre noch immer einen Versuch wert, seine "moralische Antenne" wieder aufzubauen. Wir alle sind auch Egoisten und stellen unseren Willen oft über den Anderer, nur eben in unterschiedlichem Maße und unterschiedlich verboten. Deine hehre Vorstellung eines moralischen Subjekts ist eine Idealisierung.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Wenn aber jemand zwar seine Handlungen kontrollieren kann, er aber es schlicht nicht einsehen will, wieso er das sollte, dann kann er auch keine besonderen, ausschließlich für sich geltenden Rechte beanspruchen ...

Der V. in meinem Fall beansprucht aber gerade keine Extrarechte: Er weiß, daß ihm von den Anderen das Recht zu vergewaltigen überhaupt nicht zugestanden wird. Er sieht vmtl. sogar ein, daß die Anderen zu verhindern versuchen, daß er vergewaltigt.


AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... ich halte Menschen grundsätzlich für fähig, ihre Handlungen zu kontrollieren und daher halte ich es auch für berechtigt, ihnen Normverletzungen zuzuschreiben und vorzuhalten ...

- Nochmal: Du meinst nicht nur "ihre Handlungen zu kontrollieren", sondern "ihre Präferenzen zu kontrollieren"
- Normverletzungen (= unerwünschtes Verhalten) zuschreiben: klar, bei Handlungsfreiheit kein Problem.
- Normverletzungen vorhalten: ja, wenn das was bringt zur Prävention (z.B. Aufklärung, Appell an das Gewissen usw.)

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Und es wäre geradezu absurd, aberwitzig, zu sagen, nur die normtreuen Bürger seien rechtsfähig, ...

Du sagst, ein normtreuer Mensch sei i.a. nicht deswegen normtreu, weil er so erzogen/manipuliert wurde, sondern weil er in "freier" Betrachtung den mittelfristigen Nutzen der Normtreue für sich erkennt. Daraus ergeben sich folgende Einwände:

1. Es ist zweifelhaft, ob das mit dem Nutzen überhaupt der Fall ist:

- Es gibt Untersuchungen, daß einzelne Normverletzer die allgemeine Kooperation stärken (unklar ist, ob dies ein Argument für vergeltende Bestrafung sein könnte), und daß Normverletzungen Fortschritt befördern.

- Es könnte sein, daß Deine Behauptung nur für bestimmte Normen gilt, nicht aber für alle (Bsp.: "die Frau soll in der Öffentlichkeit den Mund halten", "Abtreibung ist böse", ...)

2. Im Umkehrschluß wäre jemand nicht normtreu, weil er den mittelfristigen Nutzen der Normtreue für sich nicht erkennt oder als relativ gering einschätzt. Soll man nun von ihm irrationales (aka unfreies) Verhalten fordern?
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Roter Ballon
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Anmeldungsdatum: 22.12.2006
Beiträge: 2631
Wohnort: München

Beitrag(#1423089) Verfasst am: 27.01.2010, 15:32    Titel: Antworten mit Zitat

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Denken sollte schon auch Spaß machen, oder genauer die bei der neuronalen Aktivierung freigesetzten Botenstoffe erzeugen ja genau das Hochgefühl.
Dabei ist es unerheblich ob "das denken" scharf oder unscharf bleibt.


Dann ist es aber keine Philosophie, sondern ein zielloses Durcheinander von Gedanken.

Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
für den Bedenkenden ist eher der Reiz ausschlaggebend als das evtl. logische Ergebnis.


Das ist doch ein recht egoistisches Motiv und obendrein dem Ernst philosophischen Erwägens angesichts der Folgenschwere seiner Resultate gänzlich unangemessen. Es geht um nichts weniger als ein "geistiges Betriebssystem" für die Menschen. Je zusammenhangloser und fehlerhafter es ist, umso weniger tragfähig werden die Fundamente einer aus ihm entwickelten Ethik sein. Letztlich ist philosophische Sorgfalt also eine Frage des Verantwortungsbewußtseins.

Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
und grober grober denkfehler der Philosophie, wir interagieren sprachlich und gedanklich nicht mit der WELT, sondern mit ANDEREN.


Wer ist "die Philosophie"? Ich zumindest kenne keinen einzigen Philosophen, der die von Dir beanstandete Behauptung aufstellt.

Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Du konzentrierst dich also auf "feedbacklose Aussagequalitäten".


Meine Begriffe und Aussagen beziehen sich auf die Welt (Dinge) und Äquivalenzklassen von Gehirnprozessen (Konstrukte) - was ist daran "feedbacklos"?

Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Dein Widerspruch zielt daher auf objektivierte Repräsentationen


Was sind "objektivierte Repräsentationen"?

Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Du, muß zuerst den Menschen verstehen, bevor du die Welt verstehen willst.


Der Mensch ist <b>Teil der Welt</b> und insofern nichts Besonderes. Allerdings bedarf seine Funktion als erkennendes Subjekt eingehender Untersuchung. Dafür ist eine philosophische Disziplin namens Erkenntnistheorie zuständig.

Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
oder poetischer gesagt,
wer den Focus verengt, verliert den Blick fürs Ganze


Erfreulicherweise muß ich mich nicht angesprochen fühlen, denn der Emergentistische/Wissenschaftliche Materialismus <b>ist</b> ein <u>"Blick fürs Ganze"</u>.


Oh wie ich es hasse wenn meine Gedanken zerfasert werden ... Lachen

@Philosophie
Platon charakterisiert den Philosophen in seinem Symposion als jemand, der die Wahrheit, das Schöne und das Gute liebt und begehrt.
ist deine analytische Vorgehensweise ... schön oder gar gut?

mMn startet philosophischer Diskurs mit Leukipp: „Kein Ding entsteht planlos, sondern aus Sinn und unter Notwendigkeit.“
bzw. Demokrit: „Nur scheinbar hat ein Ding eine Farbe, nur scheinbar ist es süß oder bitter; in Wirklichkeit gibt es nur Atome und leeren Raum.“

jaja, olle Kamellen für dich.
Im Vergleich zu den etwa zur selben Zeit entstehenden asiatischen(also babylonisch, bzw. biblisch adaptiert) Welterklärungsmodelle die alles unter ein großes ganzen stellen.
also in etwa atomistisch vs. theistisch.
Was so ziemlich auch die Bandbreite menschliches Denkens wiedergibt.

bzw, wie sehr sich unser Denkansatz unterscheidet,
dazu hier ein bezeichnender Ausriß aus deinem früheren Posting (... ich hoffe du gestehst mir folgerichtiges denken zu, mal so nebenbei dahergesagt):
Ascanius hat folgendes geschrieben:
(...)
Roter Ballon hat folgendes geschrieben:
Einer Legende (ich glaub talmudisch) nach, kommt der jüngste Tag, sobald alle Permutationen des Namen Gottes gefunden sind.


Also niemals, denn der Möglichkeiten, ein Objekt begrifflich zu fassen, sind unendlich viele.
(...)

seltsamerweise, würde ich daran natürlicherweise die Frage anschliessen:
Was ist wenn es nichts Neues mehr gibt?
(oder die soziologische These von Fukujamas "The End of History and the Last Man, 1992")

In der Mathematik gibt es den wohldefinierten Begriff: "kleinster gemeinsamer Nenner"
was als Redewendung:... kann kritisch einen Kompromiss auf niedrigstem Niveau, einen fragwürdigen Konsens ansprechen.
Das "schöne" in der Mathe ist, das die das kleinste mit dem größten ganz elegant verbinden kann:
Zusammenhang zwischen kgV und dem größten gemeinsamen Teiler


Ich seh (noch) nicht, wie du die Brandbreite menschlichen Denkens unter den Hut einer analytischen Philosophie bringen kannst.

was ich eigentlich damit sagen will ist:
dein Bemühen um konkretisieren ist toll
-> toll duden
-> toll synonym

es bereitet mir eine große Freude deinen Wunsch nach systematisierter Ordnung (der Gedankenwelt) mit dem Chaos des Beliebigen zu stören.
und ich find es ehrlich großartig wie du in der Spur bleibst.

Nur was ist denn dein Ziel?
Ascanius hat folgendes geschrieben:
a) die [tragfähigen] Fundamente einer ... entwickelten Ethik
b) philosophische Sorgfalt [ist]... eine Frage des Verantwortungsbewußtseins.

c) korrespondenztheoretischen Begriff der approximativen Wahrheit als einem Attribut von Aussagen
d)Um sie sprach- und zeitunabhängig nachvollziehbar zu halten, muß man Philosophien eben begrifflich genau explizieren.


Und gerade wenn du "das verstehen der Welt" erwähnst, was hat das mit einer entwickelten, bzw. zu entwickelten Ethik zu tun?
Setzt Verantwortungsbewußtsein nicht einen freien Willen voraus?
Was denn nun?
"genau" oder "approximativ", und gilt das auch für Ethik und/oder Verantwortungsbewußtsein?
btw.
Warum lügen Menschen?
Die Philosophie kennt das nur als Paradoxon, nicht aber als fundamentale Eigenschaft des menschseins - Theosophien haben da immerhin Handlungs und Strafanweisungen dagegen
Lügen ... erklären tut es aber niemand richtig, - warum eigentlich?

...

und wenn ich nicht so viel vergessen hätt, ist die Sprechakttheorie eigentlich anti Bung(e)isch?
(i am so sorry, das ich so wenig Zeit hab mich wieder einzulesen)
btw, mMn ist das meiste am unscharf werden beim denken, das vergessen.
Jede Art der Philosophie spiegelt auch nur die Leitmotife des momentanen Zeitgeistes wieder.
Daher, hast du wohl eher recht mit deiner Meinung zu den "Permutationen",
um wenigstens ein bisschen zum Thema zurück zu kommen.
Ich postuliere mal:
Denken ist ein Akt des Wollens.
So es eine Art des "richtigen" Denkens gibt, ist diese nun vorgezeichnet
a) die Grenzen neuronaler Vernetzungsmöglichkeiten
oder ist das denken "frei"
b) ein approximativer Weg, der "freien" Bedeutungswechsel
Frage
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Beitrag(#1423184) Verfasst am: 27.01.2010, 18:02    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Wenn aber jemand zwar seine Handlungen kontrollieren kann, er aber es schlicht nicht einsehen will, wieso er das sollte, dann kann er auch keine besonderen, ausschließlich für sich geltenden Rechte beanspruchen ...

Der V. in meinem Fall beansprucht aber gerade keine Extrarechte: Er weiß, daß ihm von den Anderen das Recht zu vergewaltigen überhaupt nicht zugestanden wird. Er sieht vmtl. sogar ein, daß die Anderen zu verhindern versuchen, daß er vergewaltigt.

Solange er daraufhin keine Extrarechte beansprucht und solange auch Du keine Extrarechte für ihn verlangst, die auf einem Recht zur Selbstbestimmung oder einem Recht auf Leidfreiheit beruhen, die er für andere offensichtlich nicht akzeptiert, ist doch alles in Ordnung. Dann gibt es überhaupt kein Problem.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... ich halte Menschen grundsätzlich für fähig, ihre Handlungen zu kontrollieren und daher halte ich es auch für berechtigt, ihnen Normverletzungen zuzuschreiben und vorzuhalten ...

- Nochmal: Du meinst nicht nur "ihre Handlungen zu kontrollieren", sondern "ihre Präferenzen zu kontrollieren"

Ja, eine Präferenz ist ja keine Determination. Wenn jemand die Präferenz dazu hat, zu vergewaltigen, muss er das deswegen noch lange nicht tun. Er kann diese Präferenz kontrollieren, ja, genau, das meine ich.

step hat folgendes geschrieben:
[...] den mittelfristigen Nutzen der Normtreue [...]. Daraus ergeben sich folgende Einwände:

1. Es ist zweifelhaft, ob das mit dem Nutzen überhaupt der Fall ist:

- Es gibt Untersuchungen, daß einzelne Normverletzer die allgemeine Kooperation stärken (unklar ist, ob dies ein Argument für vergeltende Bestrafung sein könnte), und daß Normverletzungen Fortschritt befördern.

Merkwürdiger Einwand. Was sollte daraus folgen? Vergewaltigung ist gut, wenn es lange keine mehr gab, weil die dann Kooperation fördert? Aber klar, wenn das dem Fortschritt dient, dann ist das natürlich super, da kann man dann nichts gegen sagen.

step hat folgendes geschrieben:
- Es könnte sein, daß Deine Behauptung nur für bestimmte Normen gilt, nicht aber für alle (Bsp.: "die Frau soll in der Öffentlichkeit den Mund halten", "Abtreibung ist böse", ...)

Mit "Normen" habe ich hier solche im Sinn, die in einer Gesellschaft allgemeingültig festgelegt sind, z.B. im Grundgesetz, BGB, StGB.

step hat folgendes geschrieben:
2. Im Umkehrschluß wäre jemand nicht normtreu, weil er den mittelfristigen Nutzen der Normtreue für sich nicht erkennt oder als relativ gering einschätzt. Soll man nun von ihm irrationales (aka unfreies) Verhalten fordern?

Nö, lediglich normgerechtes Verhalten. Es ist ja letztlich auch seine Sache, ob er die Normen anerkennt und befolgt oder nicht. Er darf sich dann nur später nicht beklagen, wenn er so behandelt wird, wie er andere behandelt. Das ist alles.
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Beitrag(#1423251) Verfasst am: 27.01.2010, 19:57    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Wenn aber jemand zwar seine Handlungen kontrollieren kann, er aber es schlicht nicht einsehen will, wieso er das sollte, dann kann er auch keine besonderen, ausschließlich für sich geltenden Rechte beanspruchen ...

Der V. in meinem Fall beansprucht aber gerade keine Extrarechte: Er weiß, daß ihm von den Anderen das Recht zu vergewaltigen überhaupt nicht zugestanden wird. Er sieht vmtl. sogar ein, daß die Anderen zu verhindern versuchen, daß er vergewaltigt.

Solange er daraufhin keine Extrarechte beansprucht und solange auch Du keine Extrarechte für ihn verlangst, die auf einem Recht zur Selbstbestimmung oder einem Recht auf Leidfreiheit beruhen, die er für andere offensichtlich nicht akzeptiert, ist doch alles in Ordnung. Dann gibt es überhaupt kein Problem.

Ich fordere keinerlei "Extrarechte", denn in meinem Modell stehen dem Verbrecher primär dieselben Grundrechte zu wie vor der Tat und wie allen anderen Menschen auch. Eine Einschränkung dieser Rechte (z.B. durch Auspeitschen oder Einsperren) müßte gesondert begründet werden, und zwar mindestens in bezug auf einen allgemeinen Nutzen. Du aber scheinst implizit eine Art Recht auf Vergeltung (gar von Gleichem mit Gleichem) der "Schuld" vorauszusetzen oder zu fordern, das Du aber noch nie vernünftig begründet hast. Siehe unten.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... ich halte Menschen grundsätzlich für fähig, ihre Handlungen zu kontrollieren und daher halte ich es auch für berechtigt, ihnen Normverletzungen zuzuschreiben und vorzuhalten ...

- Nochmal: Du meinst nicht nur "ihre Handlungen zu kontrollieren", sondern "ihre Präferenzen zu kontrollieren"

Ja, eine Präferenz ist ja keine Determination. Wenn jemand die Präferenz dazu hat, zu vergewaltigen, muss er das deswegen noch lange nicht tun. Er kann diese Präferenz kontrollieren, ja, genau, das meine ich.

Das kann er nur, wenn er eine noch stärkere Präferenz dagegen hat (z.B. seinen Eltern zu gefallen, Angst vor Strafe, oder auch wenn er einen Nutzen für sich darin sieht).

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
[...] den mittelfristigen Nutzen der Normtreue [...]. Daraus ergeben sich folgende Einwände:

1. Es ist zweifelhaft, ob das mit dem Nutzen überhaupt der Fall ist.

- Es gibt Untersuchungen, daß einzelne Normverletzer die allgemeine Kooperation stärken (unklar ist, ob dies ein Argument für vergeltende Bestrafung sein könnte), und daß Normverletzungen Fortschritt befördern.
Merkwürdiger Einwand. Was sollte daraus folgen? Vergewaltigung ist gut, wenn es lange keine mehr gab, weil die dann Kooperation fördert? Aber klar, wenn das dem Fortschritt dient, dann ist das natürlich super, da kann man dann nichts gegen sagen.

Ich hoffe, die Mitleser erkennen die billige Hetze.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
- Es könnte sein, daß Deine Behauptung nur für bestimmte Normen gilt, nicht aber für alle (Bsp.: "die Frau soll in der Öffentlichkeit den Mund halten", "Abtreibung ist böse", ...)
Mit "Normen" habe ich hier solche im Sinn, die in einer Gesellschaft allgemeingültig festgelegt sind, z.B. im Grundgesetz, BGB, StGB.

Das ändert nicht viel am Prinzip: Ob es z.B. für einen Hartz-IV-Empfänger mittelfristig nützlich ist, daß unsere Bundesregierung durch eine Volksvertretung aus Parteikarrieristen und Lobbyisten gewählt wird? Da gibt es unterschiedlichste Ansichten, aber nur eine Norm. Oder die Förderung von Ehen. Oder die Normen nationalen Eigeninteresses ... worauf ich hinauswill: Meines Erachtens ist die Beachtung der Normen höchstens für die Gemeinschaft nützlich, und wenn überhaupt daher nur im Mittel für den Einzelnen, oft aber nicht für das konkrete Individuum. Um also einsichtig zu sein, muß das Individuum bereits eine gewisse "Eichung" auf das Gesamtwohl mitbringen, es soll sich auch dann an Normen halten, wenn es auch mittelfristig keinen persönlichen Nutzen davon hat.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
2. Im Umkehrschluß wäre jemand nicht normtreu, weil er den mittelfristigen Nutzen der Normtreue für sich nicht erkennt oder als relativ gering einschätzt. Soll man nun von ihm irrationales (aka unfreies) Verhalten fordern?
Nö, lediglich normgerechtes Verhalten.

Eben. Es ist Dir nämlich letztlich doch primär egal, ob er so handelt, weil er es rational und "frei" entschieden hat, oder ob er einfach nur "spurt".

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Es ist ja letztlich auch seine Sache, ob er die Normen anerkennt und befolgt oder nicht.

Das sehe ich genau gegenteilig: Es ist von Beginn an eher die Sache der Gemeinschaft, daß er die Normen befolgt. Tut er es nicht, muß die Gemeinschaft in diese Richtung korrigierend, präventiv tätig werden. Seine Sache dagegen ist, ob er Erdbeer oder Aprikose drauftut.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Er darf sich dann nur später nicht beklagen, wenn er so behandelt wird, wie er andere behandelt.

Es geht aber überhaupt nicht darum, ob er sich beklagen darf (abgesehen davon darf er es mE sogar), sondern ob die Gemeinschaft eine Begründung (einen Nutzen für ein allgemeinses Ziel) dafür angeben kann, dasselbe Fehlverhalten zur Vergeltung noch einmal auszuüben.
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Beitrag(#1423318) Verfasst am: 27.01.2010, 21:40    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Der V. in meinem Fall beansprucht aber gerade keine Extrarechte: Er weiß, daß ihm von den Anderen das Recht zu vergewaltigen überhaupt nicht zugestanden wird. Er sieht vmtl. sogar ein, daß die Anderen zu verhindern versuchen, daß er vergewaltigt.

Solange er daraufhin keine Extrarechte beansprucht und solange auch Du keine Extrarechte für ihn verlangst, die auf einem Recht zur Selbstbestimmung oder einem Recht auf Leidfreiheit beruhen, die er für andere offensichtlich nicht akzeptiert, ist doch alles in Ordnung. Dann gibt es überhaupt kein Problem.

Ich fordere keinerlei "Extrarechte", denn in meinem Modell stehen dem Verbrecher primär dieselben Grundrechte zu wie vor der Tat und wie allen anderen Menschen auch. Eine Einschränkung dieser Rechte (z.B. durch Auspeitschen oder Einsperren) müßte gesondert begründet werden, und zwar mindestens in bezug auf einen allgemeinen Nutzen. Du aber scheinst implizit eine Art Recht auf Vergeltung (gar von Gleichem mit Gleichem) der "Schuld" vorauszusetzen oder zu fordern, das Du aber noch nie vernünftig begründet hast. Siehe unten.

Ach ja, "Dein Modell".

Niemandem steht "per se", einfach so, etwas zu. Es sei denn, man würde sich in einer Gesellschaft darauf einigen, als Selbstverpflichtung. Und eine solche halte ich bezüglich der unantastbaren Menschenwürde für sehr, sehr sinnvoll und gut begründbar, ja, aber dennoch ändert das nichts daran, dass das nicht per se "zusteht", einfach so. Herrje, Du müsstest doch der erste Mensch auf dieser Welt sein, der da zustimmt, Du legst doch immer so einen gewaltigen Wert darauf, dass Rechte zugewiesen werden und nicht "einfach so" existieren.

Oder mal anders gesagt: wenn ein Recht zusteht, dann bedeutet das, dass dieses Recht auch durchgesetzt werden muss. Wird es das nicht, existiert es nicht. Es wäre zum Beispiel sinnlos, zu sagen, wir gestehen ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung zu, dann aber Vergewaltigung nicht zu ahnden. Dieses Recht existierte dann schlicht nicht, wäre nur wohlfeiles Geschwätz auf einem Blatt Papier, mehr nicht.

Und gänzlich absurd wird es doch dann, falls jemand das nicht akzeptiert und Selbstjustiz an dem Vergewaltiger übt, wenn man dann sagte: das darfst Du jetzt aber nicht, das ist böse, dafür bestrafen wir dich jetzt. Die Botschaft wäre: vergewaltigen ist nicht böse, da kann keiner was dafür, aber Selbstjustiz ist es, da kann man was dafür.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
- Nochmal: Du meinst nicht nur "ihre Handlungen zu kontrollieren", sondern "ihre Präferenzen zu kontrollieren"

Ja, eine Präferenz ist ja keine Determination. Wenn jemand die Präferenz dazu hat, zu vergewaltigen, muss er das deswegen noch lange nicht tun. Er kann diese Präferenz kontrollieren, ja, genau, das meine ich.

Das kann er nur, wenn er eine noch stärkere Präferenz dagegen hat (z.B. seinen Eltern zu gefallen, Angst vor Strafe, oder auch wenn er einen Nutzen für sich darin sieht).

Irgendwelche Gründe muss es dafür schon geben, sicher, wenn jemand etwas nur einfach so wegen zufälliger Umstände machen würde, dann würde das sicherlich nicht seiner Kontrolle unterliegen können.

Er kann es, wenn er in der Lage dazu ist, halbwegs vernüftige Überlegungen anzustellen. Und das kann jeder durchschnittliche erwachsene Mensch, ich wüsste jedenfalls nichts, was dagegen spricht. Determination jedenfalls nicht, die ist notwendige Voraussetzung. Oder es gibt endlich, endlich mal einen plausiblen Grund dafür, wieso Determination Selbstkontrolle einschränken könnte und wie Indetermination Kontrolle erhöhen könnte. Das wäre wirklich mal ganz zauberhaft.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
[...] den mittelfristigen Nutzen der Normtreue [...]. Daraus ergeben sich folgende Einwände:

1. Es ist zweifelhaft, ob das mit dem Nutzen überhaupt der Fall ist.

- Es gibt Untersuchungen, daß einzelne Normverletzer die allgemeine Kooperation stärken (unklar ist, ob dies ein Argument für vergeltende Bestrafung sein könnte), und daß Normverletzungen Fortschritt befördern.
Merkwürdiger Einwand. Was sollte daraus folgen? Vergewaltigung ist gut, wenn es lange keine mehr gab, weil die dann Kooperation fördert? Aber klar, wenn das dem Fortschritt dient, dann ist das natürlich super, da kann man dann nichts gegen sagen.

Ich hoffe, die Mitleser erkennen die billige Hetze.

Sehr witzig. Das ist einfach die logische Folgerung aus Deinem Einwand. Eine Vergewaltigung ist eine Normverletzung. Und wenn Normverletzungen die allgemeine Kooperation fördern und Fortschritt befördern, dann tut das auch eine Vergewaltigung. Wenn sie denn eine Normverletzung ist und wenn sie "einzeln" vorkommt. Du wirst Dich doch wohl hoffentlich nicht der Logik entziehen wollen, nur weil ich Deinen Satz konkretisiert habe.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
- Es könnte sein, daß Deine Behauptung nur für bestimmte Normen gilt, nicht aber für alle (Bsp.: "die Frau soll in der Öffentlichkeit den Mund halten", "Abtreibung ist böse", ...)
Mit "Normen" habe ich hier solche im Sinn, die in einer Gesellschaft allgemeingültig festgelegt sind, z.B. im Grundgesetz, BGB, StGB.

Das ändert nicht viel am Prinzip: Ob es z.B. für einen Hartz-IV-Empfänger mittelfristig nützlich ist, daß unsere Bundesregierung durch eine Volksvertretung aus Parteikarrieristen und Lobbyisten gewählt wird? Da gibt es unterschiedlichste Ansichten, aber nur eine Norm. Oder die Förderung von Ehen. Oder die Normen nationalen Eigeninteresses ... worauf ich hinauswill: Meines Erachtens ist die Beachtung der Normen höchstens für die Gemeinschaft nützlich, und wenn überhaupt daher nur im Mittel für den Einzelnen, oft aber nicht für das konkrete Individuum. Um also einsichtig zu sein, muß das Individuum bereits eine gewisse "Eichung" auf das Gesamtwohl mitbringen, es soll sich auch dann an Normen halten, wenn es auch mittelfristig keinen persönlichen Nutzen davon hat.

Ja, genau, es ist im Mittel für den Einzelnen nützlich, nicht immer, nicht in jedem Einzelfall. Das ist unvermeidbar in einer pluralistischen Gesellschaft. Nur gibt es Normen nun mal nur im Paket, es kann natürlich nicht erlaubt werden, dass sich jeder die ihm genehmen herauspickt. Denn dann hätte keine Norm Bestand, dann wäre es besser, gleich darauf zu verzichten, überhaupt Normen aufzustellen, dann wäre eine Gesellschaft ohne Gesetze besser, eine Gesellschaft, in der sich niemand an Regeln hält und das auch nicht verlangt wird.

Solche Normen sind aber keineswegs ewig gültig, die können geändert werden, durch Übereinkunft der Individuen, die die Gesellschaft letztlich ja ausmachen.

Und natürlich würde sich ein Individuum letztlich irrational verhalten, wenn es in den Normen in der Summe einen Nachteil für sich sähe und die dennoch akzeptieren würde und nicht alles dafür tun würde, dass die Normen in seinem Sinne geändert würden. Oder auswandern, in eine Gesellschaft, in der seine von ihm gewünschten Normen verwirklicht sind.

Würde ich ja auch so machen, wenn z.B. der für mich wichtige Wert "Selbstbestimmung" für irrelevant erklärt werden würde.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
2. Im Umkehrschluß wäre jemand nicht normtreu, weil er den mittelfristigen Nutzen der Normtreue für sich nicht erkennt oder als relativ gering einschätzt. Soll man nun von ihm irrationales (aka unfreies) Verhalten fordern?
Nö, lediglich normgerechtes Verhalten.

Eben. Es ist Dir nämlich letztlich doch primär egal, ob er so handelt, weil er es rational und "frei" entschieden hat, oder ob er einfach nur "spurt".

Nö, mir ist Selbstbestimmung sehr wichtig und ich befürworte jede Maßnahme, die die steigert und ich lehne jede Maßnahme ab, die die einschränkt.

Es wäre ja auch wenig konsistent, wenn ich die nur für mich wichtig hielte und sie anderen vorenthalten wollte.

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Es ist ja letztlich auch seine Sache, ob er die Normen anerkennt und befolgt oder nicht.

Das sehe ich genau gegenteilig: Es ist von Beginn an eher die Sache der Gemeinschaft, daß er die Normen befolgt. Tut er es nicht, muß die Gemeinschaft in diese Richtung korrigierend, präventiv tätig werden. Seine Sache dagegen ist, ob er Erdbeer oder Aprikose drauftut.

Du hältst einen persönlichen Vorwurf also immer für falsch, Du hältst immer die Gesellschaft / Gemeinschaft für Normverstöße für verantwortlich? Es gibt keine persönliche Verantwortung für das, was man tut? Aber besteht eine Gemeinschaft nicht aus Individuen, an wen richtet sich dann überhaupt Deine Anforderung? An eine gesichtslose Masse, nie an einen Einzelnen?

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Er darf sich dann nur später nicht beklagen, wenn er so behandelt wird, wie er andere behandelt.

Es geht aber überhaupt nicht darum, ob er sich beklagen darf (abgesehen davon darf er es mE sogar), sondern ob die Gemeinschaft eine Begründung (einen Nutzen für ein allgemeinses Ziel) dafür angeben kann, dasselbe Fehlverhalten zur Vergeltung noch einmal auszuüben.

Woraus folgt das? Aus einer Selbstverpflichtung moralischer Subjekte? Wenn ja: dann stimme ich zu. Aber ich stimme nicht zu, wenn Du das als einfach so gegeben, als Naturmäßig oder wie auch immer proklamierst.

Es gibt eine Selbstverpflichtung unserer Gesellschaft bezüglich der Menschenwürde und die finde ich gut, ich wäre der Allerletzte, der die anzweifeln würde.

Jemand vergewaltigt, das bedeutet, er verletzt eine ganz grundlegende Norm in unserer Gesellschaft: das Recht auf Selbstbestimmung. Dafür darf er mE bestraft werden, die Normverletzung muss nicht einfach so hingenommen werden, nur weil er sie nicht einsieht. Und er hat kein Argument dafür, warum er nicht bestraft werden darf, er kann nicht an die Selbstverpflichtung zur Einhaltung der Menschenwürde appellieren, denn die beinhaltet nun mal nicht das Recht auf Nichtbestrafung. Dürfte er nicht bestraft werden, mit der Begründung, sein Selbstbestimmungsrecht sei wichtiger als das des Opfers, dann existierte jedoch die Norm "Selbstbestimmung ist wichtig" nicht mehr.
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Beitrag(#1423900) Verfasst am: 28.01.2010, 22:41    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Niemandem steht "per se", einfach so, etwas zu.

Stimmt, ich habe aus Versehen Deinen falschen Ausdruck wiederverwendet.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Es wäre zum Beispiel sinnlos, zu sagen, wir gestehen ein Recht auf sexuelle Selbstbestimmung zu, dann aber Vergewaltigung nicht zu ahnden.

Das sehe ich wirklich anders. Das Zugestehen eines Rechtes müßte einfach bedeuten, daß wir uns anstrengen, seinen Bruch zu verhindern. Ob eine Ahndung (Bestrafung) eines in der Vergangenheit geschehenen Verbrechens der Realisierung zugestandener Rechte förderlich ist, ist begründungspflichtig und mE oft nicht gegeben.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
[...] den mittelfristigen Nutzen der Normtreue [...]. Daraus ergeben sich folgende Einwände:

1. Es ist zweifelhaft, ob das mit dem Nutzen überhaupt der Fall ist.

- Es gibt Untersuchungen, daß einzelne Normverletzer die allgemeine Kooperation stärken (unklar ist, ob dies ein Argument für vergeltende Bestrafung sein könnte), und daß Normverletzungen Fortschritt befördern.
Merkwürdiger Einwand. Was sollte daraus folgen? Vergewaltigung ist gut, wenn es lange keine mehr gab, weil die dann Kooperation fördert? Aber klar, wenn das dem Fortschritt dient, dann ist das natürlich super, da kann man dann nichts gegen sagen.

Ich hoffe, die Mitleser erkennen die billige Hetze.

Sehr witzig. Das ist einfach die logische Folgerung aus Deinem Einwand. Eine Vergewaltigung ist eine Normverletzung. Und wenn Normverletzungen die allgemeine Kooperation fördern und Fortschritt befördern, dann tut das auch eine Vergewaltigung. Wenn sie denn eine Normverletzung ist und wenn sie "einzeln" vorkommt. Du wirst Dich doch wohl hoffentlich nicht der Logik entziehen wollen, nur weil ich Deinen Satz konkretisiert habe.

Keineswegs. Dabei habe ich nur einen Umstand genannt, der Deine langfristige Nutzenbewertung infragestellt. Aber Du hast mir unterstellt, ich würde dem Fortschritt oder der evolutionären Stabilität zuliebe Vergewaltigungen gut finden, wie Du überhaupt oft sehr tendenziös formulierst.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... es ist im Mittel für den Einzelnen nützlich, nicht immer, nicht in jedem Einzelfall. Das ist unvermeidbar in einer pluralistischen Gesellschaft. ... Und natürlich würde sich ein Individuum letztlich irrational verhalten, wenn es in den Normen in der Summe einen Nachteil für sich sähe und die dennoch akzeptieren würde und nicht alles dafür tun würde, dass die Normen in seinem Sinne geändert würden. Oder auswandern, in eine Gesellschaft, in der seine von ihm gewünschten Normen verwirklicht sind.

Schon richtig. Aber meine Kritik gilt darüberhinaus selbst der Behauptung, es gebe immer einen mittelfristigen Nutzen für die Allgemeinheit, wenn der Einzelne Normen einhält. Mehr Beispiele für Probleme mit der Behauptung des mittelfristigen Nutzens der Normtreue:

- Überbevölkerung: Haben die ersten Verletzer der Vermehrungsnorm mittelfristig nützlich oder schädlich gehandelt?

- Lüge: Eine Kulturtugend, ohne die es nach Ansicht vieler Forscher gar nicht funktionieren würde.

- Steuerhinterziehung: Es bleibt etwas mehr übrig, das für einen guten Zweck gespendet wird: mittelfristig nützlich oder schädlich?

- Diktatorenmord?

Es ist oft nicht leicht zu sagen, was überhaupt "mittelfristiger Nutzen" sein soll, und für wen. Konsequent zuende gedacht, bleibt letztlich nichts übrig von Deinem Kriterium, man müsse den konkreten Nutzen der Normtreue einsehen und handele dann trotz Manipulation "freiwillig".

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
2. Im Umkehrschluß wäre jemand nicht normtreu, weil er den mittelfristigen Nutzen der Normtreue für sich nicht erkennt oder als relativ gering einschätzt. Soll man nun von ihm irrationales (aka unfreies) Verhalten fordern?
Nö, lediglich normgerechtes Verhalten.
Eben. Es ist Dir nämlich letztlich doch primär egal, ob er so handelt, weil er es rational und "frei" entschieden hat, oder ob er einfach nur "spurt".
Nö, mir ist Selbstbestimmung sehr wichtig und ich befürworte jede Maßnahme, die die steigert und ich lehne jede Maßnahme ab, die die einschränkt.

Inzwischen bist Du allerdings bei einer "Selbstbestimmung" angelangt, die nur noch darin besteht, einzusehen, daß man Normen per se folgen soll, weil sie eben Normen sind.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Es ist von Beginn an eher die Sache der Gemeinschaft, daß er die Normen befolgt. Tut er es nicht, muß die Gemeinschaft in diese Richtung korrigierend, präventiv tätig werden. Seine Sache dagegen ist, ob er Erdbeer oder Aprikose drauftut.
Du hältst einen persönlichen Vorwurf also immer für falsch, ...

Kommt drauf an, was Du unter "persönlichem Vorwurf" verstehst. Es kann z.B. nützlich sein, dem Täter die Unerwünschtheit der Folgen seiner Tat vor Augen zu führen, wenn zu erwarten ist, daß diese Maßnahme sein Verhalten bessert, etwa indem er darüber nachdenkt.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Du hältst immer die Gesellschaft / Gemeinschaft für Normverstöße für verantwortlich?

Häh? Nein, die Gesellschaft ist verantwortlich für (interessiert an) Verhinderung von Normverstößen. Du verwechselst ständig Aufgaben in Hinblick auf die Zukunft (etwa Prävention) mit irgendeinem mysteriösen nachträglichen Beschuldigungs- und Bestrafungsritual.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Aber besteht eine Gemeinschaft nicht aus Individuen, an wen richtet sich dann überhaupt Deine Anforderung? An eine gesichtslose Masse, nie an einen Einzelnen?

Eine Gemeinschaft besteht aus Individuen, gibt sich aber Strukturen und beauftragt "Organe" (heißen auch so) z.B. mit präventiven Aufgaben. Und wie schon x-mal geschrieben, ja, sie weist einzelnen Personen Verantwortung zu, in dem Sinne, daß sie von diesen Personen konformes Verhalten erwartet.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Er darf sich dann nur später nicht beklagen, wenn er so behandelt wird, wie er andere behandelt.
Es geht aber überhaupt nicht darum, ob er sich beklagen darf (abgesehen davon darf er es mE sogar), sondern ob die Gemeinschaft eine Begründung (einen Nutzen für ein allgemeinses Ziel) dafür angeben kann, dasselbe Fehlverhalten zur Vergeltung noch einmal auszuüben.
Woraus folgt das? Aus einer Selbstverpflichtung moralischer Subjekte? Wenn ja: dann stimme ich zu. Aber ich stimme nicht zu, wenn Du das als einfach so gegeben, als Naturmäßig oder wie auch immer proklamierst.

Weder noch. Es folgt aus einer Bedingung, von der ich dachte, daß Du sie für ebenso sinnvoll wie ich hältst: Der rationalen Nachvollziehbarkeit. Natürlich ist auch das kein Absolutum, sondern eher eine Art "Grundwert der Aufklärung". Man könnte diese Basis hinterfragen und etwa fordern, sich einer intuitiveren Ethik (auch mit Rache und so) hinzugeben.
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Beitrag(#1423912) Verfasst am: 28.01.2010, 22:58    Titel: Antworten mit Zitat

Ich fasse mal Deine Argumentation, so wie ich sie verstehe, zusammen:

1. Definition: 'frei' = unabhängig = indeterminiert.
2. Unsere Welt ist determiniert (zumindest im Mesokosmos).
3. Daraus folgt: es gibt in unserer Welt keine Freiheit.
4. Um jemandem berechtigt eine Entscheidung und eine Handlung vorwerfen zu dürfen, muss derjenige dafür etwas können und das kann er nur, wenn er frei ist im Sinne von 1.
5. Die Auffassung, es gäbe Subjekte, die ihre Entscheidungen und Handlungen kontrollieren könnten, ist falsch, eine Illusion; in Wirklichkeit laufen nur Kausalketten ab und das steht aus irgend einem unerfindlichen Grunde in einem Gegensatz zu der Auffassung der Selbstkontrolle.

So weit, so gut erst mal. Betrachten wir nur diese 5 Punkte, dann ergibt sich daraus folgerichtig und unausweichlich Fatalismus: alles ist so, wie es ist; kam, wie es kam; kommt, wie es kommen wird und wir haben keine Einflussmöglichkeit, wir sind irgendwie geheimnisvolle von der Welt getrennte Homunkuli, die nur beobachten können, mehr nicht.

Nun gefällt Dir Fatalismus aber gar nicht, Du möchtest ja Forderungen nach einem Sollen stellen. Und solche Forderungen benötigen dringend einen Ansprechpartner, einen, der die Forderungen verstehen und umsetzen kann, einen, der handlungsfähig ist. Denn Sollen impliziert Können.

Also geht es noch weiter:

6. Individuen als Einzelne sind zwar nicht frei, aber es gibt dennoch ein Subjekt, das seine Handlungen kontrollieren und die Zukunft in seinem Sinne beeinflussen kann, das Adressat für Deinen Appell ist: die Gesellschaft. Die Gesellschaft ist an allem schuld, was Menschen tun; diese selber als Individuen jedoch nie, bei ihnen läuft alles nur ab, wie in einem Uhrwerk, mit sich selber als Beobachter.


Und da springt nun ein kleines logisches Problem sofort ins Auge, meine ich: wenn 1 - 4 richtig sind, dann kann 6 nicht richtig sein. Das ist ein Widerspruch. Und umgekehrt: wenn 6 richtig ist, dann können nicht 1 - 4 richtig sein, aber dann hast Du kein Argument mehr dafür, warum man einem Individuum nichts vorwerfen darf und darauf basiert doch Dein ganzes Modell.
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step
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Beitrag(#1424299) Verfasst am: 29.01.2010, 18:55    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Betrachten wir nur diese 5 Punkte, dann ergibt sich daraus folgerichtig und unausweichlich Fatalismus ...

Nein, daraus folgt nicht Fatalismus, allerhöchstens erlaubt es Fatalismus.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Nun gefällt Dir Fatalismus aber gar nicht, Du möchtest ja Forderungen nach einem Sollen stellen. Und solche Forderungen benötigen dringend einen Ansprechpartner, einen, der die Forderungen verstehen und umsetzen kann, einen, der handlungsfähig ist.

Genau, so isses.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Also geht es noch weiter:

6. Individuen als Einzelne sind zwar nicht frei, aber es gibt dennoch ein Subjekt, das seine Handlungen kontrollieren und die Zukunft in seinem Sinne beeinflussen kann, das Adressat für Deinen Appell ist: die Gesellschaft. Die Gesellschaft ist an allem schuld, was Menschen tun; diese selber als Individuen jedoch nie, bei ihnen läuft alles nur ab, wie in einem Uhrwerk, mit sich selber als Beobachter.

Nö, da hast Du was falsch verstanden:

- Auch Individuen können andere Individuen beeinflussen bzw. an sie appellieren.

- Die Gesellschaft ist genausowenig "schuld" wie die Individuen, sie repräsentiert und realisiert nur die moralischen Forderungen (Zuweisung von Verantwortung für die Zukunft) an das Individuum. Sie ist selbst kein Subjekt (jedenfalls die menschliche Ges. nicht), weil sie kein Selbstmodell ausbildet, aber sie ist ein abstrakter Akteur, dessen Aktionen sich durch gesellschaftliche Organe konkretisieren, z.B. Schulen oder Polizei.

Die Gesellschaft habe ich überhaupt nur erwähnt, weil ich diejenige Entität benennen wollte, die bei uns üblicherweise präventive und gesetzgebende Aufgaben übernimmt.
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1424368) Verfasst am: 29.01.2010, 20:23    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Betrachten wir nur diese 5 Punkte, dann ergibt sich daraus folgerichtig und unausweichlich Fatalismus ...

Nein, daraus folgt nicht Fatalismus, allerhöchstens erlaubt es Fatalismus.

Nein, wenn man die Punkte 1 - 5 oben so akzeptiert, dann folgt daraus mAn unabwendbar Fatalismus (-> man kann selber beabsichtigt / geplant den Lauf der Welt nicht ändern, weder für sich, noch für andere, alles wird unbeeinflussbar so kommen, wie es kommen wird).

Wie genau würdest Du die Punkte umformulieren (war ja nur ein vorläufiger Vorschlag, so wie ich meine, dass Du das siehst)?

step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Nun gefällt Dir Fatalismus aber gar nicht, Du möchtest ja Forderungen nach einem Sollen stellen. Und solche Forderungen benötigen dringend einen Ansprechpartner, einen, der die Forderungen verstehen und umsetzen kann, einen, der handlungsfähig ist.

Genau, so isses.

Ja, und zwar einen, der Anweisungen nicht nur als unabwendbare Programmierung ausführt (Knöpfchen drücken und die Anweisung gleich ausgeführt), sondern der es versteht und mit seinen Zielen in Übereinstimmung bringen kann und daraufhin die Gründe akzeptiert oder nicht, die Forderung anerkennt oder nicht.

step hat folgendes geschrieben:
- Auch Individuen können andere Individuen beeinflussen bzw. an sie appellieren.

Auch bewusst, gezielt und absichtlich? Wenn ja: warum kann man dann nicht sich selber beeinflussen? Wenn nein: wie sonst, wie kommt's, wie entsteht die Beeinflussung, was genau ist die Ursache dafür? Kann man nun Ursachen / Beeinflussungen erkennen und daraufhin ändern / justieren oder nicht? Kann man Normen bewerten oder nicht?

step hat folgendes geschrieben:
- Die Gesellschaft ist genausowenig "schuld" wie die Individuen, sie repräsentiert und realisiert nur die moralischen Forderungen (Zuweisung von Verantwortung für die Zukunft) an das Individuum. Sie ist selbst kein Subjekt (jedenfalls die menschliche Ges. nicht), weil sie kein Selbstmodell ausbildet, aber sie ist ein abstrakter Akteur, dessen Aktionen sich durch gesellschaftliche Organe konkretisieren, z.B. Schulen oder Polizei.

Sind moralische Forderungen und Rechtsnormen begründbar, auf ihren Nutzen hinterfragbar und somit gestaltbar? Wenn ja: das kann nicht die Gesellschaft als abstrakter Akteur leisten, das können nur solche Akteure, die ein Selbstmodell ausbilden können und sich daraufhin selber und alles andere auch (theoretisch unendlich weit) hinterfragen können, aufgrund dieser Fähigkeiten, oder?

Ist mir immer noch ziemlich unklar, auf was Du eigentlich hinauswillst, sorry. Im Prinzip (von Ausnahmen in beide Richtungen abgesehen) sind doch Menschen gleich in ihren Fähigkeiten zur Bewertung und Erkenntnis, oder?

Ich hatte Dich ja schon mal gefragt, ob Du meinst, es gäbe da einige Wenige, die viel besser alles erkennen und durchblicken könnten, weil nur sie den eigentlichen Durchblick haben. Aber da hattest Du mir zugestimmt, dass dem nicht so sei. Wie aber dann? Oder willst Du das wieder zurücknehmen und plädierst für eine Regierung durch eine kleine Elite? Oder meinst Du immer noch, dass Rechtsnormen objektiv, rein naturwissenschaftlich, ohne Beteiligung von Subjekten herausgefunden werden könnten?
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Mario Hahna
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Beitrag(#1424387) Verfasst am: 29.01.2010, 20:55    Titel: Antworten mit Zitat

Bitte mehr Strohmänner!
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1424406) Verfasst am: 29.01.2010, 21:25    Titel: Antworten mit Zitat

Wie bitte?
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Beitrag(#1424414) Verfasst am: 29.01.2010, 21:45    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Betrachten wir nur diese 5 Punkte, dann ergibt sich daraus folgerichtig und unausweichlich Fatalismus ...

Nein, daraus folgt nicht Fatalismus, allerhöchstens erlaubt es Fatalismus.
Nein, wenn man die Punkte 1 - 5 oben so akzeptiert, dann folgt daraus mAn unabwendbar Fatalismus .

Nö. Das ist ein intuitiver Fehlschluss Deinerseits, vielleicht weil Du selbst Deine Motivation aus dem Glauben an den FreienWillen beziehst.

wikipedia hat folgendes geschrieben:
Unter Fatalismus versteht man eine Weltanschauung, die davon ausgeht, dass das Geschehen in Natur und Gesellschaft durch das Schicksal ... oder eine übergeordnete Macht ... unabänderlich bestimmt wird. Die Fügungen des Schicksals seien unausweichlich, der Wille des Menschen könne ihnen nichts entgegensetzen. ... Dieses Akzeptieren des für unvermeidlich gehaltenen Schicksals kann verschiedene Formen annehmen, von einem resignierten Hinnehmen des Unabänderlichen bis hin zur enthusiastischen Verherrlichung des Schicksals. ... Fatalismus, der ein vom menschlichen Handeln unbeeinflussbares Verhängnis annimmt.

Daß sämtliche Vorgänge, auch der menschliche Wille, komplett naturgesetzlich bestimmt sind, hat weder notwendig zur Folge, daß das menschliche Handeln den Lauf der Dinge nicht beinflusse, noch, daß man darüber resignieren oder enthusiastisch werden müsse.

Das menschliche Handeln beeinflußt den "Lauf" der Welt letztlich ebenso wie auch das tierische Handeln oder wie ein Vulkanausbruch. Es ist nur eben selbst wieder komplett verursacht.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wie genau würdest Du die Punkte umformulieren (war ja nur ein vorläufiger Vorschlag, so wie ich meine, dass Du das siehst)?

Würde ich ungern machen, 5. müßte ich z.B. ganz weglassen. Und was Du immer mit Deiner Selbstkontrolle hast ... wir haben doch herausgearbeitet, daß Selbstkontrolle nichts anderes ist als erwünschte Präferenzen, die stärker sind als die unerwünschten. Eine Selbstkontrolle in diesem Sinne muß ich gar nicht ablehnen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Nun gefällt Dir Fatalismus aber gar nicht, Du möchtest ja Forderungen nach einem Sollen stellen. Und solche Forderungen benötigen dringend einen Ansprechpartner, einen, der die Forderungen verstehen und umsetzen kann, einen, der handlungsfähig ist.
Genau, so isses.
Ja, und zwar einen, der Anweisungen nicht nur als unabwendbare Programmierung ausführt (Knöpfchen drücken und die Anweisung gleich ausgeführt), sondern der es versteht und mit seinen Zielen in Übereinstimmung bringen kann und daraufhin die Gründe akzeptiert oder nicht, die Forderung anerkennt oder nicht.

Na, das ist zwar ganz nett und vielleicht auch nützlich, aber nicht unbedingt logisch erforderlich. Tiere zum Beispiel sind ja auch keine Fatalisten, obwohl sie selten über Gründe nachdenken.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
- Auch Individuen können andere Individuen beeinflussen bzw. an sie appellieren.
Auch bewusst, gezielt und absichtlich? Wenn ja: warum kann man dann nicht sich selber beeinflussen? Wenn nein: wie sonst, wie kommt's, wie entsteht die Beeinflussung, was genau ist die Ursache dafür? Kann man nun Ursachen / Beeinflussungen erkennen und daraufhin ändern / justieren oder nicht? Kann man Normen bewerten oder nicht?

Hab ich doch längst geschrieben: Natürlich kann z.B. eine Präferenz A eine Entscheidung (oder einen Gedankengang) auslösen, in dessen kausaler Folge die Präferenz B geschwächt oder umgekehrt wird. Wenn Du das eine Selbstbeeinflussung nennen willst (da ja die Summe der Präferenzen als Blackbox das Selbst sein soll), dann habe ich nichts dagegen.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
- Die Gesellschaft ist genausowenig "schuld" wie die Individuen, sie repräsentiert und realisiert nur die moralischen Forderungen (Zuweisung von Verantwortung für die Zukunft) an das Individuum. Sie ist selbst kein Subjekt (jedenfalls die menschliche Ges. nicht), weil sie kein Selbstmodell ausbildet, aber sie ist ein abstrakter Akteur, dessen Aktionen sich durch gesellschaftliche Organe konkretisieren, z.B. Schulen oder Polizei.
Sind moralische Forderungen und Rechtsnormen begründbar, auf ihren Nutzen hinterfragbar und somit gestaltbar?

Natürlich sind sie das. Wobei die Begründung aus spieltheoretischen Gründen letztlich bei einer "profanen" konsenten Präferenz endet. Jedenfalls in einer offenen Gesellschaft.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn ja: das kann nicht die Gesellschaft als abstrakter Akteur leisten, das können nur solche Akteure, die ein Selbstmodell ausbilden können und sich daraufhin selber und alles andere auch (theoretisch unendlich weit) hinterfragen können, aufgrund dieser Fähigkeiten, oder?

Natürlich, die (menschl.) "Gesellschaft" ist nur ein abstrakter Akteur und auch nur ein abstrakter Gesetzgeber und Philosoph. Sie steht in moralischen Zusammenhängen für einen Präferenzkonsens von Individuen. Oder so.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Im Prinzip (von Ausnahmen in beide Richtungen abgesehen) sind doch Menschen gleich in ihren Fähigkeiten zur Bewertung und Erkenntnis, oder?

Die Fähigkeiten folgen in etwa einer Normalverteilung, würde ich sagen. Also graduelle Unterschiede.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Ich hatte Dich ja schon mal gefragt, ob Du meinst, es gäbe da einige Wenige, die viel besser alles erkennen und durchblicken könnten, weil nur sie den eigentlichen Durchblick haben. Aber da hattest Du mir zugestimmt, dass dem nicht so sei.

Ja, sehe ich nach wie vor so.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wie aber dann? Oder willst Du das wieder zurücknehmen und plädierst für eine Regierung durch eine kleine Elite?

Geht es Dir jetzt nicht mehr um die Begründung von Bestrafung, sondern um den Prozeß der Normfindung? Wo ist das Problem, die Leute könnten doch alle handlungsfrei sein, an der Aushandlung ihrer Interessen mitzuwirken.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Oder meinst Du immer noch, dass Rechtsnormen objektiv, rein naturwissenschaftlich, ohne Beteiligung von Subjekten herausgefunden werden könnten?

Einige Rechtsnormen könnte man bereits aus den Voraussetzungen ableiten, daß es Wesen sind, die intelligent, ressourcenabhängig, begrenzt lebensfähig und auf Kooperation angewiesen sind. Andere wiederum spiegeln spezielle Präferenzen im Sinne des Zeitgeistes wider und könnnen deshalb von bewußten, intentionalen, kulturellen Subjekten relativ unvorhersagbar gewählt werden.
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1424417) Verfasst am: 29.01.2010, 21:52    Titel: Antworten mit Zitat

Keine Ahnung, was Du willst, wie Du Dein Modell begründest und wo unsere Differenzen eigentlich liegen. Du weichst immer nur aus.

Ist mir aber auch jetzt egal.

Unterhalte Dich doch mit Mario Hahna, dann müsst Ihr auch keine Strohmänner austauschen. Dann könnt Ihr vom Urknall verursacht und dennoch konsent die wahre Wahrheit festlegen und Euch gegenseitig auf die Schulter klopfen.
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Tso Wang
Vergiß es



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Beitrag(#1424671) Verfasst am: 30.01.2010, 12:10    Titel: Ich/Selbst bzw. Bewußtes/Unbewußtes Antworten mit Zitat

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Ascanius hat folgendes geschrieben:
Vielleicht wäre die angedachte "umständliche" Variante klarer gewesen: Wir können tun, was wir wollen (z.B. spazieren gehen), oder auch tun, was wir nicht wollen (z.B. eine Steuererklärung machen).


Wenn Du Dich selbst nicht nur als "bewußtes Ich", sondern auch Deine unbewußten Prozesse als Dir zugehörig betrachtest, hast Du recht. Dann ist das alles möglich.


Prozesse sind Zustandsänderungen von Dingen, und "meine unbewußten Prozesse" sind Zustandsänderungen meines Körpers - wie könnte ich sie <b>nicht</b> als "mir zugehörig" betrachen, ohne sofort mein Köfferchen für einen längeren Klapsenaufenthalt packen zu müssen?


.

Das können viele. Es gibt nicht wenige, die das Unbewußte für esoterischen Schwachsinn halten. Früher war die Anzahl derer noch größer.

Zitat:
Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Wenn Du Dich jedoch nur als "bewußtes Ich" betrachtest, hast Du in diesem Falle unrecht, da die Willensregungen bereits unbewußt initiiert sind.


Was soll denn das "bewußte Ich" überhaupt sein? "Ich" bin mein Körper! Einige meiner Zustandsänderungen werden mir bewußt, andere nicht.


Nein. Dein bewußtes Ich ist nur Teil Deines Körpers. Deine unbewußten Prozesse gehören zu Deinem Selbst. Manche sprechen auch vom "höheren Selbst" Gerade dieser Unterschied zwischen dem Bewußten (dem Ich/ Ego) und dem Unbewußten (dem Selbst) wird oft durcheinandergewürfelt, sodaß es zu Mißverständnissen kommt. Das Ich-Bewußtsein mit seiner geringen Informationsverarbeitungs-Bandbreite (von etwa 10-50 Bits pro Sekunde) ist gar nicht in der Lage die Prozesse des Unbewußten (Bandbreite von etwa 10 Milliarden Bits pro Sekunde) zu überschauen, gewchweige denn zu koordinieren.

Zitat:
Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Wir ordnen Begriffe wie "Ich", "Selbst", "freier Wille", "Bewußtsein" etc. unterschiedlich zu und schon kommt es zum Streit.


Nur, wenn man es versäumt, sie rechtzeitig zu klären. Sollte das nicht gelingen oder kein Einvernehmen herzustellen sein, kann man sich jede Diskussion gleich ganz sparen.


Genau. Deshalb auch meine Erläuterung z.B. zu dem Unterschied Ich/Selbst bzw. Bewußtes/Unbewußtes.

Zitat:
Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Darüber hinaus tauscht die Wissenschaft alte philosophische und religiöse Begriffe durch neue aus oder übernimmt sie samt Sprachhoheit (wenn beispielweise früher jemand von "Bewußtsein als Schwingung" gesprochen hat, wurde er als esoterischer Esel beschimpft.


Wer solchen Quatsch von sich gibt, wird auch heute noch zurecht als esoterischer Esel beschimpft! "Bewußtsein" ist nämlich kein Ding sondern eine Äquivalenzklasse von Zustandsänderungen eines Dinges, und "Schwingungen" sind immer die Schwingungen von Dingen. "Bewußtsein als Schwingung" ist also nicht nur eine "metaphysische Mißformulierung" (Bunge), sondern ein echter ontologischer Kategorienfehler ("Reifikation").


Das sehe ich völlig anders. Philosophen, religiös Suchende, Poeten, Naturforschende etc. der Vergangenheit waren gar nicht in der Lage sich anders auszudrücken, weil die heutige Technik noch gar nicht vorhanden war. Die wissenschaftlichen Erkenntnisse von heute sind m.E. viel zu wertvoll als sie auf dem Tablett der Arroganz und vermeintlicher Besserwisserei vor sich herzutragen.

Der gute Bunge scheint in naturwissenschaftlichen Fächern und in den Altsprachen an manchen Stellen nicht besonders aufmerksam gewesen zu sein. Wenn er schon so hehre Ausdrücke wie "metaphysische Mißformulierung" oder "ontologische Kategoriienfehler" gebraucht, sollte er sie wenigsten auch verstehen..

Allein die Tatsache, daß das "Seiende" sowohl als Wellenfunktion als auch als Teilchen betrachtet werden kann (Licht hat je nach Betrachtungsweise mal Wellen mal Teilcheneigenschaften, Materie hat je nach Betrachtungsweise ebenfalls beide Eigenschaften, von der String-Theorie und deren potentiellen Nachfolgern mal ganz abgesehen), sollte diesen guten Herrn aus seinem ontologischen Kategoriengefängnis, das er selbst geschaffen hat, befreien helfen.

Zitat:
Tso Wang hat folgendes geschrieben:
Heutzutage ist das "40-Hertz-Neuronenfeuer" der Nervenzell-Ensembles ein ganz gewöhnlicher Ausdruck in den Neurowissenschaften.


Siehst Du wohl, hier geht es um <u>Dinge</u> wie Neuronen/Nervenzellen.


Nein es geht um deren gemeinsamen Schwingungszustand (vermutlich 40 Hertz), der aus den Neuronen erst das hervorbringt, was man Bewußtsein nennt (vielleicht so ähnlich wie ein Fernseher erst zu dem wird, was er ist, wenn die atomaren Bestandteile seines Bildgebungsverfahrens bestimmte Schwingungszustände einnehmen).

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step
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Beitrag(#1424676) Verfasst am: 30.01.2010, 12:23    Titel: Re: Ich/Selbst bzw. Bewußtes/Unbewußtes Antworten mit Zitat

Tso Wang hat folgendes geschrieben:
... Dein bewußtes Ich ist nur Teil Deines Körpers. Deine unbewußten Prozesse gehören zu Deinem Selbst. Manche sprechen auch vom "höheren Selbst" Gerade dieser Unterschied zwischen dem Bewußten (dem Ich/ Ego) und dem Unbewußten (dem Selbst) wird oft durcheinandergewürfelt, sodaß es zu Mißverständnissen kommt. Das Ich-Bewußtsein mit seiner geringen Informationsverarbeitungs-Bandbreite (von etwa 10-50 Bits pro Sekunde) ist gar nicht in der Lage die Prozesse des Unbewußten (Bandbreite von etwa 10 Milliarden Bits pro Sekunde) zu überschauen, gewchweige denn zu koordinieren.

Die Mißverständnisse kommen teilweise daher, daß "Selbst" und "Ich" in der Psychologie spezifisch besetzte Begriffe sind, während insbesondere "Selbst" in der Naturwissenschaft auch allgemeiner verwendet wird, wenn von einem selbstreferentiellen Zusammenhang die Rede ist. Aus kognitivwissenschaftlicher Sicht scheint es eher so:

- Der Körper prägt mittels des Gehirns ein Selbstmodell aus. Das bedeutet erstmal nur, daß im Gehirn ein Modell des Körpers von sich selbst existiert. Dieses ist zu großen Teilen unbewußt, und auch bei Tieren vorhanden.

- Wenn das Selbstmodell bewußt ist und außerdem auch ein Modell der Modellbildung beinhaltet (aka "man weiß, daß man auf sich selbst referenziert"), dann bildet sich als Teil des Selbstmodells eine personale Illusion, ein "Ich".
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Beitrag(#1424976) Verfasst am: 30.01.2010, 22:10    Titel: Re: Ich/Selbst bzw. Bewußtes/Unbewußtes Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Tso Wang hat folgendes geschrieben:
... Dein bewußtes Ich ist nur Teil Deines Körpers. Deine unbewußten Prozesse gehören zu Deinem Selbst. Manche sprechen auch vom "höheren Selbst" Gerade dieser Unterschied zwischen dem Bewußten (dem Ich/ Ego) und dem Unbewußten (dem Selbst) wird oft durcheinandergewürfelt, sodaß es zu Mißverständnissen kommt. Das Ich-Bewußtsein mit seiner geringen Informationsverarbeitungs-Bandbreite (von etwa 10-50 Bits pro Sekunde) ist gar nicht in der Lage die Prozesse des Unbewußten (Bandbreite von etwa 10 Milliarden Bits pro Sekunde) zu überschauen, gewchweige denn zu koordinieren.

Die Mißverständnisse kommen teilweise daher, daß "Selbst" und "Ich" in der Psychologie spezifisch besetzte Begriffe sind, während insbesondere "Selbst" in der Naturwissenschaft auch allgemeiner verwendet wird, wenn von einem selbstreferentiellen Zusammenhang die Rede ist. Aus kognitivwissenschaftlicher Sicht scheint es eher so:

- Der Körper prägt mittels des Gehirns ein Selbstmodell aus. Das bedeutet erstmal nur, daß im Gehirn ein Modell des Körpers von sich selbst existiert. Dieses ist zu großen Teilen unbewußt, und auch bei Tieren vorhanden.

- Wenn das Selbstmodell bewußt ist und außerdem auch ein Modell der Modellbildung beinhaltet (aka "man weiß, daß man auf sich selbst referenziert"), dann bildet sich als Teil des Selbstmodells eine personale Illusion, ein "Ich".


Nur ein weiterer kleiner Hinweis: Der Begriff "Selbst" stammt nicht aus den Naturwissenschaften. Auch nicht in *allgemeiner* Form.

Und der Rest, den Du bringst, ist nichts als Philosophie, gemixt mit Psychologie (Freud?) und hat mit Wissenschaft gar nichts mehr zu tun.

Mach' du lieber Deine Physik. Das ist das, was Du kannst und ansonsten gilt speziell für Dich der Spruch:

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Beitrag(#1425002) Verfasst am: 30.01.2010, 22:58    Titel: Re: Ich/Selbst bzw. Bewußtes/Unbewußtes Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Nur ein weiterer kleiner Hinweis: Der Begriff "Selbst" stammt nicht aus den Naturwissenschaften. Auch nicht in *allgemeiner* Form.

Das hat auch niemand behauptet.

Vielleicht habe ich mich mißverständlich ausgedrückt. Der Begriff "selbst" wird in der Sprache für alles mögliche verwendet, insbesondere auch in "auf sich selbst" weisenden Zusammenhängen, ähnlich wie auch "αὐτο" im Altgriechischen.

In dieser Bedeutung wird "selbst" (oder auch "eigen") in der Wissenschaft häufig verwendet, zum Beispiel "selbstorganisierende Netze", "selbstheilende Oberflächen", "selbstreferentielle Systeme", "->self" in Programmiersprachen usw.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
... Mach' du lieber Deine Physik. Das ist das, was Du kannst ...

Danke. Immerhin.
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Beitrag(#1425032) Verfasst am: 30.01.2010, 23:31    Titel: Re: Ich/Selbst bzw. Bewußtes/Unbewußtes Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Wenn das Selbstmodell bewußt ist und außerdem auch ein Modell der Modellbildung beinhaltet (aka "man weiß, daß man auf sich selbst referenziert"), dann bildet sich als Teil des Selbstmodells eine personale Illusion, ein "Ich".

Wenn man weiß, dass man auf sich selber referenziert, bedeutet das, dass man eine Illusion, d.h. eine Selbsttäuschung, ein Selbstbetrug, ist.

"Ich denke, also bin ich eine Illusion, also existiere ich nicht."

Ist klar. Klingt voll logisch.
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