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ballancer ... leidet an dianoia ...
Anmeldungsdatum: 27.05.2007 Beiträge: 4767
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(#1347510) Verfasst am: 22.08.2009, 08:40 Titel: Universalien |
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In das Thema möchte ich meit einem Auszug aus dem Song Mercy Street beginnen:
Peter Gabriel hat folgendes geschrieben: | Looking down on empty streets, all she can see
Are the dreams all made solid
Are the dreams made real
All of the buildings, all of those cars
Were once just a dream
In somebody´s head
She pictures the broken glass, she pictures the steam
She pictures a soul with no leak at the seam |
Sind die Dinge nur Materialisationen der Ideen? Bei menschlichen Artefakten scheint es recht offensichtlich zu sein. Hier ist die teleologische (zielgerichtete) Perspektive der Entstehung kaum zu übersehen.
Aber ist das auch eine gültige Analogie für die natürlichen Dinge? Viele hier wurden das verneinen. Oder die abstrakten Dinge, die geistigen Begriffe? Gibt es diese?
Oder gibt es nicht den Sozialismus, sondern nur den real existierenden Sozialismus? Nicht die Freiheit, sondern nur Zustände, die Auswahl ermöglichen? Nicht die Demokratie, sondern die Illusion, dass das Volk die Politik bestimmt?
Platons Höhlengleichnis hat bereits sehr früh eine Ideenlehre als Ausgangspunkt vieler philosophischer Systeme ausgelöst. In der jüngeren Zeit scheint vermehrt die Gegenseite Anhänger zu finden: Im Nominalismus geht man nur noch von Begriffen aus, die eben durch den Gebrauch ihre Bedeutung haben, aber sonst keine weitere Existenz (Wittgenstein).
Mir erscheint das nicht nur blutleer, sondern schlicht falsch, ein kette von Rückschritten in der Geistesgeschichte, deren Höhepunkt vielleicht durch Johannes Duns Scotus markiert war.
Ein guter Artikel zur Einführung, vielleicht etwas zu Anspruchsvoll, ist das Universalienproblem.
_________________ 1.Thessalonicher 5,21 "Prüft aber alles und das Gute behaltet."
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Lamarck Radikaler Konstruktivist
Anmeldungsdatum: 28.03.2004 Beiträge: 2148
Wohnort: Frankfurt am Main
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(#1347529) Verfasst am: 22.08.2009, 09:24 Titel: |
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Hi ballancer,
nein, der Nominalismus ist gewiss kein Rückschritt in der Philosophie. Dies wirst Du feststellen, wenn Du Dich an der Definition von 'Ding' versuchst.
Cheers,
Lamarck
_________________ „Nothing in Biology makes sense, except in the light of evolution.” (Theodosius Dobzhansky)
„If you can’t stand algebra, keep out of evolutionary biology.” (John Maynard Smith)
„Computers are to biology what mathematics is to physics.” (Harold Morowitz)
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Marcellinus Outsider
Anmeldungsdatum: 27.05.2009 Beiträge: 7429
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(#1347542) Verfasst am: 22.08.2009, 10:10 Titel: |
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Ideen entstehen in den Köpfen von Menschen, und zwar nur da und Menschen nur im Plural. Ohne Menschen keine Ideen. Menschen erfinden Begriffe und andere Menschen verwenden dann diese Begriffe, ohne zwingend das Gleiche damit zu begreifen.
Menschen schaffen Dinge, oft ohne vorher eine Vorstellung zu haben, wohin das führt. Der Reißverschluß ist so erfunden worden.
Wer bei Gedankenkonstruktionen von denen abstrahiert, die diese Gedanken entwickeln oder übernehmen und mit sich herumtragen, muß gedanklich in die Irre laufen.
Oder, um Rolf Hellmut Foerster zu zitieren:
"Zur Metaphysik kommt man ..., wenn man beim Nachdenken über eine Sache dem Denken selbst den Vorrang vor der Sache gibt."
_________________ "Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."
Friedrich Nietzsche
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Skeptiker "I can't breathe!"
Anmeldungsdatum: 14.01.2005 Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville
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(#1347545) Verfasst am: 22.08.2009, 10:23 Titel: Re: Universalien |
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ballancer hat folgendes geschrieben: | In das Thema möchte ich meit einem Auszug aus dem Song Mercy Street beginnen:
Peter Gabriel hat folgendes geschrieben: | Looking down on empty streets, all she can see
Are the dreams all made solid
Are the dreams made real
All of the buildings, all of those cars
Were once just a dream
In somebody´s head
She pictures the broken glass, she pictures the steam
She pictures a soul with no leak at the seam |
Sind die Dinge nur Materialisationen der Ideen? Bei menschlichen Artefakten scheint es recht offensichtlich zu sein. Hier ist die teleologische (zielgerichtete) Perspektive der Entstehung kaum zu übersehen.
Aber ist das auch eine gültige Analogie für die natürlichen Dinge? Viele hier wurden das verneinen. Oder die abstrakten Dinge, die geistigen Begriffe? Gibt es diese?
Oder gibt es nicht den Sozialismus, sondern nur den real existierenden Sozialismus? Nicht die Freiheit, sondern nur Zustände, die Auswahl ermöglichen? Nicht die Demokratie, sondern die Illusion, dass das Volk die Politik bestimmt?
Platons Höhlengleichnis hat bereits sehr früh eine Ideenlehre als Ausgangspunkt vieler philosophischer Systeme ausgelöst. In der jüngeren Zeit scheint vermehrt die Gegenseite Anhänger zu finden: Im Nominalismus geht man nur noch von Begriffen aus, die eben durch den Gebrauch ihre Bedeutung haben, aber sonst keine weitere Existenz (Wittgenstein).
Mir erscheint das nicht nur blutleer, sondern schlicht falsch, ein kette von Rückschritten in der Geistesgeschichte, deren Höhepunkt vielleicht durch Johannes Duns Scotus markiert war.
Ein guter Artikel zur Einführung, vielleicht etwas zu Anspruchsvoll, ist das Universalienproblem. |
Nun, der Aufhänger mit dem sehr schönen Song von Peter Gabriel ist schon mal ganz nett.
Der Nominalismus und seine Verbindung mit Empirismus, Positivismus usw. war im Zuge der Herausbildung der bürgerlichen Gesellschaft im ausgehenden Mittelalter sicherlich zunächst mal ein Schlag ins begriffs- und Ideenfetischistische Kontor der herrschenden Kirche, Kaiser und Könige. Errichtet wurde dann die Herrschaft eines anderen großen "K".
Marx hatte dann später viele Erscheinungsformen des Kapitalismus kritisiert, jedoch immer mit dem Hinweis, dass eine Kritik der reinen Begriffe und Formen keine Kritik der Sache selber sein kann. Das heisst: Marx blieb einem Essentialismus verhaftet, der hinter einer Form immer auch noch einen Inhalt, das Wesen bzw. das Prinzip oder wenn man so will: die Idee einer Sache erkannt hat.
Insofern war Marx auch immer skeptisch gegen die ganze Definiererei, weil es eben nicht darum geht, Begriffe beliebig zu setzen und dann deren Sinn allein - Wittgensteinmäßig - aus ihrem gesellschaftlichen Gebrauch abzuleiten. Marxens Blick war eben immer auch hinter den gesellschaftlich vermittelten Gebrauch einer Sache gerichtet, den er nämlich als historisch einschätzte.
Auf der anderen Seite - und das ist ja gerade seine Kritik gegen Platon - sind Ideen eben gerade nicht zeitlos, sondern immer Ausdruck der Produktionsverhältnisse. Gewisse Dinge werden mit deren Veränderung z.B. erst denkbar, die vorher noch nicht denkbar waren.
So dass Marx also ganz klar gezeigt hat, dass auch Begriffe als Begreifen von Realität nur verstanden werden können als Ergebnis der Auseinandersetzung des Menschen mit der ihm zugänglichen gesellschaftlichen Realität. Insofern spiegeln Begriffe und ihre Bedeutungswandlungen auch Wandlungen in Bereichen der Gesellschaft wieder - aber eben nicht vollständig.
Jedenfalls kommt es darauf an, hinter den existierenden Begriffen nicht die dahinter stehende Realität zu vergessen und bei einer Kritik nicht bei der reinen Begriffs- und Formenkritik stehen zu bleiben ...-!
Peter Gabriel - Mercy Street - Live in Milan 2003
Skeptiker
_________________ °
K.I.Z - Frieden
Das ist Postmoderne Ideologie! Psychologe und Philosoph analysieren RASSISMUS-Video
Informationsstelle Militarisierung e.V.
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1347558) Verfasst am: 22.08.2009, 10:55 Titel: |
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Der Nominalismus hat vor allem den unglaublichen Vorteil dass er eine vernünftige Antwort auf die Frage verspricht, wo Begriffe eigentlich herkommen.
Sie als irgendwie unabhängig von uns gegeben anzusehen ist wahrscheinlich die Hauptquelle von schlechter Metaphysik weil es gerade dazu einlädt, völlig unkritisch von den Besonderheiten unseres Denkens oder unserer Sprache auf die Beschaffenheit der Welt zu schliessen.
Wenn man diese Schlussrichtung völlig ausschliesst gräbt man sich als Philosoph natürlich das Wasser ab, was einen großen Teil der Attraktion des semantischen Realismus erklären dürfte. Im Gegensatz zu Platon oder der Scholastik gibt es aber heute dank der evolutionären Perspektive und eines Schuss Externalismus durchaus die Möglichkeit kausale Zusammenhänge von der Realität in Richtung Begriffe anzunehmen, die nicht komplett fantastisch sind und genügend Raum für die Wandelbarkeit von Begriffen lassen und letztere als die Kulturprodukte ansehen, die sie offensichtlich sind, ohne sich dabei gleich Beliebigkeit einzukaufen.
_________________ "If the King's English was good enough for Jesus Christ, it's good enough for the children of Texas!" - Miriam Amanda "Ma" Ferguson, Governor of Texas, als Begründung gegen Spanischunterricht
Zuletzt bearbeitet von Yogosh am 22.08.2009, 11:10, insgesamt einmal bearbeitet |
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1347564) Verfasst am: 22.08.2009, 11:09 Titel: |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: | der Nominalismus ist gewiss kein Rückschritt in der Philosophie. Dies wirst Du feststellen, wenn Du Dich an der Definition von 'Ding' versuchst. |
So sehe ich das auch.
Daß man eine Idee vom Wesen (Nutzen, "use case") etwa eines Tellers haben muß, um diesen Klassenbegriff sinnvoll zu verwenden, ist mit dem Nominalismus durchaus vereinbar und rechtfertigt nicht die Reifizierung dieser abstrakten Idee - außer eben als Vostellung der Benutzung.
Unabhängig vom Universalienstreit kann man allerdings die Frage stellen, was überhaupt Kriterien von Realität oder Existenz sind, bzw. nach einer Theorie, die diese "Phänomene" reduzierend erklärt. Das ist in der modernen Physik durchaus ein Thema.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1347571) Verfasst am: 22.08.2009, 11:35 Titel: Re: Universalien |
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ballancer hat folgendes geschrieben: | Mir erscheint das nicht nur blutleer, sondern schlicht falsch, ein kette von Rückschritten in der Geistesgeschichte, deren Höhepunkt vielleicht durch Johannes Duns Scotus markiert war. |
Das 'schlicht falsch' würde ich ganz gern erklärt haben. Warum glaubst Du, dass Nominalismus falsch ist?
Das 'blutleer' kann ich nachvollziehen, allerdings finde ich das eher einen Vorteil. Semantischer Realismus scheint mir das Problem zu haben zu oft auf eine überbevölkerte Ontologie hinauszulaufen. Das gilt natürlich insbesondere in der Moderne nicht generell. Solange man Universialien wirklich nur dann annimmt, wenn man wirklich gar keine befriedigende nominalistische Erklärung findet, halten sich meine ontologischen Skrupel in Grenzen. Realismus (in dieser Frage) kommt mir bei aber insbesondere bei vielen alten Denkern als die Lizenz zum Fantasieren vor.
So wie ich das sehe ist Nominalismus in allen kritischen Bereichen erst mal vorzuziehen, weil man sich damit nicht so leicht in wüste Spekulationen versteigt. Ihn auch da zu behaupten wo man ihn (noch) nicht besonders überzeugend etabliert hat ist vielleicht etwas dogmatisch. Aber immer wenn man Abstrakta als existierend ansieht, sollte einem schon mal vorsichtshalber schon ein bißchen schwindelig werden.
Ein Beispiel wo ihr Nutzen zu überwiegen scheint ist die Mathematik. Es ist jetzt ungefähr ein Jahrhundert her dass man mit unvorsichtiger Reifizierung Schiffbruch erlitten hat. Ein Prof von mir meinte mal, dass alle Mathematiker unter der Woche an ihren Tafeln Realisten sind, weil es sich damit leichter arbeiten lässt. Wenn sie sich erklären sollen werden sie Formalisten. Aber im Alltag denkt so keiner. Bis zur nächsten Grundlagenkrise ...
_________________ "If the King's English was good enough for Jesus Christ, it's good enough for the children of Texas!" - Miriam Amanda "Ma" Ferguson, Governor of Texas, als Begründung gegen Spanischunterricht
Zuletzt bearbeitet von Yogosh am 22.08.2009, 13:26, insgesamt 2-mal bearbeitet |
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ballancer ... leidet an dianoia ...
Anmeldungsdatum: 27.05.2007 Beiträge: 4767
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(#1347579) Verfasst am: 22.08.2009, 12:00 Titel: |
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Lamarck hat folgendes geschrieben: |
nein, der Nominalismus ist gewiss kein Rückschritt in der Philosophie. Dies wirst Du feststellen, wenn Du Dich an der Definition von 'Ding' versuchst.
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Ich wage mal ein Definitionsversuch ohne Nachschlagen:
Ding = Bezeichnung einer Klasse aller potentiellen Objekte des Denkens.
Denn die Begrenzung auf die manifesten Objekte des Denkens würde jenen neuen oder noch nicht bekannten Objekte die Möglichkeit nehmen, eine Existenz vor der Erkenntnis zu haben. Bei dieser Definition bleibt das Problem der Emergenz unberührt, denn hier wird noch nicht entschieden, ob Dinge erst aus der (zufälligen) Kombination von anderen Dingen erst Seinsqualität erhalten, oder ob diese lediglich Materialisationen präexistenter gedanklicher Objekte sind.
Demnach ist die Unterscheidung zwischen virtuellen und realen Dingen ebenso zunächst irrelevant, denn es verwischen sich die Grenzen der Seinsmodi. Denn es ist uns heute geläufig, mit virtuellen Speichern und virtuellen Servern zu arbeiten. Diese funktionieren durch temporale Abbildungen auf reale Hardware ... aber sie funktionieren letztlich wie eine normale reale Maschine.
Mit Duns Scotus bin ich der Ansicht, dass die sprachliche Repräsentanz - der Begriff - zwar selber ein Ding darstellt, sich aber durch sein Bezug auf ein nicht-sprachliches Objekt erst konstituiert.
_________________ 1.Thessalonicher 5,21 "Prüft aber alles und das Gute behaltet."
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1347591) Verfasst am: 22.08.2009, 13:39 Titel: |
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Mir ist gerade aufgefallen, dass ich nicht wirklich zwischen Universalia und Abstrakta unterschieden habe. Man kann durchaus letztere annehmen ohne sich die problematischeren Universalia einzukaufen und ich bin mir gerade nicht sicher, ob man in der Mathematik überhaupt Universalia braucht.
_________________ "If the King's English was good enough for Jesus Christ, it's good enough for the children of Texas!" - Miriam Amanda "Ma" Ferguson, Governor of Texas, als Begründung gegen Spanischunterricht
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1347599) Verfasst am: 22.08.2009, 14:25 Titel: |
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@ballancer:
Ich glaube dass diese Definition von Ding auf die gleiche Antimonie hinausläuft wie Freges Mengendefinition.
Mal angenommen man kann über die Eigenschaft ein Ding zu sein nachdenken. Dann ist diese Eigenschaft laut Definition auch ein Ding. Trifft also auf sich selber zu.
Das ist etwas besonderes. Viele Dinge sind entweder gar keine Eigenschaften oder sie treffen nicht auf sich selbst zu. Über die letzteren kann ich nachdenken, also gibt es ein Objekt des Denkens, nämlich die Eigenschaft nicht auf sich selbst zuzutreffen.
Und damit haben wir den Salat. Trifft das auf sich selbst zu? So oder so bekommt man einen Widerspruch.
Wenn man aber nicht über die Eigenschaft ein Ding zu sein nachdenken kann, wo kam dann die Definition her?
_________________ "If the King's English was good enough for Jesus Christ, it's good enough for the children of Texas!" - Miriam Amanda "Ma" Ferguson, Governor of Texas, als Begründung gegen Spanischunterricht
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1347601) Verfasst am: 22.08.2009, 14:37 Titel: |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: | Mir ist gerade aufgefallen, dass ich nicht wirklich zwischen Universalia und Abstrakta unterschieden habe. Man kann durchaus letztere annehmen ohne sich die problematischeren Universalia einzukaufen und ich bin mir gerade nicht sicher, ob man in der Mathematik überhaupt Universalia braucht. |
Dein Verdacht ist berechtigt, Mathematik benötigt keine Verdinglichung der Ideen.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1347604) Verfasst am: 22.08.2009, 15:19 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Yogosh hat folgendes geschrieben: | Mir ist gerade aufgefallen, dass ich nicht wirklich zwischen Universalia und Abstrakta unterschieden habe. Man kann durchaus letztere annehmen ohne sich die problematischeren Universalia einzukaufen und ich bin mir gerade nicht sicher, ob man in der Mathematik überhaupt Universalia braucht. |
Dein Verdacht ist berechtigt, Mathematik benötigt keine Verdinglichung der Ideen. |
Da wär ich mir nicht so sicher dass man wirklich auf Realismus verzichten kann. Vielleicht braucht es den auch bloß psychologisch. Und solange man den ganzen Kram formalistisch deuten kann ist es ja auch wurscht ob die Leute die ihn (er)finden sich als Entdecker oder Erfinder fühlen.
Aber ich glaube dass das Universalienproblem sich gar nicht erst stellt, weil in der Mathematik die Mengen die Rolle der Universalien spielen. Und alles was an denen stinkt liegt an der fehlenden Klarheit und der Intensionalität.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1347616) Verfasst am: 22.08.2009, 15:43 Titel: |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: | Und solange man den ganzen Kram formalistisch deuten kann ist es ja auch wurscht ob die Leute die ihn (er)finden sich als Entdecker oder Erfinder fühlen. |
Genau. Selbst wenn sie auch Entdecker sind, also "vorhandene" Beziehungen zwischen formalen Konstrukten entdecken, so bedeutet das doch bei Licht betrachtet auch nicht mehr, als daß Andere diese Entdeckungen nachvollziehen könnten.
Wir Menschen neigen oft dazu, allen Konstrukten, deren Geeignetheit Andere nachvollziehen / nachprüfen können, eine Realität zuzuweisen, weil das für Beschreibungen mit empirischen Hintergrund ("die Schwerkraft") gut funktioniert, denn hier genügen die Instanzen der Begriffsklasse gewisen Kriterien, die wir "hypothetische Realität" nennen.
In formalen Kalkülen wie der Mathematik fehlt dieser Bezug, wir ersetzen ihn aber - zumindest in der "naiven" Mathematik - intuitiv durch empirisch relevante Operationen (Zählvorgang, Mengenbegriff usw.).
So jedenfalls stelle ich mir das vor.
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1347620) Verfasst am: 22.08.2009, 15:51 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | In formalen Kalkülen wie der Mathematik fehlt dieser Bezug, wir ersetzen ihn aber - zumindest in der "naiven" Mathematik - intuitiv durch empirisch relevante Operationen (Zählvorgang, Mengenbegriff usw.). |
Wobei das beim Mengenbegriff mit der naiven Herangehensweise ja grandios schief gegangen ist. Aber solange man das grob im Hinterkopf behält kann man in den meisten Feldern trotzdem so tun als wär nichts passiert.
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ballancer ... leidet an dianoia ...
Anmeldungsdatum: 27.05.2007 Beiträge: 4767
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(#1347634) Verfasst am: 22.08.2009, 16:12 Titel: |
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Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Ideen entstehen in den Köpfen von Menschen, und zwar nur da und Menschen nur im Plural. Ohne Menschen keine Ideen. Menschen erfinden Begriffe und andere Menschen verwenden dann diese Begriffe, ohne zwingend das Gleiche damit zu begreifen. |
Machst du hier rein definitorisches Setzungen? Also Dogmen? Wieso sollte das Gehirn nicht wie ein Sender-Empfänger arbeiten, der die Verbindung zum Reich der Ideen herstellt ... gegebenenfalls als Metapher oder gar in Realitas.
Und das Universium existierte schon vor den Menschen, da sind sich hier wohl alle einig ... per Definition kann man natürlich ausschließen, dass dies Idee eines anderen war.
Begriffe und Bedeutungen sind weder völlig identisch zwischen den Menschen - sonst würden wir ja alle das gleiche denken - noch sind sie völlig verschieden - denn sonst könnten wir uns gar nicht verständigen. Menschen benötigen eine gemeinsame Kommunikationsbasis. Und darum entsprechen zumeist begriffen einer verstehbaren Bedeutung.
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Menschen schaffen Dinge, oft ohne vorher eine Vorstellung zu haben, wohin das führt. Der Reißverschluß ist so erfunden worden. |
Ist das immer so? Oder ist Erfinderarbeit oft mühevolles suchen, nicht nur Ideenblitz.
Aber bleiben wir bei den unintendierten Erfindungen, die nicht erarbeitet wurden: Wo kommen diese her? Entstehen sie aus dem Nichts?
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Wer bei Gedankenkonstruktionen von denen abstrahiert, die diese Gedanken entwickeln oder übernehmen und mit sich herumtragen, muß gedanklich in die Irre laufen. |
Dann würde die Mathematik grundsätzlich in die Irre laufen. Denn ich kenne eigentlich gar keine Mathematiker, die die Zahlen, Rechenoperationen, Algebra, Geometrie uvm. entdeckt haben. Und ich behaupte: Du kennst sie auch nicht. Dennoch irrst du nicht in der Nutzung der Mathematik.
Marcellinus hat folgendes geschrieben: | Oder, um Rolf Hellmut Foerster zu zitieren:
"Zur Metaphysik kommt man ..., wenn man beim Nachdenken über eine Sache dem Denken selbst den Vorrang vor der Sache gibt." |
Profanisierung mutet in einem Diskussionsforum über Weltanschauungen schon recht skuril an.
_________________ 1.Thessalonicher 5,21 "Prüft aber alles und das Gute behaltet."
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ballancer ... leidet an dianoia ...
Anmeldungsdatum: 27.05.2007 Beiträge: 4767
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(#1347648) Verfasst am: 22.08.2009, 16:43 Titel: Re: Universalien |
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Skeptiker hat folgendes geschrieben: |
Der Nominalismus und seine Verbindung mit Empirismus, Positivismus usw. war im Zuge der Herausbildung der bürgerlichen Gesellschaft im ausgehenden Mittelalter sicherlich zunächst mal ein Schlag ins begriffs- und Ideenfetischistische Kontor der herrschenden Kirche, Kaiser und Könige. Errichtet wurde dann die Herrschaft eines anderen großen "K". |
Ob das wirklich ein so großer Fortschritt war? Ich denke mal 'ja'. Ob aber der Nominalismus eher die Begleiterscheinung gesellschaftlicher und geistesgeschichtlicher Entwicklung war, oder ob er wirklich die Entwicklung auch getrieben hat, halte ich für alles andere als offensichtlich. Denn alle beistesgeschichtlliche Bewegungen - einschließlich des Empirismus - lassen sich weitgehend auch Universalienrealistisch deuten. Denn der Universalienrealismus misstraute der Erfahrung als irrtumsanfällig. Dem zu folge konnte er seine Erkenntnis jedoch nicht robust absichern. Ein Empirismus, der einen deduktiven Ansatz zur Erkenntnis der Universalien schafft, ist nicht nur theoretisch denkbar, sondern wurde in großer Breite praktiziert.
Ich sehe Kapitalismus und Klerikalismus keineswegs als gegenseitig exklusiv, sondern weitgehend unabhängig voneinander. Es sind Formen bekannt, die sich gegenseitig stützten, Formen, die sich antigonistisch gegenüber standen und Formen, in denen das eine oder andere isoliert auftrat.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Marx hatte dann später viele Erscheinungsformen des Kapitalismus kritisiert, jedoch immer mit dem Hinweis, dass eine Kritik der reinen Begriffe und Formen keine Kritik der Sache selber sein kann. Das heisst: Marx blieb einem Essentialismus verhaftet, der hinter einer Form immer auch noch einen Inhalt, das Wesen bzw. das Prinzip oder wenn man so will: die Idee einer Sache erkannt hat. |
Man spricht auch von gemäßigtem Realismus und gemäßigtem Nominalismus. Marxismus verstehe ich de facto stärker den Universalien zugeneigt als dem Nominalismus, den jede normative Moral, jede Geschichtsphilosophie trägt in sich eine Idee, die über den konkreten Erscheinungen steht.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Insofern war Marx auch immer skeptisch gegen die ganze Definiererei, weil es eben nicht darum geht, Begriffe beliebig zu setzen und dann deren Sinn allein - Wittgensteinmäßig - aus ihrem gesellschaftlichen Gebrauch abzuleiten. Marxens Blick war eben immer auch hinter den gesellschaftlich vermittelten Gebrauch einer Sache gerichtet, den er nämlich als historisch einschätzte. |
Wittgenstein blieb - bei aller Sympathie - in einer deskriptiven Analyse stecken und hatte nicht den Mut, synthetisch die Idee - seine Idee - voranzutreiben. Hier sehe ich auch einen Bruch, denn er hat einen höchst moralgetrieben Lebensstil praktiziert, den er aber nicht aus dem deskriptiven Ansatz herleiten kann.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Auf der anderen Seite - und das ist ja gerade seine Kritik gegen Platon - sind Ideen eben gerade nicht zeitlos, sondern immer Ausdruck der Produktionsverhältnisse. Gewisse Dinge werden mit deren Veränderung z.B. erst denkbar, die vorher noch nicht denkbar waren. |
Ich sehe hier kein absolutes 'immer'. Es gibt sowohl zeitlose Aspekte der Geistesgeschichte und auch geistesgeschichtliche Entwicklungen. Wie aber sind diese Entwicklungen aufzufassen? Sind es fortschreitende Entdeckungen der Ideenwelt? Erkenntnisse präexistenter Befindlichkeiten? Oder de novo emergente Ideen?
Marx' Gerschichtsphilosophie maßt sich sehr wohl eine schau der Ideen und Werte an, die über die individuelle und zeitliche Erkenntnis hinaus geht und meint sehr wohl, Realität zu beschreiben. Er würde vermutlich im Grab rotieren, wenn man ihn für den 'Erfinder' des Marxismus halten würde. Ihm wäre sicher erheblich wohler, wenn man ihn als Entdecker verstehen würde.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | So dass Marx also ganz klar gezeigt hat, dass auch Begriffe als Begreifen von Realität nur verstanden werden können als Ergebnis der Auseinandersetzung des Menschen mit der ihm zugänglichen gesellschaftlichen Realität. Insofern spiegeln Begriffe und ihre Bedeutungswandlungen auch Wandlungen in Bereichen der Gesellschaft wieder - aber eben nicht vollständig. |
So verstehe ich Marx auch.
Skeptiker hat folgendes geschrieben: | Jedenfalls kommt es darauf an, hinter den existierenden Begriffen nicht die dahinter stehende Realität zu vergessen und bei einer Kritik nicht bei der reinen Begriffs- und Formenkritik stehen zu bleiben ...-! |
Deswegen halte ich auch den Nominalistischen Ansatz für falsch. Er suggeriert letztlich, dass es keine Realität gibt ... weder für stoffliche Dinge, noch für Abstraktionen. Der gesellschaftliche Gebrauch kann nämlich völlig beliebig sein, und löst damit den engen Realitätsbezug auf. Das aber passt nicht, denn die Realität ist stabil und ändert sich nicht durch unsere Anschauung. Unsere Anschauung ändert sich aber durch betrachten der Realität.
Eine eindrucksvolle Performance ... ich kannte bislang nur die Studio-Version. Danke für den Link.
_________________ 1.Thessalonicher 5,21 "Prüft aber alles und das Gute behaltet."
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1347653) Verfasst am: 22.08.2009, 16:55 Titel: Re: Universalien |
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ballancer hat folgendes geschrieben: | Deswegen halte ich auch den Nominalistischen Ansatz für falsch. Er suggeriert letztlich, dass es keine Realität gibt ... weder für stoffliche Dinge, noch für Abstraktionen. |
Errrrm .... der Nominalismus bestreitet die Existenz von stofflichen Dingen? Das musst Du mir erklären.
ballancer hat folgendes geschrieben: | Der gesellschaftliche Gebrauch kann nämlich völlig beliebig sein, und löst damit den engen Realitätsbezug auf. Das aber passt nicht, denn die Realität ist stabil und ändert sich nicht durch unsere Anschauung. Unsere Anschauung ändert sich aber durch betrachten der Realität. |
Der gesellschaftliche Gebrauch kann nicht völlig beliebig und auch nicht völlig losgelöst von der Realität sein. Worte sind soziale Werkzeuge. Konformität und Nutzen trägt zu ihrem Überleben bei. (Aus dem Gedächtnis nach Quine zitiert)
Bislang gab es hier übrigens noch kein einziges Argument für Universalien und auch keine Plausibilisierung. Nur etwas halbherzige Kritik am Nominalismus oder dem, was Du gerne als Nominalismus bezeichnen möchtest. Die Aussage, dass Nominalisten stoffliche Dinge oder Abstrakta ablehnen lässt mich am gemeinsamen Verständnis zweifeln. Nominalisten lehnen die Existenz von Genera ab. Singuläre Abstrakta sind davon erst mal nicht betroffen.
_________________ "If the King's English was good enough for Jesus Christ, it's good enough for the children of Texas!" - Miriam Amanda "Ma" Ferguson, Governor of Texas, als Begründung gegen Spanischunterricht
Zuletzt bearbeitet von Yogosh am 22.08.2009, 17:09, insgesamt 2-mal bearbeitet |
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Myron Mereoplethyntikologe
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3632
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(#1347658) Verfasst am: 22.08.2009, 16:58 Titel: Re: Universalien |
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"Als Universalien werden Allgemeinbegriffe wie beispielsweise „Mensch“ und „Menschheit“ oder mathematische Entitäten wie „Zahl“, „Relation“ und „Klasse“ bezeichnet."
Das ist schon falsch!
Denn zunächst ist zwischen sprachlichen Prädikaten (Begriffswörtern), nichtsprachlichen, aber sprach- bzw. geistabhängigen Begriffen und nichtsprachlichen, sprach- bzw. geistunabhängigen Eigenschaften und Beziehungen zu unterscheiden.
Universalien sind also Eigenschaften und Beziehungen, die von vielen Dingen besessen (exemplifiziert) werden können. Wenn es z.B. die Schönheit als allgemeine Wesenheit gibt, dann ist es stets ein und dieselbe Eigenschaft, die von allen schönen Dingen besessen wird.
Des Weiteren ist zu betonen, dass es zwei Typen abstrakter Entitäten gibt:
1. Universalien
2. abstrakte Objekte
Es ist also zu unterscheiden zwischen den Eigenschaften des Zahlseins und Klasseseins als (möglichen) Universalien und Zahlen und Klassen als abstrakten Objekten.
Man kann die Existenz von Universalien verneinen und die Existenz abstrakter Objekte bejahen, und umgekehrt.
Zuletzt bearbeitet von Myron am 22.08.2009, 17:28, insgesamt 4-mal bearbeitet |
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ballancer ... leidet an dianoia ...
Anmeldungsdatum: 27.05.2007 Beiträge: 4767
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(#1347660) Verfasst am: 22.08.2009, 16:59 Titel: |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: | Der Nominalismus hat vor allem den unglaublichen Vorteil dass er eine vernünftige Antwort auf die Frage verspricht, wo Begriffe eigentlich herkommen. |
Wenn dieser Satz nicht inkonsistent wäre, würde er dem Gleichen Grundmuster unterliegen wie der Aussage, dass der Vorteil der Farbe Blau wäre, eben nicht rot zu sein.
Die Inkonsistenz beruht in der Beobachtung, dass der Nominalismus ja gerade das 'eigentlich' ablehnt, denn dies stellt wieder eine Abstraktion dar, eine Verallgemeinerung, deren Validität man ja gerade zurück gewiesen hat. Es gibt demnach eigentlich auch keinen Begriff an sich, sondern nur den konkreten Begriff für eine konkrete Sache. Eine Verallgemeinerung auf die Idee des Begriffes und wo dieser wohl her kommen mag, ist nur dem Universalienrealist gestattet.
Yogosh hat folgendes geschrieben: | Sie als irgendwie unabhängig von uns gegeben anzusehen ist wahrscheinlich die Hauptquelle von schlechter Metaphysik weil es gerade dazu einlädt, völlig unkritisch von den Besonderheiten unseres Denkens oder unserer Sprache auf die Beschaffenheit der Welt zu schliessen. |
non sequitur.
Kritik, Reflektion und Sprachanalyse werden durch den Universalienrealismus weder verhindert, noch eingeschränkt. Im Gegenteil: Gerade weil der Universalienrealist eine Idee der Wahrheit folgen kann und nicht minimalistisch jeden Gedanken leugnen muss, fällt man in der Reaktion gerade in ein reflektorisches Muster.
Yogosh hat folgendes geschrieben: | Wenn man diese Schlussrichtung völlig ausschliesst gräbt man sich als Philosoph natürlich das Wasser ab, was einen großen Teil der Attraktion des semantischen Realismus erklären dürfte. Im Gegensatz zu Platon oder der Scholastik gibt es aber heute dank der evolutionären Perspektive und eines Schuss Externalismus durchaus die Möglichkeit kausale Zusammenhänge von der Realität in Richtung Begriffe anzunehmen, die nicht komplett fantastisch sind und genügend Raum für die Wandelbarkeit von Begriffen lassen und letztere als die Kulturprodukte ansehen, die sie offensichtlich sind, ohne sich dabei gleich Beliebigkeit einzukaufen. |
Hier ist ein Punkt der Annäherung erkennbar. Denn reiner Nominalismus ähnelt doch dem Solipsismus und Nihilismus. Er ist in der Konsequenz destruktiv.
Ein gemäßigter Nominalismus ist dagegen zwar vertretbar, aber ich halte ihn noch immer für falsch.
_________________ 1.Thessalonicher 5,21 "Prüft aber alles und das Gute behaltet."
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1347662) Verfasst am: 22.08.2009, 17:07 Titel: |
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ballancer hat folgendes geschrieben: | Yogosh hat folgendes geschrieben: | Der Nominalismus hat vor allem den unglaublichen Vorteil dass er eine vernünftige Antwort auf die Frage verspricht, wo Begriffe eigentlich herkommen. |
Wenn dieser Satz nicht inkonsistent wäre, würde er dem Gleichen Grundmuster unterliegen wie der Aussage, dass der Vorteil der Farbe Blau wäre, eben nicht rot zu sein.
Die Inkonsistenz beruht in der Beobachtung, dass der Nominalismus ja gerade das 'eigentlich' ablehnt, denn dies stellt wieder eine Abstraktion dar, eine Verallgemeinerung, deren Validität man ja gerade zurück gewiesen hat. Es gibt demnach eigentlich auch keinen Begriff an sich, sondern nur den konkreten Begriff für eine konkrete Sache. Eine Verallgemeinerung auf die Idee des Begriffes und wo dieser wohl her kommen mag, ist nur dem Universalienrealist gestattet. |
Oh je. Oh je. 'Eigentlich' war eigentlich mal eine ganz harmlose Füllphrase. Aber Metaphysiker denken natürlich sofort an sonst was.
Ich formuliere es mal um:
Der Nominalismus hat vor allem den unglaublichen Vorteil dass er eine vernünftige Antwort auf die Frage verspricht, wie sich Eigenschaftsworte entwickelt haben und warum sie so nützlich sind.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1347665) Verfasst am: 22.08.2009, 17:13 Titel: Re: Universalien |
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ballancer hat folgendes geschrieben: | Deswegen halte ich auch den Nominalistischen Ansatz für falsch. Er suggeriert letztlich, dass es keine Realität gibt ... |
Das verstehe ich nicht.
Übrigens finde ich auch einige Sätze in dem Wikipedia-Artikel fragwürdig, z.B. daß der Naturalismus einen Universalienrealismus impliziere.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Myron Mereoplethyntikologe
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3632
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(#1347666) Verfasst am: 22.08.2009, 17:13 Titel: Re: Universalien |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: |
Errrrm .... der Nominalismus bestreitet die Existenz von stofflichen Dingen? Das musst Du mir erklären. |
Die drei Formen des Nominalismus:
— Nominalismus_1: Alles ist eine Einzelheit (ein Einzelding, engl. 'particular'). (D.h., es gibt keine Universalien, weder immanenter noch transzendenter Art)
— Nominalismus_2: Alles ist konkret. (D.h., es gibt keine abstrakten Objekte.)
— Nominalismus_3: Alles ist eine konkrete Einzelheit (ein konkretes Einzelding). (D.h. es gibt weder Universalien noch abstrakte Objekte.)
Wird alles in folgendem Text optimal erklärt:
http://plato.stanford.edu/entries/nominalism-metaphysics
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Myron Mereoplethyntikologe
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3632
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(#1347668) Verfasst am: 22.08.2009, 17:21 Titel: Re: Universalien |
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step hat folgendes geschrieben: |
Übrigens finde ich auch einige Sätze in dem Wikipedia-Artikel fragwürdig, z.B. daß der Naturalismus einen Universalienrealismus impliziere. |
Mit dem Naturalismus ist höchstens der aristotelische (immanentistische) Universalienrealismus ("universalia in rebus") vereinbar. Er impliziert diesen aber nicht, da man als Naturalist genauso gut Nominalist sein kann.
(Nominalismus bedeutet übrigens nicht gleich Antirealismus in Bezug auf Eigenschaften und Beziehungen, denn man kann durchaus deren Realität als Partikularien postulieren. Dieser Ansatz ist in der anglo-amerikanischen Philosophie als "trope theory" bekannt.)
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1347669) Verfasst am: 22.08.2009, 17:22 Titel: |
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@ballancer:
Nur mal so zum Verständnis: Du scheinst Dir Nominalismus als ziemlichen Strohmann aufzubauen. Wenn Du hier irgendeine scholastische Zerrversion davon abschiessen willst, viel Spass dabei.
Falls es Dir aber um moderne Versionen geht, dann kümmer Du Dich doch einfach mal um die Position des semantischen Realisten und bring mal positive Argumente dafür.
_________________ "If the King's English was good enough for Jesus Christ, it's good enough for the children of Texas!" - Miriam Amanda "Ma" Ferguson, Governor of Texas, als Begründung gegen Spanischunterricht
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ballancer ... leidet an dianoia ...
Anmeldungsdatum: 27.05.2007 Beiträge: 4767
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(#1347673) Verfasst am: 22.08.2009, 17:35 Titel: Re: Universalien |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: | ballancer hat folgendes geschrieben: | Deswegen halte ich auch den Nominalistischen Ansatz für falsch. Er suggeriert letztlich, dass es keine Realität gibt ... weder für stoffliche Dinge, noch für Abstraktionen. |
Errrrm .... der Nominalismus bestreitet die Existenz von stofflichen Dingen? Das musst Du mir erklären. |
Nominalismus erklärrt letztlich jeden Begriff als ausschließlich durch seinen gesellschaftlichen Gebrauch erklärt. Er basiert auf der Vorstellung, dass das Denken in vereinbarten symbolen geschieht. Selbst ein Objekt, dass mit dem Begriff 'Tisch' identifiziert wird, erhält seine Zuweisung nur durch den gesellschaftlichen Gebrauch. In andere Gesellschaften mag er adequat als Bahre, Stuhl oder bloß als Artefakt verstanden werden, also einem anderen Sprachspiel zugeordnet sein. Existiert also dieses Objekt, dass so unterschiedlich identifiziert werden kann?
Der Nominalismus kennt letztlich nur Namen, Symbole, die jeweils unterschiedlich zu Bedeutungen zugeordnet werden kann. Die Realität selber kann also nur durch realtive Namen beschrieben werden, und wird somit nicht mehr substanziell.
Yogosh hat folgendes geschrieben: | ballancer hat folgendes geschrieben: | Der gesellschaftliche Gebrauch kann nämlich völlig beliebig sein, und löst damit den engen Realitätsbezug auf. Das aber passt nicht, denn die Realität ist stabil und ändert sich nicht durch unsere Anschauung. Unsere Anschauung ändert sich aber durch betrachten der Realität. |
Der gesellschaftliche Gebrauch kann nicht völlig beliebig und auch nicht völlig losgelöst von der Realität sein. Worte sind soziale Werkzeuge. Konformität und Nutzen trägt zu ihrem Überleben bei. (Aus dem Gedächtnis nach Quine zitiert) |
Das ist doch keine Argumentation gegen meinen Punkt. Denn die Validität der Begriffe ist doch an seinen gesellschftlich-kulturellen Hintergrund gebunden, der auch völlig anders sein kann.
Wie also kann der Nominalist irgend etwas von der Realität wissen? Denn auch 'Realität' ist ein Begriff der Universalie. Der Nominalist kann nur in Sprachspielen denken und seine Erfahrung in einer spezischen gesellschaftlichen Begriffswelt nutzen.
Quine wird dem Konzeptualismus zugerechnet, der sicher nicht mehr als reiner Nominalismus angesehen werden kann. Das Problem des Konzeptualismus ist aber ebenso wie bei stärkeren Formen des reinen Nomnalismus, dass dieser mit Begriffen beschrieben werden muss, die letztlich den Realismus voraussetzen.
So deklariert Quine ja auch den Begriff als nachrangig gebildet und dadurch existent. Die Kausalität, die zur Begriffsbildung geführt haben soll, ist dann aber notwendig und die Begriffsbildung nicht zufällig. Also fallt es schleißlich auch bei Konzeptualisten schwer, hier letztlich eine klare Absage an den Universalienrealismus festzustellen. Die Grenzen verwischen.
Yogosh hat folgendes geschrieben: | Bislang gab es hier übrigens noch kein einziges Argument für Universalien und auch keine Plausibilisierung oder. Nur etwas halbherzige Kritik am Nominalismus oder das, was Du gerne als Nominalismus bezeichnen möchtest. Die Aussage, dass Nominalisten stoffliche Dinge oder Abstrakta ablehnen lässt mich am gemeinsamen Verständnis zweifeln. Nominalisten lehnen die Existenz von Genera ab. Singuläre Abstrakta sind davon erst mal nicht betroffen. |
Hier unterscheiden sich Nominalisten untereinander. Einige bestreiten sehr wohl, dass eine Abstraktion auf Grundlage der Ähnlichkeit mehr sei als ein gedankliches Konstrukt, welches aber nicht den Anspruch der Realität trägt.
Der Universalienrealismus ist m.E. selbstevident, denn er wird stillschweigend in jeder philosphischen Diskussion vorausgesetzt. Denn alle Begriffe, die hier zum Einsatz kommen, sind Universalien. Wenn diese nicht reale Gegenstände beschreiben, was tun sie denn?
Der Universalienrealismus wird von Nominalisten oft als mystischen Begriffsnebel missverstanden. Meines Erachtens hat dies Johannes Duns Scotus jedoch vollständig befridigend berits im 14. Jahrhundert gelöst, indem er sprachkritisch den sprachlichen Begriff (als Anschauung) von der Natura Communis trennte. Ich sehe nicht, welches Problem Wittgenstein danach noch lösen wollte.
_________________ 1.Thessalonicher 5,21 "Prüft aber alles und das Gute behaltet."
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ballancer ... leidet an dianoia ...
Anmeldungsdatum: 27.05.2007 Beiträge: 4767
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(#1347676) Verfasst am: 22.08.2009, 17:52 Titel: Re: Universalien |
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Myron hat folgendes geschrieben: |
"Als Universalien werden Allgemeinbegriffe wie beispielsweise „Mensch“ und „Menschheit“ oder mathematische Entitäten wie „Zahl“, „Relation“ und „Klasse“ bezeichnet."
Das ist schon falsch!
Denn zunächst ist zwischen sprachlichen Prädikaten (Begriffswörtern), nichtsprachlichen, aber sprach- bzw. geistabhängigen Begriffen und nichtsprachlichen, sprach- bzw. geistunabhängigen Eigenschaften und Beziehungen zu unterscheiden.
Universalien sind also Eigenschaften und Beziehungen, die von vielen Dingen besessen (exemplifiziert) werden können. Wenn es z.B. die Schönheit als allgemeine Wesenheit gibt, dann ist es stets ein und dieselbe Eigenschaft, die von allen schönen Dingen besessen wird. |
Es wäre falsch, wenn hier ein Position sinnwidrig wiedergegeben würde.
Der Artikel legte jedoch nahe, dass eine Universalie eben nicht bloß Eigenschaft eines Dinges sei. Du scheinst hier eine nominalistische Definition normativ setzen zu wollen, der aber kein Universalienrealist zustimmen würde.
Myron hat folgendes geschrieben: | Des Weiteren ist zu betonen, dass es zwei Typen abstrakter Entitäten gibt:
1. Universalien
2. abstrakte Objekte
Es ist also zu unterscheiden zwischen den Eigenschaften des Zahlseins und Klasseseins als (möglichen) Universalien und Zahlen und Klassen als abstrakten Objekten.
Man kann die Existenz von Universalien verneinen und die Existenz abstrakter Objekte bejahen, und umgekehrt. |
Dies allerdings ist eine Unterscheidung, die ich nicht nachvollziehen kann. Hier lieferst du gerade keine Abgrenzung der Begriffe. Mit deiner nominalistischen Definition der Universalien lieferst du keine hinreichend Begrifflichkeit, die Abgrenzung und Verhältnisse der Begriff zu bestimmen. Denn wer die Schönheit als Eigenschaft aller Member der Klasse der Schönen Objekte definiert, müsste darstellen können, worin abstrakte Objekte keine Universalien seien und umgekehrt.
Oder siehst du Universalien als eine Unterklasse von 'abstrakte Objekte' ? Dann aber müsste es andere Unterklassen von 'abstrakte Objekte' geben, die nicht Universalien wären. Dies alles macht widerspruchsfreie Definitionen erforderlich.
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ballancer ... leidet an dianoia ...
Anmeldungsdatum: 27.05.2007 Beiträge: 4767
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(#1347678) Verfasst am: 22.08.2009, 17:58 Titel: |
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Yogosh hat folgendes geschrieben: | ballancer hat folgendes geschrieben: | Yogosh hat folgendes geschrieben: | Der Nominalismus hat vor allem den unglaublichen Vorteil dass er eine vernünftige Antwort auf die Frage verspricht, wo Begriffe eigentlich herkommen. |
Wenn dieser Satz nicht inkonsistent wäre, würde er dem Gleichen Grundmuster unterliegen wie der Aussage, dass der Vorteil der Farbe Blau wäre, eben nicht rot zu sein.
Die Inkonsistenz beruht in der Beobachtung, dass der Nominalismus ja gerade das 'eigentlich' ablehnt, denn dies stellt wieder eine Abstraktion dar, eine Verallgemeinerung, deren Validität man ja gerade zurück gewiesen hat. Es gibt demnach eigentlich auch keinen Begriff an sich, sondern nur den konkreten Begriff für eine konkrete Sache. Eine Verallgemeinerung auf die Idee des Begriffes und wo dieser wohl her kommen mag, ist nur dem Universalienrealist gestattet. |
Oh je. Oh je. 'Eigentlich' war eigentlich mal eine ganz harmlose Füllphrase. Aber Metaphysiker denken natürlich sofort an sonst was.
Ich formuliere es mal um:
Der Nominalismus hat vor allem den unglaublichen Vorteil dass er eine vernünftige Antwort auf die Frage verspricht, wie sich Eigenschaftsworte entwickelt haben und warum sie so nützlich sind. |
Du reitest dich immer tiefer in innere Widersprüche. Denn hier verwendest du den Begriff 'Eigenschaftsworte' in einem generischen Sinn. Was aber konstituiert diesen Begriff? Eine Abstraktion der Sprachregeln? Einen gesellschaftlichen Gebrauch? Existierten 'Eigenschaftsworte' jenseits ihres Namens und ihrer konkreten Ausprägung? Was aber kann man generisch über 'Eigenschaftsworte' aussagen, wenn man nominalistisch denkt? Es sei die Klasse von Objekten, die einer gesellschaftlich akzeptierten Definition des Begriffes folgt. ... und damit wird sie zur Tautologie.
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Yogosh Leisetreter ...und Klugscheisser
Anmeldungsdatum: 19.03.2009 Beiträge: 2170
Wohnort: Berlin
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(#1347682) Verfasst am: 22.08.2009, 18:06 Titel: Re: Universalien |
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ballancer hat folgendes geschrieben: | Der Universalienrealismus ist m.E. selbstevident, denn er wird stillschweigend in jeder philosphischen Diskussion vorausgesetzt. Denn alle Begriffe, die hier zum Einsatz kommen, sind Universalien. |
Nein, alle Begriffe, die da zum Einsatz kommen deutest Du als Universalien. Bloß weil ein Nominalist die gleichen Wörter benutzt heißt das noch lange nicht, dass er sich den gleichen metaphysischen Ballast einkauft. Die von Dir empfundene Selbstevidenz beruht ausschliesslich auf einer extrem naiven Bedeutungstheorie. Das ist zwar wohl die, die einem erst mal so einfällt aber dabei muss man ja nicht steckenbleiben.
ballancer hat folgendes geschrieben: | Wenn diese nicht reale Gegenstände beschreiben, was tun sie denn? |
Worte spielen eine systematische Rolle in der Sprache. Das ist erst mal alles. Sie sind, wie gesagt, soziale Werkzeuge der Kommunikation. Die Vorstellung dass jedes Wort oder auch bloß jedes Substantiv irgendeinen Gegenstand bezeichnen würde oder müsste ist mittlerweile so was von überholt, dass es sich nicht lohnt darüber zu reden. Worte gelten schon lange nicht mehr die elementaren Bausteine von Bedeutung. Noch nicht mal bei denen, die noch von elementaren Bausteinen ausgehen.
ballancer hat folgendes geschrieben: | Der Universalienrealismus wird von Nominalisten oft als mystischen Begriffsnebel missverstanden. Meines Erachtens hat dies Johannes Duns Scotus jedoch vollständig befridigend berits im 14. Jahrhundert gelöst, indem er sprachkritisch den sprachlichen Begriff (als Anschauung) von der Natura Communis trennte. Ich sehe nicht, welches Problem Wittgenstein danach noch lösen wollte. |
Wenn Du nicht weisst welche Probleme Wittgenstein und damit eigentlich überhaupt so ziemlich alle Philosophie seit etwa 100 Jahren hatte, dann erklärt Einiges.
Aber Dir kam bislang noch nicht der Gedanke, dass der Fehler da bei Dir liegt?
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Myron Mereoplethyntikologe
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3632
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(#1347683) Verfasst am: 22.08.2009, 18:07 Titel: Re: Universalien |
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ballancer hat folgendes geschrieben: |
Der Artikel legte jedoch nahe, dass eine Universalie eben nicht bloß Eigenschaft eines Dinges sei. |
Es kann sich dabei auch um eine Beziehung zwischen mehreren Dingen handeln.
ballancer hat folgendes geschrieben: |
Du scheinst hier eine nominalistische Definition normativ setzen zu wollen, der aber kein Universalienrealist zustimmen würde. |
Ich will nichts dergleichen.
ballancer hat folgendes geschrieben: |
Myron hat folgendes geschrieben: | Des Weiteren ist zu betonen, dass es zwei Typen abstrakter Entitäten gibt:
1. Universalien
2. abstrakte Objekte
Es ist also zu unterscheiden zwischen den Eigenschaften des Zahlseins und Klasseseins als (möglichen) Universalien und Zahlen und Klassen als abstrakten Objekten.
Man kann die Existenz von Universalien verneinen und die Existenz abstrakter Objekte bejahen, und umgekehrt. |
Dies allerdings ist eine Unterscheidung, die ich nicht nachvollziehen kann. Hier lieferst du gerade keine Abgrenzung der Begriffe. Mit deiner nominalistischen Definition der Universalien lieferst du keine hinreichend Begrifflichkeit, die Abgrenzung und Verhältnisse der Begriff zu bestimmen. Denn wer die Schönheit als Eigenschaft aller Member der Klasse der Schönen Objekte definiert, müsste darstellen können, worin abstrakte Objekte keine Universalien seien und umgekehrt. |
Ich weiß nicht, was du mit "deine nominalistische Definition" meinst. Ich habe einfach nur beschreibend die Sachlage wiedergegeben.
Der Unterschied zwischen abstrakten Objekten und Universalien besteht in dem grundlegenden Unterschied zwischen Gegenständen/Dingen und Eigenschaften/Beziehungen:
Ein Gegenstand/Ding ist ein Träger von Eigenschaften oder ein Teilträger von Beziehungen, der/das nicht selbst als Eigenschaft/Beziehung von etwas anderem getragen werden kann.
ballancer hat folgendes geschrieben: |
Oder siehst du Universalien als eine Unterklasse von 'abstrakte Objekte' ? Dann aber müsste es andere Unterklassen von 'abstrakte Objekte' geben, die nicht Universalien wären. |
Die Klasse der abstrakten Entitäten setzt sich—sofern es Derartiges überhaupt gibt—aus den abstrakten Objekten und den abstrakten Universalia zusammen.
(Ob immanente Universalien im Gegensatz zu den transzendenten mehr konkret als abstrakt sind, darüber lässt sich streiten. Wenn "abstrakt" das Merkmal "nicht raumzeitlich" beinhaltet, dann sind immanente Universalien allerdings nicht abstrakt.)
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ballancer ... leidet an dianoia ...
Anmeldungsdatum: 27.05.2007 Beiträge: 4767
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(#1347687) Verfasst am: 22.08.2009, 18:15 Titel: Re: Universalien |
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step hat folgendes geschrieben: | ballancer hat folgendes geschrieben: | Deswegen halte ich auch den Nominalistischen Ansatz für falsch. Er suggeriert letztlich, dass es keine Realität gibt ... |
Das verstehe ich nicht.
Übrigens finde ich auch einige Sätze in dem Wikipedia-Artikel fragwürdig, z.B. daß der Naturalismus einen Universalienrealismus impliziere. |
Ich versuche, mein Verständnis der Begriffe und damit das eigentlich Problem zu benennen. (Ich darf 'eigentlich' sagen, denn ich bin ja kein Nominalist )
Der Ansatz de Nominalismus ist die Annahme, dass aus der Beobachtung nicht zwingend auf eine Abstraktion geschlossen werden kann. Vielmehr zeigt die Beobachtung der Begriffs- und Ideenbildung, dass der Prozess der Begriffsbildung selber vielfältig bedingt ist und damit der Schluss auf abstrakte Objekte ebenso wie der Prozess der Erkenntnis und der Formulierung im Kontext einer Sprache problembehaftet sind. Somit kann man sich nur auf die sichere minimalistische Position zurück ziehen, die annimmt, dass die Begriffe eben Epiphänomene der Wahrnehmungs- und Kulturprozesse sind. Sie entsprechen lediglich Konventionen, haben also keine Bedeutung in sich.
Universalienrealisten gehen von der Existenz realer Befindlichkeiten aus, die man vielleicht schließend erkennen kann. Abstraktion als Erkenntnis der Realität.
Der Naturalist hat sich auf eine erkenntnistheoretische Position eingelassen, die eben gewisse Annahmen zur Realität absolut setzt. Diese bestreitet den reinen konventionellen Charakter der Realitätssicht: Es ist eben nicht nur alles Zeichen eines Sprachspiels, sondern ein Abbild der wahren Wirklichkeit. Dennoch ist es nicht zutreffend, einen engen Bezug zwischen Naturalismus und Universalienrealismus zu postulieren. Denn wenn auch Naturalisten per Definition einige Universalien als Grundlegend anerkennen, so lehnen sie dennoch die Existenz vieler anderer Universalien ab.
_________________ 1.Thessalonicher 5,21 "Prüft aber alles und das Gute behaltet."
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