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13.12.1981-ein Sonntag ohne Kindersendung Teleranek....

 
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Naastika
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Anmeldungsdatum: 23.11.2003
Beiträge: 6100
Wohnort: an der Fütterungsstelle der Eichhörnchen

Beitrag(#1711833) Verfasst am: 13.12.2011, 11:28    Titel: 13.12.1981-ein Sonntag ohne Kindersendung Teleranek.... Antworten mit Zitat

Die Soldaten des WWI sind mittlerweile alle ausgestorben, umso mehr ein Grund, in Kriegserinnerungen späterer Epochen zu schwelgen...

Meine einzige Kriegserinnerung ist die Einführung vom Ausnahmeszustand am Sonntag, dem 13.12.1981, in Polen durchgehend als offiziell als Kriegszustand bezeichnet.

Meine und wohl der Mehrheit (also derer, die einen Fernseher überhaupt hatten...) der damaligen Generation der +/- 10Jährigen einprägendste Erinnerung an das Ereignis war das Fehlen der beliebtesten (und lage Jahre einziger) Kindersendung Teleranek.

Stattdessen hat ein General mit dunkler Brille eine Rede gehalten. Sonst gab es für Tage gar nichts.

An den Inhalt der Rede kann ich mich natürlich nicht erinnern, aber ich weiss noch, dass ich wegen Fehlen von Teleranek geweint habe.

Ich durfte auch einige Tage nicht raus, obwohl ich so gerne die Panzer gesehen hätte, die an der nahen Strasssenkreuzung gestanden sind.

Vielleicht habe ich sie letztendlich doch gesehen, oder es sind Erinnerungen an Bilder, ich weiss es nicht. Aber ich bilde mir ein, Panzer gegenüber dem Lebensmittelladen zu sehen, wenn ich die Augen schließe.

Mein Leben hat sich seitdem mehrfach geändert, in jeder Hinsicht.

Ich kann mich aber erinnern, wie die Geschichte aussah und sich anfühlte, als sie geschah.


Nur so viel.
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Telliamed
registrierter User



Anmeldungsdatum: 05.03.2007
Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten

Beitrag(#1711895) Verfasst am: 13.12.2011, 15:42    Titel: Antworten mit Zitat

Am gleichen Tag hatte ich frei und fuhr nach Potsdam. Die Doppelstockzüge fuhren von Berlin-Karlshorst über Schönefeld und Bergholz-Rehbrücke um den Westberliner Süden herum zu dem weit außerhalb der Stadt gelegenen Potsdamer Bahnhof.

Dort verfolgte ich zwei Nachrichten.

Die Nachricht von der Verhängung des Kriegsrechts in Polen durch General Jaruzelski stimmte nachdenklich. Dass irgend etwas nach den monatelangen Streiks und der sich zunehmend zeigenden Machtlosigkeit der PVAP (= Polnische Vereinigte Arbeiterpartei) geschehen müsse, war klar. Ein sowjetischer Einmarsch, wie dreizehn Jahre zuvor am 21. August 1968 in der Tschechoslowakei, war es nicht.
"Walesa hör auf Kania, sonst kommt Onkel Wanja", flüsterte man bei uns. Parteichef Kania kriegte jedoch nichts mehr gebacken. Gewerkschaftsführer Walesa wiederum konnte noch nichts gegen die Armee und den Sicherheitsdienst ausrichten. Nahezu eine Pattsituation.
Der später angeklagte Wojciech Jaruzelski verfolgte die Verteidigungslinie, durch die Verhängung des Kriegsrechts einem sowjetischen Einmarsch zuvorgekommen zu sein.

Im Januar 1981 hatte ich mich in einer Berliner Klinik mit einem Mitpatienten, einem Kellner aus Ostberlin, über Polen unterhalten. Der meinte: "Paß auf, etwa in einem Jahr wird es zu einem Staatsstreich kommen. Da wird ein 'Rat der nationalen Errettung' aus Offizieren geschaffen, denn andere Organisationen kommen nicht mehr in Frage. Die Partei kann es nicht mehr, die Gewerkschaft noch nicht, der Staat ist zersetzt, die Katholische Kirche ist zwar eine moralische Instanz, kann aber nicht die politische Macht übernehmen."
Ich habe selten eine so eindrucksvolle Vorhersage aus dem Munde eines Laien vernommen. Es kam alles so. Er hat sich nur um einen Monat verschätzt.

Zwanzig Jahre zuvor befand ich mich am 13. August 1961 mit meinen Eltern in der Sächsischen Schweiz, als über Lautsprecher die Befestigung der Grenze zu Berlin West und zur BRD bekanntgegeben wurde. Für meinen Vater stand die Frage, ob er seinen Urlaub abbrechen und an unseren Wohnort zurückkehren müsse, was jedoch nicht mehr nötig war.

Nun die zweite Nachricht.

http://zettelsraum.blogspot.com/2011/12/gustrow-1981-vor-dreiig-jahren-zeigte.html

(Das Umfeld dieses Blogs ist für FGH-Leser in mehrerlei Hinsicht ein Schmankerl.)

In Güstrow trafen sich Erich Honecker und Helmut Schmidt. In der Innenstadt wurden die Staatsmänner von der Bevölkerung abgeriegelt, was allerdings nicht so vollständig geschah, wie der oben zitierte Beitrag suggeriert. (- Meines Wissens nach waren einige der Weihnachtsmarktbesucher "echt", was man den Interviews anmerkte, die so nicht von Stasi-Leuten gegeben werden konnten. -)
In meiner Heimatstadt Erfurt wurden sogar während des Besuchs des österreichischen Bundespräsidenten Kirchschläger in die abgeriegelte Innenstadt verkleidete Pfarrer beider Konfessionen zur Belebung der menschenleeren Plätze eingesetzt, weil bekannt war - bis zum diesjährigen Papstbesuch -, dass beide Kirchen (kath. Dom, Luther) in Erfurt noch eine große Rolle spielten.


Beide Nachrichten standen in einem Zusammenhang. Es waren die Jahre einer tödlichen Bedrohung in Mitteleuropa durch die nach dem NATO-Doppelbeschluss von 1979 stationierten atomaren Kurzstreckenwaffen vom Typ Pershing II bzw. SS 20. Honecker und Schmidt demonstrierten vor den Kameras eine "Verantwortungsgemeinschaft". Schmidt betonte, dass jetzt in Polen Hoffnung auf die Beendigung eines untragbaren Zustands geschaffen worden wäre. Für die polnische Oppositionsbewegung war er mit solchen Äußerungen ausgefallen, die Hoffnungen auf W. Brandt gesetzt hatte. Die SED wiederum war zufrieden, dass der Unruheherd vor der unmittelbaren Haustür vorerst ausgeschaltet war. Man konnte sich dabei auf antipolnische Ressentiments in der Bevölkerung stützen. Der besoffene SED-Bezirkschef Konrad Naumann schwafelte 1981 in Berlin irgend etwas von Oberschlesien. Kratzte man am Lack dieser "sozialistischen Internationalisten", kam der deutsche Spießer zum Vorschein, der von "polnischer Wirtschaft" faselte.

Erst seit 1990 konnte Polen in sicheren Grenzen leben. Das Zwei + Vier-Abkommen der Großmächte sicherte dem Land die Garantien zu, die angesichts der Herstellung der deutschen Einheit im Herzen Europas nötig waren. Die schwarzen Adler Russlands, Preußens (und zunächst Österreichs) konnten sich nicht mehr vereint auf den weißen polnischen Adler stürzen, wie sie es 1772, 1793, 1795, 1815 getan hatten.
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