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Bewusstsein und Evolution
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AgentProvocateur
registrierter User



Anmeldungsdatum: 09.01.2005
Beiträge: 7851
Wohnort: Berlin

Beitrag(#1447209) Verfasst am: 20.03.2010, 14:48    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
... welches jedoch nur aussagt, daß wir noch keine vollständige Erklärung von bewußtem Erleben haben.

Genau.

step hat folgendes geschrieben:
Das klassische Qualia-Argument wurde aber verwendet, um zu behaupten, es sei gar nicht möglich, bewußtes Erleben materiell zu erklären.

Mag sein, meiner Meinung nach ist es dazu aber nicht geeignet. Vielleicht sind subjektive Erlebnisgehalte mal erklärbar, vielleicht auch nicht; wer kann schon zuverlässig sagen, welche neuen Erkenntnisse wir morgen haben? Da würde man sich etwas zu weit aus dem Fenster lehnen.

Jedoch ist das mE heutzutage eine offene Frage, die Erklärungslücke besteht, das bleibt festzuhalten.
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Grotemson
Welterkunder



Anmeldungsdatum: 14.03.2010
Beiträge: 66

Beitrag(#1447338) Verfasst am: 20.03.2010, 17:18    Titel: Antworten mit Zitat

Zitat:
Ja, wenn man erstmal von etwas "Nichtmateriellem" spricht, wird es natürlich schwierig zu zeigen, wie es mit Materiellem interagiert. Daran verausgaben sich dann Tausende von Philospohen, Theologen, Esoterikern usw.

Und deswegen ist es besser, erst gar nicht darüber zu sprechen??(Obwohl die Existenz von Gedanken offensichtlicher nicht sein könnte)

Zitat:
Ja, unter anderem ich, und habe es auch schon empfohlen hier im Forum. Vor allem der erste und der dritte Teil sind mE lesenswert.

Im Gegensatz zu dieser Meinung habe ich in meinem Umfeld bisher nur Schlechtes über das Buch gehört, unter anderem, dass sich Metzing die Argumente von Castaneda(wie geht dieses N mit der Welle?) nicht gut genug duchgelesen hat, also gar nicht. Auf jeden Fall werde ich es mir zulegen.




Zitat:
Auf der Informationsebene ist das, was während ich das hier tippe, in meinem Rechner abläuft, ähnlich "nichtmateriell" wie das, was ich gerade formuliere. Troztdem halte ich unsere reduktionistische Sicht von Computern für hinreichend, sie zu beschreiben.

Ich denke, dass dieser Vergleich völlig verfehlt ist und auf mindestens einem Bein schwer hinkt. Die Tatsache, dass ich, was du getippt hast, lesen kann, ist sehr wohl vom Computer abhängig, denn er hat erst ermöglicht, dass du es auf virtuelles Papier bannen konntest. Das hat aber rein gar nichts mit der Existenz von Gedanken per se zu tun, nur mit ihrer Sichtbarmachung. Du kannst also nicht von diesem Beispiel auf das Gehirn und den Geist schließen.

Zitat:
Die Frage, ob eine Eigenschaft, die in einer evolutionär entstandenen Welt des Lebendigen weit verbreitet und in ihrer Ausprägung artspezifisch ist, einen evolutionären Vorteil hat oder nicht, ist allerdings müßig.

Sie ist insofern müßig, als ihre evolutionsbiologische Antwort eine Art Zirkularität bildet. Wenn ich davon ausgehe, dass eine so weit verbreitete "Eigenschaft"(dass das Bewusstsein keine Eigenschaft ist, beiseite gelassen), nur durch Selektion zu ihrer jetzigen Ausbreitung gekommen ist, dann ist das Bewusstsein natürlich in den evolutionären Prozessen involviert. Aber das ist zirkulär. Gerade OB es durch Selrktions berührt werden kann, ist ja die Frage. Man kann sie somit nicht mit dem Rekurs auf evolutionsbiologische Prämissen beantworten.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1447371) Verfasst am: 20.03.2010, 17:41    Titel: Antworten mit Zitat

Grotemson hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Wenn man erstmal von etwas "Nichtmateriellem" spricht, wird es natürlich schwierig zu zeigen, wie es mit Materiellem interagiert. Daran verausgaben sich dann Tausende von Philospohen, Theologen, Esoterikern usw.
Und deswegen ist es besser, erst gar nicht darüber zu sprechen??

Du meinst von "Nichtmateriellem"? Definier das doch mal.

Grotemson hat folgendes geschrieben:
(Obwohl die Existenz von Gedanken offensichtlicher nicht sein könnte)

Ja und? Wo ist da jetzt was "nichtmateriell"? Wenn Du "materiell" so eng definierst, daß es nur die Elementarteilchen sind, dann ist sogar eine "Zahnbürste" nichtmateriell, denn "ihre" (?) Form & Funktion spiegeln mehr wieder als nur das, was durch "ihre" (?) Elementarteilchen gegeben ist.
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Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Shadaik
evolviert



Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 26377
Wohnort: MG

Beitrag(#1447472) Verfasst am: 20.03.2010, 19:51    Titel: Antworten mit Zitat

Grotemson hat folgendes geschrieben:
Mit Bewusstsein wird- zusätzlich zu der des Erlebens- natürlich die Ebene des Selbst-Bewusstseins gezählt. Ich denke, die zusammen getragenen Aspekte hier geben bereits ein anständiges Bild.
Für mich sieht das eher aus, als würde man einen undefinierten Bdegriff durch fünf andere undefinierte Begriffe umschreiben.
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Fische schwimmen nur in zwei Situationen mit dem Strom: Auf der Flucht und im Tode
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3388

Beitrag(#1447481) Verfasst am: 20.03.2010, 20:03    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
Wenn du weißt, wie Essig riecht, dann kennst du die Qualia des Geruchserlebnisses mit der Beschreibung "Riechen an Essig".

Diese Formulierung trägt aber den Kern des Problems bereits in sich: "Ich kenne die Qualia" suggeriert, die Qualia seien etwas über die Wahrnehmung, die Identifikation eines Musters, die damit verbundenen Gefühlsreaktionen ... Hinausgehendes, etwas z.B. die "Röte an sich" Ausmachendes.


Nö, eigentlich nicht.
Die Qualia eines Erlebnisses, einer Erfahrung zu kennen, heißt nichts anderes, als zu wissen, wie es ist, das Erlebnis/die Erfahrung zu haben.

"Feelings and experiences vary widely. For example, I run my fingers over sandpaper, smell a skunk, feel a sharp pain in my finger, seem to see bright purple, become extremely angry. In each of these cases, I am the subject of a mental state with a very distinctive subjective character. There is something it is like for me to undergo each state, some phenomenology that it has. Philosophers often use the term ‘qualia’ (singular ‘quale’) to refer to the introspectively accessible, phenomenal aspects of our mental lives. In this standard, broad sense of the term, it is difficult to deny that there are qualia."
———
"Gefühle und Erlebnisse variieren beträchtlich. Ich fahre beispielsweise mit meinen Fingern über Sandpapier, rieche ein Stinktier, spüre einen stechenden Schmerz in meinem Finger, scheine ein leuchtendes Lila zu sehen, werde äußerst wütend. In jedem dieser Fälle bin ich das Subjekt eines Geisteszustandes mit einem ganz eigenen subjektiven Charakter. Es gibt eine bestimmte Weise, wie es für mich ist, einen solchen Zustand zu erleben, eine bestimmte Erscheinungsweise, die er hat. Die Philosophen benutzen den Ausdruck 'Qualia' (Singular 'Quale') oft, um auf die introspektiv zugänglichen, phänomenellen Aspekte unseres Geisteslebens Bezug zu nehmen. Ausgehend von diesem weiten Standardsinn des Wortes, ist es schwierig zu leugnen, dass es Qualia gibt."

[© meine Übers.]

(http://plato.stanford.edu/entries/qualia)
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1447484) Verfasst am: 20.03.2010, 20:06    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Die Qualia eines Erlebnisses, einer Erfahrung zu kennen, heißt nichts anderes, als zu wissen, wie es ist, das Erlebnis/die Erfahrung zu haben.

Wo ist dann der Unterschied zwischen
"ein Erlebnis kennen"
und
"die Qualia eines Erlebnisses kennen"
?
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3388

Beitrag(#1447495) Verfasst am: 20.03.2010, 20:17    Titel: Antworten mit Zitat

Grotemson hat folgendes geschrieben:
Mit Bewusstsein wird- zusätzlich zu der des Erlebens- natürlich die Ebene des Selbst-Bewusstseins gezählt.


Bewusstsein ist nicht gleich Selbstbewusstsein, d.h. höheres Bewusstsein des Bewusstseins.
Letzteres setzt begriffliche oder sprachliche Fähigkeiten voraus, wie wir sie nur bei hochentwickelten Säugetieren finden. Denn ohne diese Fähigkeiten kann ein Tier keine Vorstellung von sich selbst und der Vergangenheit sowie der Zukunft entwickeln.

Grotemson hat folgendes geschrieben:

Zentral dürfte außerdem der Begriff der Supervenienz sein, das bedeutet, wer superveniert hier über wen(und warum eigentlich?).


Aus neurowissenschaftlicher und allgemein aus materialistischer Sicht sind es bekanntlich die psychischen Eigenschaften, die von den physischen Eigenschaften abhängig sind und davon bestimmt werden.

Grotemson hat folgendes geschrieben:

Es ist durchaus nicht offensichtlich, wie sich etwas Nichtmaterielles additiv aus materiellen Vorgängen zusammensetzen soll, vor allem etwas so kartesianisch Selbstevidentes wie Schmerz, bzw. Schmerzempfinden, was hier ja qua Berkleys Formel esse est percipi dasselbe ist.


Emergente Eigenschaften sind ja gerade Eigenschaften komplexer Systeme, die nicht durch bloße "Addition" von Eigenschaften der einfachen Systemelemente hervorgebracht werden.
Bewusstseinserzeugung ist etwas ganz anderes als Bauklötzchenstapeln.
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Myron
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Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3388

Beitrag(#1447501) Verfasst am: 20.03.2010, 20:24    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Eigentlich reicht hier die "persönliche Empfindung" bzw. die Erinnerung daran. Ein besonderer Sinn der Einführung dieser Qualia erschließt sich mir nicht aus dieser Antwort.


Es geht bei den Qualia um den besonderen, eigentümlichen subjektiven Charakter (u.a.) von Empfindungen, d.h. darum, wie es sich für einen anfühlt, eine bestimmte Empfindung zu haben.
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Myron
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Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3388

Beitrag(#1447503) Verfasst am: 20.03.2010, 20:26    Titel: Re: Bewusstsein und Evolution Antworten mit Zitat

depth hat folgendes geschrieben:
Was wir aus Experimenten wissen ist, dass Bewusstsein ohne neuronale Aktivität nicht existiert. Das heisst aber nicht, dass umgekehrt jede neuronale Reizverarbeitung automatisch Bewusstsein erzeugen muss.


Das ist ja auch nicht der Fall. Nicht jeder neuronale Prozess ist ein psychoneuronaler Prozess.
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3388

Beitrag(#1447508) Verfasst am: 20.03.2010, 20:31    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

'Qualia' ist ein Wort für "persönliche Empfindungen" bzw. subjektive Erlebnisgehalte.


Genauer gesagt: ein Wort für die subjektiven Erscheinungsweisen von Empfindungen, Gefühlen usw.
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3388

Beitrag(#1447511) Verfasst am: 20.03.2010, 20:37    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:

Wo ist dann der Unterschied zwischen
"ein Erlebnis kennen"
und
"die Qualia eines Erlebnisses kennen"
?


Ein Erlebnis kennt man, wenn man es gehabt hat; und während man es hat, lernt man dessen Qualia kennen.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#1447516) Verfasst am: 20.03.2010, 20:44    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:

Wo ist dann der Unterschied zwischen
"ein Erlebnis kennen"
und
"die Qualia eines Erlebnisses kennen"
?
Ein Erlebnis kennt man, wenn man es gehabt hat; und während man es hat, lernt man dessen Qualia kennen.

Nice try. zwinkern

Idee Meine Freundin kenne ich, wenn ich sie gehabt habe; und während ich sie habe, lerne ich ihre Qualitäten kennen ...
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Zuletzt bearbeitet von step am 20.03.2010, 21:27, insgesamt einmal bearbeitet
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fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
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Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#1447546) Verfasst am: 20.03.2010, 21:25    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Eigentlich reicht hier die "persönliche Empfindung" bzw. die Erinnerung daran. Ein besonderer Sinn der Einführung dieser Qualia erschließt sich mir nicht aus dieser Antwort.


Es geht bei den Qualia um den besonderen, eigentümlichen subjektiven Charakter (u.a.) von Empfindungen, d.h. darum, wie es sich für einen anfühlt, eine bestimmte Empfindung zu haben.

Am Kopf kratzen Wenn nun also die Qualia die Empfindungen der Empfindungen sind, was ist dann der Unterschied zur Empfindung oder zur Empfindung der Empfindung der Empfindung?

fwo
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Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Dominik
...



Anmeldungsdatum: 16.10.2004
Beiträge: 1341
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Beitrag(#1447563) Verfasst am: 20.03.2010, 21:44    Titel: Re: Bewusstsein und Evolution Antworten mit Zitat

depth hat folgendes geschrieben:
Ich habe in letzter Zeit einiges über Hirnforschung gelesen, die Bewusstsein als emergentes Phänomen beschreibt. Was ich mich frage ist nun folgendes:
Wenn Bewusstsein rein emergent wäre, könnte es als reine Begleiterscheinung von Denkprozessen doch auch keine kausale Rückwirkung auf diese haben. Folglich wäre es also ausgeschlossen, dass es eine evolutionäre Erklärung für das Phänomen Bewusstsein geben könnte, denn es wäre für den Überlebens- und Fortpflanzungserfolg eines Individuums unerheblich ob es nur denkt (z.b. rein algorithmisch) oder ob es sich dessen auch bewusst ist.
Ist es aber nicht höchst unwahrscheinlich, dass sich ein solches Phänomen ohne Kontrolle eines evolutionären Prozesses entwickelt haben soll? Wäre dies nicht auch wie die berüchtigte spontane Boing 747 aus Schrott?
Weiss hier im Forum vielleicht jemand, ob es bereits Theorien gibt, die etwas über die Evolution des Bewusstseins aussagen?


2 gute Erklärungen: Theorie des sozialen Schachspiels. Formuliert von Richard Leakey in "Der Ursprung des Menschen". Darin werden gruppendynamische Prozesse als u.U. geistig besonders anspruchsvoll angenommen, weil Individuen von anderen als "soziale Werkzeuge" (etwa zum durchsetzten eigener interessen gegenüber anderen, also Politik, Lüge, Allianzen, ...) benutzt werden. Sehr geile Theorie, vor allem wenn man sich Schimpansengruppen anschaut oder Serien wie verbotene Liebe oder an die eigene jugend zurückdenkt.
Theorie vom geistigen Pfauenschwanz in "The Red Queen" von Mat Ridley. Arten entwickeln von umwelteinflüssen unabhängig seltsame eigenschaften einzig weil sie beim weibchen eindruck schinden, oder sie konkurrenten bekämpfen helfen. bsp: hirschgeweih, pfauenschwanz, großhirn. beste theorie meines wissens zZ.
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"Die Kritik der Religion ist die Voraussetzung aller Kritik" Karl Marx (Ebd., MEW 1:378)
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3388

Beitrag(#1447572) Verfasst am: 20.03.2010, 22:02    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Wenn nun also die Qualia die Empfindungen der Empfindungen sind, was ist dann der Unterschied zur Empfindung oder zur Empfindung der Empfindung der Empfindung?


Die Qualia sind als Erlebnisqualitäten Teil aller Erlebnisse wie der Empfindungen.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
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Beitrag(#1447586) Verfasst am: 20.03.2010, 22:30    Titel: Re: Bewusstsein und Evolution Antworten mit Zitat

depth hat folgendes geschrieben:
Wenn Bewusstsein rein emergent wäre, könnte es als reine Begleiterscheinung von Denkprozessen doch auch keine kausale Rückwirkung auf diese haben.

Ist das wirklich so? Ich vermute, das ist ein Fehlschluss, der damit zusammenhängt, daß wir zwischen emergenter Reifikation und resuktionistischer Kausalität schwanken. Eine (wie üblich hinkende) Analogie:

Was hat kausale Rückwirkungen auf die Zähne, die Zahnbürste oder nur die Elementarteilchen, aus denen sie besteht?
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AgentProvocateur
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Anmeldungsdatum: 09.01.2005
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Beitrag(#1447588) Verfasst am: 20.03.2010, 22:33    Titel: Re: Bewusstsein und Evolution Antworten mit Zitat

Dominik hat folgendes geschrieben:
2 gute Erklärungen: Theorie des sozialen Schachspiels. Formuliert von Richard Leakey in "Der Ursprung des Menschen". Darin werden gruppendynamische Prozesse als u.U. geistig besonders anspruchsvoll angenommen, weil Individuen von anderen als "soziale Werkzeuge" (etwa zum durchsetzten eigener interessen gegenüber anderen, also Politik, Lüge, Allianzen, ...) benutzt werden. Sehr geile Theorie, vor allem wenn man sich Schimpansengruppen anschaut oder Serien wie verbotene Liebe oder an die eigene jugend zurückdenkt.

Das erklärt gar nichts.

Dominik hat folgendes geschrieben:
Theorie vom geistigen Pfauenschwanz in "The Red Queen" von Mat Ridley. Arten entwickeln von umwelteinflüssen unabhängig seltsame eigenschaften einzig weil sie beim weibchen eindruck schinden, oder sie konkurrenten bekämpfen helfen. bsp: hirschgeweih, pfauenschwanz, großhirn. beste theorie meines wissens zZ.

Ach ja? Und wieso haben dann Weibchen ebenso ein Großhirn?

Das Frage, das Rätsel hier ist: wenn (kausale) neuronale Prozesse für sich genommen hinreichende Ursachen für Verhalten sind, wozu dann zusätzlich ein subjektives Erleben? Das erscheint doch dann irgendwie überflüssig, doppelt gemoppelt. Wieso sollten bestimmte neuronale Prozesse 'geistig anspruchsvoll' sein und ein Bewusstsein benötigen? Welche Funktion hat Bewusstsein, wozu ist es gut? Oder hat es keine Funktion, ist nur ein verzichtbares Epiphänomen? Wozu überhaupt bewusstes Wissen, Erklärungen, Deutungen, Abstraktionen, Handlungen? Warum nicht einfach lediglich unbewusste Abläufe, Geschehnisse, durch neuronale Prozesse verursacht?
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Myron
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Anmeldungsdatum: 01.07.2007
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Beitrag(#1447599) Verfasst am: 20.03.2010, 22:45    Titel: Re: Bewusstsein und Evolution Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
depth hat folgendes geschrieben:
Wenn Bewusstsein rein emergent wäre, könnte es als reine Begleiterscheinung von Denkprozessen doch auch keine kausale Rückwirkung auf diese haben.

Ist das wirklich so? Ich vermute, das ist ein Fehlschluss, der damit zusammenhängt, daß wir zwischen emergenter Reifikation und resuktionistischer Kausalität schwanken. Eine (wie üblich hinkende) Analogie.


Bewusstseinserlebnisse als besondere Nervenvorgänge mit einer subjektiven Seite sind nicht wirkungslos; sie wirken nur nicht vermöge ihrer psychischen Qualitäten, sondern allein vermöge ihrer physischen Qualitäten. Qualia verleihen den psychophysischen Körpervorgängen weder nichtphysische noch zusätzliche physische Wirkkräfte. Sie sind epiphänomenal.
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1447662) Verfasst am: 21.03.2010, 00:39    Titel: Re: Bewusstsein und Evolution Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Bewusstseinserlebnisse als besondere Nervenvorgänge mit einer subjektiven Seite sind nicht wirkungslos; sie wirken nur nicht vermöge ihrer psychischen Qualitäten, sondern allein vermöge ihrer physischen Qualitäten. Qualia verleihen den psychophysischen Körpervorgängen weder nichtphysische noch zusätzliche physische Wirkkräfte. Sie sind epiphänomenal.

Hm, dahinter steckt aber mE die ungenannte Prämisse, man könne sinnvoll nur von physikalischen (kausalen) Wirkungen sprechen. Aber wo steht das eigentlich, wer legt das fest, wie ist das begründet?

Wenn ich Zahnschmerzen habe, dann gehe ich zum Zahnarzt. Meiner Meinung nach ist diese Grund-Handlung-Sichtweise eine sinnvolle, d.h. es scheint mir eine gute Erklärung dafür, dass ich zum Zahnarzt ging und zwar deswegen, weil andere das leicht nachvollziehen können, indem sie sich in meine Situation hineindenken (-> "würde ich auch so machen"). Dabei ist es unerheblich, welche neuronalen Prozesse genau im Einzelnen diesen Schmerz erzeugt haben, es könnten auch andere sein (in einer gedachten anderen Welt). Das ist letztlich nicht relevant, wie das physikalisch ablief (-> multiple Realisierung).

Und das ist ja auch immer noch keine Erklärung dafür, wieso es überhaupt Qualia gibt, welche Funktion die haben, wie die entstehen, wie die mit neuronalen Prozessen zusammenhängen und wieso es diesen Zusammenhang gibt. Man kann sich ja problemlos vorstellen, dass mein kranker Zahn den Gang zum Zahnarzt verursacht, ohne dass ich dazu ein Bewusstsein haben müsste; dass einfach alles so abläuft, wie jetzt auch, nur ohne Bewusstsein. Wieso sind wir keine philosophischen Zombies, wenn 'in Wirklichkeit' nur die neuronalen Prozesse eine Wirkung haben können, die also völlig hinreichende Bedingung für alles Funktionieren aller Abläufe in der Welt sind?

Wozu gibt es überhaupt Erkenntnis? Welchen Sinn und Zweck hat die? Warum läuft nicht alles einfach so ab, wie es abläuft?

Und wenn Erkenntnis (mE gibt es keine unbewusste Erkenntnis - 'Erkenntnis' ist mit 'Bewusstsein' untrennbar verknüpft) nur ein Epiphänomen (eine zum Funktionieren des Organismus verzichtbare Nebenerscheinung - kann problemlos wegfallen, ohne dass sich auch nur das Geringste an dem Verhalten des Organismus ändert) ist, auf welchen Naturgesetzen beruht sie?

Und wieso könnte man annehmen, dass dieses Epiphänomen etwas mit der Realität zu tun haben sollte? Ist das Epiphänomen durch Zufall (in einer anderen Welt ist es völlig anders) oder (Natur-)Gesetze verursacht? Falls Letzteres: welche Naturgesetze sind das? Woraus ergeben die sich? Aus intrinsischen Eigenschaften von Materie (Panpsychismus) oder durch 'Emergenz'? Inwieweit sind diese Naturgesetze physikalischer Art?

(Wobei 'Emergenz' mE (oft) keine Erklärung ist, nur eine Verschleierung von 'weiß-ich-nicht-kann-ich-nicht-erklären-isso'. Und meiner Meinung nach sollte man einfach ehrlich sagen, wenn man etwas nicht weiß, das ist mE sehr viel hilfreicher als eine Pseudo-Erklärung, die einen nur davon abhält, weiter zu fragen, offene, nicht geklärte Phänomene zu erkennen und weiterhin nach Erklärungen zu suchen.)

Was ist Wissen, was Information, was sind Gedanken, was sind Erkenntnisse, was sind Theorien, was Konzepte, was Konstrukte, was Prozesse, was Abstraktionen, was Darstellungen, was Interpretationen, was Kommunikation, was Beschreibungen? Alles nur (letztlich irrelevante, nicht wirkkräftige, daher auch völlig anders sein könnende bzw. gar nicht existieren müssende) Epiphänomene des einzig richtigen wahren realen Geschehens / kausalen Ablaufes der Welt, das durch die Darstellung neuronaler / physikalischer Prozesse hinreichend beschrieben werden kann?

Das hört sich zumindest für mich extrem widersprüchlich und letztlich selbstaufhebend an. Das kann nicht richtig sein, da stimmt was nicht.
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Dominik
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Anmeldungsdatum: 16.10.2004
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Beitrag(#1447711) Verfasst am: 21.03.2010, 10:36    Titel: Re: Bewusstsein und Evolution Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Dominik hat folgendes geschrieben:
2 gute Erklärungen: Theorie des sozialen Schachspiels. Formuliert von Richard Leakey in "Der Ursprung des Menschen". Darin werden gruppendynamische Prozesse als u.U. geistig besonders anspruchsvoll angenommen, weil Individuen von anderen als "soziale Werkzeuge" (etwa zum durchsetzten eigener interessen gegenüber anderen, also Politik, Lüge, Allianzen, ...) benutzt werden. Sehr geile Theorie, vor allem wenn man sich Schimpansengruppen anschaut oder Serien wie verbotene Liebe oder an die eigene jugend zurückdenkt.

Das erklärt gar nichts.

Dominik hat folgendes geschrieben:
Theorie vom geistigen Pfauenschwanz in "The Red Queen" von Mat Ridley. Arten entwickeln von umwelteinflüssen unabhängig seltsame eigenschaften einzig weil sie beim weibchen eindruck schinden, oder sie konkurrenten bekämpfen helfen. bsp: hirschgeweih, pfauenschwanz, großhirn. beste theorie meines wissens zZ.

Ach ja? Und wieso haben dann Weibchen ebenso ein Großhirn?

Das Frage, das Rätsel hier ist: wenn (kausale) neuronale Prozesse für sich genommen hinreichende Ursachen für Verhalten sind, wozu dann zusätzlich ein subjektives Erleben? Das erscheint doch dann irgendwie überflüssig, doppelt gemoppelt. Wieso sollten bestimmte neuronale Prozesse 'geistig anspruchsvoll' sein und ein Bewusstsein benötigen? Welche Funktion hat Bewusstsein, wozu ist es gut? Oder hat es keine Funktion, ist nur ein verzichtbares Epiphänomen? Wozu überhaupt bewusstes Wissen, Erklärungen, Deutungen, Abstraktionen, Handlungen? Warum nicht einfach lediglich unbewusste Abläufe, Geschehnisse, durch neuronale Prozesse verursacht?


Wenns dich interessiert, besorg dir die Bücher.
Ein bißchen Ahnung hab ich übrigens. Meine Abschlußprüfung (einziger 1er) in Humanbiologie ging über aktuelle Theorien zur menschlichen Gehirnevolution...
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fwo
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Beitrag(#1447765) Verfasst am: 21.03.2010, 12:46    Titel: Re: Bewusstsein und Evolution Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
.....Wieso sollten bestimmte neuronale Prozesse 'geistig anspruchsvoll' sein und ein Bewusstsein benötigen? Welche Funktion hat Bewusstsein, wozu ist es gut? Oder hat es keine Funktion, ist nur ein verzichtbares Epiphänomen? Wozu überhaupt bewusstes Wissen, Erklärungen, Deutungen, Abstraktionen, Handlungen? Warum nicht einfach lediglich unbewusste Abläufe, Geschehnisse, durch neuronale Prozesse verursacht?

Es sind keine neuronalen Prozesse, die ein Bewusstsein benötigen, sondern es geht um Handlungsmöglichkeiten, die durch das Bewusstsein geschaffen werden, die ohne nicht existieren - Evolution befördert keine Ansprüche, sondern Nutzen.

Um es aus der Deisignersicht zu betrachten, weil die einfacher fällt: Wenn ich eine Maschine baue, die mit wechselnden Bedingungen zurechtkommen soll, hann ich mir den Bedingungsvorrat ansehen, für jede mögliche Bedingung das bestimmende Signal definieren und die Reaktion auf dieses Signal programmieren. Diese Maschine ist rein reaktiv und wird von Bedingungen außerhalb des geplanten Bedingungsvorrates plattgemacht wie ein Igel von einem Auto.

Um hier flexibler zu werden, muss ich weitergehen von der programmatisch fertig vorweggenommenen Situation / Bedingung, die ich an einem bestimmten Signal erkenne zu einer Analyse der Umgebung, die diese nicht als statisch annimmt, sondern ihre Dynamik und damit ihren Trend erfasst und in einer Trendverlängerung sogar in die Zukunft geht. Das macht wiederum nur Sinn, wenn diese Maschine sich selbst als den Teil der Situation definiert, den sie beeinflussen kann, dessen Trend sie also verändern kann. Was wir Bewusstsein nennen, ist die Möglichkeit der simulierten Trendverlängerung der eigenen Situation einschließlich einer Einbeziehungen möglicher Trendveränderungen. Um ein einfaches Beispiel zu nehmen (den Versuch habe ich als Kind mit einem Hund gemacht, den wir in Pflege hatten, und ziemlich lange darüber nachgedacht) : Ich fordere den Hund auf, mir zu folgen, gehe dann durch eine Tür und schließe sie, bevor der Hund folgen kann. Ergebnis: Der Hund dreht auf der Stelle um und läuft einen ihm bekannten Umweg, auf dem er zu mir, das heißt hinter die Tür gelangt. Das bedeutet, dass der Hund nicht nur über eine Representation der Örtklichkeit verfügt, sondern auch über eine begrenzte Möglichkeit in die Zukunft zu sehen und entsprechend zu handeln: Bewusstsein ermöglicht Planung.

fwo
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Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

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Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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step
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Beitrag(#1447791) Verfasst am: 21.03.2010, 13:29    Titel: Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Hm, dahinter steckt aber mE die ungenannte Prämisse, man könne sinnvoll nur von physikalischen (kausalen) Wirkungen sprechen. Aber wo steht das eigentlich, wer legt das fest, wie ist das begründet?

Das liegt mE darin begründet, daß Begriffe wie "Wirkung", ja letztlich alle sinnvollen Begriffe, egal ob emergent, epi oder sonstwas, immer empirisch sind.

Will man also z.B. "Wirkung" definieren, würde man zu so etwas ähnlichem kommen wie:

Ein Zustand A(i) bewirkt einen Zustand B(m), wenn die Kombination {A(i), B(n)} mit n ungleich m in der Realität nicht beobachtet wird.

Ich will nicht auf der genauen Definition herumreiten, sondern nur plausibel machen, daß es auf die Empirie rekurriert.

Ein dergestalt gefundener empirischer Zusammenhang wird damit jedoch automatisch zu einer im weitesten Sinne physikalischen Frage. Würde man beispielsweise eine Wirkung finden, die nicht physikalisch realisiert ist (z.B. Bewußtsein 1 zu Bewußtsein 2 ohne Umweg über Elementarteilchen), so müßte man die Physik erweitern.

Hinter dieser "Festlegung", wie Du es nennst, steht also kein wirklich starkes reduktionistisches Postulat, sondern sozusagen nicht mehr als die Feststellung, daß Wirkungen nicht zufällig sind.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Wenn ich Zahnschmerzen habe, dann gehe ich zum Zahnarzt. ... Dabei ist es unerheblich, welche neuronalen Prozesse genau im Einzelnen diesen Schmerz erzeugt haben, es könnten auch andere sein (in einer gedachten anderen Welt). Das ist letztlich nicht relevant, wie das physikalisch ablief (-> multiple Realisierung).

Richtig, die multiple Realisierung geht aber nur in die eine Richtung (und auch das nur makroskopisch): Mit meiner Definition oben gibst Du sozusagen ein A(j) an, das ebenfalls B(m) bewirkt, was völlig unproblematisch ist. Ebenso bewirkt die linkskreisende Bewegung meiner grünen Zahnbürste eine Säuberung der Zähne, obwohl auch Rechtskreisen mit einer blauen Zahnbürste etwas Vergleichbares bewirken würde.

Je genauer ich aber die Wirkung definiere, desto weniger Freiheitsgrade der Realisierung bleiben, und desto relevanter zutage tritt die "mikroskopische" Kausalität.

Noch ein extremes Beispiel: Wenn Du Vater wirst, ist es irrelevant, wann und wie genau, ja sogar mit welcher Mutter, Du das Kind gezeugt hast, die Wirkung ist oberflächlich betrachtet identisch (ein Kind).

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Und das ist ja auch immer noch keine Erklärung dafür, wieso es überhaupt Qualia gibt, welche Funktion die haben, wie die entstehen, wie die mit neuronalen Prozessen zusammenhängen und wieso es diesen Zusammenhang gibt. Man kann sich ja problemlos vorstellen, dass mein kranker Zahn den Gang zum Zahnarzt verursacht, ohne dass ich dazu ein Bewusstsein haben müsste; dass einfach alles so abläuft, wie jetzt auch, nur ohne Bewusstsein. ...

Vielleicht ist "Bewußtheit" eine Nebenwirkung komplexer neuronaler Wirkungsabläufe? Ist nicht das, was "Bewußtheit" z.B. eines Schmerzes, Gedankens oder Gefühls ausmacht, nichts anderes als das zusätzliche "Gefühl der Meinigkeit" (Metzinger)?

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
Warum läuft nicht alles einfach so ab, wie es abläuft?

Die Frage verstehe ich nicht. Es läuft doch alles so ab, wie es abläuft.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Und wieso könnte man annehmen, dass dieses Epiphänomen etwas mit der Realität zu tun haben sollte?

Weil wir es in der Realität beobachten.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Und meiner Meinung nach sollte man einfach ehrlich sagen, wenn man etwas nicht weiß, das ist mE sehr viel hilfreicher als eine Pseudo-Erklärung, die einen nur davon abhält, weiter zu fragen, offene, nicht geklärte Phänomene zu erkennen und weiterhin nach Erklärungen zu suchen.

Ja, und aus meiner Sicht ist idZ der ehrlichste Ansatz, Neuro/Kognitionswissenschaft zu betreiben, anstatt den Geist zum Tabu zu erklären.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
... Alles nur (letztlich irrelevante, nicht wirkkräftige, daher auch völlig anders sein könnende bzw. gar nicht existieren müssende) Epiphänomene des einzig richtigen wahren realen Geschehens / kausalen Ablaufes der Welt, das durch die Darstellung neuronaler / physikalischer Prozesse hinreichend beschrieben werden kann? Das hört sich zumindest für mich extrem widersprüchlich und letztlich selbstaufhebend an. Das kann nicht richtig sein, da stimmt was nicht.

Ein Fehler liegt darin, daß Du zuweilen übertreibst oder Wörter in ihrer Bedeutung überdehnst, um einen Widerspruch zu produzieren:

- "Relevanz" ist etwas völlig Unterschiedliches, je nachdem in bezug auf was man sie fordert.

- Eine Beschreibung kann, obwohl prinzipiell vollständig, evtl. nicht hinreichend sein, z.B. uneffizient.

- Ob ein Epi-Zustand A (selbst Epiphänomen von a) einen Epizustand B (epi von b) "bewirkt" und nicht nur a->b, ist eine Definitionsfrage. Wenn nämlich A und B hinreichend stark mit a und b korrelieren, macht man im Alltag keinen großen Fehler, wenn man "A bewirkt B" sagt. So ist diese Redeweise ja überhaupt erst entstanden. Erst in Sonderfällen, wenn sich Widersprüche zu den Gesetzen der a/b-Ebene ergeben, muß man genauer hinschauen. Oder bevor man den Ursachenbegriff zu weit dehnt (z.B. "causa finalis").
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Zuletzt bearbeitet von step am 21.03.2010, 14:34, insgesamt einmal bearbeitet
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Grotemson
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Beitrag(#1447809) Verfasst am: 21.03.2010, 13:54    Titel: Antworten mit Zitat

Eine Berreicherung, und eine potentielle Antwort auf alle, die berechtigterweise eine klare Definition(die es nicht gibt) fordern, ist übrigens auch der Eintrag in der Stanford Encyclopedia of Philosophy zu Consciousness:
http://plato.stanford.edu/entries/consciousness/

Zitat:
Du meinst von "Nichtmateriellem"? Definier das doch mal

Der Term ist selbsterklärend. Gedanken sind nicht materiell. Sie bestehen weder aus Stein, noch aus Atomen, noch aus Quarks. Man kann sie nicht verbrennen, nicht zerbrechen und auch nicht treten oder durch einen Teilchenbeschleniger jagen. Der Gedanke, Gedanken bestünden aus Teilchen ist sogar so absurd, dass nicht einmal Neurowissenschaftler ihn vertreten.



Zitat:
Aus neurowissenschaftlicher und allgemein aus materialistischer Sicht sind es bekanntlich die psychischen Eigenschaften, die von den physischen Eigenschaften abhängig sind und davon bestimmt werden.

Glücklicherweise ist die Sichtweise nicht nur anzweifelbar, sondern wird von Vielen auch als inkosistent bezeichnet. Wie zum Beispiel lässt sich aus rein materialistischer Sicht das Phänomen der Bezugnahme erklären? Wenn ich mich gedanklich auf einen Baum beziehe, fliegen da die kleinen Teilchen zum Baum, und wieder zurück?
Wie ist außerdem dem Einwand zu begegnen, dass zwar mentale Ereignisse mit neuralen koinzidieren, aber nicht Klassen von mentalen Ereignissen mit neuralen Klassen?

Zitat:
Was wir Bewusstsein nennen, ist die Möglichkeit der simulierten Trendverlängerung der eigenen Situation einschließlich einer Einbeziehungen möglicher Trendveränderungen.

Bewusstsein ermöglicht zwar Planung, aber das Seltsame ist ja, dass man gar nicht etwas so Komplexes braucht, um Planung zu simulieren. Das Eichhörnchen sammelt auch eifrig Nüsse, und diese Instinkthandlung ist offensichtlich genug, um sich auf etwaige "Wintertrends" vorzubereiten. Was ich sagen will ist, dass du hier Komplexitätsreduktion betreibst. Es gibt unzählige Aspekte im Bewusstsein, die für den von dir beschriebenen Vorgang völlig überflüssig, also nutzlos sind. Wieso sollten diese dann existieren?
Außerdem hat sich, um das mal ganz platt zu sagen, erhöhte Bewusstseinsaktivität(hier: Höheres Bewusstsein in unserer Population lange nicht als positiver Selektionsfaktor bewährt. Freigeister, Denker und Gelehrte wurden in regelmäßigen Abständen verbrannt, gelyncht, geteert und gefedert. Trotzdem, das ist doch das Unglaubliche und sogar antievolutionäre daran, hat es eine Entwicklung des menschlichen Bewusstseins gegeben.
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step
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Beitrag(#1447813) Verfasst am: 21.03.2010, 14:02    Titel: Antworten mit Zitat

Grotemson hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Du meinst von "Nichtmateriellem"? Definier das doch mal
Der Term ist selbsterklärend. Gedanken sind nicht materiell. Sie bestehen weder aus Stein, noch aus Atomen, noch aus Quarks. Man kann sie nicht verbrennen, nicht zerbrechen und auch nicht treten oder durch einen Teilchenbeschleniger jagen. ...

Hmm ... was ist, wenn ich Gedanken durch das Anlegen eines elektromagnetischen Feldes verändere?
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fwo
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Beitrag(#1447818) Verfasst am: 21.03.2010, 14:20    Titel: Antworten mit Zitat

Grotemson hat folgendes geschrieben:
....
Zitat:
Was wir Bewusstsein nennen, ist die Möglichkeit der simulierten Trendverlängerung der eigenen Situation einschließlich einer Einbeziehungen möglicher Trendveränderungen.

Bewusstsein ermöglicht zwar Planung, aber das Seltsame ist ja, dass man gar nicht etwas so Komplexes braucht, um Planung zu simulieren. Das Eichhörnchen sammelt auch eifrig Nüsse, und diese Instinkthandlung ist offensichtlich genug, um sich auf etwaige "Wintertrends" vorzubereiten. Was ich sagen will ist, dass du hier Komplexitätsreduktion betreibst. Es gibt unzählige Aspekte im Bewusstsein, die für den von dir beschriebenen Vorgang völlig überflüssig, also nutzlos sind. Wieso sollten diese dann existieren?
Außerdem hat sich, um das mal ganz platt zu sagen, erhöhte Bewusstseinsaktivität(hier: Höheres Bewusstsein in unserer Population lange nicht als positiver Selektionsfaktor bewährt. Freigeister, Denker und Gelehrte wurden in regelmäßigen Abständen verbrannt, gelyncht, geteert und gefedert. Trotzdem, das ist doch das Unglaubliche und sogar antievolutionäre daran, hat es eine Entwicklung des menschlichen Bewusstseins gegeben.

@Grotemson: Nochmal: Es wäre ganz schön, wenn Du etwas überschaubarer zitieren würdest - normalerweise lese ich mir nicht alles, was hier geschrieben wurde, daraufhin durch, ob mich jemand für würdig befunden hat, mir zu antworten.

Warum das Eichhörnchen keine optimale allgemeine Lösung, sondern nur die Lösung für genau seine Probleme darstellt, habe ich beschrieben - Du stellst hier also eine Frage, auf die die Antwort bereits in dem Post steht, auf den zu antworten Du vorgibst. Ansonsten ist richtig, dass das Experiment Mensch von der Natur noch nicht abgeschlossen ist - allerdings war es bisher ein voller Erfolg, für den das Abschneiden Einzelner, mit dem Du hier argumentierst, unwesentlich ist: Dass es Personen gibt, die an Fettleibigkeit krepieren, ist kein Argument gegen das Erfolgsmodell Nahrungsaufnahme. Hinzu kommt, dass wir es bei menschlischem Handeln bzw. menschlichen Möglichkeiten bereits mit einer zweistufigen Evolution zu tun haben, der biologischen (=genetischen) und der kulturellen. Dass Kulturen es schaffen, einzelne prominente Träger zu eliminieren, ändert nicht daran, dass Menschen genetisch auf die Kulturfähigkeit hin ausgelesen werden. Der Widerspruch, von dem Du schreibst, existiert in der Sache nicht.

fwo
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Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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AgentProvocateur
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Beitrag(#1447954) Verfasst am: 21.03.2010, 19:12    Titel: Re: Bewusstsein und Evolution Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:
.....Wieso sollten bestimmte neuronale Prozesse 'geistig anspruchsvoll' sein und ein Bewusstsein benötigen? Welche Funktion hat Bewusstsein, wozu ist es gut? Oder hat es keine Funktion, ist nur ein verzichtbares Epiphänomen? Wozu überhaupt bewusstes Wissen, Erklärungen, Deutungen, Abstraktionen, Handlungen? Warum nicht einfach lediglich unbewusste Abläufe, Geschehnisse, durch neuronale Prozesse verursacht?

Es sind keine neuronalen Prozesse, die ein Bewusstsein benötigen, sondern es geht um Handlungsmöglichkeiten, die durch das Bewusstsein geschaffen werden, die ohne nicht existieren - Evolution befördert keine Ansprüche, sondern Nutzen.

Wie meinst Du das? Das verstehe ich nicht. Welche Handlungsmöglichkeiten werden durch das Bewusstsein geschaffen, welche würden ohne es nicht existieren und warum nicht?

fwo hat folgendes geschrieben:
Um es aus der Deisignersicht zu betrachten, weil die einfacher fällt: Wenn ich eine Maschine baue, die mit wechselnden Bedingungen zurechtkommen soll, hann ich mir den Bedingungsvorrat ansehen, für jede mögliche Bedingung das bestimmende Signal definieren und die Reaktion auf dieses Signal programmieren. Diese Maschine ist rein reaktiv und wird von Bedingungen außerhalb des geplanten Bedingungsvorrates plattgemacht wie ein Igel von einem Auto.

Um hier flexibler zu werden, muss ich weitergehen von der programmatisch fertig vorweggenommenen Situation / Bedingung, die ich an einem bestimmten Signal erkenne zu einer Analyse der Umgebung, die diese nicht als statisch annimmt, sondern ihre Dynamik und damit ihren Trend erfasst und in einer Trendverlängerung sogar in die Zukunft geht. Das macht wiederum nur Sinn, wenn diese Maschine sich selbst als den Teil der Situation definiert, den sie beeinflussen kann, dessen Trend sie also verändern kann. Was wir Bewusstsein nennen, ist die Möglichkeit der simulierten Trendverlängerung der eigenen Situation einschließlich einer Einbeziehungen möglicher Trendveränderungen.

Nein, ist es nicht. Einen autonomen Roboter zu bauen, der dynamisch und flexibel auf äußere und innere Veranderungen reagieren kann und der sich selber reparieren oder klonen kann, kann ich mir problemlos vorstellen (das ist zwar nicht trivial, in dem Sinne, dass ich das mal eben in ein, zwei Tagen hinzaubern könnte, es ist aber möglich in dem Sinne, dass ich mir die dazu notwendigen und hinreichenden Hard- und Softwaremodule konzeptuell vorstellen kann). Dazu braucht man "nur" ein paar komplizierte Algorithmen, die natürlich in der Lage dazu sein müssen, ein Modell der Umwelt und auch ein Modell der eigenen Zustände zu erstellen und die auch in irgend einer Weise die wahrscheinliche Zukunft hochrechnen müssen. Und man benötigt ein paar Sensoren (für innen und außen) und einen Bewegungs- und Greifmechanismus. All das ist machbar und wird ja auch schon gemacht, dabei gibt es mE kein prinzipielles Problem.

Aber an welcher Stelle kommt dabei Bewusstsein ins Spiel? All diese Algorithmen laufen 'unbewusst' ab, es gibt bei einem solchen Roboter keine Notwendigkeit für bewusstes Erleben, damit er so funktioniert, wie er soll, nämlich flexibel und dynamisch in Bezug auf vorher unbekannte Umweltbedingungen.

Wie man bewusstes Erleben in einem Algorithmus implementieren könnte, ist mir auch höchst unklar. Keinen Schimmer einer Ahnung, wie das gehen könnte. Nur weil der Roboter interne Repräsentationen von sich und seiner Umwelt hat, erlebt er noch lange nichts, er funktioniert halt einfach nur. Wenn der Sensor seiner Batterie anschlägt, weil die mal wieder aufgeladen werden muss, wird eben das Auflade-Softwaremodul aktiviert, das den Roboter zum nächsten Aufladepunkt lenkt (in Verbindung mit dem Wahrnehmungs- und den restlichen Modulen). Aber das ist nichts mit Bewusstsein.

fwo hat folgendes geschrieben:
Bewusstsein ermöglicht Planung.

Auch das verstehe ich nicht. Wenn es neuronale Vorgänge im Gehirn gibt, die man mit 'Planung' gleich setzen kann, dann sind diese neuronalen Vorgänge logischerweise die hinreichende Voraussetzung für 'Planung'. 'Bewusstsein' ist dann nur ein Nebeneffekt dieser neuronalen Vorgänge, ein unnützer, keine Auswirkung habender, ein beliebiger, unnötiger.
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Myron
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Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3388

Beitrag(#1447956) Verfasst am: 21.03.2010, 19:15    Titel: Re: Bewusstsein und Evolution Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Hm, dahinter steckt aber mE die ungenannte Prämisse, man könne sinnvoll nur von physikalischen (kausalen) Wirkungen sprechen. Aber wo steht das eigentlich, wer legt das fest, wie ist das begründet?


"To believe in the phenomenal aspect of the world, but deny that it is epiphenomenal, is to bet against the truth of physics. Given the success of physics hitherto, and even with due allowance for the foundational ailments of quantum mechanics, such betting is rash! A friend of the phenomenal aspect would be safer to join Jackson in defense of epiphenomenal qualia."
———
"An den phänomenalen Aspekt der Welt zu glauben, aber zu leugnen, dass er epiphänomenal ist, heißt, gegen die Wahrheit der Physik zu wetten. In Anbetracht des bisherigen Erfolges der Physik, und selbst bei einer angemessenen Einkalkulierung des Grundlagenleidens der Quantenmechanik, ist eine solche Wette voreilig! Für einen Freund des phänomenalen Aspekts wäre es weniger riskant, sich Jackson und dessen Verteidigung epiphänomenaler Qualia anzuschließen."

[© meine Übers.]

(Lewis, David. "What Experience Teaches." 1988. In: David Lewis, Papers in Metaphysics and Epistemology, 262-290. Cambridge: Cambridge University Press, 1999. p. 283)

(Frank Jackson ist ein australischer Philosoph: "Epiphenomenal Qualia")

Auch ich setze lieber auf die Wahrheit der Physik und der reduktionistischen Naturwissenschaft allgemein als auf den supernaturalistischen Glauben an spirituelle Kräfte oder Mächte sui generis.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Wenn ich Zahnschmerzen habe, dann gehe ich zum Zahnarzt. Meiner Meinung nach ist diese Grund-Handlung-Sichtweise eine sinnvolle, d.h. es scheint mir eine gute Erklärung dafür, dass ich zum Zahnarzt ging und zwar deswegen, weil andere das leicht nachvollziehen können, indem sie sich in meine Situation hineindenken (-> "würde ich auch so machen"). Dabei ist es unerheblich, welche neuronalen Prozesse genau im Einzelnen diesen Schmerz erzeugt haben, es könnten auch andere sein (in einer gedachten anderen Welt). Das ist letztlich nicht relevant, wie das physikalisch ablief (-> multiple Realisierung).


Dass es eine zulässige "mentalistische" Beschreibungs- und Erklärungssprache außerhalb der rein physikalischen gibt, gestehen die meisten Physikalisten gerne zu; sie bestreiten nur, dass dazu die ontologische Postulierung hyperphysischer Kräfte oder Mächte erforderlich ist.
Wir können ruhig weiterhin von psychischer Kausalität sprechen und unsere "Grund-Handlungs-Sichtweise" beibehalten, solange wir im Hinterkopf behalten, dass das, was an psychischen Ereignissen die eigentliche kausale Arbeit leistet, allein deren neurophysiologische Seite ist.

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Und das ist ja auch immer noch keine Erklärung dafür, wieso es überhaupt Qualia gibt, welche Funktion die haben, wie die entstehen, wie die mit neuronalen Prozessen zusammenhängen und wieso es diesen Zusammenhang gibt.


Durch Qualia wird ein Organismus laufend (aber nur unvollständig) darüber informiert, was in ihm selbst und in seiner Umwelt vor sich geht. Über solche subjektiven Informationen verfügen zu können, scheint für einen Organismus sehr wohl von Nutzen zu sein.
(Zur Frage der Funktion des Bewusstseins siehe: http://plato.stanford.edu/entries/consciousness/#6)

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Man kann sich ja problemlos vorstellen, dass mein kranker Zahn den Gang zum Zahnarzt verursacht, ohne dass ich dazu ein Bewusstsein haben müsste; dass einfach alles so abläuft, wie jetzt auch, nur ohne Bewusstsein.


Wenn wir das subjektive Erleben, also die Qualia subtrahieren, dann kann eben nicht alles Physische gleichbleiben, denn dann verschwinden auch alle psychophysischen Prozesse, die wesensmäßig "qualiahaltig" sind. Und ohne die psychophysischen Prozesse findet auch eine Vielzahl anderer physischer Prozesse nicht mehr statt, sodass die Vorstellung der Möglichkeit einer bewusstseinslosen Zombiewelt, die mit der unsrigen Nichtzombiewelt physikalisch und insbesondere verhaltensmäßig identisch ist, auf einem Denkfehler beruht. Durch die Subtraktion des Bewusstseins würde sich die ganze Welt physikalisch verändern, sodass gar keine passende Vergleichsgrundlage zwischen der Zombiewelt und der Nichtzombiewelt gegeben ist.
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Myron
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Beiträge: 3388

Beitrag(#1447963) Verfasst am: 21.03.2010, 19:39    Titel: Re: Bewusstsein und Evolution Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:

Wir können ruhig weiterhin von psychischer Kausalität sprechen und unsere "Grund-Handlungs-Sichtweise" beibehalten, solange wir im Hinterkopf behalten, dass das, was an psychischen Ereignissen die eigentliche kausale Arbeit leistet, allein deren neurophysiologische Seite ist.


Wenn man von der "kontrafaktualistischen" Kausalitätstheorie ausgeht, dann kann man Qualia sogar als "kausal relevant" bezeichnen:

http://plato.stanford.edu/entries/causation-counterfactual

"The basic idea of counterfactual theories of causation is that the meaning of causal claims can be explained in terms of counterfactual conditionals of the form 'If A had not occurred, C would not have occurred'."

Man kann also z.B. sagen: "Wenn ich keine Zahnschmerzen gehabt hätte, dann wäre ich nicht zum Zahnarzt gegangen."
Denn wenn ich keine Zahnschmerzen gehabt hätte, dann hätte es das entsprechende psychophysische Ereignis nicht gegeben; und wenn es das entsprechende psychophysische Ereignis nicht gegeben hätte, dann hätte es nicht kraft seiner physischen Qualitäten das entsprechende Verhalten, d.h. mein Gehen zum Zahnarzt, auslösen können.

Ich bestreite jedoch, dass eine wahre kontrafaktische Aussage wie die obige bereits eine hinreichende Bedingung für das Vorliegen echter effizienter Kausalität ist. Denn in meinen Augen folgt aus der Tatsache, dass ich nicht zum Zahnarzt gegangen wäre, wenn ich keine Zahnschmerzen gespürt hätte, noch nicht, dass es per se die gefühlten Qualia meines Schmerzerlebnisses waren, die mich dazu bewegt haben, zum Zahnarzt zu gehen.
Die phänomenale Intensität eines Schmerzerlebnisses spiegelt zwar dessen neurophysiologische Intensität wider, aber sie ist nicht per se ein Wirkfaktor—weder ein nichtphysischer noch ein zusätzlicher physischer.
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Myron
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Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3388

Beitrag(#1447967) Verfasst am: 21.03.2010, 19:53    Titel: Re: Bewusstsein und Evolution Antworten mit Zitat

AgentProvocateur hat folgendes geschrieben:

Das Frage, das Rätsel hier ist: wenn (kausale) neuronale Prozesse für sich genommen hinreichende Ursachen für Verhalten sind, wozu dann zusätzlich ein subjektives Erleben?


Das Gesamtverhalten eines Menschen lässt sich eben nicht dadurch identisch reproduzieren, dass man alle psychophysischen Prozesse, die in seinem Körper stattfinden, durch rein physische, d.i. qualialose Prozesse ersetzt. Ein Zombie-Mozart würde nicht die gleiche Musik komponieren wie der bewusste Mozart.
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step
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Wohnort: Germering

Beitrag(#1447983) Verfasst am: 21.03.2010, 20:39    Titel: Re: Bewusstsein und Evolution Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Das Gesamtverhalten eines Menschen lässt sich eben nicht dadurch identisch reproduzieren, dass man alle psychophysischen Prozesse, die in seinem Körper stattfinden, durch rein physische, d.i. qualialose Prozesse ersetzt. Ein Zombie-Mozart würde nicht die gleiche Musik komponieren wie der bewusste Mozart.

Sehe ich ebenso. Mir ist aber auch völlig unklar, wieso ein reines Begleitphänomen irrelevant sein sollte. Allein schon weil das Begleitphänomen beobachtet werden kann, ändert es den Ablauf.
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