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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
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(#1293189) Verfasst am: 22.05.2009, 15:40 Titel: Bedeutungstheorie Teil 3: Putnams Gehirn im Tank |
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Als Extrabeitrag zur Sprachphilosophie und Bedeutungstheorie wollte ich mal Hilary Putnams Gehin im Tank Gedankenexperiment vorstellen. Das klingt zwar sehr Nergalesk, ist aber trotzdem nicht Star Treck Niveau sondern hochwertige Philosophie und hat sehr hohe Wellen geschlagen. (Siehe auch http://en.wikipedia.org/wiki/Brain_in_a_vat). Ich bringe das um auf amüsantem Weg zu zeigen, was so alles dabei raus kommen kann, wenn man die alten philosophischen Fragestellungen um das Problem der Bedeutungen erweitert. Das ist in Deutschland ja noch nicht so lange üblich.
Das Szenario ist eine Variation von Descartes Täuschergott und schnell erklärt: Irgendwelche Alien Wissenschaftler entführen einen in der Nacht, nehmen das Gehirn raus, stopfen es in einen Tank, versorgen es mit genau dem gleichen neurolalem Input wie vorher und lassen die virtual reality Maschine auch in vertrauter Weise auf den Output reagieren. Kurz: Alles was man so denkt und sagt ist ab da eigentlich falsch. Man läuft nicht über eine Wiese, man riecht keine Rosen, es ist alles bloß vorgetäuscht. So weit so bekannt.
Putnam gibt dem ganzen aber einen neuen Dreh indem er (Putnam ist ein Mann, auch wenn er Hilary heißt) ein zweites Szenario einbaut: Ein anderes Gehirn wird auch in den Tank gesteckt, aber direkt nach der Geburt und bekommt dann genau den gleichen Input wie es das erste in der Realität erhält.
Wo ist jetzt der Clou? Putnam behauptet dass die epistemische Situation der beiden Gehirne total unterschiedlich ist: Wenn beide meinen und sagen, dass sie gerade über eine Wiese laufen, dann liegt das erste komplett falsch, das zweite aber genau richtig, weil das zweite nämlich seine Sprache im Tank und nicht in der Welt gelernt hat.
Das Ganze nennt sich in der Bedeutungstheorie Externalisierung. Da wird eigentlich nur die Annahme zuende gedacht, dass kausale Beziehungen zwischen unserem Erleben und unseren Sinneseindrücken irgendwie wenigstens die erste Basis von unseren Bedeutungen sind. Abstraktion und Logik runden die Sache dann ab und führen sie in neue Höhen.
Der Charme dieser Annahme ist dass man eine Beziehung zwischen unseren Bedeutungen und der Welt hergestellt hat. Und zwar eine kausale. Damit hat man erst mal etwas gegen die Solipsisten in der Hand und der scheinbar so bodenlose Graben zwischen unseren Anschauungen und der Welt an sich ist plötzlich gar nicht mehr so tief.
Eine seltsame Konsequenz die Putnam aufzeigt ist, dass man in dieser Sicht komplett die Wahrheit treffen kann, aber irgendwie nicht mehr im altvertrauten Sinn weiss worüber man eigentlich spricht. Früher ging das immer nur anders herum: wir wußten was wir meinen, hatten aber keine Ahnung ob es wahr ist.
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fräulein rottenmeier registrierter User
Anmeldungsdatum: 16.02.2009 Beiträge: 1106
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(#1293195) Verfasst am: 22.05.2009, 15:52 Titel: |
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Hi Yogosh
Zitat: | Wo ist jetzt der Clou? Putnam behauptet dass die epistemische Situation der beiden Gehirne total unterschiedlich ist: Wenn beide meinen und sagen, dass sie gerade über eine Wiese laufen, dann liegt das erste komplett falsch, das zweite aber genau richtig, weil das zweite nämlich seine Sprache im Tank und nicht in der Welt gelernt hat.
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Das verstehe ich nicht. Persönliche Realität ist persönliche Realität, oder...? Wenn ich erlebe, über eine Wiese zu laufen, dann erlebe ich, über eine Wiese zu laufen. Auch wenn ich einer grundlegenderen Wirklichkeit meines Seins ein Gehirn im Tank sein sollte. Oder ein Code in der Matrix. oder eine lebendige Seele. Oder sonst etwas.
Wie viele Schichten von wirklicherer Wirklichkeit hinter dem Offensichtlichen erkennen oder erahnen kann, ist dann eine weitere Frage. Blaue oder rote Pille gefällig?
grüsse, das fräulein
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
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(#1293207) Verfasst am: 22.05.2009, 16:16 Titel: |
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fräulein rottenmeier hat folgendes geschrieben: | Wie viele Schichten von wirklicherer Wirklichkeit hinter dem Offensichtlichen erkennen oder erahnen kann, ist dann eine weitere Frage. Blaue oder rote Pille gefällig? |
Na ja, zwei braucht es schon, um das Beispiel zu verstehen, aber Versionen derer sind aus der Alltagsvorstellung gut bekannt: eine Realität, die unabhängig von uns ist und eine, die man sich so privat ausdenkt. Und Wahrheit besteht dann irgendwie in einer Übereinstimmung.
Mit welcher Wahrheitstheorie oder Ontologie man diese vage Skizze jetzt unterfüttert und ausbuchstabiert oder ob man einfach beim Alltagsverstand bleibt ist für das Verständnis des Gedankenexperiments eigentlich egal.
Das erste Gehirn liegt falsch mit seiner Wiese Theorie, weil es halt im Tank liegt und gar keine Füße mehr hat. Das zweite liegt aber richtig, weil in dessen Semantik 'Wiese' und 'Füße' sich ohnehin immer nur auf Programmelemente der virtual reality Maschine bezogen haben.
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fräulein rottenmeier registrierter User
Anmeldungsdatum: 16.02.2009 Beiträge: 1106
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(#1293234) Verfasst am: 22.05.2009, 16:40 Titel: |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: |
Na ja, zwei braucht es schon, um das Beispiel zu verstehen, aber Versionen derer sind aus der Alltagsvorstellung gut bekannt: eine Realität, die unabhängig von uns ist und eine, die man sich so privat ausdenkt. |
Wobei bei etwas näherern Betrachtung diese Alltagsvorstellung in ein ziemliches Labyrinth führt. Nur schon von "ich" gibt es mindestens zwei qualitativ völlig verschiedene Ebenen, und diese Ebenen sind dann ihrerseits wieder unterteilt in zahlreiche Schichten und Aspekte...
Zitat: | Das erste Gehirn liegt falsch mit seiner Wiese Theorie, weil es halt im Tank liegt und gar keine Füße mehr hat. Das zweite liegt aber richtig, weil in dessen Semantik 'Wiese' und 'Füße' sich ohnehin immer nur auf Programmelemente der virtual reality Maschine bezogen haben. |
Ich sehe immer noch nicht, wie man von "falsch und richtig" sprechen soll, da die betroffenen Menschen in ihrem Erleben keinen Unterschied spüren, weder ob sie von Geburt an ein Hirn im Tank sind, oder erst später zu einem solchen werden. Aus ihrer subjektiven Sicht erleben sie die Wiese. Und warum sollte einer, der die Gehirne im Tank überwacht, eine Aussage über falsch und richtig machen dürfen? Auch der ist ein Mensch, und als solcher weiss er genauso wenig, in wie vielen verschachtelten Matrizen er steckt.
Einen grundsätzlichen Unterschied könnte man es erst dann nennen, wenn man weiss, dass eines dieser Wesen völlig "ausserhalb von allen Matrizen" sich befindet. Ansonsten ist es lediglich ein gradueller Unterschied, nicht ein prinzipieller.
grüsse, das fräulein
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
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(#1293253) Verfasst am: 22.05.2009, 17:10 Titel: |
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Du siehst das alles viel zu kompliziert. Die Geschichte wird natürlich im völlig naiven Alltagsverständis von Wahrheit und Realität erzählt. Nicht weil Putnam so naiv wäre, sondern um gleich zum eigentlichen Punkt zu kommen. Denk Dir irgendeine Wahrheits und Realitätstheorie aus, in der die traditionellen Fragen der Epistemologie gestellt werden können und Du kannst das Beispiel dementsprechend anpassen.
Es geht hier nicht um eine differenzierte Wahrheitstheorie oder Erkenntnistheorie, sondern darum die uralte Frage nach der Möglichkeit von Erkenntnis umzudrehen.
Traditionell wurde immer die Wahrheit einer Aussage und wie oder ob man sie erkennen kann als das Problem gesehen und zwar selbst dann wenn man die vage Formulierung von Deckungsgleicheit mit der Realität irgendwie theoretisch fundiert hat. Die Bedeutung schien immer unmittelbar zugänglich, weil man mit Metaphern von inneren Bildern operiert hat und unter Bedeutung irgendwas privates geistiges verstanden hat.
Das Experiment illustriert einerseits die enge Beziehung von Wahrheit und Bedeutung (was nichts Neues ist) und demonstriert dass auch die Seite der Bedeutungen als ein schwieriges Problem aufgefasst werden kann. Man ist also eigentlich noch verlorener als vorher weil man statt einer Antwort bloß eine Frage mehr hat. Aber es hat Spass gemacht und irgendwie fühlt man sich schlauer. Philosophen sind so.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
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(#1293257) Verfasst am: 22.05.2009, 17:18 Titel: Re: Bedeutungstheorie Teil 3: Putnams Gehirn im Tank |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: | Putnam gibt dem ganzen aber einen neuen Dreh indem er (Putnam ist ein Mann, auch wenn er Hilary heißt) ein zweites Szenario einbaut: Ein anderes Gehirn wird auch in den Tank gesteckt, aber direkt nach der Geburt und bekommt dann genau den gleichen Input wie es das erste in der Realität erhält.
Wo ist jetzt der Clou? Putnam behauptet dass die epistemische Situation der beiden Gehirne total unterschiedlich ist: Wenn beide meinen und sagen, dass sie gerade über eine Wiese laufen, dann liegt das erste komplett falsch, das zweite aber genau richtig, weil das zweite nämlich seine Sprache im Tank und nicht in der Welt gelernt hat.
Das Ganze nennt sich in der Bedeutungstheorie Externalisierung. Da wird eigentlich nur die Annahme zuende gedacht, dass kausale Beziehungen zwischen unserem Erleben und unseren Sinneseindrücken irgendwie wenigstens die erste Basis von unseren Bedeutungen sind. |
Verstehe ich auch nicht so richtig. Ich sehe das eher so wie das Fräulein.
Worauf beziehen sich denn hier überhaupt die Gedanken des zweiten Gehirnes? Wieso liegt es richtig(er), da es doch ebenso wie das erste die übergeordnete Realität (den Tank) nicht erkennen kann? Worauf bezieht sich also der Gedanke "Wiese", wenn nicht auf eine Wahrnehmung? Auf einen elektrischen Impuls? Doch wohl kaum.
Ist es nicht eher so, dass sich Gedanken immer auf Wahrnehmungen beziehen und es daher egal ist, woher die Wahrnehmungen kommen? Wäre hier nicht eine problemlose Kommunikation zwischen den beiden Gehirnen möglich, beide wüssten also worüber sie reden, wenn sie von einer Wiese sprächen, da sie ja (im Wesentlichen) übereinstimmende Wahrnehmungen bezüglich der "Wiese" hätten? Dabei wäre es vollkommen unerheblich, jedenfalls sehe ich nicht, wofür es eine Rolle spielen könnte, ob eines der Gehirne früher mal ein ganzer Mensch war. Wenn ich das richtig verstanden habe, behauptet Putnam, dass die beiden Gehirne dann nicht über dasselbe reden würden. Aber das sehe ich nicht so.
Ich finde die Annahme, wir redeten nicht über unsere Wahrnehmungen, sondern über etwas, was dahinter liegt, erst mal nicht besonders plausibel.
Yogosh hat folgendes geschrieben: | Eine seltsame Konsequenz die Putnam aufzeigt ist, dass man in dieser Sicht komplett die Wahrheit treffen kann, aber irgendwie nicht mehr im altvertrauten Sinn weiss worüber man eigentlich spricht. Früher ging das immer nur anders herum: wir wußten was wir meinen, hatten aber keine Ahnung ob es wahr ist. |
Meiner Meinung nach geht es immer noch nur so herum: eine übergeordnete Wahrheit, ob wir alle mit ähnlichen Inputs im Tank liegen, ob wir in einer Matrix existieren oder dergl., ist für uns völlig irrelevant, falls sie prinzipiell nicht erkennbar ist. Also ist es letztlich auch irrelevant, ob etwas die "wahre Wahrheit" ist (falls wir sie nicht erkennen können - und das können wir mAn nicht). Alles was wir haben und mAn nur haben können, sind intersubjektiv ähnliche Wahrnehmungen, die wir kommunizieren können und falls wir dann bei anderen eine Übereinstimmung finden, ist ein Verstehen möglich.
Also wieso sich der Input zusätzlich auf etwas außerhalb beziehen muss, verstehe ich nicht. Er muss mAn lediglich hinreichend ähnlich sein und das ist er wohl, sonst wäre eine Kommunikation nicht möglich.
Nicht, dass das jetzt falsch verstanden wird: ich nehme der Einfachheit halber auch an, dass da draußen eine Welt existiert und sie kausal mit mir wechselwirkt. Auch nehme ich andere Subjekte an, ich bin also kein Solipsist. Und ich nehme nicht an, dass ich ein Gehirn im Tank bin und auch nicht in einer Matrix. Aber all das nehme ich nicht an, weil ich meine, das sicher zu wissen, sondern nur, weil ich es für ökonomisch / praktisch halte, das anzunehmen.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1293267) Verfasst am: 22.05.2009, 17:33 Titel: Re: Bedeutungstheorie Teil 3: Putnams Gehirn im Tank |
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@Yogosh: Wer einmal einen Begriff gelernt hat und dessen Assoziation mit Wahrnehmungen, der operiert doch sowieso intern mit einem Modell dieser Wahrnehmungen. Es ist daher aus Sicht der Begriffsverwendung und -bedeutung egal, aus welchem Kontext die ursprünglichen Lernwahrnehmungen kamen. Das Problem ist nur ein Scheinproblem, das sich löst, wenn beide Gehirne sich fragen, was ihre Wahrnehmung einer Wiese auslöst.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ich finde die Annahme, wir redeten nicht über unsere Wahrnehmungen, sondern über etwas, was dahinter liegt, erst mal nicht besonders plausibel. |
Das sehe ich ebenso. Daß wir überhaupt an unabhängige Realitäten glauben können, liegt an der Systematik und Vorhersagbarkeit vieler Wahrnehmungen. Ohne diese Verläßlichkeit wäre Wahrnehmung selbst vermutlich gar nicht möglich.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | ... Und ich nehme nicht an, dass ich ein Gehirn im Tank bin und auch nicht in einer Matrix. Aber all das nehme ich nicht an, weil ich meine, das sicher zu wissen, sondern nur, weil ich es für ökonomisch / praktisch halte, das anzunehmen. |
IdZ möchte ich auch darauf hinweisen, daß ein Bewußtsein in einem Tank nur auf einer Hardware realisiert sein kann ("Gehirn"). Das heißt, es ist immer der Physik unterworfen, auch wenn es keine Arme und Beine befehligen kann. Wenn es hinreichend rechenstark ist, kann es überprüfen, ob der Input, den es bekommt, simuliert ist, indem es ein physikalisches Experiment macht. Das Thema hatten wir ja schon in verschiedenen anderen threads seit 2003 ...
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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narziss auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.07.2003 Beiträge: 21939
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(#1293278) Verfasst am: 22.05.2009, 18:12 Titel: |
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Das ist ein bisschen wie der Laplacesche Dämon, der die Zukunft auch nicht so schnell berechnen kann, wie sie eintritt.
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
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(#1293279) Verfasst am: 22.05.2009, 18:13 Titel: Re: Bedeutungstheorie Teil 3: Putnams Gehirn im Tank |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Worauf beziehen sich denn hier überhaupt die Gedanken des zweiten Gehirnes? Wieso liegt es richtig(er), da es doch ebenso wie das erste die übergeordnete Realität (den Tank) nicht erkennen kann? Worauf bezieht sich also der Gedanke "Wiese", wenn nicht auf eine Wahrnehmung? Auf einen elektrischen Impuls? Doch wohl kaum. |
Doch. Auf irgendwas in der virtual reality Maschine was eben die Vorstellungen von Gras und Wiese im Gehirn hervorruft. Das ist genau der Kern der Sache. Wenn ich über eine Wiese renne kann ich auch nicht die grundlegende Realität der Atome und Zeugs oder was auch immer die Physik da noch entdeckt erkennen. Trotzdem sorgen die für die Bedeutungen meiner Worte und verankern sie mit einer gemeinsam erlebbaren Realität (jedenfalls nach externalistischer Auffassung).
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ist es nicht eher so, dass sich Gedanken immer auf Wahrnehmungen beziehen und es daher egal ist, woher die Wahrnehmungen kommen? |
Das ist die internalistische Auffassung auf die man aber auch erst kommt wenn man schon philosophisch vorbelastet ist. Wenn ich über mein Fahrrad rede und nicht philosophisch drauf bin, dann meine ich das Ding aus Metall und Gummi, nicht meine Wahrnehmungen davon. Die internalistische Position hat sich bloß in der Philosophiegeschichte so festgefressen dass man alle Alternativen automatisch mit der Naivität assoziiert welche es erst mal zu überwinden galt. Putnam argumentiert hier aber nicht für einen Bedeutungsexternalismus, er zeigt lediglich eine seiner Konsequenzen auf. Man kann das Beispiel durchaus als reduktio ad absurdum des Externalismus sehen.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Wäre hier nicht eine problemlose Kommunikation zwischen den beiden Gehirnen möglich, beide wüssten also worüber sie reden, wenn sie von einer Wiese sprächen, da sie ja (im Wesentlichen) übereinstimmende Wahrnehmungen bezüglich der "Wiese" hätten? |
Ja, die beiden verstünden sich prächtig aber ihre Worte referieren trotzdem völlig verschiedene Dinge ohne dass es ihnen auffallen würde. Die angenommene Synonymie von 'verstehen' und 'über die gleichen Dinge reden' ist übrigens lediglich eine schlechte Angewohnheit mit der man sich einen Sack voll Annahmen über Bedeutungen einkauft. Eine andere schlechte Angewohnheit ist die naive Annahme, dass man selber immer genau wüßte was man meint. Das ist vielleicht nicht falsch aber auf jeden Fall nicht so unproblematisch wie man sich das bis etwa 1900 (in Deutschland noch länger) vielleicht noch vorgestellt hat.
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Also wieso sich der Input zusätzlich auf etwas außerhalb beziehen muss, verstehe ich nicht. Er muss mAn lediglich hinreichend ähnlich sein und das ist er wohl, sonst wäre eine Kommunikation nicht möglich. |
Gute (nicht zwingende!) Gründe für einen Bedeutungsexternalismus sind folgende:
- Wahrnehmungen sind ein bißchen zu subjektiv um erfolgreiches Verstehen zu erklären.
- Wenn man nur Wahrnehmungen/Vorstellungen/Ideen/Bilder/mentale Zustände referiert hat man einen Graben zwischen seinen Überzeugungen und der Welt an sich (TM: Kant). Dieser Graben ist zwar althergebracht und auch sehr ehrwürdig aber manchmal versuchen Philosophen ja auch alte Probleme zu lösen statt immer bloß neue zu erfinden
- Mit einem Externalismus lassen sich viel einfacher Wahrheitstheorien bauen. Man kauft sich ein paar der Vorteile des naiven Realismus ohne die Naivität.
Für einen Externalismus zahlt man natürlich einen Preis. Zunächst mal den, dass einem die eigenen Bedeutungen fremd werden. Sie rücken zwar näher an eine objektive Wirklichkeit heran (was für Wahrheitstheorien und die Erklärung von Verständigung gut ist) aber sie rücken halt auch vom eigenen Bewußtsein weg, was zunächst mal ungewohnt ist.
Man muss diesen ganzen bedeutungstheoretischen Kram auch nicht sofort glauben und fressen, aber ihn zu kennen hilft einem ganz ungemein beim Verständnis von moderner Philosophie. Und man wird sensibler für die Versuchungen schlechter und überholter Metaphysik.
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fräulein rottenmeier registrierter User
Anmeldungsdatum: 16.02.2009 Beiträge: 1106
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(#1293284) Verfasst am: 22.05.2009, 18:38 Titel: Re: Bedeutungstheorie Teil 3: Putnams Gehirn im Tank |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: |
Doch. Auf irgendwas in der virtual reality Maschine was eben die Vorstellungen von Gras und Wiese im Gehirn hervorruft. Das ist genau der Kern der Sache. Wenn ich über eine Wiese renne kann ich auch nicht die grundlegende Realität der Atome und Zeugs oder was auch immer die Physik da noch entdeckt erkennen. Trotzdem sorgen die für die Bedeutungen meiner Worte (jedenfalls nach externalistischer Auffassung) |
Ich sehe nicht, wie Atome für Bedeutung sorgen können. Schliesslich kann ein und dasselbe Objekt für verschiedene Subjekte ganz verschiedene Bedeutungen tragen. Der Bauer guckt auf die Wiese und denkt "dieses Jahr gibt's viel Heu, wenn nur das Wetter gut hält, dann brauch ich weniger Futter zukaufen", die Verliebten gehen vorbei und sagen "weisst du noch, Schatz, letztes Jahr auf der Wiese ", der Botaniker sagt "cool, eine fliederblättrige Zimtnelkenrose, die hab ich noch nie hier gesehen, muss ich gleich fotografieren!", und so weiter.
Diese Bedeutungen sind aber nicht irgendwie in den Atomen der Wiese "drin", sondern haben mindestens soviel mit dem Bewusstsein der jeweiligen Subjekte zu tun, mit ihren Zielen, Träumen, Wünschen, aber auch mit ihrem Wissen. Bedeutung ist in der Wiese erst als Möglichkeit enthalten - damit dies Möglichkeiten aber wirklich und wirksam werden können, muss ein mit Bewusstsein begabtes Wesen dazu kommen, wie zum Beispiel ein Mensch.
grüsse, das fräulein
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1293291) Verfasst am: 22.05.2009, 18:52 Titel: |
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@Fräulein: Du bleibst im traditionellen Verständis von Bedeutungen als private Bewußtseinszustände, Vorstellungen, Assoziationen usw. Das sei Dir gegönnt und für die von Dir genannten Beispiele ist das auch sehr naheliegend.
Bedeutungen haben aber in der Philosophie traditionell auch den Job für den Wahrheitsstatus von Aussagen zu sorgen (vielleicht rennen Philosophen zu wenig verliebt über Wiesen). Und da kommt man mit dem ganzen Privatkram nicht wirklich weiter.
Im Übrigen sorgen selbst bei ganz krassen Naturalisten die Atome im Gras nicht für die komplette Bedeutung. Alles was sie tun ist eine gemeinsame einheitliche und für alle zugängliche Wirklichkeit zu erzeugen auf die wir sprachlich reagieren und anhand deren wir unser sprachliches Verhalten aneinander anpassen können. Aber das schafft das Gras halt deutlich besser als alles was sich bloß in unseren Köpfen abspielt.
Das grüne Zeug auf der Wiese ist auch nicht die Bedeutung von 'Gras' sondern bloß die Referenz. 'Bedeutung' wird entweder als Sammelbegriff für Referenz und Sinn/Konnotation/Assoziation oder nur für letzteres gebraucht. (Bei Frege, der zuerst diese Unterscheidung gemacht hat, allerdings genau andersherum.)
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fräulein rottenmeier registrierter User
Anmeldungsdatum: 16.02.2009 Beiträge: 1106
Wohnort: Saint Louis
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(#1293298) Verfasst am: 22.05.2009, 19:03 Titel: |
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Zitat: | Du bleibst im traditionellen Verständis von Bedeutungen als private Bewußtseinszustände, Vorstellungen, Assoziationen usw. Das sei Dir gegönnt und für die von Dir genannten Beispiele ist das auch sehr naheliegend. |
nein, nur privat sind die auch nicht. Die konstruieren sich ja mit Hilfe von Sprache, und Sprache ist etwas, das kollektiv entsteht.
Zitat: | Bedeutungen haben aber in der Philosophie traditionell auch den Job für den Wahrheitsstatus von Aussagen zu sorgen |
Vresteh ich nun nicht ganz, was das bedeuten soll. Die Wiese mag für dich schöne Erinnerungen haben an ein Schäferstündchen, für mich schlechte Erinnerungen wegen dieser doofen Wespe, die mich stach, und wir beide sind uns einig, dass dieses grüne Ding hier auf deutsch Wiese genannt werden muss, und nicht etwa Wald.
Zitat: | Alles was sie tun ist eine gemeinsame einheitliche und für alle zugängliche Wirklichkeit zu erzeugen auf die wir sprachlich reagieren und anhand deren wir unser sprachliches Verhalten aneinander anpassen können. Aber das schafft das Gras halt deutlich besser als alles was sich bloß in unseren Köpfen abspielt. |
Warum entweder-oder? Es braucht beides dafür, das Gras und den Geist. Nur das Eine oder nur das Andere bringt keine Bedeutung zustande.
grüsse, das fräulein
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
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(#1293306) Verfasst am: 22.05.2009, 19:13 Titel: Re: Bedeutungstheorie Teil 3: Putnams Gehirn im Tank |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Worauf beziehen sich denn hier überhaupt die Gedanken des zweiten Gehirnes? Wieso liegt es richtig(er), da es doch ebenso wie das erste die übergeordnete Realität (den Tank) nicht erkennen kann? Worauf bezieht sich also der Gedanke "Wiese", wenn nicht auf eine Wahrnehmung? Auf einen elektrischen Impuls? Doch wohl kaum. |
Doch. Auf irgendwas in der virtual reality Maschine was eben die Vorstellungen von Gras und Wiese im Gehirn hervorruft. Das ist genau der Kern der Sache. |
Der Gedanke bezöge sich also auf etwas, was prinzipiell außerhalb des Erkenntnisvermögens des Gehirnes läge. Das sehe ich als grundsätzliches Problem dabei, daher kann ich mich damit überhaupt nicht anfreunden.
Yogosh hat folgendes geschrieben: | Wenn ich über eine Wiese renne kann ich auch nicht die grundlegende Realität der Atome und Zeugs oder was auch immer die Physik da noch entdeckt erkennen. Trotzdem sorgen die für die Bedeutungen meiner Worte und verankern sie mit einer gemeinsam erlebbaren Realität (jedenfalls nach externalistischer Auffassung). |
Naja, gut, ich sehe das halt anders. Es gibt natürlich irgendwas, das den Input hervorruft, da ich davon ausgehe, dass nichts von nichts kommt. Aber was das "in Wirklichkeit" ist, ist mir egal, das spielt mE keine Rolle, solange ich das prinzipiell nicht erkennen kann. Mir ist es also egal, ob ich ein Gehirn im Tank bin oder nicht. Ich finde es unbefriedigend, etwas für absolut wahr zu halten, von dem ich nicht absolut sicher bin, dass es tatsächlich so ist. Da lebe ich lieber mit dem Wissen um mein prinzipiell eingeschränktes Wissen.
Yogosh hat folgendes geschrieben: | AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Ist es nicht eher so, dass sich Gedanken immer auf Wahrnehmungen beziehen und es daher egal ist, woher die Wahrnehmungen kommen? |
Das ist die internalistische Auffassung auf die man aber auch erst kommt wenn man schon philosophisch vorbelastet ist. |
Ja, das ist richtig. Im Alltag spielt das keine Rolle, es spielt nur eine Rolle beim (philosophischen) Reden über Wissen, Wahrheit und Wirklichkeit.
Yogosh hat folgendes geschrieben: | Gute (nicht zwingende!) Gründe für einen Bedeutungsexternalismus sind folgende:
- Wahrnehmungen sind ein bißchen zu subjektiv um erfolgreiches Verstehen zu erklären. |
Ja. Mir reicht es aber, anzunehmen, dass es hinreichend ähnliche Wahrnehmungen gibt und nichts darüber Hinausgehendes anzunehmen, weil ich meine, darüber nichts sagen zu können und daher auch nichts darüber sagen zu dürfen.
Yogosh hat folgendes geschrieben: | - Wenn man nur Wahrnehmungen/Vorstellungen/Ideen/Bilder/mentale Zustände referiert hat man einen Graben zwischen seinen Überzeugungen und der Welt an sich (TM: Kant). Dieser Graben ist zwar althergebracht und auch sehr ehrwürdig aber manchmal versuchen Philosophen ja auch alte Probleme zu lösen statt immer bloß neue zu erfinden |
Ja, genau, diesen Graben gibt es in meiner Sicht. Und ich sehe nicht, wie man ihn überwinden könnte, denn ich meine, dass ich die "Welt an sich" prinzipiell nicht erkennen kann.
Yogosh hat folgendes geschrieben: | - Mit einem Externalismus lassen sich viel einfacher Wahrheitstheorien bauen. Man kauft sich ein paar der Vorteile des naiven Realismus ohne die Naivität. |
In meiner Sicht gibt es keine absolute Wahrheit, d.h. Wahrheit ist immer etwas Anzweifelbares, etwas, das sich ändern kann, etwas, das jetzt gültig ist, aber morgen vielleicht nicht mehr. Ich sehe nicht den Vorteil darin, etwas einfach als wahr anzunehmen, von dem man aber nicht wissen kann, ob es wirklich wahr ist. Ich halte das für falsch, weil irreführend.
Yogosh hat folgendes geschrieben: | Für einen Externalismus zahlt man natürlich einen Preis. Zunächst mal den, dass einem die eigenen Bedeutungen fremd werden. Sie rücken zwar näher an eine objektive Wirklichkeit heran (was für Wahrheitstheorien und die Erklärung von Verständigung gut ist) aber sie rücken halt auch vom eigenen Bewußtsein weg, was zunächst mal ungewohnt ist. |
Ja, man zahlt einen für meinen Geschmack viel zu hohen Preis. Ich weiß ja noch nicht einmal sicher, ob es überhaupt eine objektive Wirklichkeit gibt, aber das scheint man hier annehmen zu müssen. Und selbst, wenn ich wüsste, dass es sie gibt, nützte mir das gar nichts, solange ich sie nicht erkennen kann.
Yogosh hat folgendes geschrieben: | Man muss diesen ganzen bedeutungstheoretischen Kram auch nicht sofort glauben und fressen, aber ihn zu kennen hilft einem ganz ungemein beim Verständnis von moderner Philosophie. Und man wird sensibler für die Versuchungen schlechter und überholter Metaphysik. |
Klar, andere Ansichten kennen zu lernen kann hilfreich dabei sein, die eigene Ansicht zu hinterfragen. Das sei zugegeben.
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1293316) Verfasst am: 22.05.2009, 19:25 Titel: |
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fräulein rottenmeier hat folgendes geschrieben: | Warum entweder-oder? Es braucht beides dafür, das Gras und den Geist. Nur das Eine oder nur das Andere bringt keine Bedeutung zustande. |
Ich hab kein entweder oder bei der Bedeutung behauptet. Das Gras sorgt aber alleine für die Referenz für die Zwecke einiger Wahrheitstheorien. Der Sinn ergibt sich durch Erfahrungen mit Gras, dem Gebrauch des Wortes bei anderen in allen möglichen Kontexten von Wissenschaft zur Poesie und die Rolle, die das Wort in allen möglichen Sätzen der Sprache spielt. Das alles ergibt die Bedeutung. Das alles ist auch intersubjektiv zugänglich und deswegen gut zur Erklärung von Verständigung.
Der Externalismus behauptet nicht, dass nur das grüne Zeug bei der Bedeutung eine Rolle spielt. Es ist der Internalismus, der ohne das grüne Zeug auf der Wiese auskommen möchte.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1293318) Verfasst am: 22.05.2009, 19:30 Titel: |
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fräulein rottenmeier hat folgendes geschrieben: | Die Wiese mag für dich schöne Erinnerungen haben an ein Schäferstündchen, für mich schlechte Erinnerungen wegen dieser doofen Wespe, die mich stach, und wir beide sind uns einig, dass dieses grüne Ding hier auf deutsch Wiese genannt werden muss, und nicht etwa Wald. |
Der Grund dafür ist, daß ihr beide neben den unterschiedlichen Assoziationen eine hinreichende gemeinsame empirische Basis habt, denn sonst würde Yogosh die Wiese "jaaahh" und Du sie "Aua" nennen. Dein Argument spricht daher keineswegs gegen Yogosh's Interpretation.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1293321) Verfasst am: 22.05.2009, 19:37 Titel: |
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@AgentProvocateur: Es ist gut möglich, dass Deine Suche nach einer befriedigenden Wahrheitstheorie wegen Deiner Meinung zu Bedeutungen so erfolglos verlaufen ist. Beides hängt sehr eng zusammen und man kann es vielleicht nur im Doppelpack ändern bzw. akzeptieren. Deswegen hat die Erkenntnis, dass es andere Bedeutungstheorien gibt so eine Bewegung in die Epistemologie gebracht.
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AgentProvocateur registrierter User
Anmeldungsdatum: 09.01.2005 Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin
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(#1293323) Verfasst am: 22.05.2009, 19:52 Titel: |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: | @AgentProvocateur: Es ist gut möglich, dass Deine Suche nach einer befriedigenden Wahrheitstheorie wegen Deiner Meinung zu Bedeutungen so erfolglos verlaufen ist. Beides hängt sehr eng zusammen und man kann es vielleicht nur im Doppelpack ändern bzw. akzeptieren. Deswegen hat die Erkenntnis, dass es andere Bedeutungstheorien gibt so eine Bewegung in die Epistemologie gebracht. |
Meine Suche nach einer befriedigenden Wahrheitstheorie ist mitnichten erfolglos verlaufen.
Meine Wahrheitstheorie ist wohl lediglich grundlegend anders als Deine.
Vielleicht interessiert Dich in diesem Zusammenhang diese Diskussion. Ich habe daran nicht teilgenommen, aber meine Meinung entspricht eher denen von ostfriese und El Schwalmo. Da treffen wohl schlicht zwei unvereinbare Auffassungen aufeinander.
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1293359) Verfasst am: 22.05.2009, 20:46 Titel: |
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AgentProvocateur hat folgendes geschrieben: | Meine Suche nach einer befriedigenden Wahrheitstheorie ist mitnichten erfolglos verlaufen.
Meine Wahrheitstheorie ist wohl lediglich grundlegend anders als Deine. |
Ich hab noch nicht mal eine richtige Wahrheitstheorie. Eher ein paar Versatzstücke. Und ich meinte meinen Kommentar auch nicht herablassend (Entschuldigung falls das so rüberkam). Ich versuche bloß immer den Luxus des naiven Wahrheitsbegriff so weit wie möglich zu retten und den Spalt zwischen dem naivem aber gemütlichem common sense und der philosophischen Reflektion klein zu halten. Soweit das halt geht.
Ich wundere mich immer wenn andere diese Bedürfnisse nicht oder nicht in gleichem Maße haben. Ich bin da glaube ich sehr auf Seiten der Gemütlichkeit
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fräulein rottenmeier registrierter User
Anmeldungsdatum: 16.02.2009 Beiträge: 1106
Wohnort: Saint Louis
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(#1293574) Verfasst am: 23.05.2009, 07:03 Titel: |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: |
Der Externalismus behauptet nicht, dass nur das grüne Zeug bei der Bedeutung eine Rolle spielt. Es ist der Internalismus, der ohne das grüne Zeug auf der Wiese auskommen möchte. |
nun, dann hab ich das falsch verstanden.
Ich kenn nun allerdings kaum jemanden, der ganz auf das grüne Zeug verzichten will.
Zitat: | Ich versuche bloß immer den Luxus des naiven Wahrheitsbegriff so weit wie möglich zu retten und den Spalt zwischen dem naivem aber gemütlichem common sense und der philosophischen Reflektion klein zu halten.
Ich wundere mich immer wenn andere diese Bedürfnisse nicht oder nicht in gleichem Maße haben.
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ich habe dieses Bedürfnis tatsächlich nicht im selben Mass wie du. mich interessiert eher, was sich hinter dem Offensichtlichen abspielt und die Frage, ob und wie ich in meiner Eigenschaft als Mensch dazu Zugang bekommen kann.
grüsse, das fräulein
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#1294079) Verfasst am: 24.05.2009, 10:44 Titel: Re: Bedeutungstheorie Teil 3: Putnams Gehirn im Tank |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: | Als Extrabeitrag zur Sprachphilosophie und Bedeutungstheorie wollte ich mal Hilary Putnams Gehin im Tank Gedankenexperiment vorstellen. Das klingt zwar sehr Nergalesk, ist aber trotzdem nicht Star Treck Niveau sondern hochwertige Philosophie ... |
Star-Trek-Niveau ist durchaus philosophisches Niveau, im Gegensatz etwa zum infantilen Pherry Rhodan.
Ich verweise z.B. auf die Folge "Phantasie oder Wahrheit" (Episodennummer 6x21), wo der entführte Riker versucht, zwischen Traum und Realität zu unterscheiden:
http://memory-alpha.org/de/wiki/Phantasie_oder_Wahrheit
Solche Episoden sind sehr wohl Aufhänger für weiterführende Gedanken, da steckt 'ne Menge drin.
Yogosh hat folgendes geschrieben: | ... und hat sehr hohe Wellen geschlagen. (Siehe auch http://en.wikipedia.org/wiki/Brain_in_a_vat). Ich bringe das um auf amüsantem Weg zu zeigen, was so alles dabei raus kommen kann, wenn man die alten philosophischen Fragestellungen um das Problem der Bedeutungen erweitert. Das ist in Deutschland ja noch nicht so lange üblich.
Das Szenario ist eine Variation von Descartes Täuschergott und schnell erklärt: Irgendwelche Alien Wissenschaftler entführen einen in der Nacht, nehmen das Gehirn raus, stopfen es in einen Tank, versorgen es mit genau dem gleichen neurolalem Input wie vorher und lassen die virtual reality Maschine auch in vertrauter Weise auf den Output reagieren. Kurz: Alles was man so denkt und sagt ist ab da eigentlich falsch. Man läuft nicht über eine Wiese, man riecht keine Rosen, es ist alles bloß vorgetäuscht. So weit so bekannt.
Putnam gibt dem ganzen aber einen neuen Dreh indem er (Putnam ist ein Mann, auch wenn er Hilary heißt) ein zweites Szenario einbaut: Ein anderes Gehirn wird auch in den Tank gesteckt, aber direkt nach der Geburt und bekommt dann genau den gleichen Input wie es das erste in der Realität erhält.
Wo ist jetzt der Clou? Putnam behauptet dass die epistemische Situation der beiden Gehirne total unterschiedlich ist: Wenn beide meinen und sagen, dass sie gerade über eine Wiese laufen, dann liegt das erste komplett falsch, das zweite aber genau richtig, weil das zweite nämlich seine Sprache im Tank und nicht in der Welt gelernt hat.
Das Ganze nennt sich in der Bedeutungstheorie Externalisierung. Da wird eigentlich nur die Annahme zuende gedacht, dass kausale Beziehungen zwischen unserem Erleben und unseren Sinneseindrücken irgendwie wenigstens die erste Basis von unseren Bedeutungen sind. Abstraktion und Logik runden die Sache dann ab und führen sie in neue Höhen.
Der Charme dieser Annahme ist dass man eine Beziehung zwischen unseren Bedeutungen und der Welt hergestellt hat. Und zwar eine kausale. Damit hat man erst mal etwas gegen die Solipsisten in der Hand und der scheinbar so bodenlose Graben zwischen unseren Anschauungen und der Welt an sich ist plötzlich gar nicht mehr so tief.
Eine seltsame Konsequenz die Putnam aufzeigt ist, dass man in dieser Sicht komplett die Wahrheit treffen kann, aber irgendwie nicht mehr im altvertrauten Sinn weiss worüber man eigentlich spricht. Früher ging das immer nur anders herum: wir wußten was wir meinen, hatten aber keine Ahnung ob es wahr ist. |
Wir wissen doch bis heute nicht, was überhaupt Bewusstseinsvorgänge sind oder wie sie funktionieren. Physikalisch kann man da höchstens eine blasse spekulative Beschreibung mit vielen Unbekannten liefern. Aber Putnam betrachtet "das Gehirn" a) als eine Art black box und b) als Einheit. Beides wird der Realität auf keinen Fall gerecht.
Wenn Putnam jetzt die Wechselbeziehung zwischen "dem Gehirn" und "der Umwelt" untersucht, so tut er das auf sehr mechanische Weise und verwendet Begriffe aus der Computersprache wie "Input" usw. So kann es nicht funktionieren.
"Das Gehirn" ist nicht nur ein "Apparat", sondern ein sich in ständiger Wechselwirkung mit "der Umwelt" entwickelndes komplexes System, das zudem mit einem Körper verwoben ist, der es ebenfalls sensibel beeinflusst. Es ist Unsinn, so einen physikalischen oder informationstechnischen Reduktionismus zu pflegen und zu meinen, dies hätte irgendwas mit der Realität zu tun.
Es fehlen folglich eine Menge Aspekte.
Ich nenne da nur das Unbewusste und den Traum. Ein träumendes Tier hat i.d.R. gar keine Möglichkeit festzustellen, dass es träumt. Die Vergewisserung, dass das Erleben, Denken und Schlussfolgern mit einer entsprechenden Realität korrespondiert hat auch viel mit dem Kurzzeitgedächtnis zu tun, welches auch erst eine logische oder empirische Prüfung ermöglicht. Im Traum springt das Gehirn zudem von Bild1 zu Bild2, ohne dass diese Diskontinuität zu ändern wäre. Während der bewussten Wahrnehmung geschieht dieses Springen auch, nur unbewusst. Aber dennoch beeinflusst es die Wahrnehmung, die Bewertung, usw.
Deswegen kann man sagen, dass die beste Realiätsvergewisserung die systematische Bearbeitung und Veränderung der Realität ist. Veränderung ist Erkennen.
Skeptiker
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K.I.Z - Frieden
Das ist Postmoderne Ideologie! Psychologe und Philosoph analysieren RASSISMUS-Video
Informationsstelle Militarisierung e.V.
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1294098) Verfasst am: 24.05.2009, 12:11 Titel: |
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Es geht hier aber gar nicht um Philosophy of Mind sondern um Bedeutungstheorie. Ein äquivalentes Gedankenexperiment kann man wohl auf jeder Bewußtseinstheorie konstruieren. Mit der Küchenpsychologie geht es halt in einem kurzem Essay.
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