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Aufklärer und Religion

 
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györgy
dauerhaft freigeschaltet



Anmeldungsdatum: 22.10.2007
Beiträge: 345

Beitrag(#1302820) Verfasst am: 08.06.2009, 09:51    Titel: Aufklärer und Religion Antworten mit Zitat

Ausgehend von dieser Diskussion http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?t=27705 soll hier darüber diskutiert werden, wie bekannte Aufklärer zu Gott und zur Religion standen.

Die Aufklärung wird von atheistischer Seite oft als die wichtigste Geistesbewegung der Menschheitsgeschichte angesehen, die den Weg in die Säkularisierung der Gesellschaft geebnet hätte. Dabei vertraten viele Aufklärer die Ansicht, dass Moral zwingend der Religion (z. B. Rousseau, Kant) bedürfe. Selbst Voltaire war Monotheist und propagierte die Nützlichkeit des Glaubens an Gott.
David Hume hingegen verneinte die Notwendigkeit eines Gottes bzw. der Religion um moralisch zu handeln.
_________________
"Fanatismus ist sicherlich tausendfach verhängnisvoller, denn Atheismus entfacht keine blutige Leidenschaft, wo Fanatismus es tut. Atheismus steht dem Verbrechen gegenüber während Fanatismus zu Verbrechen führt." [Voltaire, Philosophisches Taschenwörterbuch, Bd. 2, Atheismus, Sektion IV]
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Ralf Rudolfy
Auf eigenen Wunsch deaktiviert.



Anmeldungsdatum: 11.12.2003
Beiträge: 26674

Beitrag(#1302823) Verfasst am: 08.06.2009, 09:59    Titel: Antworten mit Zitat

Zitate, die das jeweils belegen, wären recht hilfreich.
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Evilbert
auf eigenen Wunsch deaktiviert



Anmeldungsdatum: 16.09.2003
Beiträge: 42408

Beitrag(#1302825) Verfasst am: 08.06.2009, 10:04    Titel: Antworten mit Zitat

Interessant ist allerdings, wie aber die Notwendigkeit Gottes von gläubigen Aufklärern begründet wird.

Nämlich vermutlich nie gegen die Vernunft, sondern stets mit der Vernunft. Gott ist also ein inhaltliches Zwischenergebnis, mit dem man vernünftigerweise operieren solle, nicht aber die Voraussetzung für Moral oder die Bildung eines Staates oder Gesellschaftsvertrages.

Mit einer solchen Haltung anderer Menschen könnte ich auch als religionskritischer Mensch gut leben, denn diese müsten Handlungsforderungen nach wie vor vernünftig begründen, ob sie nun an Gott glauben oder nicht.

Die Trennung von Argument und Glauben (trotz der Möglichkeit, ja womöglich sogar der Tendenz zum Glauben) spiegelt sich wieder in einer Trennung von Staat und Kirche.

Mehr ist mE gar nicht nötig für ein Zusammenleben zwischen Gläubigen und Ungläubigen.
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Telliamed
registrierter User



Anmeldungsdatum: 05.03.2007
Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten

Beitrag(#1302846) Verfasst am: 08.06.2009, 10:35    Titel: Antworten mit Zitat

Die Aufklärung war keine einheitliche Strömung, so dass die Herausgeber eines Sammelbandes unter Berücksichtigung der Ausprägungsformen in den jeweiligen Ländern 1992 den Titel "Europäische Aufklärung(en)" wählten. In einem der Beiträge dieses Bandes über England wird sogar bezweifelt, ob es dort überhaupt eine Aufklärung gegeben habe, da die Bürgerliche Revolution des 17. Jh. schon wesentliche Forderungen der Aufklärung erfüllt habe - was macht man dann mit John Locke? die Literaturgeschichte hat hingegen kaum Probleme, seine Zeitgenossen Defoe, Swift, Addison, Steele, Pope auch ohne den Aufklärungs-Begriff zu würdigen.
Das ist also noch umstritten, unbestritten ist, dass sich in Schottland mit den Zentren Edinburgh und Glasgow eine spezifische Form der Aufklärung durchsetzte, deren Hauptvertreter zumeist miteinander befreundet waren (Hume, Smith, Robertson, Hutton u.a.).

Wohl nur in Frankreich war die Aufklärung in hohem Maße mit Religionskritik verbunden. Nur eine verschwindende Minderheit der Aufklärer kann als Atheisten in voller Bedeutung des Wortes angesprochen werden: Jean Meslier, Benoit de Maillet, La Mettrie, Holbach und einige andere. Für andere war ein "höchstes Wesen" vorstellbar, wie es dann während der Revolution 1794 zum Gegenstand eines Staatskults erhoben wurde. Die meisten waren Deisten oder auch gläubige Katholiken geblieben.

Auch in Deutschland gab es nur eine kleine Handvoll Atheisten, die in einem 1961 in der DDR erschienenen Band vorgestellt werden: Beiträge zur Geschichte des materialistischen und atheistischen Denkens".

Im deutschsprachigen protestantischen Raum versuchten aufgeklärte Theologen, eine "Theologie der Vernunft" durchzusetzen. Kennzeichnend für sie ist die starke Gefühlskultur. In Johann Joachim Spaldings damaligem Bestseller "Die Bestimmung des Menschen" sowie in Martin Crugots weniger bekannter, aber auch sehr verbreiteter Schrift "Der Christ in der Einsamkeit" kommt Jesus Christus nicht einmal vor! Der Christ Spaldings und Crugots stellt durch Kontemplation ein inniges, persönliches Verhältnis unmittelbar zu Gott her, wer diese Schriften liest, bedarf keiner Vermittlung durch Geistliche. Die neueste Zusammenfassung: Albrecht Beutel: Aufklärung in Deutschland (Die Kirche in ihrer Geschichte. Ein Handbuch). Göttingen 2006.
Im protestantischen Schweden und Dänemark gab es überhaupt keine Religionskritik.

In den katholischen Ländern, wie den italienischen Ländern, Spanien, Portugal, den österreichischen Kernländern der Habsburger Monarchie, ging es kaum um Religionskritik, sondern um die Ausgestaltung des Verhältnisses von absoluter Macht und Kirche. Mit dem Verbot des Jesuitenordens 1773 musste der Papst eine Schlappe hinnehmen. In den Ländern wurde das Volksbildungswesen reformiert, wobei die meisten Fortschritte in Böhmen zu verzeichnen waren.
Über die Aufklärung in Russland und das Verhältnis von Aufklärung und Religion wird wahrscheinlich Ende 2009 ein Band erscheinen.

Philosophiehistoriker, Literaturwissenschaftler, Historiker, Rechtswissenschaftler, Theologen haben jeweils verschiedene Zugriffe auf die Aufklärungszeit und ihre Diskurse, so daß es nicht einfach ist, zu einem Gesamtbild zu gelangen.
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step
registriert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1302876) Verfasst am: 08.06.2009, 11:19    Titel: Antworten mit Zitat

Gute Zusammenfassung von Telliamed.

Ich möchte noch ergänzen, daß für viele Aufklärer des 18. und frühen 19. Jahrhunderts Aufklärung und Theismus kein Gegensatz war, da sie ohnehin einen eher pantheistischen, deistischen o.ä. Glauben hatten (etwa Goethe). Aus heutiger Sicht würde ich sagen, daß der Abstand zwischen einem biblischen/barocken Christentum und einem aufgeklärten Deismus sehr viel größer ist als zwischen letzterem und dem Atheimus.

Dazu kommt, daß die Aufklärung ja nicht mit der "Aufklärung" endete. Während die klassische Aufklärung eher sozio-strukturell orientiert war, also das bürgerliche, individuelle Denken gegenüber gottgegebenen Hierarchien stärkte, wurden die eher inhaltlich orientierten Aspekte der Aufklärung hauptsächlich durch die naturwissenschaftliche Revolution, mit Schwerpunkt im 19. und 20. Jahrhundert, ausgelöst.

Einige "frühe" Materialisten passen nicht in dieses Schema, so etwa Feuerbach. Sie fanden schon vergleichsweise früh einen philosophischen Ausweg aus dem metaphysiklastigen Dualismus der voraufgeklärten Weltbilder.
_________________
Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Telliamed
registrierter User



Anmeldungsdatum: 05.03.2007
Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten

Beitrag(#1302892) Verfasst am: 08.06.2009, 12:29    Titel: Antworten mit Zitat

@györgy

Jetzt habe ich erst einmal im Kissler-Thread hier unter "Weltanschauungen und Religionen" mitbekommen, was Dich im Zusammenhang mit J. J. Rousseau umtreibt.


http://freigeisterhaus.de/viewtopic.php?p=1302796#1302796


Rousseau blieb immer ein gläubiger Mensch. Das, was hier in indirekter Rede wiedergegeben wird, ist wahrscheinlich der Gehalt des "Glaubensbekenntnisses eines savoyardischen Vikars", das in das Erziehungsbuch "Emil" (1762) eingeschlossen ist und einen überkonfessionellen, individuellen Glauben der Menschenliebe propagiert.

Rousseau geriet gleich von zwei Seiten unter Beschuß:

1. sein arger Gegner, der Deist Voltaire, wies darauf hin, dass die Ansichten Rousseaus damit die "Einheitsfront" der Aufklärer untergrabe.
Als reicher Finanzspekulant war Voltaire in Wirklichkeit von der Gleichheitsforderung und der Attacke auf das Privateigentum im gleichzeitig 1762 erschienenen "Gesellschaftsvertrag" Rousseaus schockiert, konnte das allerdings nicht zugeben, er suchte den Genfer lächerlich zu machen und den Eremiten als "Gesellschaftsfeind" hinzustellen.

2. auf der anderen Seite erschien der katholischen Kirche und dem absoluten Staat das "Glaubensbekenntnis" gefährlicher als offen zutage getragenes Freigeistertum und Atheismus zu sein, die ohnehin gesellschaftlich geächtet waren. Das war Kirchenkritik von innen heraus, Ketzerei eines Gläubigen, nicht eines Abtrünnigen, die Zensur schlug zu und verbot den "Emil".
Rousseaus Glaubensbekenntnis unterminierte am wirkungsvollsten die Monopolstellung der katholischen Kirche.

Enthusiastisch griffen hingegen Robespierre und seine Anhänger das Glaubensbekenntnis auf und legten es dem 1794 propagierten "Kult des Höchsten Wesens" zugrunde.
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