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Mr Schnuffi Faule Schäfer haben gute Hunde.
Anmeldungsdatum: 18.02.2007 Beiträge: 827
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(#1017826) Verfasst am: 08.06.2008, 16:12 Titel: Das ganz normale Leben.... |
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Ich vertrete seit vielen Jahren die Auffassung, dass alle Menschen, die sich längerfristig einer bestimmten Situation ausgesetzt sehen, diese als Normalität akzeptieren und davon ausgehend, Abweichungen als glücklich oder unglücklich beurteilen. Dass das scheinbar keine populäre Ansicht ist, durfte ich wieder einmal in einem anderen Thread erfahren, da einem recht schnell Zynismus und Menschenverachtung vorgeworfen wird.
Ausgehend von meiner Auffassung kann ich nur zu dem Schluss kommen, dass Menschen überall auf der Welt in ihrem Leben genauso oft glücklich, hoffnungsvoll, zuversichtlich, zufrieden, unglücklich, verzweifelt, traurig, ängstlich etc sind. So lange die Situation, in der sie sich befinden, lange genug anhält, um sich damit zu arrangieren. Es ist klar, dass Menschen, deren Leben plötzlich durch Kriege und Katastrophen bedroht ist, anfangs massiv darunter leiden, sie aber diese Situation akzeptieren, wenn die Umstände lange genug vorherrschen, und dann ein "ganz normales" Leben führen.
Es geht also nicht darum, wie wir das Leben von Menschen in Kriegs- und Katastrophengebieten beurteilen, sondern wie diese Menschen ihre Situation beurteilen bzw damit umgehen.
Was ist also das ganz normale Leben, was empfinden wir als Glück oder Unglück?
Wiki hat folgendes geschrieben: |
Mit dem Begriff Lebensqualität werden üblicherweise die Faktoren bezeichnet, die die Lebensbedingungen in einer Gesellschaft beziehungsweise für deren Individuen ausmachen. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird mit Qualität des Lebens vorwiegend der Grad des Wohlbefindens eines Menschen oder einer Gruppe von Menschen beschrieben. Ein Faktor ist der materielle Wohlstand, daneben gibt es eine Reihe von weiteren Faktoren wie Bildung, Berufschancen, sozialer Status, Gesundheit etc.
Lebensqualität ist ein grundlegendes Thema in der Philosophie, der Medizin, der Religion, der Wirtschaft und der Politik. Einige Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Einschätzung der eigenen Lebensqualität nach sehr subjektiven Kriterien geschieht. Die Forschung der letzten Jahre erkennt jedoch zunehmend starke statistische Korrelationen zwischen Lebenszufriedenheit und den oben genannten äußeren Faktoren. Somit scheint es möglich, eine Steigerung der subjektiv wahrgenommenen Lebensqualität durch entsprechende Beeinflussung der äußeren Faktoren zu erreichen. |
Ich persönlich halte es für Erste-Welt-Chauvinismus Lebensqualität anhand von materiellen Rahmenbedingungen zu beurteilen. Lebensqualität ist für mich das Wohlbefinden eines Menschens. Aufgrund des von mir postulierten Adaptionsvermögen der Menschen, würde ich behaupten, dass die Lebensqualität immer und überall gleichbleibend ist. Auch wenn das natürlich etwas von der zeitliche Aufflösung abhängig ist.
Also ich behaupte, dass Menschen, die in Afrika tagtäglich unter widrigen Umständen mit Landwirtschaft um ihr Überleben kämpfen, oder, die im Irak mit den Folgen des Bürgerkriegs zu kämpfen haben, prinzipiell nicht unglücklicher sind als Menschen in Westeuropa.
Mal gespannt, wann der Scheiterhaufen angezündet wird....
_________________ Das Leben ist ein Hund, mal schwarz mal weiß mal kunterbunt
"Kleine pubertierende Mädchen, alte senile Weiber und Christen reden also meistens nicht, um Nachrichten und Informationen zu übermitteln, sondern nur um ihre Stimmung zu steigern! " Bondy, verschollene Userin
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1017834) Verfasst am: 08.06.2008, 16:21 Titel: Re: Das ganz normale Leben.... |
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Es ist sicher richtig, daß zumindest viele Aspekte der subjektiven Zufriedenheit am direkten Umfeld (sozial, aber auch zeitlich) gemessen werden. Selbst über seine eigene Ermordung ist niemand unglücklich, sofern er nicht zuvor davon erfährt.
Dennoch scheint mir Deine Position, wenn man sie konsequent einnimmt, etwas zynisch. Das Problem ist nämlich nicht, daß Sklaven oder Hungernde nicht auch glücklich sein können, sondern wenn wir jemand die Wahl von etwas verweigern, das wir selbst als angenehm empfinden.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Sanne gives peas a chance.
Anmeldungsdatum: 05.08.2003 Beiträge: 12088
Wohnort: Nordschland
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(#1017838) Verfasst am: 08.06.2008, 16:23 Titel: |
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Ich war einmal beim Vortrag eines Konzentrationslager-Überlebenden. Nachdem er über seine Erfahrungen im Ghetto und in verschiedenen KZs berichtet hat, wurde er unter anderem gefragt, ob er die Situation als normal empfunden hat, immerhin war er noch ein Kind und habe nichts anderes vorher erlebt.
Er sagte, daß täglich Leichen weggetragen wurden, daß man ständig bedroht wurde, daß Menschen gefoltert/ verschleppt/ hingerichtet wurden, das war nicht normal, das hat jeder gefühlt, daß das weder gut noch richtig noch normal war.
_________________ Ich will das Internet doch nicht mit meinen Problemen belästigen! (Marge Simpson)
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Mr Schnuffi Faule Schäfer haben gute Hunde.
Anmeldungsdatum: 18.02.2007 Beiträge: 827
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(#1017847) Verfasst am: 08.06.2008, 16:35 Titel: Re: Das ganz normale Leben.... |
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step hat folgendes geschrieben: |
Dennoch scheint mir Deine Position, wenn man sie konsequent einnimmt, etwas zynisch. Das Problem ist nämlich nicht, daß Sklaven oder Hungernde nicht auch glücklich sein können, sondern wenn wir jemand die Wahl von etwas verweigern, das wir selbst als angenehm empfinden. |
Ich verstehe, diesen Satz nicht ganz....
Wenn wir jemandem etwas verweigern, das wir selbst als angenehm empfinden, beurteilen wir dessen Situation als schlechter, da wir sie mit unserer eigenen vergleichen.
Das mit dem Sklaven bzw Hungerleider ist natürlich heikel, da diese Menschen ihre eigene Situation mit der ihrer Peiniger vergleichen können. Trotzdem behaupte ich, dass selbst Menschen in solchen Situationen mit der Zeit sich an ihre Lebensumstände gewöhnen, und es als Normalität akzeptieren. Alles andere würde meiner Meinung nach dazu führen, dass diese Menschen ihren Lebenswillen verlieren und eher den Tod als die Sklaverei wählen würden.
Ich sollte vielleicht noch etwas präzisieren:
Es geht mir darum, dass solche Aussagen wie:
die Lebensqualität in Deutschland ist höher als in Äthiopien oder dem Irak
nicht haltbar sind. Vorrausgesetzt man bezeichnet mit Lebensqualität das, was ich in der Eröffnung zu beschreiben versucht habe.
_________________ Das Leben ist ein Hund, mal schwarz mal weiß mal kunterbunt
"Kleine pubertierende Mädchen, alte senile Weiber und Christen reden also meistens nicht, um Nachrichten und Informationen zu übermitteln, sondern nur um ihre Stimmung zu steigern! " Bondy, verschollene Userin
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Valen MacLeod Antitheist
Anmeldungsdatum: 11.12.2004 Beiträge: 6172
Wohnort: Jenseits von Eden
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(#1017848) Verfasst am: 08.06.2008, 16:35 Titel: |
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Trotzdem gibt es genug Menschen, die sich mit ihrem tristen, ereignislosen... kurzen Leben so abgefunden haben, dass ihnen die Motivation fehlt, etwas dagegen zu unternehmen.
_________________ V.i.S.d.P.:Laird Valen MacLeod (Pseudonym!)
"... Wenn das hier das Haus Gottes ist, Junge, warum blühen hier dann keine Blumen, warum strömt dann hier kein Wasser und warum scheint dann hier die Sonne nicht, Bürschchen?!" <i>Herman van Veen</i>
Das Schlimme an meinen Katastrophenszenarien ist... dass ich damit über kurz oder lang noch immer Recht behielt.
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Mr Schnuffi Faule Schäfer haben gute Hunde.
Anmeldungsdatum: 18.02.2007 Beiträge: 827
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(#1017856) Verfasst am: 08.06.2008, 16:41 Titel: |
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Sanne hat folgendes geschrieben: | Ich war einmal beim Vortrag eines Konzentrationslager-Überlebenden. Nachdem er über seine Erfahrungen im Ghetto und in verschiedenen KZs berichtet hat, wurde er unter anderem gefragt, ob er die Situation als normal empfunden hat, immerhin war er noch ein Kind und habe nichts anderes vorher erlebt.
Er sagte, daß täglich Leichen weggetragen wurden, daß man ständig bedroht wurde, daß Menschen gefoltert/ verschleppt/ hingerichtet wurden, das war nicht normal, das hat jeder gefühlt, daß das weder gut noch richtig noch normal war. |
Interessant, wollte ursprünglich sogar das Warschauer Ghetto in meinen Vergleich mit einbeziehen.
Wäre halt interessant zu wissen, ob er von "guten", "schlechten" und "normalen" Tagen im KZ berichten kann.
Dürfte bei so einem Thema schwierig werden, hier die political correctness zu wahren....
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1017862) Verfasst am: 08.06.2008, 16:50 Titel: Re: Das ganz normale Leben.... |
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Mr Schnuffi hat folgendes geschrieben: | Das mit dem Sklaven bzw Hungerleider ist natürlich heikel, da diese Menschen ihre eigene Situation mit der ihrer Peiniger vergleichen können. Trotzdem behaupte ich, dass selbst Menschen in solchen Situationen mit der Zeit sich an ihre Lebensumstände gewöhnen, und es als Normalität akzeptieren. Alles andere würde meiner Meinung nach dazu führen, dass diese Menschen ihren Lebenswillen verlieren und eher den Tod als die Sklaverei wählen würden. |
Der Mensch hätte als Art ja nicht überlebt, wenn er nicht auch in sehr schwierigen Situationen genug Lebenswillen behielte, um sich fortzupflanzen. Erst beim Überschreiten einer extremen Grenze verliert er seinen Lebenswillen.
Mr Schnuffi hat folgendes geschrieben: | Ich sollte vielleicht noch etwas präzisieren: Es geht mir darum, dass solche Aussagen wie:
die Lebensqualität in Deutschland ist höher als in Äthiopien oder dem Irak
nicht haltbar sind. Vorrausgesetzt man bezeichnet mit Lebensqualität das, was ich in der Eröffnung zu beschreiben versucht habe. |
Nehmen wir an, Europa bietet diesen Menschen ein durchschnittliches Leben hier an. Auch wenn viele von ihnen vielleicht nicht dauerhaft glücklicher würden, so würden sie das Angebot wohl annehmen, weil aus ihrer Sicht dort viele reale Wünsche unbefriedigt sind: Essen, Sicherheit, med. Versorgung, Mobilität, Bildung für die Kinder usw.
Und ich denke das ist der Punkt: Die Ethik berücksichtigt eher die Wünsche/Interessen der Menschen, als die reale Glücksmaximierung.
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Mr Schnuffi Faule Schäfer haben gute Hunde.
Anmeldungsdatum: 18.02.2007 Beiträge: 827
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(#1017901) Verfasst am: 08.06.2008, 17:20 Titel: Re: Das ganz normale Leben.... |
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step hat folgendes geschrieben: | Mr Schnuffi hat folgendes geschrieben: | Das mit dem Sklaven bzw Hungerleider ist natürlich heikel, da diese Menschen ihre eigene Situation mit der ihrer Peiniger vergleichen können. Trotzdem behaupte ich, dass selbst Menschen in solchen Situationen mit der Zeit sich an ihre Lebensumstände gewöhnen, und es als Normalität akzeptieren. Alles andere würde meiner Meinung nach dazu führen, dass diese Menschen ihren Lebenswillen verlieren und eher den Tod als die Sklaverei wählen würden. |
Der Mensch hätte als Art ja nicht überlebt, wenn er nicht auch in sehr schwierigen Situationen genug Lebenswillen behielte, um sich fortzupflanzen. Erst beim Überschreiten einer extremen Grenze verliert er seinen Lebenswillen. |
Jo, genau deswegen behaupte ich ja auch, dass es zu einer Normalisierung kommt, da sonst Leben nicht möglich ist.
step hat folgendes geschrieben: |
Mr Schnuffi hat folgendes geschrieben: | Ich sollte vielleicht noch etwas präzisieren: Es geht mir darum, dass solche Aussagen wie:
die Lebensqualität in Deutschland ist höher als in Äthiopien oder dem Irak
nicht haltbar sind. Vorrausgesetzt man bezeichnet mit Lebensqualität das, was ich in der Eröffnung zu beschreiben versucht habe. |
Nehmen wir an, Europa bietet diesen Menschen ein durchschnittliches Leben hier an. Auch wenn viele von ihnen vielleicht nicht dauerhaft glücklicher würden, so würden sie das Angebot wohl annehmen, weil aus ihrer Sicht dort viele reale Wünsche unbefriedigt sind: Essen, Sicherheit, med. Versorgung, Mobilität, Bildung für die Kinder usw.
Und ich denke das ist der Punkt: Die Ethik berücksichtigt eher die Wünsche/Interessen der Menschen, als die reale Glücksmaximierung. |
Es geht nicht um Ethik sondern um Lebensqualität. Um es mal platt auszudrücken:" Das Gras hinter dem Zaun ist immer saftiger als auf der eigenen Weide".
Aus rein privaten Gründen wäre ich ohne zögern bereit, mein Leben mit dem eines zufriedenen Fabrikarbeiters tauschen, auch wenn ich wohl nicht gerade die schlechtesten Karten in der Hand halte, einen deutlich besseren Job zu bekommen.
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Deus ex Machina registrierter User
Anmeldungsdatum: 14.03.2006 Beiträge: 789
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(#1017912) Verfasst am: 08.06.2008, 17:36 Titel: |
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Ich kann aus eigener Erfahrung in einem Dritte-Welt-Land berichten, dass in der Tat viele der Menschen, die selbst nach der dortigen Definition unterhalb der Armutsgrenze leben, nicht weniger zufrieden mit ihrem Leben sind als wohlhabendere, eben weil sie einfach nichts anderes kennen, ihnen der Vergleich fehlt. Das ist der Punkt, denn Du mE übersiehst: Die Zufriedenheit oder Lebensqualität oder wie immer man das auch nennen mag, ist wohl in der Tat nicht gross vom Komfort abhängig, allerdings nur, solange man keinen Kontat mit Menschen hat, denen es wesentlich besser geht oder sich zumindest das relevante soziale Umfeld auf einem ähnlichen Niveau befindet. Ich bin z.B. mit meinem Studentendasein restlos zufrieden, weil etwa Designerklamotten und tolle Autos in der Welt, in der ich lebe, schlicht nicht existieren. Würden meine Freunde beginnen, sich Sportwagen zuzulegen, sähe es vielleicht anders aus.
Ein weiterer Punkt ist, dass wohl gewisse Mindeststandarts erfüllt sein müssen, bevor man überhaupt von so etwas wie Wohlbefinden sprechen kann, siehe Sannes Beispiel. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man sich an einen Zustand in permanenter Angst um sein Leben oder das seiner Angehörigen irgendwann gewöhnt oder ihn als normal empfindet.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1017932) Verfasst am: 08.06.2008, 17:50 Titel: Re: Das ganz normale Leben.... |
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Mr Schnuffi hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Der Mensch hätte als Art ja nicht überlebt, wenn er nicht auch in sehr schwierigen Situationen genug Lebenswillen behielte, um sich fortzupflanzen. Erst beim Überschreiten einer extremen Grenze verliert er seinen Lebenswillen. | Jo, genau deswegen behaupte ich ja auch, dass es zu einer Normalisierung kommt, da sonst Leben nicht möglich ist. |
Die Anpassungsfähigkeit wird auch wohl niemand bestreiten. Du hast aber etwas mehr angedeutet: "Lebensqualität".
Mr Schnuffi hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Die Ethik berücksichtigt eher die Wünsche/Interessen der Menschen, als die reale Glücksmaximierung. | Es geht nicht um Ethik sondern um Lebensqualität. Um es mal platt auszudrücken:" Das Gras hinter dem Zaun ist immer saftiger als auf der eigenen Weide". |
In dem Moment, wo wir über Lebensqualität reden, wird das Thema aber ethisch, denn wir nehmen - explizit oder implizit - ein Qualitätsmaß an. Du hast das auch irgendwo getan, indem Du
1) das subjektive Wohlgefühl als Maß nimmst
2) behauptest, dieses sei in der dritten Welt mindestens ebensogut wie hier.
3) das Gras hinter dem Zaun für tabu erklärst
Das ist alles diskussionsfähig, aber keineswegs selbstverständlich.
Mr Schnuffi hat folgendes geschrieben: | Aus rein privaten Gründen wäre ich ohne zögern bereit, mein Leben mit dem eines zufriedenen Fabrikarbeiters tauschen, auch wenn ich wohl nicht gerade die schlechtesten Karten in der Hand halte, einen deutlich besseren Job zu bekommen. |
Ich habe hier auch schon mal geschrieben, ich wäre lieber ein glückliches Schwein als ein unglücklicher Mensch.
Aber mir ist noch nicht klar, wie Du die Interessen der Iraker & Äthiopier wichtest. Geht es Dir nur um das Faktum der Anpassungsfähigkeit, oder meinst Du, dieses Faktum sollte bei der Interessenabwägung, bei den Rechten eine Rolle spielen?
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Ahriman Tattergreis
Anmeldungsdatum: 31.03.2006 Beiträge: 17976
Wohnort: 89250 Senden
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(#1017954) Verfasst am: 08.06.2008, 18:20 Titel: |
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Das schlimmste im Leben dürfte das sein, was ich "Zukunftsangst" nenne. Besonders stark dürften darunter natürlich die Menschen leiden, die von Gefahren für Leib und Leben bedroht sind, was für die genannten KZ-Insassen extrem zutraf.
Mir hat in meinem Leben die Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes immer wieder gehörig zugesetzt, das hat bis zu Magengeschwüren geführt. Hätte ich keine Familie gehabt, wäre ich wahrscheinlich viel leichter damit fertig geworden. Ich bin einige Male "wegrationalisiert" worden, das gab es nämlich auch vor dreißig Jahren schon. Ich habe freilich immer wieder einen Job gefunden, damals war die Arbeitsmarktlage noch nicht so prekär. Aber der damit verbundene Streß war grausig.
Der Tag, als ich meinen Rentenbescheid bekam, war ein Festtag für mich. Dafür muß ich heute hoffen, daß ich rechtzeitig vorher sterbe, bevor man mich in ein Pflegeheim steckt.
Das läuft ja auch auf das Streben nach "Sicherheit" raus, mit dem auch die Versicherungen ihr Geschäft machen. Auch andersrum läßt sich mit der Zukunftsangst was verdienen: Vor allem die Blödzeitung schürt sie immer wieder.
Ich glaube, man kann sich auch weit "unten" arrangieren und dabei ganz zufrieden sein, wenn man nur weiß oder zu wissen glaubt, daß es nicht schlimmer, eher besser werden kann. Insofern war das Wirtschaftswunder und der Wiederaufbau damals eine tolle Zeit: Alle waren sicher, daß es immer nur noch besser werden würde.
Die Zeile "Unser täglich Brot gib uns heute" lautet wohl eher: "Gib uns nur genug zu essen, dann können wir es schon aushalten."
Und satirisch lautet es: "Solange wir nur genug zu essen und zu trinken haben, können wir auf alle Entbehrungen verzichten."
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Mr Schnuffi Faule Schäfer haben gute Hunde.
Anmeldungsdatum: 18.02.2007 Beiträge: 827
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(#1017995) Verfasst am: 08.06.2008, 18:58 Titel: |
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Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: | Ich kann aus eigener Erfahrung in einem Dritte-Welt-Land berichten, dass in der Tat viele der Menschen, die selbst nach der dortigen Definition unterhalb der Armutsgrenze leben, nicht weniger zufrieden mit ihrem Leben sind als wohlhabendere, eben weil sie einfach nichts anderes kennen, ihnen der Vergleich fehlt. Das ist der Punkt, denn Du mE übersiehst: Die Zufriedenheit oder Lebensqualität oder wie immer man das auch nennen mag, ist wohl in der Tat nicht gross vom Komfort abhängig, allerdings nur, solange man keinen Kontat mit Menschen hat, denen es wesentlich besser geht oder sich zumindest das relevante soziale Umfeld auf einem ähnlichen Niveau befindet. Ich bin z.B. mit meinem Studentendasein restlos zufrieden, weil etwa Designerklamotten und tolle Autos in der Welt, in der ich lebe, schlicht nicht existieren. Würden meine Freunde beginnen, sich Sportwagen zuzulegen, sähe es vielleicht anders aus. |
Ja, ich hatte das im anderen Thread (Mittelalter blablabla) ebenfalls geschrieben, dass wir bei der Beurteilung unserer Lebenssituation mit unserem Umfeld vergleichen und nicht mit den Multimilliardären, die wir aus den Medien kennen.
Deus ex Machina hat folgendes geschrieben: |
Ein weiterer Punkt ist, dass wohl gewisse Mindeststandarts erfüllt sein müssen, bevor man überhaupt von so etwas wie Wohlbefinden sprechen kann, siehe Sannes Beispiel. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man sich an einen Zustand in permanenter Angst um sein Leben oder das seiner Angehörigen irgendwann gewöhnt oder ihn als normal empfindet. |
Diese Mindeststandards zu definieren, dürfte schwierig sein, jedenfalls wenn man damit meinen Standpunkt widerlegen möchte, da wohl alle Menschen Existenzängste habe, sie Ahrimans Beitrag. Klar ist in Deutschland das Risiko sein Leben im Wortsinne zu verlieren eher gering, allerdings quälen sich die Menschen hier mit anderen Sorgen (soziale Abstieg oder Vereinsamung)
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Mr Schnuffi Faule Schäfer haben gute Hunde.
Anmeldungsdatum: 18.02.2007 Beiträge: 827
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(#1018026) Verfasst am: 08.06.2008, 19:28 Titel: Re: Das ganz normale Leben.... |
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step hat folgendes geschrieben: | Mr Schnuffi hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | ...... |
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Die Anpassungsfähigkeit wird auch wohl niemand bestreiten. Du hast aber etwas mehr angedeutet: "Lebensqualität". |
Ich hab aber in der Eröffnung versucht zu beschreiben, was ich unter Lebensqualität verstehe: Ein ausgeglichenes "Schwanken" um einen Normalzustand, also dass man nicht zuviele Situationen erlebt, die einen unglücklich machen und das subjektive Wohlbefinden beeinträchtigen.
Klar, müsste man diesen Begriff erst einmal definieren, nur glaube ich nicht, dass das verbindlich möglich sein kann.
step hat folgendes geschrieben: |
Mr Schnuffi hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Die Ethik berücksichtigt eher die Wünsche/Interessen der Menschen, als die reale Glücksmaximierung. | Es geht nicht um Ethik sondern um Lebensqualität. Um es mal platt auszudrücken:" Das Gras hinter dem Zaun ist immer saftiger als auf der eigenen Weide". |
In dem Moment, wo wir über Lebensqualität reden, wird das Thema aber ethisch, denn wir nehmen - explizit oder implizit - ein Qualitätsmaß an. Du hast das auch irgendwo getan, indem Du
1) das subjektive Wohlgefühl als Maß nimmst
2) behauptest, dieses sei in der dritten Welt mindestens ebensogut wie hier.
3) das Gras hinter dem Zaun für tabu erklärst
Das ist alles diskussionsfähig, aber keineswegs selbstverständlich. |
Es kann für mich nur das subjektive Wohlbefinden sein, dass das in der 3.Welt genauso sei, behaupte ich, was ich ja hier zur Diskussion stelle. Es gibt für wohl jeden Menschen irgendwo ein Fleckchen Gras, das saftiger aber nicht zu erreichen ist, kein Mensch ist frei von Sehnsüchten.
Eine andere Definition von Lebensqualität, die sich nicht auf das subjektive Wohlbefinden stützt, halte ich wiederum für äußerst problematisch. Würden wir das über die materiellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen machen, hätten wir ja geradezu die Pflicht bsp dem neuentdeckten Indianerstamm im Amazonas unsere zivilisatorischen Errungenschaften zu bringen.
step hat folgendes geschrieben: |
Aber mir ist noch nicht klar, wie Du die Interessen der Iraker & Äthiopier wichtest. Geht es Dir nur um das Faktum der Anpassungsfähigkeit, oder meinst Du, dieses Faktum sollte bei der Interessenabwägung, bei den Rechten eine Rolle spielen? |
Natürlich haben Iraker, Äthioper und Deutsche das Interesse ihre Situation zu verbessern, sie werden aber aufgrund der Anpassungsfähigkeit, ihr Wohlbefinden mehr oder weniger gleich beurteilen.
Das ist echt ein heikles Thema. Frag eine zweifache Mutter aus der Schweiz, wie es den Menschen im Irak geht, kann die Antwort nur "schlecht" lauten. Frag einen Iraker in Bagdad wie es den Menschen in Deutschland geht, wird er die natürlich sagen "gut". Nur bestreite ich, dass diese Vergleiche das eigene Wohlbefinden, die Lebensqualität beeinflussen.
Der Mutter aus der Schweiz geht es nicht besser, weil sie das Leben der Iraker als schlecht beurteilt, dem Iraker geht es nicht schlechter, weil er das Leben in Deutschland als gut bewertet.
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Mr Schnuffi Faule Schäfer haben gute Hunde.
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(#1018051) Verfasst am: 08.06.2008, 19:46 Titel: |
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Okay, ein von mir so konsequent vertretener Adaptionismus führt natürlich zu anderen Problemen. So könnte man wohl kaum begründen, warum man Menschen aus einer Notsituation befreien sollte, wenn es denen nicht schlechter gehen würde als uns.
Scheisse! Ist echt ein kompliziertes Thema
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