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Der Mensch ist irrational
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Malcolm
Ekelpaket



Anmeldungsdatum: 25.07.2007
Beiträge: 1231
Wohnort: Hamburg

Beitrag(#1230584) Verfasst am: 03.03.2009, 07:05    Titel: Der Mensch ist irrational Antworten mit Zitat

Jenseits der Scharmützel zwischen Atheisten und Christen hier im Forum taucht für mich immer eine grundsätzlichere Frage auf, nämlich die nach der Rationalität und Irrationalität des Menschen. Ich hoffe, daß wir über diese für mich interessantere Frage auch einmal ins Gespräch kommen.

Ich bin kein Irrationalist. Oder doch? Was ist das eigentlich: ein Irrationalist? Und was soll das sein: Ein Rationalist?

Zu meiner grundsätzlichen Weltanschauung gehört, daß ich den rationalistischen Diskurs nicht ablehne, ihn für wesentlich halte. Es ist für mich aber auch ein ebenso wesentlicher Teil meiner Weltanschauung, daß ich den Menschen für im wesentlichen nicht rational halte.

An der faktischen Irrationalität vieler Menschen kann gar kein Zweifel sein. Rationalismus einer bestimmten Definition scheint sich dann über diese Irrationalität des vulgären Pöbels zu erheben und für sich eine geradezu "unfehlbare" Rationalität in Anspruch zu nehmen.

Demgegenüber glaube ich, daß Menschen nicht rational sind und auch der Rationalist ist es nicht. Der Rationalist allerdings bewertet in vielerlei Hinsicht den "klaren Verstand" über und meint, nur im Besitz des "klaren Verstandes" zu sein, mache ihn schon zu einem rationalen Wesen. Das wird von mir bestritten. Klarer Verstand alleine ist für mich noch keine Rationalität. Licht ins Dunkel bringt für mich nicht die Rationalität alleine, Licht ins Dunkel brächte für mich nur, sich wirklich besser verstehen zu lernen, die eigenene Irrationalität besser zu begreifen, insbesondere auch die Macht dunkler untergründiger Triebe besser ins Licht zu rücken.

Daß der Mensch aber nicht rational ist, daß man selber nicht rational ist, ist eine anthropologische Grunderfahrung. Ist "die Liebe" etwa rational? Ist die Leidenschaft menschlicher Beziehungen überhaupt rational? Was wir in unserer Emotionalität erfahren, ist eine völlige Überbewertung egozentrierter emotionaler Erfahrungen gegenüber der allgemeinen Objektivität. Wenn ich eine Frau liebe, kann dies "für mich" höchst wichtig sein, die "Welt" kann vor dieser Subjektivität völlig versinken. Und das ist völlig irrational. Darin liegt eine gewisse Gespaltenheit des Menschen, der -vielleicht - weiß, daß es da Dinge gibt, die viel wichtiger sind, als seine ganz persönliche Liebe zu irgendeiner Helga, der Hunger in der dritten Welt meinetwegen, für den aber seine "rein subjektiven" Gefühle plötzlich "unheimlich wichtig" sind.

Ist diese subjektive Weltsicht, in der jeder seinem eigenen Glück nachstrebt, in der objektive Wichtigkeiten manchmal geradezu belanglos werden, ein gewichtiger Faktor menschlicher Irrationalität, so gibt es einen zweiten Bereich der "Identifikation". Auch die Identifikation ist ein zweiter wesentlicher Bereich der menschlichen Irrationalität. Man identifiziert sich mit "Deutschland", der eigenen politischen Partei oder mit seinem lokalen Fußballclub, mit seiner Religionsgemeinschaft und vielen anderen Dingen mehr. Sicher können für einen Menschen bestimmte Identifikationsmodelle belanglos sein, während sie für eine andere Person höchst wichtig sind, aber das Grundmuster Identifikation ist doch im Menschen angelegt, wenn sich jemand Identifikationen auch entzieht, so tut er es meines Erachtens nur auf der Basis "vernünftiger Überlegungen", die die Identifikationen in Zweifel zieht und relativiert. Daß damit Identifikation als Muster des Sozialverhaltens praktisch "ausgelöscht" ist, halte ich für ein Gerücht - der Mensch ist letztlich ein soziales Wesen, dazu gehört, daß er sich immer mit irgendwelchen Gruppen identifiziert; das ist gewissermaßen seine Natur, die sich relativieren, aber nicht auslöschen läßt. Und ein solches Verhalten ist letzlich irrational, da es auf eine "objektive Wirklichkeit" gar nicht erst hin zielt.

Die völlige Überbewertung persönlicher Beziehungen, die Identifikation, die Egozentriertheit, auch etwa so etwas wie "Todesangst", in der es so etwas wie ein "wovor" der Angst gar nicht gibt - das wäre dann ein anderes Phänomen - sondern wo es gerade das "Nichts" ist, vor dem man sich ängstigt, all diese Phänomene legen doch sehr nahe, daß an der Vorstellung vom Menschen als einem "rationalen Wesen" herzlich wenig dran sind.

Was kann dann "Rationalität" überhaupt leisten? Ich denke Rationalität leistet so etwas wie "vernünftige Überlegung", vor der so etwas wie "Relativierung" der eigenen, eigentlich hemmungslos irrationalen Subjektivität überhaupt erst möglich wird. Relativierung - ja, aber letzliche "Abschaffung" der eigenen Natur? Das ist nicht möglich.

Der Rationalismus leidet für mich häufig auch an einer eigenen Widersprüchlichkeit. Denn die Analyse menschlicher Verfaßtheit müßte ihm eigentlich nahe legen, daß so etwas wie ein Ideal von "Rationalität" mit der menschlichen Natur herzlich wenig zu tun hat, daß der logische Verstand allerhöchstens so etwas wie ein Schifflein ist, das auf dem Meer irrationaler Impulse quasi schwimmt. Rationalismus wird dann sehr irrational, wo er so etwas wie menschliche Natur quasi leugnet. Und selbst wenn er dann noch Naturalist wäre - was ich nicht bin - und meinetwegen alle menschlichen Emotionen auf so etwas wie einen Hormonhaushalt oder ähnliches zurückführt, kann doch selbst der Naturalist die faktische Irrationalität des Menschen gar nicht leugnen, selbst wenn er sie noch auf rationale Ideen zurückführt.

Meine Grundposition ist dann, daß ich den Menschen für irrational halte. Und diese Irrationalität des Menschen halte ich auch nicht für eine Schwäche, sondern sie macht aus mir erst den Menschen, der ich bin. Das heißt nun aber nicht, daß ich rationale Überlegung als solche ablehne - wer nicht logisch und vernünftig argumentieren kann, mit dem ist eine vernünftige Auseinandersetzung auch nicht möglich. Zur Rationalität gehört m.E. aber auch die Anerkennung der Tatsache, daß gerade in den irrationalen Impulsen des Menschen ein großer Teil seiner "Lebenskraft" liegt.

Diese Anerkennung des Wertes irrationaler Emotionen bedeutet für mich allerdings noch nicht eine Neigung zum Irrationalismus. Irrationalismus bedeutet für mich die Leugnung des Wertes eines rationalen Diskurses überhaupt. Auf einen solchen Standpunkt würde ich mich nie begeben, weil er dann letzlich Diskussion unmöglich macht. Vor allem wird von einem solchen Standpunkt des Irrationalismus irgendwie auch jede moralische Haltung möglich - und das ist dann letzlich auch das Ende der Humantität.

Was ich allerdings sehr bestreite, ist, daß Rationalisten so besonders rational sind. Es gibt auch so etwas wie einen naiven Rationalismus. Diesem Rationalismus fehlt nicht die narzißtische Komponente - die Selbstverliebtheit in ein Bild, das man von sich selber hat als einem durchaus rationalen, vernünftigen Wesen. Naiv ist ein solcher Rationalismus, weil er die Tatsache leugnet, daß auch unter einer rationalistischen Oberfläche vernünftiger Argumentationen es eine weniger rationalisierbare Fläche durchaus nicht rationalisierbarer "Antriebe" gibt.

Zudem aber ist immer wieder das Auseinanderklaffen von Weltanschauung und persönlichen Lebens zu beobachten. Das war immer schon so. Man kann etwa eine Position allgemeiner Menschenliebe verkünden und doch eine Person höchst unsympathisch finden. Man kann "objektive Werte" hoch halten und doch in der Unmittelbarkeit der ganz persönlichen Existenz in einen Strudel subjektiver Emotionen hinein geraten. All das passiert - immer wieder - ständig.

Aus all diesen Gründen kann ich kein Rationalist sein, wenn damit gemeint sein soll, daß die menschliche Existenz vollkommen rationalisierbar sein soll und ich habe zu dem, der einen solchen rationalistischen Ansatz verfolgt, eher ein ironisches Verhältnis. Und gerade der Rationalist erscheint mir dann in besonderem Maße irrational, wenn er ein Menschenbild entwirft, daß mit dem wirklichen, oft genug höchst irrationalen Menschsein, daß auch ihn ausfüllt, herzlich wenig zu tun hat.

Recht verstandene Rationalität bedeutet dann für mich die Übereinstimmung von Menschenbild und Mensch, vor allem auch der eigenen Person. Es ist letztenendes rationaler, die menschliche Irrationalität nicht zu leugnen und vor diesem Hintergrund auch zu so etwas wie Selbstironie in der Lage zu sein. Es ist letzlich irrational, die eigene Irrationalität zu leugnen, wo soviel dagegen spricht.

Gruß Malcolm
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DeHerg
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Anmeldungsdatum: 28.04.2007
Beiträge: 6525
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Beitrag(#1230587) Verfasst am: 03.03.2009, 07:55    Titel: Antworten mit Zitat

soo viele Umschweife und Redundanzen.
Das es "reine" Rationalität im menschlichen Handeln(Handlung vom Beginn bis zum Ende Rational durchdacht) nicht geben kann lässt sich viel einfacher herleiten:
Rationalität ist eine Eigenschaft der Planung. Planung hat den Zweck (so effizient wie möglich) ein Ziel(oder mehrere) zu erreichen. Dieses Ziel kann(sofern es sich nicht um ein Zwischenziel in einer größeren Planung handelt) nicht durch Rationalität vorgegeben werden.
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Ralf Rudolfy
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Anmeldungsdatum: 11.12.2003
Beiträge: 26674

Beitrag(#1230597) Verfasst am: 03.03.2009, 08:40    Titel: Re: Der Mensch ist irrational Antworten mit Zitat

Malcolm hat folgendes geschrieben:
Der Mensch ist irrational

Manchmal. Manchmal nicht.
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Ilmor
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Anmeldungsdatum: 13.12.2008
Beiträge: 7151

Beitrag(#1230865) Verfasst am: 03.03.2009, 15:26    Titel: Antworten mit Zitat

@Malcom:
Du hast recht, es gibt keine rationale Menschen, nur rationalere Menschen. zwinkern
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LingLing
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Anmeldungsdatum: 25.04.2007
Beiträge: 2720

Beitrag(#1230877) Verfasst am: 03.03.2009, 15:35    Titel: Re: Der Mensch ist irrational Antworten mit Zitat

Malcolm hat folgendes geschrieben:

Ich bin kein Irrationalist. Oder doch? Was ist das eigentlich: ein Irrationalist? Und was soll das sein: Ein Rationalist?


Da fällt mir spontan was von Popper ein, der in seiner Verteidigung des Rationalismus schrieb, dass die Entscheidung für den Rationalismus immer eine irrationale Entscheidung sei.
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apothecarius
WOLLT IHR DEN TOTALEN FRIEDEN!?



Anmeldungsdatum: 24.07.2008
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Beitrag(#1230878) Verfasst am: 03.03.2009, 15:37    Titel: Antworten mit Zitat

Ich versteh was du meinst, Malcolm.
Ich musste einsehen, dass ich lange nicht so rational (aus logischen Gründen)entscheide, wie ichs immer wieder gerne tun würde.
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Also kann es nicht geregnet haben
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Nowhere
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Anmeldungsdatum: 19.05.2007
Beiträge: 349

Beitrag(#1235619) Verfasst am: 08.03.2009, 04:22    Titel: Antworten mit Zitat

Zu dem Thema habe ich kürzlich ein interessantes Editorial im 'New Scientist' gelesen.

Sorry, nur auf Englisch...

"Hard Times Make for Soft Heads"

http://www.scribd.com/doc/11920814/NewScientist20090207
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Mahone
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Anmeldungsdatum: 22.12.2008
Beiträge: 842
Wohnort: Munich

Beitrag(#1235622) Verfasst am: 08.03.2009, 04:27    Titel: Antworten mit Zitat

DeHerg hat folgendes geschrieben:
soo viele Umschweife und Redundanzen.
Das es "reine" Rationalität im menschlichen Handeln(Handlung vom Beginn bis zum Ende Rational durchdacht) nicht geben kann lässt sich viel einfacher herleiten:
Rationalität ist eine Eigenschaft der Planung. Planung hat den Zweck (so effizient wie möglich) ein Ziel(oder mehrere) zu erreichen. Dieses Ziel kann(sofern es sich nicht um ein Zwischenziel in einer größeren Planung handelt) nicht durch Rationalität vorgegeben werden.


Das ist genau der Punkt.
Rationalität kann nur beurteilt werden wenn das Ziel feststeht.
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Louseign
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Anmeldungsdatum: 02.06.2006
Beiträge: 5585

Beitrag(#1235641) Verfasst am: 08.03.2009, 09:49    Titel: Antworten mit Zitat

@Malcolm: Soweit du darauf hinaus willst, dass der Mensch eine rationale und eine irrationale Seite hat: keine Einwände. Jedoch hast du trotz des elend langen Textes (oder gerade deswegen?) im folgenden Absatz eine wichtige Funktion der rationalen Seite übersehen:
Malcolm hat folgendes geschrieben:
Was kann dann "Rationalität" überhaupt leisten? Ich denke Rationalität leistet so etwas wie "vernünftige Überlegung", vor der so etwas wie "Relativierung" der eigenen, eigentlich hemmungslos irrationalen Subjektivität überhaupt erst möglich wird. Relativierung - ja, aber letzliche "Abschaffung" der eigenen Natur? Das ist nicht möglich.

Nicht nur vor sich selbst schützt die Rationalität den Menschen, sondern vor allem auch vor manipulativen Eingriffen durch andere. Nehmen wir das Paradebeispiel Werbung: traditionell wendet sich diese überwiegend an den irrationalen Teil eines Menschen. Leute, deren rationale Abwehrkräfte nur schwach ausgeprägt sind, konsumieren infolgedessen endlos, solange, bis sie sich bis über beide Ohren verschuldet haben.

Der Kritik DeHergs schließe ich mich an: der Einstiegsbeitrag ist ausschweifend und wimmelt nur so von inhaltlichen Wiederholungen. Das macht es schwer, zu erkennen, was du nun genau diskutieren willst.
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depth
Schöngeist



Anmeldungsdatum: 03.03.2009
Beiträge: 49
Wohnort: Frankfurt

Beitrag(#1235646) Verfasst am: 08.03.2009, 10:25    Titel: Antworten mit Zitat

Malcom,
Du setzt subjektiv = irrational, objektiv = rational. Das halte ich für falsch. Rationales Schliessen und Denken müssen immer von Prämissen ausgehen. Wenn diese die eigenen Interessen, Bedürfnisse und Wahrnehmungen sind, ist dies subjektive Rationalität.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1235688) Verfasst am: 08.03.2009, 12:44    Titel: Antworten mit Zitat

Natürlich ist der Mensch (auch der Rationalist) sehr von Irrationalem geprägt, sowohl was seine Biologie, Gefühle und viele Handlungen betrifft, als auch seine Neigung zu intuitiven Fehlschlüssen.

Die große Stunde des Rationalismus schlägt da, wo es um ein möglichst voraussagekräftige Modellierung der Welt geht. Da hat sich einfach gezeigt, daß naturwissenschaftliche Methode und kritisch-rationalitischer Ansatz mehr zu leisten imstande sind.
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Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Mr.Manescu
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Anmeldungsdatum: 22.11.2007
Beiträge: 346

Beitrag(#1235735) Verfasst am: 08.03.2009, 13:40    Titel: Antworten mit Zitat

Vielleicht bringt dieser Text ja etwas. Es geht dort unter anderem um das Verhältnis zwischen Rationalität und Irrationalität.

Dr. Marc-Pierre Möll-Ist Aufklärung totalitär?

Zitat:

„Die Ratio, welche die Mimesis verdrängt, ist nicht bloß deren Gegenteil. Sie ist selber Mimesis:
die ans Tote. Der subjektive Geist, der die Beseelung der Natur auflöst, bewältigt die entseelte nur, indem er ihre Starrheit imitiert und als animistisch sich selber auflöst.
Nachahmung tritt in den Dienst der Herrschaft, indem noch der Mensch vorm Menschen zum Anthropomorphismus wird.“
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apothecarius
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Anmeldungsdatum: 24.07.2008
Beiträge: 158
Wohnort: Schwobaländle

Beitrag(#1235936) Verfasst am: 08.03.2009, 18:21    Titel: Antworten mit Zitat

depth hat folgendes geschrieben:
Malcom,
Du setzt subjektiv = irrational, objektiv = rational. Das halte ich für falsch. Rationales Schliessen und Denken müssen immer von Prämissen ausgehen. Wenn diese die eigenen Interessen, Bedürfnisse und Wahrnehmungen sind, ist dies subjektive Rationalität.


Mag zwar sein, dass es nicht dasselbe ist, aber es geht je in dieselbe Richtung.
Die Grundlage für ein Denken kann nicht rational sein, sondern muss aus wahrgenommenen Welt stammen, was sie wiederum subjektiv macht. Weitere Schlüsse müssen rational sein, damit sie Sinn ergeben.
Das heißt ein Weltbild besteht immer aus subjektiv-irrationalen Axiomen (bzw Wahrnehmungen) und rationalen Schlüssen aus dieser "Erkenntnis".
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Bremer
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Anmeldungsdatum: 11.01.2009
Beiträge: 1956

Beitrag(#1235943) Verfasst am: 08.03.2009, 18:29    Titel: Antworten mit Zitat

DeHerg hat folgendes geschrieben:
soo viele Umschweife und Redundanzen.
Das es "reine" Rationalität im menschlichen Handeln(Handlung vom Beginn bis zum Ende Rational durchdacht) nicht geben kann lässt sich viel einfacher herleiten:
Rationalität ist eine Eigenschaft der Planung. Planung hat den Zweck (so effizient wie möglich) ein Ziel(oder mehrere) zu erreichen. Dieses Ziel kann(sofern es sich nicht um ein Zwischenziel in einer größeren Planung handelt) nicht durch Rationalität vorgegeben werden.


Volle Zustimmung. Jeder kann auch ganz irrationale Ziele vollkomen rational verfolgen. Ziele werden nämlich nicht von der Rastionalität vorgegeben, sondern sind immer subjektiv.
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Ascanius
abnorm



Anmeldungsdatum: 14.06.2005
Beiträge: 375
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Beitrag(#1236073) Verfasst am: 08.03.2009, 21:19    Titel: Antworten mit Zitat

Ein Definitionsversuch - wer würde sich ihm anschließen wollen?:

Der Begriff 'Rationalität' repräsentiert das Bestreben und die (zu entwickelnde) Fähigkeit einer Person, ihr für-wahr-Halten jederzeit am bestbestätigten Wissen über die Welt zu orientieren, die Gesamtheit ihrer Kenntnisse widerspruchsfrei zu halten und entsprechend zu handeln.

Der Begriff 'Irrationalität' repräsentiert den Mangel an Bestreben und/oder die Unfähigkeit einer Person, ihr für-wahr-Halten jederzeit am bestbestätigten Wissen über die Welt zu orientieren, die Gesamtheit ihrer Kenntnisse widerspruchsfrei zu halten und entsprechend zu handeln. Irrationalität kann zu einer Wahnstörung eskalieren, wenn die betroffene Person wider besseres Wissen an Überzeugungen festhält, die mit dem bestbestätigten Wissen über die Welt unvereinbar oder logisch falsch sind.


Die Begriffe 'objektiv' und 'subjektiv' finden hier keine Verwendung, weil sie lediglich zwischen Aussagen über Fakten außerhalb und innerhalb eines Beobachters unterscheiden, nicht aber zwischen deren Wahrheit und Unwahrheit. Gefühle sind wahrgenommene innere Zustände eines Organismus und somit Äquivalenzklassen von Fakten, die an sich weder 'rational' noch 'irrational' sind.
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44649

Beitrag(#1236093) Verfasst am: 08.03.2009, 21:42    Titel: Antworten mit Zitat

1. Unter welchen Umständen kann man sagen, dass ein bestimmtes Wissen besser bestätigt ist als ein anderes?
2. Gibt es ein allgemeines und eindeutiges Kriterium für die Widerspruchsfreiheit zweier Aussagen zueinander? Wenn ja, wie lautet es?
3. In welcher Beziehung steht das Handeln einer Person zu ihrem Wissen und in welchen Begrifflichkeiten ist diese Beziehung zu beschreiben?
_________________
"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Ascanius
abnorm



Anmeldungsdatum: 14.06.2005
Beiträge: 375
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1236224) Verfasst am: 08.03.2009, 23:46    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
1. Unter welchen Umständen kann man sagen, dass ein bestimmtes Wissen besser bestätigt ist als ein anderes?


Je sorgfältiger erzeugt und je größer der empirische Datenbestand, der einer Aussage oder einem Aussagensystem zugrundeliegt, umso besser bestätigt ist sie, bzw. es. Ein fachlicher Laie wird mangels Kritikfähigkeit in der Regel gut daran tun, sich der jeweiligen wissenschaftlichen Mehrheitsmeinung anzuschließen.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
2. Gibt es ein allgemeines und eindeutiges Kriterium für die Widerspruchsfreiheit zweier Aussagen zueinander? Wenn ja, wie lautet es?


Grundlegend ist natürlich der Satz von der Identität einschließlich seiner Korollarien, oder worauf willst Du hinaus?

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
3. In welcher Beziehung steht das Handeln einer Person zu ihrem Wissen und in welchen Begrifflichkeiten ist diese Beziehung zu beschreiben?


Es gibt Wahrnehmungswissen, sensomotorisches und begriffliches Wissen. All das fließt in die Handlungsentscheidungen einer Person mit ein. Ansonsten ist mir auch hier nicht recht klar, worauf Du mit Deiner Frage abzielst.
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Arena-Bey
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Anmeldungsdatum: 29.01.2008
Beiträge: 1460

Beitrag(#1236967) Verfasst am: 09.03.2009, 21:40    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Natürlich ist der Mensch (auch der Rationalist) sehr von Irrationalem geprägt, sowohl was seine Biologie, Gefühle und viele Handlungen betrifft, als auch seine Neigung zu intuitiven Fehlschlüssen.

Die große Stunde des Rationalismus schlägt da, wo es um ein möglichst voraussagekräftige Modellierung der Welt geht. Da hat sich einfach gezeigt, daß naturwissenschaftliche Methode und kritisch-rationalitischer Ansatz mehr zu leisten imstande sind.


jau, jau step!

Wenn aber der Mensch dort angelangt ist, was er erfolgreich modelliert und begründet hat, dann wird er aus seinem Gesamt-Verstehen auch wieder irrational zwinkern

Gesicherter Grund fördert halt die Ratio , weil dös is halt klar. Unsicherheit beflügelt indes beides.

Ich kenne niemanden zwinkern , der immer auf gesichertem Grund steht .
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Arena-Bey
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Anmeldungsdatum: 29.01.2008
Beiträge: 1460

Beitrag(#1236969) Verfasst am: 09.03.2009, 21:42    Titel: Antworten mit Zitat

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Ein Definitionsversuch - wer würde sich ihm anschließen wollen?:

Der Begriff 'Rationalität' repräsentiert das Bestreben und die (zu entwickelnde) Fähigkeit einer Person, ihr für-wahr-Halten jederzeit am bestbestätigten Wissen über die Welt zu orientieren, die Gesamtheit ihrer Kenntnisse widerspruchsfrei zu halten und entsprechend zu handeln.

Der Begriff 'Irrationalität' repräsentiert den Mangel an Bestreben und/oder die Unfähigkeit einer Person, ihr für-wahr-Halten jederzeit am bestbestätigten Wissen über die Welt zu orientieren, die Gesamtheit ihrer Kenntnisse widerspruchsfrei zu halten und entsprechend zu handeln. Irrationalität kann zu einer Wahnstörung eskalieren, wenn die betroffene Person wider besseres Wissen an Überzeugungen festhält, die mit dem bestbestätigten Wissen über die Welt unvereinbar oder logisch falsch sind.


Die Begriffe 'objektiv' und 'subjektiv' finden hier keine Verwendung, weil sie lediglich zwischen Aussagen über Fakten außerhalb und innerhalb eines Beobachters unterscheiden, nicht aber zwischen deren Wahrheit und Unwahrheit. Gefühle sind wahrgenommene innere Zustände eines Organismus und somit Äquivalenzklassen von Fakten, die an sich weder 'rational' noch 'irrational' sind.


Nicht angenommen , weil die Definition von Irrational nicht die Bandbreite der Tatbestände trifft, die damit ausgedrückt werden.

hier schon besser:

http://de.wikipedia.org/wiki/Irrational

Irrational ist NICHT der Gegensatz von Rational ( Ratio ) zwinkern
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Ascanius
abnorm



Anmeldungsdatum: 14.06.2005
Beiträge: 375
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1237025) Verfasst am: 09.03.2009, 22:42    Titel: Antworten mit Zitat

Arena-Bey hat folgendes geschrieben:
http://de.wikipedia.org/wiki/Irrational

Irrational ist NICHT der Gegensatz von Rational ( Ratio ) zwinkern


Es wird Dich nicht überraschen, daß mir der Wikipedia-Artikel begrifflich viel zu ungenau ist. Ebensowenig wundert es mich, daß ausgerechnet Du Dich auf ihn beziehst.
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Arena-Bey
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Anmeldungsdatum: 29.01.2008
Beiträge: 1460

Beitrag(#1237043) Verfasst am: 09.03.2009, 22:56    Titel: Antworten mit Zitat

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Arena-Bey hat folgendes geschrieben:
http://de.wikipedia.org/wiki/Irrational

Irrational ist NICHT der Gegensatz von Rational ( Ratio ) zwinkern


Es wird Dich nicht überraschen, daß mir der Wikipedia-Artikel begrifflich viel zu ungenau ist. Ebensowenig wundert es mich, daß ausgerechnet Du Dich auf ihn beziehst.


Und es wundert mich nicht, dass du Begriffe nach deinem Gutdünken durchzudrücken versuchst.... zwinkern
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Ascanius
abnorm



Anmeldungsdatum: 14.06.2005
Beiträge: 375
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1237087) Verfasst am: 09.03.2009, 23:41    Titel: Antworten mit Zitat

Arena-Bey hat folgendes geschrieben:
Und es wundert mich nicht, dass du Begriffe nach deinem Gutdünken durchzudrücken versuchst.... zwinkern


Als Emergentistischer Materialist bin ich auch semantischer Konstruktivist. Um präzise Aussagen treffen zu können, muß ich belastete oder mißverständliche Begriffe meiden oder aber neu definieren. Das ist philosophische Sorgfalt und hat mit "Gutdünken" nicht das Geringste zu tun.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1237097) Verfasst am: 09.03.2009, 23:45    Titel: Antworten mit Zitat

Hab erstmal alle smilies ge-adblockt, jetzt wo er wieder in der Arena ist.
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Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44649

Beitrag(#1237316) Verfasst am: 10.03.2009, 07:25    Titel: Antworten mit Zitat

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Je sorgfältiger erzeugt und je größer der empirische Datenbestand, der einer Aussage oder einem Aussagensystem zugrundeliegt, umso besser bestätigt ist sie.

Ich meine: Was sind die Kriterien dafür, dass ein empirisches Datum eine bestimmte Theorie bestätigt und nicht eine andere? (Goodmans Problem.)

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Ein fachlicher Laie wird mangels Kritikfähigkeit in der Regel gut daran tun, sich der jeweiligen wissenschaftlichen Mehrheitsmeinung anzuschließen.

Ich halte nichts von Herdenmentalität. Viel einfacher ist es, die eigene Unwissenheit schlicht anzuerkennen. Dass irgendeine "Mehrheitsmeinung" jemals ein Kriterium für die Wissenschaft werde, möge die Göttin in ihrer ewigen Weisheit doch bitte verhüten! Ganz abgesehen davon, dass mir sowieso nie eine "Mehrheitsmeinung" begegnet, sondern immer nur Einzeläußerungen, die zueinander allenfalls Familienähnlichkeiten aufweisen. Du kannst dir das klar machen, indem du dir eine Konferenz aus fünf Quantenphysikern und einem in diesem Themenbereich ahnungslosen Philosophen vorstellst. Dabei vertreten zwei Quantenphysiker eine Ansicht und die anderen drei eine andere. Welcher der beiden Ansichten soll sich der Philosoph denn jetzt anschließen? - Die Klugheit des Nicht-Urteilens fällt mit der Klugheit des Urteilens zusammen. Das hängt damit zusammen, dass für mich der Prozess bzw. die Praxis wichtiger (im Sinne von: interessanter, wertvoller) als das, was nachher an Urteilen hinten 'rauskommt.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Es gibt Wahrnehmungswissen, sensomotorisches und begriffliches Wissen.

Es gibt nur begriffliches Wissen. Im Sinne von: Es gibt kein unbegriffliches Wissen.
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"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Arena-Bey
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Anmeldungsdatum: 29.01.2008
Beiträge: 1460

Beitrag(#1237325) Verfasst am: 10.03.2009, 09:27    Titel: Antworten mit Zitat

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Arena-Bey hat folgendes geschrieben:
Und es wundert mich nicht, dass du Begriffe nach deinem Gutdünken durchzudrücken versuchst.... zwinkern


Als Emergentistischer Materialist bin ich auch semantischer Konstruktivist. Um präzise Aussagen treffen zu können, muß ich belastete oder mißverständliche Begriffe meiden oder aber neu definieren. Das ist philosophische Sorgfalt und hat mit "Gutdünken" nicht das Geringste zu tun.


zwinkern

Hat Wittgenstein and his Vienna friends auch versucht und sie sind gescheitert..... zwinkern und besser kann man den schönenen Begriff Gutdünken nicht erklären.......... zwinkern
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44649

Beitrag(#1237334) Verfasst am: 10.03.2009, 09:42    Titel: Antworten mit Zitat

Wittgenstein hat später einfach gemerkt, dass der Begriff von Präzision bzw. Klarheit so nicht funktioniert, wie er sich das ursprünglich mal dachte. Alles, was ich überhaupt verstehen kann, kann ich auch missverstehen, und der Ausdruck "Unmissverständlichkeit" wird normalerweise eher als Ausdruck einer Erwartungshaltung gebraucht.
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"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Ascanius
abnorm



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Beitrag(#1238096) Verfasst am: 11.03.2009, 02:31    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Was sind die Kriterien dafür, dass ein empirisches Datum eine bestimmte Theorie bestätigt und nicht eine andere? (Goodmans Problem.)


Bitte rück doch mal mit einem konkreten Beispiel raus! Was immer ich über Goodmans "Problem" lese, ist begrifflich sehr ungenau und wirft - wahrscheinlich sogar deshalb - ontologische, erkenntnistheoretische und rein formale Fragen munter durcheinander.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Ich halte nichts von Herdenmentalität. Viel einfacher ist es, die eigene Unwissenheit schlicht anzuerkennen.


Genau das ist ja mein Punkt! Wer sich auf einem bestimmten Fachgebiet nicht auskennt und weder wissenschaftsphilosophische noch -theoretische Kenntnisse hat, mit denen er seine Informationen wenigstens grob "filtern" könnte, der ist gut beraten, sich auf Spezialisten zu verlassen (und z.B. ein Antibiotikum statt geschütteltes Wasser einzunehmen).

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Dass irgendeine "Mehrheitsmeinung" jemals ein Kriterium für die Wissenschaft werde, möge die Göttin in ihrer ewigen Weisheit doch bitte verhüten!


Dann scheinst auch Du Dir nicht klar darüber zu sein, wie wissenschaftliche Mehrheitsmeinungen entstehen. Theorien werden entwickelt und der wissenschaftlichen Community zur Prüfung vorgelegt. Bestehen sie diese meist sehr langwierige Prüfung, gehen sie in den wissenschaftlichen "body of knowledge" ein und finden ggf. technologische Anwendung. Fallen sie durch, landen sie im Mülleimer der Wissenschaftsgeschichte.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Ganz abgesehen davon, dass mir sowieso nie eine "Mehrheitsmeinung" begegnet, sondern immer nur Einzeläußerungen, die zueinander allenfalls Familienähnlichkeiten aufweisen.


Vielleicht liegt das ja nur daran, daß Du nicht weißt, worauf Du achten müßtest, um größere Zusammenhänge zu erkennen. Alle realwissenschaftlichen Disziplinen sind miteinander vernetzt. Würde es sich bei ihren Verbindungen nur um "Familienähnlichkeiten" handeln, könnten z.B. Technologie und Medizin unmöglich sein, was sie heute sind.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Du kannst dir das klar machen, indem du dir eine Konferenz aus fünf Quantenphysikern und einem in diesem Themenbereich ahnungslosen Philosophen vorstellst.


Ein physikalisch ahnungsloser Philosoph ist ein schlechter Philosoph!

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Dabei vertreten zwei Quantenphysiker eine Ansicht und die anderen drei eine andere. Welcher der beiden Ansichten soll sich der Philosoph denn jetzt anschließen?


Abgesehen davon, daß fünf Physiker wohl kaum repräsentativ für ihren Berufsstand sein können, ist doch die Frage: Warum sollte er sich überhaupt entscheiden müssen - insbesondere, wenn nichts von einer solchen Entscheidung abhängt?

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Die Klugheit des Nicht-Urteilens fällt mit der Klugheit des Urteilens zusammen.


Dummerweise sind wir auch im Alltag pausenlos zum Urteilen gezwungen. Am besten, wir tun das auf möglichst differenzierter philosophischer und möglichst breiter wissenschaftlicher Basis, denn wir können nun mal nicht auf jedem Wissensgebiet fachkundig sein.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Das hängt damit zusammen, dass für mich der Prozess bzw. die Praxis wichtiger (im Sinne von: interessanter, wertvoller) als das, was nachher an Urteilen hinten 'rauskommt.


Was immer Du damit sagen willst...

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Es gibt nur begriffliches Wissen. Im Sinne von: Es gibt kein unbegriffliches Wissen.


Postulate und Definitionen sollten einem philosophischen Zweck dienen und nicht rein willkürlich sein. Wozu also Dein eingeschränkter Wissensbegriff? Ich habe mich übrigens der Definition von Mahner/Bunge angeschlossen: "Das Wissen (oder die Erkenntnis) eines Tiers zu einer bestimmten Zeit ist die Menge aller (i) sensomotorischen Fähigkeiten oder (ii) perzeptiven Fähigkeiten und Wahrnehmungen oder (iii) Begriffe und Aussagen, die es bis dahin gelernt und behalten hat." Diese Definition ermöglicht es, angeborene Eigenschaften und Verhaltensweisen eines Tieres von erworbenen zu unterscheiden und als solche zu erklären.
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Tarvoc
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Beitrag(#1238200) Verfasst am: 11.03.2009, 12:47    Titel: Antworten mit Zitat

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Was immer ich über Goodmans "Problem" lese, ist begrifflich sehr ungenau.

Das ist wohl eine selbsterfüllende Prophezeihung. Zu der Sache mit der "begrifflichen Genauigkeit" habe ich hier ja schon was gesagt. Übrigens halte ich meine Fragestellung völlig unabhängig von dem, was Goodman dazu sagt, für doch relativ klar formuliert. Und Namen sind ohnehin Schall und Rauch. Also was soll's?

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Wer sich auf einem bestimmten Fachgebiet nicht auskennt und weder wissenschaftsphilosophische noch -theoretische Kenntnisse hat, mit denen er seine Informationen wenigstens grob "filtern" könnte, der ist gut beraten, sich auf Spezialisten zu verlassen (und z.B. ein Antibiotikum statt geschütteltes Wasser einzunehmen).

Banal. Wobei jemand, der sich blind auf seinen Arzt verlässt, damit u.U. ganz gehörig auf die Fresse fliegen kann. Was natürlich noch ganz andere Fragen aufwirft.
"'Erkenntnis um ihrer selbst willen' - das ist der letzte Fallstrick, den die Moral legt, und damit verwickelt man sich noch einmal ganz in sie." - Nietzsche

Übrigens gehst du wie selbstverständlich davon aus, dass die betreffende Person eine möglichst schnelle und schmerzfreie Heilung wünscht.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Dann scheinst auch Du Dir nicht klar darüber zu sein, wie wissenschaftliche Mehrheitsmeinungen entstehen.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Vielleicht liegt das ja nur daran, daß Du nicht weißt, worauf Du achten müßtest, um größere Zusammenhänge zu erkennen.

Behalte deine Spekulationen über meine Person bitte für dich. Sie tun hier nichts zur Sache.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Alle realwissenschaftlichen Disziplinen sind miteinander vernetzt.

Alles ist irgendwie miteinander vernetzt. Zumindest wenn du weit genug abstrahierst.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Würde es sich bei ihren Verbindungen nur um "Familienähnlichkeiten" handeln, könnten z.B. Technologie und Medizin unmöglich sein, was sie heute sind.

Unfug und außerdem irrelevant. Meine Aussage war: Man trifft konkret immer nur Einzeläußerungen an. "Mehrheitsmeinung" ist bereits eine Abstraktion.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Ein physikalisch ahnungsloser Philosoph ist ein schlechter Philosoph!

Keine Ahnung. Irrelevant.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Abgesehen davon, daß fünf Physiker wohl kaum repräsentativ für ihren Berufsstand sein können

Das ist auch irrelevant. Unser hypothetischer Philosoph kennt keine anderen als diese fünf. Sie sind also die einzigen, die für ihn überhaupt repräsentativ sein können. Aber wenn dir fünf zu wenig sind, nimm halt fünfhundert oder fünftausend. Ist mir eigentlich reichlich latte. Wenn du unfähig bist oder dich weigerst, den Sinn eines Gedankenexperiments auf einer abstrakten Ebene nachzuvollziehen, weil dir die konkrete Ausarbeitung zu ungenau ist, dann ist das nicht mein Problem, sondern deins.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Warum sollte er sich überhaupt entscheiden müssen

Sag du es mir. Ich behaupte nicht, dass er es muss.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
- insbesondere, wenn nichts von einer solchen Entscheidung abhängt?

Aha. Da kommen wir der Sache schon näher. Sag doch gleich, dass es dir um Politik geht.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Dummerweise sind wir auch im Alltag pausenlos zum Urteilen gezwungen.

Ja, vermutlich. Ich habe jedenfalls nichts Gegenteiliges behauptet. Na und?

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Am besten, wir tun das auf möglichst differenzierter philosophischer und möglichst breiter wissenschaftlicher Basis, denn wir können nun mal nicht auf jedem Wissensgebiet fachkundig sein.

Also ein weiter Horizont ist besser als ein enger? Na, das ist doch mal eine Überraschung! Mit den Augen rollen

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Was immer Du damit sagen willst...

Was ich sagen will, ist genau das, was ich gesagt habe. Ich weiss, mein Schreibstil ist etwas ungewohnt für Leute, die mit allem, was sie sagen, irgendwas ganz anderes sagen wollen. noc

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Postulate und Definitionen sollten einem philosophischen Zweck dienen und nicht rein willkürlich sein.

Hach, was nicht alles "sein soll"... Ein "philosophischer Zweck" kann ja glücklicherweise so ziemlich fast alles sein.

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Wozu also Dein eingeschränkter Wissensbegriff?

Mein "eingeschränkter" Wissensbegriff (obwohl, der Begriff "eingeschränkt" trifft es nicht wirklich) dient dazu, andere Begriffe wiedereinzusetzen. (Z.B. "Können")
Dass das nicht eine Wiedereinsetzung in jeden Diskurs sein kann, ist klar. Es ist eine Wiedereinsetzung in diesen Diskurs. (Den den wir hier führen.)

Ascanius hat folgendes geschrieben:
Diese Definition ermöglicht es, angeborene Eigenschaften und Verhaltensweisen eines Tieres von erworbenen zu unterscheiden und als solche zu erklären.

Man könnte die Unterscheidung von erworbenem und angeborenem Verhalten natürlich auch einfach durch die Begriffe "erworben" und "angeboren" leisten. Aber warum einfach, intuitiv verständlich und klar, wenn man's auch kompliziert, völlig kontraintuitiv und verquer machen kann?
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Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 11.03.2009, 14:46, insgesamt 2-mal bearbeitet
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Arena-Bey
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Beitrag(#1238231) Verfasst am: 11.03.2009, 13:42    Titel: Antworten mit Zitat

Einen Beleg gegen die These von ascanius über seinen Physiker-Philosophen dürfte der Erwin Schrödinger sein, Tavroc.

An dessen Person und Vita könnte gezeigt werden, dass die absolute Beherrschung der Naturgesetze nicht das Streben nach Gott und das Finden von Gottt ausschließt.... zwinkern

...und der gute Dürrenmatt hat sich in seinen Physikern auch schon die Gedanken gemacht, die ascanius hier unter den Tisch fallen läßt.
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Tarvoc
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Beitrag(#1238281) Verfasst am: 11.03.2009, 14:48    Titel: Antworten mit Zitat

Arena-Bey hat folgendes geschrieben:
Einen Beleg gegen die These von ascanius über seinen Physiker-Philosophen dürfte der Erwin Schrödinger sein, Tarvoc.

Welche These meinst du jetzt genau?

Arena-Bey hat folgendes geschrieben:
...und der gute Dürrenmatt hat sich in seinen Physikern auch schon die Gedanken gemacht, die ascanius hier unter den Tisch fallen läßt.

Stimmt.
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