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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#958331) Verfasst am: 19.03.2008, 13:23 Titel: BVerfG: Vorratsdatenspeicherung teilweise gestoppt |
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Das Bundesverfassungsgericht hat heute verkündet, dass dem Eilantrag gegen die Vorratsdatenspeicherung teilweise stattgegeben wird. Der Zugriff auf die Daten soll vorläufig nur bei schweren Straftaten erlaubt sein. Dass das Verfassungsgericht Eilanträgen auch nur teilweise stattgibt ist unüblich.
http://www.vorratsdatenspeicherung.de/content/view/209/55/lang,de/
Bundesverfassungsgericht schränkt Vorratsdatenspeicherung ein - Zypries' Rücktritt gefordert hat folgendes geschrieben: |
Der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung begrüßt die heute verkündete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts [7], die von CDU, CSU und SPD beschlossene verdachtslose Sammlung der Verbindungs- und Standortdaten der gesamten Bevölkerung (Vorratsdatenspeicherung) durch einstweilige Anordnung einzuschränken. Die Verfassungsrichter entschieden: "In dem Verkehrsdatenabruf selbst liegt ein schwerwiegender und nicht mehr rückgängig zu machender Eingriff in das Grundrecht aus Art. 10 Abs. 1 GG (Schutz des Telekommunikationsgeheimnisses). Ein solcher Datenabruf ermöglicht es, weitreichende Erkenntnisse über das Kommunikationsverhalten und die sozialen Kontakte des Betroffenen zu erlangen."
... |
http://www.bundesverfassungsgericht.de/pressemitteilungen/bvg08-037.html
Zitat: | Das Gesetz zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung vom 21.
Dezember 2007 dient unter anderem dazu, die Richtlinie der Europäischen
Union über die Vorratsdatenspeicherung in deutsches Recht umzusetzen.
Zu diesem Zweck enthält sein Art. 2 Änderungen des
Telekommunikationsgesetzes (TKG). Gegenstand der von acht Bürgern
erhobenen Verfassungsbeschwerde sind die neu geschaffenen §§ 113a, 113b
TKG. § 113a TKG regelt die Speicherungspflicht für Daten. Anbieter von
Telekommunikationsdiensten werden verpflichtet, bestimmte Verkehrs- und
Standortdaten, die bei der Nutzung von Telefon, Handy, E-Mail und
Internet anfallen, für einen Zeitraum von sechs Monaten zu speichern. §
113b TKG regelt die Verwendung der gespeicherten Daten. Danach kann der
bevorratete Datenbestand zum Zwecke der Verfolgung von Straftaten, der
Abwehr erheblicher Gefahren für die öffentliche Sicherheit und der
Erfüllung nachrichtendienstlicher Aufgaben abgerufen werden. Die Norm
enthält keine eigenständige Abrufbefugnis, sie setzt vielmehr
gesonderte gesetzliche Bestimmungen über einen Datenabruf unter
Bezugnahme auf § 113a TKG voraus. Bislang nimmt lediglich die
Strafprozessordnung (§ 100g StPO) auf § 113a TKG Bezug und ermöglicht
zum Zweck der Strafverfolgung ein Auskunftsersuchen über solche
Telekommunikations-Verkehrsdaten, die ausschließlich aufgrund der in §
113a TKG geregelten Bevorratungspflicht gespeichert sind.
Der Antrag der Beschwerdeführer, §§ 113a, 113b TKG im Wege der
einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung über die
Verfassungsbeschwerde außer Kraft zu setzen, hatte teilweise Erfolg.
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts ließ die Anwendung von §
113b TKG, soweit er die Verwendung der gespeicherten Daten zum Zweck
der Strafverfolgung regelt, bis zur Entscheidung in der Hauptsache nur
modifiziert zu. Aufgrund eines Abrufersuchens einer
Strafverfolgungsbehörde hat der Anbieter von Telekommunikationsdiensten
die verlangten Daten zwar zu erheben und zu speichern. Sie sind jedoch
nur dann an die Strafverfolgungsbehörde zu übermitteln, wenn Gegenstand
des Ermittlungsverfahrens eine schwere Straftat im Sinne des § 100a
Abs. 2 StPO ist, die auch im Einzelfall schwer wiegt, der Verdacht
durch bestimmte Tatsachen begründet ist und die Erforschung des
Sachverhalts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos
wäre (§ 100a Abs. 1 StPO). In den übrigen Fällen ist von einer
Übermittlung der Daten einstweilen abzusehen. Zugleich wurde der
Bundesregierung aufgegeben, dem Bundesverfassungsgericht zum 1.
September 2008 über die praktischen Auswirkungen der Datenspeicherungen
und der vorliegenden einstweiligen Anordnung zu berichten. Im Übrigen
lehnte der Erste Senat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung ab; insbesondere lehnte er die Aussetzung des Vollzugs von §
113a TKG, der allein die Speicherungspflicht für Daten regelt, ab.
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_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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Autoterrorist Die Gottespest
Anmeldungsdatum: 23.04.2006 Beiträge: 846
Wohnort: Duisburg
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(#958338) Verfasst am: 19.03.2008, 13:32 Titel: |
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Zitat: | Der Zugriff auf die Daten soll vorläufig nur bei schweren Straftaten erlaubt sein. | Woran sich die netten Leute vom Geheimdienst auch halten werden!
Zitat: | Sie sind jedoch
nur dann an die Strafverfolgungsbehörde zu übermitteln, wenn Gegenstand
des Ermittlungsverfahrens eine schwere Straftat im Sinne des § 100a
Abs. 2 StPO ist, die auch im Einzelfall schwer wiegt, der Verdacht
durch bestimmte Tatsachen begründet ist und die Erforschung des
Sachverhalts auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos
wäre (§ 100a Abs. 1 StPO). | Schwere Straftaten sind auch "Straftaten gegen die öffentliche Ordnung nach den §§ 129 bis 130", wozu auch §129a zählt. Trotz dieser Einschränkung kann also die Telekommunikation politischer Gegner überwacht werden. Ich erinnere an die "G8-Terroristen", die den Staatsterroristen zum Opfer fielen.
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#958354) Verfasst am: 19.03.2008, 13:53 Titel: |
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@Autoterrorist
Bedenke, dass das die Entscheidung des Eilantrags, den Vollzug des Gesetzes zu stoppen, was geradezu eine Degradierung der Politiker gleichkommt, war und nicht das endgültige Urteil, welches wohl noch länger auf sich warten lassen wird. Das BverfG geht sehr sparsam mit der Zustimmung zu Eilanträgen um.
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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Autoterrorist Die Gottespest
Anmeldungsdatum: 23.04.2006 Beiträge: 846
Wohnort: Duisburg
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(#958357) Verfasst am: 19.03.2008, 13:56 Titel: |
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Ja, das bedenke ich...
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44647
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(#958368) Verfasst am: 19.03.2008, 14:03 Titel: |
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Das ist immerhin ein positiver Anfang.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Critic oberflächlich
Anmeldungsdatum: 22.07.2003 Beiträge: 16338
Wohnort: Arena of Air
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(#958903) Verfasst am: 20.03.2008, 00:34 Titel: |
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Dieses "Instrument" kostet 500 Millionen Euro - die auch noch von den Überwachten selbst bezahlt werden müssen - und würde im Gegenzug - laut BKA-Aussage - die Aufklärungsrate von Verbrechen um 0.006% steigern. Das hielt natürlich das BKA nicht davon ab, eine Vorratsdatenspeicherung zwecks "Verbrechensbekämpfung" zu fordern. Die Ineffektivität (von den imhr 318 Verbrechen, die zusätzlich hätten aufgeklärt werden können, stammte genau eines aus dem Bereich der "Gefahrenabwehr") bewies für das BKA ja gerade, daß die Vorratsdatenspeicherung notwendig sei und für alle Verbrechen eingesetzt werden müsse.
Tatsächlich aber ist das nur Augenwischerei, wurde die Vorratsdatenspeicherung z.B. von Seiten Frankreichs aus forciert, um ein Instrument gegen sog. "Raubkopierer" zu haben. Entsprechend äußerten sich Vertreter der Musikindustrie postwendend entrüstet über die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes. Immerhin reklamiert die Musikindustrie ja, daß durch illegale Downloads ein Milliardenschaden entstehe. In Zukunft wollte man wohl allen Personen einige hundert bis einige tausend Euro abziehen oder sie vor den Kadi bringen, die sich auch bloß eine MP3-Datei heruntergeladen hatten. Gehen wir davon aus, daß das Urteil auf eine grundlegende Diskrepanz im Verständnis von Musikindustrie und Gerichten von den Menschenrechten hinweisen mag .
_________________ "Die Pentagon-Gang wird in der Liste der Terrorgruppen geführt"
Dann bin ich halt bekloppt.
"Wahrheit läßt sich nicht zeigen, nur erfinden." (Max Frisch)
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Stefan auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 03.08.2004 Beiträge: 6217
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(#958954) Verfasst am: 20.03.2008, 01:20 Titel: |
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Zitat: | "Wir müssen handwerklich besser werden", sagt der SPD-Innenexperte Wiefelspütz im tagesschau.de-Interview. Aber die Gesetze müssten handwerklich besser werden.
...Trotzdem gebe es keinen Grundsatzstreit zwischen Parlament und Bundesverfassungsgericht, |
Ja, sehr witzig Herr Wiefelspütz!
Wie schon bei der Onlinedurchsuchungsschlappe stehen die Verfassungsfeinde plötzlich Schulter an Schulter mit den Richtern. Geil!
Das Bundesverfassungsgericht urteilt, nicht die Bevorratung, sondern die Zugriffsberechtigung wäre das Problem...
Dumme Richter, mehr fällt mir da nicht zu ein! Sind die Daten erst mal vorhanden, werden Bedürfnisse geweckt und Missbrauch gerade zu provoziert. Das Urteil, auch wenn es noch nicht das letzte Wort ist, trägt der informationellen Selbstbestimmung der Bürger in keinster Weise Rechnung!
Der erhebliche Einschüchterungseffekt, den die Richter selbst beanstanden, ist durch ihre (vorläufige) Rechtssprechung kein Deut weniger geworden.
Ich bin sehr enttäuscht! Der illegale Filesharer mag zwar Erleichterung empfinden, Demokraten und Oppositionellen dürfte diese Rechtssprechung aber nicht genügen! Den Geheimdiensten wird es egal sein, Hauptsache die Daten sind vorhanden.
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#959077) Verfasst am: 20.03.2008, 10:48 Titel: |
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Stefan hat folgendes geschrieben: |
Das Bundesverfassungsgericht urteilt, nicht die Bevorratung, sondern die Zugriffsberechtigung wäre das Problem... |
Blödsinn. Sie haben nur die Bevorratung nicht als schwereren Eingriff als den in die Ausführung eines Gesetzes gesehen. Leute, leute, eine 'einstweilige Anordnung" seitens des BVerfG ein Gesetz vorerst (eig. 6 Monate, sie sprechen von bis zur Entscheidung in der Hauptsache) teilweise nicht ausgeführt wird, ist ein Desaster (!!) für die Politik und ein Faustschlag in das Gesicht der Politiker. Die Hauptentscheidung wurde wurde noch gar nicht gefällt! Ein von dir insinuiertes Urteil gibt es nicht! Das BverfG sagt nur, dass der Zugriff einen weitaus schwerwiegenderen Eingriff in die Grundrechte darstellt und zwar einen dermaßen großen, wenn er nicht wie erzwungen eingeschränkt wird, dass das Gericht sich dazu veranlasst sah, diesen bereits vor (!) der Hauptverhandlung zu untersagen!
Zitat: | Ich bin sehr enttäuscht! Der illegale Filesharer mag zwar Erleichterung empfinden, Demokraten und Oppositionellen dürfte diese Rechtssprechung aber nicht genügen! Den Geheimdiensten wird es egal sein, Hauptsache die Daten sind vorhanden. |
Sie dürfen übrigens auch nicht zugreifen, somit sind solche Daten nicht - direkt - verwendbar.
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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sehr gut dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 05.08.2007 Beiträge: 14852
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sehr gut dauerhaft gesperrt
Anmeldungsdatum: 05.08.2007 Beiträge: 14852
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