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HiobHolbach registrierter User
Anmeldungsdatum: 28.07.2007 Beiträge: 1715
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(#1704784) Verfasst am: 15.11.2011, 13:06 Titel: Heinz-Werner Kubitza: Verführte Jugend. Eine Kritik am Youcat |
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Im März 2011 erschien bei Pattloch der „Youcat“, der in Form von Fragen und Antworten die Lehre der römisch-katholischen Kirche (RKK) für Jugendliche darstellt. Während der Katechismus der RKK in sage und schreibe 2865 Paragraphen den Gläubigen genau vorschreibt, was diese zu glauben und zu tun haben, beschränkt sich der locker und kuschelig daherkommende „Youcat“ auf 527 Punkte. Die ersten 165 davon, die „Grundlagen“ des Glaubens betreffen, hat der gelernte Theologe und Autor von „Der Jesuswahn“ Heinz-Werner Kubitza aus rational-wissenschaftlicher Perspektive kommentiert. Kubitza zeigt, wie unvernünftig nicht nur die Anworten, sondern wie problematisch oft auch schon die Fragen des „Youcat“ sind. Dies möchte ich anhand der ersten fünf Youcat-Fragen und kurzen Ausschnitten aus „Verführte Jugend“ veranschaulichen (die Anmerkungen Kubitzas zu den einzelnen Fragen sind ausführlicher).
1. Wozu sind wir auf der Erde? „Der Youcat stellt gleich als Erstes die Frage nach dem Sinn des Lebens. Und die Vertreter einer Ideologie, in diesem Fall einer religiösen Ideologie, können meist nicht anders, als für alle Menschen den gleichen Sinn vorzuschreiben. Wie in den Staaten des alten, real existierenden Sozialismus alle dazu verurteilt waren, diesen Sozialismus aufzubauen und ihm zu dienen, sollen in einer religiösen Ideologie wie dem Katholizismus alle Menschen Gott erkennen und ihn lieben. Da stellt sich sogleich die Frage: Was ist mit Menschen, die dem nicht folgen wollen? Die für ihr Leben andere Pfade und andere Ziele sehen als die ausgetretenen katholischen Pfade?“
2. Warum schuf uns Gott? „Schuf er uns denn? Nach dem Stand der gegenwärtigen wissenschaftlichen Forschung hat sich die menschliche Spezies – und mit ihr alle Lebewesen – in einem über Milliarden von Jahren hinziehenden Evolutionsprozess herausgebildet und ist keineswegs durch den Schöpfungsakt eines Gottes entstanden.“
3. Warum suchen wir nach Gott? „Die Kirchen tun auch heute immer noch so, als sei die Suche nach Gott irgendwie dem Menschen eingepflanzt, als gehöre sie zur menschlichen Natur. Natürlich wollen Menschen Erkenntnisse zu den grundlegenden Fragen des Menschseins erlangen (Wo komme ich her?, Wo gehe ich hin?, Wie soll ich handeln?), aber dies ist nicht zwangsläufig mit der Gottesfrage verbunden. Und überhaupt: Welcher der zehntausend Götter dieser Welt sollte denn da Antworten geben können? … Welcher Religion man angehört, ergibt sich in erster Linie daraus, wo man geboren ist. Dies ist keine Frage von Wahrheit, sondern von Sozialisation. … In Europa leben Millionen ohne den Glauben, und nur die Kirchen sind der Meinung, dass ihnen dadurch etwas fehlen würde.“
4. Können wir die Existenz Gottes mit unserer Vernunft erkennen? „ … Die Frage der Erkennbarkeit Gottes durch die Vernunft ist eigentlich keine theologische, sondern eine philosophische Frage. … Die Gottesbeweise, mit denen die katholische Kirche auch heute noch gerne hausieren geht, sind spätestens seit Immanuel Kant keine akzeptierte Währung mehr. Eine im Mittelalter kastrierte Philosophie hat ihre Sprache wiedergefunden und kommt heute ohne einen Gottesbegriff aus, ja ein solcher gilt heutzutage geradezu als unvernünftig.“
5. Warum leugnen Menschen Gott, wenn sie ihn doch mit ihrer Vernunft erkennen können? „Diese Frage ist ein Scheinproblem, denn die Prämisse stimmt nicht: Gott ist eben nicht mit der Vernunft erkennbar (siehe Frage 4), auch wenn Paulus dies zehnmal geschrieben hätte. Viel eher sind heute viele Menschen durch ihre Vernunft davon überzeugt, dass der Aufbau der Welt einen Gott eher unwahrscheinlich erscheinen lässt.“
So geht es Punkt für Punkt weiter und Kubitza hätte sicherlich ohne große Mühe auch bei den Fragen 166 bis 527 deutlich machen können, dass es sich beim christlichen bzw. katholischen Glauben um menschliche Phantasien handelt, die einer kritischen Überprüfung ebenso wenig standhalten wie sonstige Göttersagen.
Wozu der „Youcat“ überhaupt nicht verführt, ist das eigene kritische Denken. Die allwissende und allein seligmachende katholische Kirche ist ja im Besitz der Wahrheit, und die jugendlichen „Schäfchen“ müssen sich diese nur noch eintrichtern lassen. Eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Kritik an der RKK findet nicht statt. Im Grunde werden die „Schäfchen“ von ihren „Hirten“ nicht als vernunftbegabte Wesen ernst genommen, sondern alle über einen Kamm geschoren. Eine merkwürdige Auffassung von „Menschenwürde“.
Ich kann Jugendlichen und auch Erwachsenen, Gläubigen und Ungläubigen, nur empfehlen, sich Kubitzas gut lesbare, fundierte und zudem recht preiswerte Kritik des „Youcat“ und damit des christlichen Glaubens (unter besonderer Berücksichtigung der katholischen Lehre) zu Gemüte zu führen. Besonders reizvoll ist es, „Youcat“ und „Verführte Jugend“ parallel zu lesen. In Kombination könnten beide Schriften auch gut von Religions- und Ethiklehrer/inne/n eingesetzt werden, die informieren und zum Nachdenken anregen, aber nicht „auf Teufel komm raus“ missionieren möchten. Wie auch zum „Jesuswahn“ hat der Autor zu seiner „Youcat“-Kritik eine umfangreiche Internetseite mit Inhaltsverzeichnis, Vorwort, Leseproben und demnächst auch Kritiken angelegt: http://www.youcat-kritik.de/
PS: Angesichts der bedrohlichen Lage der Menschheit dürfte es klar sein, dass in die Fähigkeiten junger Menschen investiert werden muss, Probleme intelligent anzugehen und dabei zwischen tröstlichen Illusionen und Fakten zu unterscheiden. Eine religiöse Sozialisation kann das nicht leisten, sondern verführt die Jugend zu unkritisch-autoritärem Denken und zur Flucht in Phantasiewelten. Es würde mich daher sehr freuen, wenn es wenigstens diese zweite kirchenkritische Schrift von Kubitza in die großen Medien schaffen würde. Aber die werden – ebenso wie die Politik – ja immer noch von den Kirchen dominiert.
_________________ Bibel- und Kirchenkritik: www.reimbibel.de
Kritik an § 217 StGB (Verbot der professionellen Suizidhilfe): www.reimbibel.de/217.htm
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Aquin Reihe 071520; 20. von links
Anmeldungsdatum: 13.11.2011 Beiträge: 91
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(#1704832) Verfasst am: 15.11.2011, 16:17 Titel: |
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Das Buch richtet sich ja an Katholiken, oder?
Von dem her ist doch die Frage ob uns Gott überhaupt schuf oder ob der Sinn des Lebens tatsächlich nur in Gott zu finden ist oder ob man vielleicht gar nicht nachfolgen möchte irrelevant, weil sich diese Fragen für einen Katholiken ja nicht stellt.
Für nichtkatholiken ist so ein Buch natürlich Quatsch und zur Findung des richtigen Glauben ists auch unsinnig.
Und damit missionieren zu gehen ist der größte Unsinn.
Deshalb finde ichs gar nicht so verkehrt dass dieses Buch so Kommentiert und somit für Nichtkatholiken vervollständigt und neutral gemacht wird - das einzige was mich mehr nervt als ein fanatischer Atheist ist ein missionierender Katholik.
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Vobro Privatnachdenker
Anmeldungsdatum: 10.11.2011 Beiträge: 1024
Wohnort: Wuppertal
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(#1705016) Verfasst am: 16.11.2011, 03:27 Titel: |
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Aquin hat folgendes geschrieben: | Das Buch richtet sich ja an Katholiken, oder?
Von dem her ist doch die Frage ob uns Gott überhaupt schuf oder ob der Sinn des Lebens tatsächlich nur in Gott zu finden ist oder ob man vielleicht gar nicht nachfolgen möchte irrelevant, weil sich diese Fragen für einen Katholiken ja nicht stellt.
Für nichtkatholiken ist so ein Buch natürlich Quatsch und zur Findung des richtigen Glauben ists auch unsinnig.
Und damit missionieren zu gehen ist der größte Unsinn.
Deshalb finde ichs gar nicht so verkehrt dass dieses Buch so Kommentiert und somit für Nichtkatholiken vervollständigt und neutral gemacht wird - das einzige was mich mehr nervt als ein fanatischer Atheist ist ein missionierender Katholik. |
@ Aquin:
Ob das Buch sich an Katholiken wendet, fragst Du, nunja, eigentlich nicht, denn es soll sich richten an jene, die erst zu richtigen - was in diesem Falle wohl heißen soll: Jugendkathechismusgerechten - Katholiken erzogen werden sollen. Aber ab wann ist jemand eigentlich offiziell ein guter, ein richtiger, ein echter Christ, bzw. Katholik, was ja längst nicht das selbe ist, wie Du hoffentlich weißt. Ab der Taufe? Der Kommunion? Oder erst bei ständiger Ableistung und Einhaltung der vielen formalen, rituellen und moralischen Vorgaben in der Glaubenslehre und der dazugehörigen Sexualmoral? Und ist man erst dann ein echter Katholik, wenn man sich mit einer Glaubenslehre identifiziert, die mit den Erkenntnissen der modernen Naturwissenschaften an keiner Stelle übereinstimmt? Also in der Konsequenz, wenn wir über Jugendliche reden, in Physik, Bio und Chemie eine zwei würde bedeuten in Reli eine fünf... mal so ganz grob gedacht.
Die Frage, an wen sich das Buch richten soll, ist äußerst relevant für Katholiken, denn jeder Jeck ist bekanntlich anders, auch in dem was geglaubt wird, Gleichschaltung und Meinungsdiktatur klappt in unserer Kultur z. Glück nicht einmal mehr an der Oberfläche, geschweige denn im Identifikationsgrad mit der amtlich vorgegebenen Glaubenslehre.
Dann sprichst Du von der "Findung des richtigen Glaubens" - was ist das nun wieder, kannst Du den "richtigen" Glauben definieren? Dann laß mal hören, ich lerne gerne dazu.
Daß die Kirche durch allerlei Zirkus verstärkt versucht sich an junge Leute zu wenden, ist ja nichts neues, es werden seit vielen Jahren christliche Popkonzerte veranstaltet und eben Jugendkathechismen rausgebracht, diese Spielchen laufen seit langem schon. Und es ist gut, daß Menschen, die sich der Aufklärung mehr verpflichtet fühlen, als der Anhänglichkeit an falsche Glaubenslehren, dagegen argumentieren.
Der Katholizismus ist nach wie vor eine der vorherrschenden Irrlehren und das muß man den jungen wie auch den älteren Leuten immer wieder sagen, so einfach ist das.
Für mich persönlich ist das übrigens der entscheidende Aspekt in meinem Engagement, denn mich interessiert nicht so sehr, was sich Roms Hardcore-Amtskatholiken alles einfallen lassen, um ihre moderne Menschenfischerei aufzuführen, sondern wie man vor allem junge Leute davor schützt.
Davor und natürlich vor jeder anderen Form des Aberglaubens, und es gibt diesbezüglich eine Menge zu tun. Das schlimme ist, daß Religion immer noch allzuoft mit Theologie verwechselt wird, und es wäre viel gewonnen, wenn das erstmal wirklich begriffen wird.
Z.B. der Bischof von Rom, Papst Ratzinger, ist ja kein religiöser Mensch, sondern ein katholischer Ideologe, und das hat sich noch viel zu wenig herumgesprochen. (Siehe etwa "Generation Benedikt")
Wer gegen den Katholizismus argumentiert, muß noch lange nicht die Religion und den Glauben als solche ablehnen, viele junge Leute wissen aber gar nicht, wie man das alles auf sinnvolle Weise unterscheidet, weil sie von ihren Religionslehrern und Pfarrern nur sehr oberflächlich an diese Dinge herangeführt werden, und da eine Orientierung zu finden, ist schonmal sehr wichtig.
Es scheint tatsächlich so zu sein, daß viele junge Leute seit einigen Jahren wieder verstärkt nach religiöser Orientierung suchen, sie werden mit sehr vielen Unsicherheiten konfrontiert, wirtschaftlich, politisch, sozial, in Fragen des Umgangs mit der Natur, viele wachsen in nicht sehr stabilem familiären und sozialen Umfeld auf, etc., da ist die Suche nach einem festen Halt absolut verständlich, und da kann Jugendarbeit in den Gemeinden eine Menge Hilfe bieten. Ich war selber als Jugendlicher oft im CVJM, wurde aber in keinster Weise "missioniert", die Freizeitangebote waren vollkommen von solchen Dingen befreit, und das würde ich jedem jungen Menschen heute auch gönnen. Über Religion und Glauben, und ausdrücklich auch die Freiheit zum Nichtglauben, zu sprchen, ist vollkommen ok, aber nicht das Auftischen angeblicher Wahrheiten in einer bestimmten Glaubenslehre.
Aber ich merke, ich schwatze zu viel...
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Aquin Reihe 071520; 20. von links
Anmeldungsdatum: 13.11.2011 Beiträge: 91
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(#1705020) Verfasst am: 16.11.2011, 08:31 Titel: |
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Danke für deinen Beitrag, den ich sehr interessant fand und auf den ich zeitlich bedingt leider kürzer antworten muss als du es verdienst...aber die Frage will ich dir zumindest beantworten:
Findung des Richtigen Glaubens = überlegung was man persönlich eigentlich glaubt. "richtig" ist hier nicht im Sinne von "universell korrekt" zu verstehen.
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L.E.N. im falschen Film
Anmeldungsdatum: 25.05.2004 Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg
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(#1705043) Verfasst am: 16.11.2011, 10:43 Titel: Re: Heinz-Werner Kubitza: Verführte Jugend. Eine Kritik am Youcat |
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HiobHolbach hat folgendes geschrieben: | Angesichts der bedrohlichen Lage der Menschheit dürfte es klar sein, dass in die Fähigkeiten junger Menschen investiert werden muss, Probleme intelligent anzugehen und dabei zwischen tröstlichen Illusionen und Fakten zu unterscheiden. Eine religiöse Sozialisation kann das nicht leisten, sondern verführt die Jugend zu unkritisch-autoritärem Denken und zur Flucht in Phantasiewelten. Es würde mich daher sehr freuen, wenn es wenigstens diese zweite kirchenkritische Schrift von Kubitza in die großen Medien schaffen würde. Aber die werden – ebenso wie die Politik – ja immer noch von den Kirchen dominiert. |
mit diesem Schlusswort sprichst du aus, was auch mich antreibt:
Erstens der Wunsch junge Menschen zu ermutigen Eigenverantwortung zu übernehmen und damit Autoritäten nicht einfach hinzunehmen wie es in der Geschichte leider immer wieder passierte und zweitens unbedingten Glauben in jedweder Form in seine Bedeutungslosigkeit zu dezimieren.
_________________ Ich will Gott lästern dürfen! Weg mit §166 StGB!
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