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PataPata Agnostiker und Pataphysiker
Anmeldungsdatum: 05.11.2007 Beiträge: 2977
Wohnort: Toscana
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(#973619) Verfasst am: 06.04.2008, 21:30 Titel: 1968 |
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Zum Anlass des heutigen '68er Tages in 3sat zu 40 Jahren 1968 dachte ich, es wäre interessant zu wissen, was für uns dieses Jahr bedeutet. Für jene, die es aktiv erlebt haben, und für jene, die nur die Konsequenzen zu spüren bekamen. Inwiefern haben die Ereignisse damals unser Leben geprägt und verändert? Beurteilt Ihr diese Wirkung als positiv oder negativ? Inwiefern existiert der '68er Geist heute überhaupt noch?
(Eigentlich wollte ich dieses Thema unter "Kultur und Gesellschaft" einordnen, jetzt ist es aber hier gelandet. Macht nichts, da passt es auch hinein!)
_________________ Alles denkbare ist real
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pewe auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 20.01.2008 Beiträge: 3377
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(#973659) Verfasst am: 06.04.2008, 22:23 Titel: |
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Pubertierende Jugendliche, die dem Zeitgeist hinterher gelaufen sind.
Erschreckend für mich war der fließende Übergang von ideologischer Verblendung in Form von neurotischer Dummheit zum Terrorismus.
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beachbernie male Person of Age and without Color
Anmeldungsdatum: 16.04.2006 Beiträge: 45792
Wohnort: Haida Gwaii
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(#973681) Verfasst am: 06.04.2008, 23:09 Titel: |
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Fuer mich war das Positive an 1968, dass mir ein erheblich freieres Aufwachsen ermoeglicht wurde als es ohne 1968 moeglich gewesen waere, wobei das nicht darauf zurueckzufuehren war, dass die 68er fuer mich gedacht haben, sondern dass sie mir zeigten, dass ich am besten meinen eigenen Kopf zum denken benutze!
Das war fuer mich auch die Lehre aus der ganzen Sache: Warte nicht darauf bis jemand fuer Dich denkt, sondern benutze Deinen eigenen Kopf. Wenn Du nicht selber fuer Deine Freiheit kaempfst und darauf wartest bis andere Dich befreien, dann wirst Du ewig unfrei sein!
Dass es auch viele Sackgassen gab, in die sich viele 68ger verlaufen haben ist geschenkt, das waren schliesslich auch bloss Menschen. Tatsache ist jedoch, dass die 68ger die bundesdeutsche Gesellschaft veraendert haben, wie keine andere Generation und das, zumindest unterm Strich, positiv.
Dass die 68ger heutzutage in vielen Kreisen pauschal so unpopulaer sind, fuehre ich weniger auf deren Fehler zurueck, sondern viel eher auf die Unfaehigkeit der heutigen Generation selbst auch nur irgendwas zum Positiven zu veraendern, dass schafft Neid. Was wurde denn seit 1968 und den darauf folgenden Jahren schon an Positivem, Neuem begonnen, was Chancen hat auch nur die naechsten 10 Jahre zu ueberstehen? Kein Vergleich zum Aufbruch breiter Gesellschaftsschichten, der die Zeit unmittelbar nach 1968 kennzeichnete. Xenophobes Genoele und unspezifisches Gellale gegen Multikulti u.a., kein Konzept der Veraenderung, ja noch nicht einmal annaehernd eine Richtung, in die es gehen koennte. Ich halte es auch unwahrscheinlich, dass die heutige Generation unter einem praegnanter Namen, wie eben "68ger" in die Geschichte eingehen wird. Wozu braucht man auch einen eigenstaendigen Begriff fuer eine konturlose, fremdbestimmte Generation ohne Vision und Energie?
Klar haben die 68ger auch viele Fehler gemacht und sich oft in Idiotisches verrannt, von RAF bis Ashram. Wohl mehr als andere Generationen. Das liegt aber nicht daran, dass die so bloed waren, sondern es gilt wohl eher, dass der, der ueberhaupt was macht, automatisch auch mehr Fehler macht als der, der ausser Motzerei nix auf die Reihe kriegt...
Gruss, Bernie
_________________ Defund the gender police!!
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AdvocatusDiaboli Öffentlicher Mobber
Anmeldungsdatum: 12.08.2003 Beiträge: 26397
Wohnort: München
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(#973686) Verfasst am: 06.04.2008, 23:18 Titel: |
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Sehr richtig, beachbernie. "1968" war darüber hinaus auch eine fällige und leider verspätete Auseinandersetzung mit dem Faschismus.
_________________ Triggerwarnung: Der toxische Addi hat gepostet. Oh, zu spät, Sie haben das schon gelesen.
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Baldur auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 05.10.2005 Beiträge: 8326
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(#973687) Verfasst am: 06.04.2008, 23:23 Titel: |
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beachbernie hat folgendes geschrieben: | Klar haben die 68ger auch viele Fehler gemacht und sich oft in Idiotisches verrannt, von RAF bis Ashram. Wohl mehr als andere Generationen. Das liegt aber nicht daran, dass die so bloed waren, sondern es gilt wohl eher, dass der, der ueberhaupt was macht, automatisch auch mehr Fehler macht als der, der ausser Motzerei nix auf die Reihe kriegt... |
Volle Zustimmung.
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26440
Wohnort: im Speckgürtel
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(#973760) Verfasst am: 07.04.2008, 00:36 Titel: |
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Ich sehe die 68er etwas weniger in eigener Aktivität, mehr als Kinder des "3.Reiches" mit den daraus resultierenden Folgen:
Wenn es nicht ab 45 die auf der Erfahrung des Zusammenbruches der "3. Reiches" basierende und damit historisch richtige Zurückhaltung in der Weitergabe der wilhelminischen Kultur gegeben hätte, wären die 68er nie in die Lage gekommen, ihre Fragen zu stellen und damit ihre "Revolution" einzuleiten. Die 68er sind weniger der Motor ihrer eigenen Bewegung; sie sind selbst nur symptomatisch für den Kulturbruch, der heute teilweise beklagt wird, der jedoch bereits von ihren Eltern eingeleitet wurde, zuerst aktiv, durch ihre Beteiligung am "3. Reich", später passiv durch ihre zerstörte Sicherheit in den eigenen Werten.
Die Leistung der 68er bestand darin, die bereits vorhandene aber noch kaschierte Unsicherheit durch die offene Frage danach, welche Teile der elterlichen Kultur es denn waren, die den Schrecken des "3. Reiches" möglich gemacht hatten, in offene Ratlosigkeit umzuwandeln, und damit offziell den Übergang in eine allgemeine Experimentierphase einzuleiten.
fwo
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Peter H. dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 24.06.2007 Beiträge: 9751
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(#973778) Verfasst am: 07.04.2008, 00:51 Titel: |
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so ungefähr
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atheist666 dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 17.02.2007 Beiträge: 8494
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(#973784) Verfasst am: 07.04.2008, 01:04 Titel: |
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Merkwürdig ist nur, was an 68zigern heute in der BRD so rumläuft. Typen die Kriege und Hartz4 befürworten, welche die zu den Neonazis konvertiert etc.
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beachbernie male Person of Age and without Color
Anmeldungsdatum: 16.04.2006 Beiträge: 45792
Wohnort: Haida Gwaii
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(#973787) Verfasst am: 07.04.2008, 01:08 Titel: |
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atheist666 hat folgendes geschrieben: | Merkwürdig ist nur, was an 68zigern heute in der BRD so rumläuft. Typen die Kriege und Hartz4 befürworten, welche die zu den Neonazis konvertiert etc. |
Das Spektrum war doch von Anfang an recht bunt und als dann alles auseinanderlief wurde es natuerlich nicht einfarbiger...
_________________ Defund the gender police!!
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atheist666 dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 17.02.2007 Beiträge: 8494
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(#973791) Verfasst am: 07.04.2008, 01:14 Titel: |
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beachbernie hat folgendes geschrieben: | atheist666 hat folgendes geschrieben: | Merkwürdig ist nur, was an 68zigern heute in der BRD so rumläuft. Typen die Kriege und Hartz4 befürworten, welche die zu den Neonazis konvertiert etc. |
Das Spektrum war doch von Anfang an recht bunt und als dann alles auseinanderlief wurde es natuerlich nicht einfarbiger... |
Eben. Und auch bei den deutschen Terroristen wußte man schon früh Juden und Nichtjuden feinsäuberlich zu trennen bei Flugzeugentführungen.
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Kramer postvisuell
Anmeldungsdatum: 01.08.2003 Beiträge: 30878
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(#973795) Verfasst am: 07.04.2008, 01:25 Titel: Re: 1968 |
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Agnostiker hat folgendes geschrieben: | Zum Anlass des heutigen '68er Tages in 3sat zu 40 Jahren 1968 dachte ich, es wäre interessant zu wissen, was für uns dieses Jahr bedeutet. Für jene, die es aktiv erlebt haben, und für jene, die nur die Konsequenzen zu spüren bekamen. Inwiefern haben die Ereignisse damals unser Leben geprägt und verändert? |
Ich wurde 1968 gezeugt. Ich kann mich zwar nicht mehr daran erinnern, aber ich glaube, das war ein wichtiger Moment in meinem Leben.
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PataPata Agnostiker und Pataphysiker
Anmeldungsdatum: 05.11.2007 Beiträge: 2977
Wohnort: Toscana
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(#973867) Verfasst am: 07.04.2008, 10:01 Titel: |
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pewe hat folgendes geschrieben: | Pubertierende Jugendliche, die dem Zeitgeist hinterher gelaufen sind.
Erschreckend für mich war der fließende Übergang von ideologischer Verblendung in Form von neurotischer Dummheit zum Terrorismus. |
Ist das nicht zu kurz gegriffen? Natürlich gab es das alles auch, aber es war doch nicht die Essenz!
Ich war 22 im Jahre 1968, mitten im sehr absorbierenden Studium an der ETH Zürich. Irgendwie hatte ich die äusseren Aktivitäten zu dieser Zeit dadurch verpasst. Aber den Zeitgeist, den Du erwähnst, den spürte ich schon seit mehreren Jahren und '68 war für mich dessen logischer (notwendiger) Ausbruch. Und es waren nicht Pubertierende, die zur Tat schritten, nein, es waren junge, ausgewachsene Menschen (dass ein paar Pubertierende auch hinten nachliefen, ist ja wohl klar).
Ideologische Verblendung gab es auch. Es gab auch eine totale Intoleranz den Intoleranten (älteren Generationen und angepassten oder andersdenkenden Jungen) gegenüber. Aber nicht nur. Es war zutiefst auch eine explosionsartige Öffnung in den Pluralismus. Und diese war bitter notwendig. Neurotische Dummheit gab es praktisch keine, da bin ich kategorisch! Es gab Experimentierfreude, teilweise missglückte Rebellionen gegen Althergebrachtes (in Deutschland und Italien sicher auch Verarbeitungsversuche des Faschismus - ich bin mir nicht sicher, wie weit dies in anderen Ländern, wie Frankreich, der Schweiz oder auch den USA eine Rolle spielte - im letzteren speziell ging es natürlich um den aktuellen Faschismus im Vietnamkrieg). Der Ausgang von Experimenten ist immer ungewiss, sonst müsste man sie ja gar nicht machen. Daher ist es normal, dass einiges in Sackgassen führte. Später degenerierte das in gewissen Kreisen auch zum Terrorismus, wahrscheinlich aus Ungeduld und Frust, wie wenig man konkret verändern konnte und wie brutal die Staatsgewalt gegen den neuen Freiheitsanspruch vorging.
Persönlich denke ich, dass der 1968 begonnene Prozess noch lange nicht abgeschlossen ist. In Wellen kommt der Gedanke, dass das autonome Individuum der Baustein der Gesellschaft ist, und nicht die gelenkte Masse, immer wieder zum Zug. Und im Grundtenor ist er permanent vorhanden. Ich denke, dass der "Freigeist" als Grundphänomen der Menschen (und nicht nur als Ausnahme, wie es sie auch vorher immer wieder gegeben hat) 1968 erst entstanden ist. Eigentlich sollte 1968 als Geburtsstunde des Grundgeistes unseres Forums behandelt werden, alles was vorher war, war nur Gestation.
_________________ Alles denkbare ist real
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beachbernie male Person of Age and without Color
Anmeldungsdatum: 16.04.2006 Beiträge: 45792
Wohnort: Haida Gwaii
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(#973871) Verfasst am: 07.04.2008, 10:07 Titel: |
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Der "Freigeist" ist um einiges aelter als 1968.
Zitat aus dem Wojczek von Georg Buechner: "Der Freigeist geht um"...
Gruss, Bernie
_________________ Defund the gender police!!
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Agnost dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 12.11.2006 Beiträge: 5618
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(#973886) Verfasst am: 07.04.2008, 10:38 Titel: |
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pewe hat folgendes geschrieben: | Pubertierende Jugendliche, die dem Zeitgeist hinterher gelaufen sind.
Erschreckend für mich war der fließende Übergang von ideologischer Verblendung in Form von neurotischer Dummheit zum Terrorismus. |
1968 war die Zeit des Prager Frühlings.
Es war die Zeit, als tonnenweise junge Leute glaubten dein Avatar sei ein überdurchschnittlich intelligenter Geist jenseits seiner musikalischen Fähigkeiten.
Als Musiker war er was, als Denker war er ein Latrinenphilosoph.
Aber was mich auch an diesem Thread wieder erschreckt, ist der Jahreszahlfetischismus.
Denn tatsächlich geht es um die ganzen 60er Jahre.
Die 60er Jahre zeichneten sich dadurch aus, dass zum ersten mal in der neueren Geschichte die "Jugendlichen" (14-24) realisierten, dass sie in Teilbereichen kompetenter sind als ihre Eltern.
Natürlich zeigte sich das zuerst mal nur auf der eher spielerischen Ebene der Kultur (damals vor allem Musik).
Aber wie es sich später und bis heute erweisen sollte, sind die 14-24 jährigen in der Anwendung aber immer mehr auch in der Produktion der neuen Kommunikationsmedien den "Alten" überlegen.
Enstprechen der jugendlichen Unreife griff dieses Ueberlegenheitsgefühl in den späten 60ern dann von der kulturellen Sphäre auch auf die politische Sphäre über.
Während das kulturelle Ueberlegenheitsgefühl berechtigt war (Beatles waren nun mal besser als Karajan), war es in politischer Hinsicht einfach nur jugendlicher Schwurbel.
So verhielt es sich ja auch mit deinem Zappa:
Als Musiker wertvoll, als Philosoph für den Pisspott (ihr kennt sicher alle noch seine Photo.)
Die 60er Jahre haben uns von einer überkommenen müffeligen Kultur befreit.
Agnost
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Telliamed registrierter User
Anmeldungsdatum: 05.03.2007 Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten
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(#973889) Verfasst am: 07.04.2008, 10:46 Titel: |
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Für mich ist "1968" vor allem mit Prag verbunden gewesen. Wer Sorbisch oder Russisch konnte, war in der Lage, aus der Tschechoslowakei erhaltene Informationen verarbeiten zu können. Familienangehörige waren mehrfach bis 1968 in der Slowakei (ich einmal im Urlaub), und es war schon klar, dass dort die Uhren etwas anders liefen als in Prag.
Zum "Prager Frühling" gab es in meinem Umfeld durchaus verschiedene Standpunkte. Obwohl ich noch recht jung war, begriff ich, dass sich hier an der Nahtstelle zweier Systeme, vor allem der bayerisch-tschechischen Grenze, etwas zuspitzte und im Sommer 1968 auf eine Entscheidung zulief.
Im nachhinein habe ich, nach Jahren wieder, etwas mehr über diese Zeit gelesen. Jetzt sah man schon eher den Zusammenhang zwischen 1968 und 1989.
Alexander Dubcek selbst wurde damals als Führungsfigur glorifiziert, hatte aber kein Konzept. Ota Sik wollte als Wirtschaftsfachmann nichts anderes als die "Marktwirtschaft" des Westens einführen, Zdenek Mlynar (der sich beim Jurastudium an der Moskauer Universität mit dem jungen Michail Gorbatschow angefreundet hatte) die parlamentarische Demokratie. Beide haben das in ihren Erinnerungen auch zugegeben.
D.h., der "Sozialismus mit demokratischem Antlitz" war eher eine unbestimmte Vision, die in der ab März 1968 freien Presse von Journalisten und Künstlern diskutiert wurde, als ein ausgearbeitetes Konzept. Es wäre wahrscheinlich auch zuviel verlangt gewesen, so etwas zu entwerfen, solange die Block-Konfrontation bestand.
2006 erschienen in Berlin auch die Memoiren des Slowaken Vasil Bilak, der zu den "Hardlinern" des Regimes gezählt wurde und die Frage von der anderen Seite her scharf so stellte: "Entweder die oder wir, schließlich sind die sowjetischen Truppen nicht gekommen, um zu sehen, ob in jeder Stadt die Turmuhren gleich gehen." Dieser "schöne" Vergleich hatte sich mir schon damals eingeprägt.
Schließlich veröffentlichte der sorbische Historiker Hartmut Zwahr 2007 in Bonn sein Tagebuch der Jahre 1968-1970, das die damals in der DDR herrschende Antmosphäre gut wiedergab.
Über die Ereignisse im Westen, vor allem in Frankreich, berichtete mir ein gleichaltriger Briefpartner aus Paris. Er konnte schon sehr gut deutsch und bezeichnete sich selbst als Gaullist, war ziemlich beunruhigt, als sich sein Idol für ein paar Tage nach Baden absetzte.
Man sah den Briefumschlägen an, dass sie nach der Perlustration nur notdürftig wieder zugeklebt waren.
Alles, was sich gegen den Vietnam-Krieg richtete, fand bei uns lebhaften Widerhall.
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PataPata Agnostiker und Pataphysiker
Anmeldungsdatum: 05.11.2007 Beiträge: 2977
Wohnort: Toscana
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(#973899) Verfasst am: 07.04.2008, 11:10 Titel: |
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beachbernie hat folgendes geschrieben: | Der "Freigeist" ist um einiges aelter als 1968.
Zitat aus dem Wojczek von Georg Buechner: "Der Freigeist geht um"...
Gruss, Bernie |
Klar! Ich habe ja auch geschrieben: "Ich denke, dass der "Freigeist" als Grundphänomen der Menschen (und nicht nur als Ausnahme, wie es sie auch vorher immer wieder gegeben hat) 1968 erst entstanden ist." Aber darüber kann man natürlich diskutieren...
_________________ Alles denkbare ist real
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PataPata Agnostiker und Pataphysiker
Anmeldungsdatum: 05.11.2007 Beiträge: 2977
Wohnort: Toscana
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(#973902) Verfasst am: 07.04.2008, 11:16 Titel: |
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Agnost hat folgendes geschrieben: | Aber was mich auch an diesem Thread wieder erschreckt, ist der Jahreszahlfetischismus.
Denn tatsächlich geht es um die ganzen 60er Jahre.
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Natürlich hast Du recht! Ereignisse, wie 1968 (nicht nur in Prag) entstehen nicht innerhalb ein paar Tagen oder Wochen. '68 war nur die Kulmination davon. Ob dann die Zahl '68 ein Fetisch ist sei dahingestellt.
_________________ Alles denkbare ist real
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Peter H. dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 24.06.2007 Beiträge: 9751
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(#973948) Verfasst am: 07.04.2008, 12:54 Titel: |
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68-er absolut notwendige Bewegung, die viel alten Schutt beseitigte. Dennoch wurde durch sie die Gesellschaft nicht wirklich umgekrempelt. Vieles hat sich inzwischen massiv verschlechtert. Im Endresultat hat sie den Liberalismus angestossen und forciert.
hier nun die Schattenseiten:
1. überschätzte(n) sich und ihr Wirken
2. fehlende Wurzelung in der Arbeiterklasse/Arbeiterbewegung
3. untreu werden gegenüber eigenen Idealen ("die Kritiker der Elche sind selber welche") Einstieg bei Grünen oder SPD
4. massive Konsumhetze en gros statt en detail (später selbst eifrige Konsumbetreiber)
5. übersteigerter Moralismus, statt primär an den eigenen Bedürfnissen anzuknüpfen (kein Wunder wenn z.B. ein Kreuz hochgestreckt wurde) Dutschke typischer dsbzgl. Repräsentant
6. aufgeblasenes Soziologendeutsch
7. Messiasverhalten (wollten doch glatt die Werktätigen "befreien")
8. übersteigerter Antiautoritarismus
9. Voluntarismus als Agens gesellschaftlicher Veränderung
10. Revolutionsromantizismus (schwärmten vom Vietcong ohne deren Ziele wirklich zu kennen)
11. Eklektizismus (Marx neben Wittvogel)
12. Idealismus statt materialistische Positionen (Aufklärungswahn)
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Agnost dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 12.11.2006 Beiträge: 5618
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(#973951) Verfasst am: 07.04.2008, 13:04 Titel: |
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Peter H. hat folgendes geschrieben: | 68-er absolut notwendige Bewegung, die viel alten Schutt beseitigte. Dennoch wurde durch sie die Gesellschaft nicht wirklich umgekrempelt. Vieles hat sich inzwischen massiv verschlechtert. Im Endresultat hat sie den Liberalismus angestossen und forciert.
hier nun die Schattenseiten:
1. überschätzte(n) sich und ihr Wirken
9. Voluntarismus als Agens gesellschaftlicher Veränderung
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Liberalisierung ist ja genau, was die stockkonservativen stocklangweiligen unterwürfig-streberischen 68-Basher nie verkrafteten.
Und dann nennt sich das Pack auch noch liberalkonservativ. LOL
Zu 1 und 9: Das ist nunmal das Wesen 14-24 jähriger.
Und wie bei vielen "Rüttelungen und Revolutionen" (deutsch für das englische Rock'n'Roll) liegt dann doch wieder jemand oben.
Und Peter erlaube mir den kleinen Seitenhieb: Beim Rock'n'Roll liegst du ja auch lieber oben.
Agnost
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Peter H. dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 24.06.2007 Beiträge: 9751
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(#973955) Verfasst am: 07.04.2008, 13:19 Titel: |
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Ich steig auch gern auf Berge!
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Harry Haller registrierter User
Anmeldungsdatum: 02.04.2008 Beiträge: 9
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(#974006) Verfasst am: 07.04.2008, 16:15 Titel: |
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Gestern gab es eine Diskussionsrunde in 3 Sat spätabends mit Dutschke und Cohn- Bendit, die haben ihre Gegner kaum ausreden lassen.
Ja aufgeblasenes Soziologendeutsch, dem kann ich beipflichten.
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satsche registrierter User
Anmeldungsdatum: 30.07.2006 Beiträge: 2091
Wohnort: Südhessen
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(#974052) Verfasst am: 07.04.2008, 18:09 Titel: |
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Harry Haller hat folgendes geschrieben: | Gestern gab es eine Diskussionsrunde in 3 Sat spätabends mit Dutschke und Cohn- Bendit, die haben ihre Gegner kaum ausreden lassen.
Ja aufgeblasenes Soziologendeutsch, dem kann ich beipflichten. |
Das ist Quatsch, die Beteiligten konnten alle ausreden, auch die schon 1968 Frühvergreisten.
Sonntag, den 06.04.2008
00:25 Uhr
1968 - Das Jahr des Aufstandes
Gastgeber: Günther Nenning
(aus der ORF-Reihe "Club 2")
(Erstsendung 13.6.1978)
Der Marathon-"Club 2" rief unmittelbar nach der Ausstrahlung 1978 großes Aufsehen sowohl in Österreich als auch in der Bundesrepublik Deutschland hervor. Teilnehmer waren die bekanntesten Exponenten der westeuropäischen 68er-Bewegung Rudi Dutschke und Daniel Cohn-Bendit sowie Matthias Walden, früher führender Journalist im Axel Springer Verlag, und der Münchner Politologie-Professor Kurt Sontheimer. Sie analysierten die Veränderungen, die sich seit 1968 real und im Bewusstsein der Menschen vollzogen haben, fragten nach den Wurzeln des Terrorismus und umrissen Probleme von Gegenwart und Zukunft. Die Auswahl der Gäste, aber auch die Heftigkeit und die Offenheit, mit der sie debattierten, sorgten beim Publikum sowie bei Journalisten und Politikern für große Aufregung.
3sat zeigt die "Club 2"-Aufzeichnung von 1978.
Das erste Opfer der, von Dutschke aufgezählten Gewaltstrukturen die die damalige Gesellschaft prägten, war der Student Benno Ohnesorg im Jahr 1967.
Vermutlich reden wir deshalb von 1968.
Leider haben auch Alt-68er die Bomben auf Belgrad, von mir aus auch mit verquastem Soziologendeutsch, zu begründen versucht, auch Cohn Bendit.
Gewaltstrukturen werden heute verhökert (Lybien). BND und Bundesregierung lügen uns die Hucke voll, das sich die Balken biegen, ebenfalls mit Hilfe Alt-68er.
Stasimethoden sind heute längst privatisiert (Lidl), wie viele Alt-68er schweigen hier betreten vor sich hin?
Am 11.04 jährt sich zum 40. Mal das Attentat auf Rudi Dutschke. „Bild“ hatte wenige Tage vorher zur Ergreifung der „Rädelsführer“ aufgerufen. Auch diese „Gewaltstruktur“ lebt noch heute.
_________________ Keiner hat das Recht zu gehorchen. Hannah A.
Das, was lebt, ist etwas anderes als das, was denkt. G. Benn
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vrolijke Bekennender Pantheist

Anmeldungsdatum: 15.03.2007 Beiträge: 46732
Wohnort: Stuttgart
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(#974086) Verfasst am: 07.04.2008, 18:53 Titel: |
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fwohlgemuth hat folgendes geschrieben: | Ich sehe die 68er etwas weniger in eigener Aktivität, mehr als Kinder des "3.Reiches" mit den daraus resultierenden Folgen:
Wenn es nicht ab 45 die auf der Erfahrung des Zusammenbruches der "3. Reiches" basierende und damit historisch richtige Zurückhaltung in der Weitergabe der wilhelminischen Kultur gegeben hätte, wären die 68er nie in die Lage gekommen, ihre Fragen zu stellen und damit ihre "Revolution" einzuleiten. Die 68er sind weniger der Motor ihrer eigenen Bewegung; sie sind selbst nur symptomatisch für den Kulturbruch, der heute teilweise beklagt wird, der jedoch bereits von ihren Eltern eingeleitet wurde, zuerst aktiv, durch ihre Beteiligung am "3. Reich", später passiv durch ihre zerstörte Sicherheit in den eigenen Werten.
Die Leistung der 68er bestand darin, die bereits vorhandene aber noch kaschierte Unsicherheit durch die offene Frage danach, welche Teile der elterlichen Kultur es denn waren, die den Schrecken des "3. Reiches" möglich gemacht hatten, in offene Ratlosigkeit umzuwandeln, und damit offziell den Übergang in eine allgemeine Experimentierphase einzuleiten.
fwo |
Das sehe ich nicht so. "Meine" 68er Jahre in Belgien hatten mit dem Zusammenbruch des 3. Reiches nichts zu tun. Die verliefen aber ähnlich wie ich es hier von hörensagen kenne.
_________________ Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm
Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.
Grenzen geben einem die Illusion, das Böse kommt von draußen
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Agnost dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 12.11.2006 Beiträge: 5618
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(#974098) Verfasst am: 07.04.2008, 19:10 Titel: |
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Es ist eine fetischisierte Fixierung auf das Jahr 68 vor allem in den deutschsprachigen Ländern festzustellen, gleichzeitig fällt auf, dass Ereignisse in anderen Ländern regelrecht verdrängt werden und eine Minderheit der damals "Bewegten" permanent hervorgehoben werden.
Alle diese diversen K-Grüppler stiessen bei vielen der "Kulturumschwüngler" nur auf Verachtung.
In der Schweiz hiess der "komunistische" Obermotz Thomas Held, heute Chef des Neoliberalen Think Thanks "Avenir Suisse".
Aber das repressiv-bünzlige Mc Carthy Klima der Schweiz haben weit unkonventionellere Typen wie diese Starachsen Bolschewiki aufgebrochen.
Aber wie in Belgien, Frankreich, Tschechoslowakei, Brasilien und den USA musste auch in der Schweiz kein 3. Reich aufgearbeitet werden.
In den USA spielte die ganze Bürgerrechtsbewegung eine Rolle und eben die Entstehung des Teenagers als neuer "kultureller" Agent.
Auch redet man dort eher vom Summer of Love (1967) oder von der Woodstock-Generation.
Irgendwelch SDA-Asta-K-Gruppen-Fuzzys waren nur für die Springerpresse und sich selber wichtig.
Dass dann eine kleine radikalisierte Minderheit in Deutschland zur RAF und in Italien zur Brigade Rosso wurden, ist für die Amerikanischen und Europäischen Jugendbewegungen der 60er Jahre untypisch.
Agnost
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pewe auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 20.01.2008 Beiträge: 3377
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(#974175) Verfasst am: 07.04.2008, 20:26 Titel: |
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Einen durchaus gelungen Kommentar über die wilden Jahre habe ich heute hier gefunden.
Schaut man heute rückblickend die Positionen eines Ralf Dahrendorf oder Hans Albert zu jener Zeit an, erscheinen ihre Analysen der APO schon faszinierend, zumal sie damals sicherlich nicht mehrheitsfähig waren.
Auch verraten Zitate eines Dutschke das Zusammentreffen der Gedankengebäude des Christentums und des Marxismus: (Wikipedia)
Zitat: | „Jesus Christus zeigt allen Menschen einen Weg zum Selbst – diese Gewinnung der inneren Freiheit ist für mich allerdings nicht zu trennen von der Gewinnung eines Höchstmaßes an äußerer Freiheit, die gleichermaßen und vielleicht noch mehr erkämpft sein will.“
„Ich bin ein Sozialist, der in der christlichen Tradition steht. Ich bin stolz auf diese Tradition. Ich sehe Christentum als spezifischen Ausdruck der Hoffnungen und Träume der Menschheit.“
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Dank dem Messias Rudi für die unterlassene Revolution.
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PataPata Agnostiker und Pataphysiker
Anmeldungsdatum: 05.11.2007 Beiträge: 2977
Wohnort: Toscana
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(#974202) Verfasst am: 07.04.2008, 20:43 Titel: |
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pewe hat folgendes geschrieben: | Einen durchaus gelungen Kommentar über die wilden Jahre habe ich heute hier gefunden. |
Traurig, traurig - der Kommentar, nicht 1968! Selten etwas bittereres gelesen, ich frage mich, was Richard Wagner erlebt hat, um die Welt so negativ zu sehen...
_________________ Alles denkbare ist real
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vrolijke Bekennender Pantheist

Anmeldungsdatum: 15.03.2007 Beiträge: 46732
Wohnort: Stuttgart
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(#974251) Verfasst am: 07.04.2008, 21:13 Titel: |
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pewe hat folgendes geschrieben: | Pubertierende Jugendliche, die dem Zeitgeist hinterher gelaufen sind.
Erschreckend für mich war der fließende Übergang von ideologischer Verblendung in Form von neurotischer Dummheit zum Terrorismus. |
Mit so ne einstellung solltest Du Dir nen anderen Avatar nehmen.
_________________ Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm
Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.
Grenzen geben einem die Illusion, das Böse kommt von draußen
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Agnost dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 12.11.2006 Beiträge: 5618
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(#974255) Verfasst am: 07.04.2008, 21:17 Titel: |
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vrolijke hat folgendes geschrieben: | pewe hat folgendes geschrieben: | Pubertierende Jugendliche, die dem Zeitgeist hinterher gelaufen sind.
Erschreckend für mich war der fließende Übergang von ideologischer Verblendung in Form von neurotischer Dummheit zum Terrorismus. |
Mit so ne einstellung solltest Du Dir nen anderen Avatar nehmen. |
Da bist du nicht der einzige, der so denkt.
Aber vielleicht steht ja das Wort Zappaesk auf für vorpubertären Pupshumor.
Agnost
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Peter H. dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 24.06.2007 Beiträge: 9751
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(#974273) Verfasst am: 07.04.2008, 21:32 Titel: |
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Recht heftig lief die 68-er Bewegung in Japan ab. Vielleicht hat jemand Lust darüber zu berichten. (u.a. aufgebrachte Studenten die sehr zornig und kämpferisch gegen einen Flughafen(aus)bau vorgingen, rote Fahnen als Lanzen)
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pewe auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 20.01.2008 Beiträge: 3377
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(#974307) Verfasst am: 07.04.2008, 22:03 Titel: |
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vrolijke hat folgendes geschrieben: | pewe hat folgendes geschrieben: | Pubertierende Jugendliche, die dem Zeitgeist hinterher gelaufen sind.
Erschreckend für mich war der fließende Übergang von ideologischer Verblendung in Form von neurotischer Dummheit zum Terrorismus. |
Mit so ne einstellung solltest Du Dir nen anderen Avatar nehmen. |
Warum?
Zappas Kommentar über die "linke Jugend" fiel wesentlich härter aus.
Zitat: | Die deutsche Jugend hat sich nicht weit von ihren Vorgängern in kurzen Hosen entfernt. Die Jungs tragen zottlige Bärte und die Mädchen Perlenketten und lustige Klamotten. Aber sie sind Nazis wie ihre Väter und Mütter, sie verhalten sich wie Nazis. Das Problem ist, dass sie sich für eine neue Linke halten." |
Quelle:http://planethop.blogspot.com/2007/07/papa-zappa-hardcore-antideutsch-die-taz.html
EDIT: Ein ähnliches Urteil findet sich übrigens auch im Nachwort von Peter Singers Praktischer Ethik über die "linke deutsche Jugend" der neunziger Jahre.
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