Religionskritik-Wiesbaden homo est creator Dei
Anmeldungsdatum: 04.11.2008 Beiträge: 10333
Wohnort: Wiesbaden
|
(#1623204) Verfasst am: 29.03.2011, 08:19 Titel: Haseloff ist nicht David |
|
|
Wohl eher ein trauriger Nachgesang,
die Ossifrauen sind doch meist schon im Westen oder auf dem Weg dorthin,
Haseloff bleiben dann nur noch die 'unkomplizierten' Restfrauen übrig.
Schade dass der Journalist nicht nachhakte, mich hätte da dann schon interessiert, wo H die Erfahrungen mit Westfrauen gemacht hat und *ob* er überhaupt je hat Erfahrungen machen dürfen
_________________ Derzeit ohne Untertitel
|
|
Telliamed registrierter User
Anmeldungsdatum: 05.03.2007 Beiträge: 5125
Wohnort: Wanderer zwischen den Welten
|
(#1623225) Verfasst am: 29.03.2011, 09:49 Titel: |
|
|
Das Interview geht ja noch weiter. Um ausreichend "Diktaturerfahrung" am eigenen Leibe zu haben, müsste sich eine "Ostfrau" schon auf die 40 zu bewegen. Haseloff ist gleichaltrig mit Angela Merkel, war also bei Beginn der Umwälzung 35 Jahre alt.
Natürlich wissen Frauen der mittleren Generationen, wie es war, als man noch nicht gezwungen war, die engere Umgebung auf der Suche nach einem Arbeitsplatz zu verlassen, als es noch nicht so viele Pendler gab. Die DDR-Bevölkerung war in keiner Weise auf Unsicherheit und Mobilität vorbereitet. In Sachsen-Anhalt brach die ganze chemische Industrie, die Regionen ernährte und verpestete, innerhalb kürzester Zeit zusammen, bei Wittenberg befand sich das große Stickstoffwerk Piesteritz. Gegenüber dem Landschaftspark Wörlitz bei Dessau pafften vier riesige Schornsteine des Kohlekraftwerkes Vockerode. Die gibt es nicht mehr, die sind nicht mehr nötig. Elbebiber und Reiher haben sich ihren Lebensraum zurückerobert.
Ich habe mir vor 26 Jahren auch eine Frau aus Sachsen-Anhalt geangelt. Der bislang noch wenig bekannte Politiker will sicher auf die Befindlichkeiten seines Völkchens eingehen, unter dem sehr viele bodenständige, nüchterne Typen mit Vorliebe für die Kartoffel der Magdeburger Börde und Unkenntnis irgendwelcher französischer Raffinessen anzutreffen sind.
In den Familien werden recht verschiedene Traditionen weitergegeben, die man bei weitem nicht über einen Kamm scheren kann. Solche Zahlenspiele, wonach nur 2 Millionen in der SED, 15 Millionen hingegen nicht in der Partei gewesen seien, bringen nicht viel weiter.
Die Kinder in der Schule werden mit der offiziellen Wortwahl und Sprachregelung konfrontiert, die besonders im Jahr 1991 und in den anschließenden Zeitläuften überall Eingang fanden und denen anderslautende Familientraditionen oder selbständig urteilende Lehrer kaum etwas entgegen setzen können, ohne Gefahr zu laufen, der "Ostalgie" bezichtigt zu werden.
Wer spricht denn in Sachsen-Anhalt von der älteren Generation freiwillig von "friedlicher Revolution" oder auch von "Diktatur", selbst wenn man anerkennt, in einer gelebt zu haben - die SED war ja stolz darauf, eine "Diktatur der Arbeiterklasse und der Klasse der werktätigen Genossenschaftsbauern" errichtet zu haben! Aber das sagte man nicht, schon allein deswegen, über den eigenen Staat, in dem man lebte.
Bei der Erringung der Deutungshoheit haben unterschiedliche Gruppierungen unter den einstigen Bürgerrechtlern mitgemischt, Politiker und Historiker im Westen gaben die Stichworte. Viel differenzierter als Gauck und die mit dem Bundesverdienstkreuz geehrte Marianne Birthler mit ihrem schlichten holzschnittartigen Denken urteilten der ebenfalls in Wittenberg tätige Friedrich Schorlemmer und der Magdeburger Pfarrer Hans-Joachim Tschiche, das sind "heitere" und manchmal "zornige" Geistliche.
Der Katholik Haseloff ist genauso viel und genauso wenig wie die Protestantin Angela Merkel typisch für eine "Ost-Biographie", kirchlich geprägte Leute waren in der öffentlichen Wahrnehmung lange unterrepräsentiert.
Letztlich setzt sich in diesen Regionen ein nüchterner Politikertyp durch, Blender haben wenig Chancen, große schwungvolle Reden kommen nicht an. Kein Zufall, dass Haseloff und Merkel aus den Naturwissenschaften kommen. Darauf beruht die, will mal sagen, wohlwollende Achtung für den jahrelangen Ministerpräsidenten, den Mathematiker Reinhard Höppner. Im Gespräch wirkte er ständig übermüdet, aber er genoss zweifellos Autorität auch bei Andersdenkenden.
http://de.wikipedia.org/wiki/Reinhard_H%C3%B6ppner
Ich werde nicht vergessen, wie er als Volkskammerpräsident 1990 den stürmischen Debatten mit einer Glocke ein Ende hätte setzen müssen, da war aber keine da. Gedankenverloren zog er eine hölzerne Rassel hervor, das Geschenk eines afrikanischen Stammes, und erregte damit die Aufmerksamkeit.
|
|