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Argeleb Misanthropischer Humanist
Anmeldungsdatum: 02.01.2010 Beiträge: 2056
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(#1703827) Verfasst am: 11.11.2011, 20:30 Titel: Der Mensch als Ebenbild Gottes |
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Mich hat ja schon immer gewundert, wie grausam Götter mit ihren Ebenbildern umgehen. Sie werden ermordet, geschlachtet, gesteinigt, versklavt und was nicht noch alles. Dabei sollte man meinen, als Ebenbild Gottes ist jeder Mensch gleich. Wie kann man dann einige von ihnen nur so schlecht behandeln?
Lange Zeit bin ich einfach davon ausgegangen, dass das eben diese vielen Widersprüche und Unverständlichkeiten in den heiligen Schriften sind, oder eben das diese Schriften nur Käse sind.
Jetzt glaube ich aber verstanden zu haben, warum das so ist. Man muss diese Phrasen nur etwas umformulieren, dann wird sofort die Rechtmäßigkeit der ganzen Grausamkeiten klar, die Gott von den Gläubigen abverlangt.
Man ersetze einfach den Begriff Mensch (da er zu allgemein gültig ist). Hier im Beispiel beschränke ich mich mal auf die Christen, aber es gilt so natürlich analog für die anderen Buch-Religionen:
Und Gott erschuf den Christen nach seinem Bilde. Somit gibt es kein Problem mehr, Nicht-Christen zu töten oder zu versklaven, denn für die gelten ja die Rechte, die Liebe des Herrn nicht.
Ist das zu weit hergeholt?
_________________ Denny Crane!
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26446
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(#1703830) Verfasst am: 11.11.2011, 20:38 Titel: Re: Der Mensch als Ebenbild Gottes |
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Argeleb hat folgendes geschrieben: | ...
Ist das zu weit hergeholt? |
Nur, wenn Du es nur auf Religionen beziehst. Alle diese Benimmregeln galten zuerst immer nur für die eigene Gruppe, für Mitglieder andere Gruppen nur dann, wenn ein Geschäftsverkehr auf Augenhöhe notwendig war, weil man zwar etwas von ihnen wollte, aber sie nicht überwältigen konnte. Und wenn Du das jetzt von der Gruppe in den Staat übersetzt, hast Du die Grundlage der Politik bis vor gar nicht so langer Zeit.
fwo
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Argeleb Misanthropischer Humanist
Anmeldungsdatum: 02.01.2010 Beiträge: 2056
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(#1703837) Verfasst am: 11.11.2011, 21:04 Titel: Re: Der Mensch als Ebenbild Gottes |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Argeleb hat folgendes geschrieben: | ...
Ist das zu weit hergeholt? |
Nur, wenn Du es nur auf Religionen beziehst. |
Ja eben weil es ja für soziale Gruppen gilt. Und da die Religionen aus solchen Gruppen entstanden sind (da hatte doch jede ihre eigene Religion, und es war immer gleich das Gesetz) gelten die Regeln natürlich auch bei Religionsgemeinschaften nur für die Gruppe, also die, die an die jeweilige Religion glauben.
Aber wie verträgt sich das nun mit der Zusammenarbeit der Religionen? Haben wir den Punkt erreicht, an dem Religion A die Religion B nicht mehr überwältigen kann, und sie deshalb den Verhandlungstisch suchen?
PS: Wir kennen das ja von den Römern. Alle anderen waren Barbaren und konnten versklavt werden.
_________________ Denny Crane!
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26446
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1703851) Verfasst am: 11.11.2011, 22:10 Titel: Re: Der Mensch als Ebenbild Gottes |
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Argeleb hat folgendes geschrieben: | ....
Aber wie verträgt sich das nun mit der Zusammenarbeit der Religionen? Haben wir den Punkt erreicht, an dem Religion A die Religion B nicht mehr überwältigen kann, und sie deshalb den Verhandlungstisch suchen?.... |
Sie haben in einer Welt, in der es plötzlich (in historischen Dimensionen zu verstehen) für den einzelnen möglich ist, auch außerhalb der Kirche zu leben, ohne das Land deshalb zu verlassen, alle einen gemeinsamen Feind, gegen den es sich zu verbünden gilt: den Atheismus. Das war für mich besonders deutlich als es nach dem "Karikaturenstreit" Unterstützung von der Katholischen Seite für die muslimische gab. Das sehe ich als den eigentlichen Grund an, sich zu verständigen: um gemeinsam gegen die Gottlosigkeit und die drohende eigene Vernachlässigbarkeit anzugehen.
fwo
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Argeleb Misanthropischer Humanist
Anmeldungsdatum: 02.01.2010 Beiträge: 2056
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(#1703866) Verfasst am: 11.11.2011, 23:04 Titel: Re: Der Mensch als Ebenbild Gottes |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Das sehe ich als den eigentlichen Grund an, sich zu verständigen: um gemeinsam gegen die Gottlosigkeit und die drohende eigene Vernachlässigbarkeit anzugehen. |
Da stimme ich dir zu, und dass sie damit ja eigentlich ihre ursprüngliche Ideologie verraten, kennt man ja.
_________________ Denny Crane!
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tillich (epigonal) hat Spaß
Anmeldungsdatum: 12.04.2006 Beiträge: 22263
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(#1703890) Verfasst am: 12.11.2011, 01:11 Titel: Re: Der Mensch als Ebenbild Gottes |
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Argeleb hat folgendes geschrieben: | Und Gott erschuf den Christen nach seinem Bilde. Somit gibt es kein Problem mehr, Nicht-Christen zu töten oder zu versklaven, denn für die gelten ja die Rechte, die Liebe des Herrn nicht.
Ist das zu weit hergeholt? |
Was ist deine Frage?
Ob mit dieser Umformulierung der "eigentliche Sinn" dieser und vergleichbarer Aussagen angemessen wiedergegeben wäre? Natürlich nicht, sondern die Umformulierung ist eine Verdrehung ins komplette Gegenteil und nimmt genau den wesentlichen Punkt weg, den der universalistische Gehalt des monotheistischen Gottesbilds für die Ethik bedeutet.
Oder ist die Frage, ob es gegen die eigentlich universalistische Ausrichtung in den monotheistischen Religionen immer wieder genau so gelaufen ist, wie du es schreibst? Klar, das ist leider so. Das kann man aber auch ohne oder mit einem nicht-religiösen universalistischen Anspruch schaffen.
_________________ "YOU HAVE TO START OUT LEARNING TO BELIEVE THE LITTLE LIES." -- "So we can believe the big ones?" -- "YES."
(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26446
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1703903) Verfasst am: 12.11.2011, 02:51 Titel: Re: Der Mensch als Ebenbild Gottes |
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tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | ....gegen die eigentlich universalistische Ausrichtung in den monotheistischen Religionen .... |
Da glaube ich nicht dran. Ihr Christen habt ja in der Rückschau das Glück, dass die ersten Generationen eher im Untergrund als an der Macht waren. Und nachher ... ja die waren natürlich entartet.
Bei Mohammed habe wir allerdings das historische Glück, dass der Gründer gleich der erste Kirchenfürst war. Und wie ist er mit den anderen umgegangen? Wie mit seinesgleichen? Sieht für mich nicht so aus.
Was wir allenfalls sagen können, ist dass genau die Religionen überlebt haben, bei denen entweder die Kernsätze offen genug formuliert waren, oder die internen Widersprüche groß genug, um über die Exegese jeweils den (fast) neuesten Stand der über den interkulturellen Dialog sich entwickelnden Sitten als religiös fundiert zu erklären.
Das Ganze wird für mich verständlich, wenn ich mir ansehe, warum die einzelnen Gruppen/Kulturen überhaupt religiös definiert waren. Es war nämlich so, dass die Götter denjenigen halfen, die sie anbeteten: Gehn wir mal davon aus, dass die Moral bereits vor der Sprache da war, der Mensch ist als soziales Wesen angelegt, und nur mit einer Moral kommst Du zu Gruppen, in denen auch soetwas wie eine Sprache entstehen kann. Die Ethik, d.h. die Gedanken zur Moral sind also sekundär. Und die sich entwickelnde Sprache ermöglicht effektivere und präzisere Tradition der persönlichen Fähigkeiten, sie erst ermöglicht damit soetwas wie Berufe und Arbeitsteilung und führt damit zu komplexeren sozialen Strukturen, deren Verhaltensregeln durch ein schlichtes Nachahmungslernen nicht mehr hinreichend gesichert sind, und Schulen mit staatlichem Lehrplan existierten noch nicht. Hier kommt jetzt die Religion ins Spiel, in deren Mantel eine geregelte und damit stabile Überlieferung der Kultur mit allen ihren Regeln garantiert wird. Als personeller Träger dieser Kultur wird eine Priesterkaste installiert, sobald eine echt arbeitsteilige "Hoch"kultur existiert, bei Jägern und Sammlern reicht ein schlichtes Meister-Schüler-Verhältnis von Einzelpersonen, um das Wissen zu bewahren und fortzupflanzen.
Wenn aber diese Gedanken den Verlauf der Gesellschaftsentwicklung einigermaßen beschreiben, dann liegt die evolutionäre Funktion der Religion nicht in der Entwicklung einer universalistischen Moral oder der Anbetung irgendwelcher Götter, sondern einzig in der Überhöhung und damit Stabilisierung der Kultur, die immer eine Kultur der sie tragenden Gruppe war. Warum um alles in der Welt sollte die eine "universalistische Ausrichtung" haben?
Und wenn wir nicht versuchen, uns den Anfang des Christentums schönzureden, sondern uns das praktische politische Handeln ihrer Fürsten ansehen, solange sie Macht hatten, dann sehen wir, dass da nichts universalistisch war, das Christentum transportierte genauso eine Gruppenmoral wie alle anderen Religionen auch.
fwo
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Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#1703945) Verfasst am: 12.11.2011, 13:32 Titel: |
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Soweit ich weiß, war Robespierre einer der eifrigsten Verfechter der Parole "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit!". Und?
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26446
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1703955) Verfasst am: 12.11.2011, 14:09 Titel: |
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zelig hat folgendes geschrieben: | Soweit ich weiß, war Robespierre einer der eifrigsten Verfechter der Parole "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit!". Und? |
Das galt natürlich nicht für das, was später Klassenfeinde genannt wurde. Und?
War das jetzt als Widerspruch oder als Zustimmung oder nur unbestimmte Assoziation?
fwo
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Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Argeleb Misanthropischer Humanist
Anmeldungsdatum: 02.01.2010 Beiträge: 2056
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(#1703973) Verfasst am: 12.11.2011, 16:19 Titel: Re: Der Mensch als Ebenbild Gottes |
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tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Argeleb hat folgendes geschrieben: | Und Gott erschuf den Christen nach seinem Bilde. Somit gibt es kein Problem mehr, Nicht-Christen zu töten oder zu versklaven, denn für die gelten ja die Rechte, die Liebe des Herrn nicht.
Ist das zu weit hergeholt? |
Was ist deine Frage?
Ob mit dieser Umformulierung der "eigentliche Sinn" dieser und vergleichbarer Aussagen angemessen wiedergegeben wäre? Natürlich nicht, sondern die Umformulierung ist eine Verdrehung ins komplette Gegenteil und nimmt genau den wesentlichen Punkt weg, den der universalistische Gehalt des monotheistischen Gottesbilds für die Ethik bedeutet.
Oder ist die Frage, ob es gegen die eigentlich universalistische Ausrichtung in den monotheistischen Religionen immer wieder genau so gelaufen ist, wie du es schreibst? Klar, das ist leider so. Das kann man aber auch ohne oder mit einem nicht-religiösen universalistischen Anspruch schaffen. |
Du hast das ganz gut beschrieben. Das was geschrieben steht, entspricht nicht dem, wie gehandelt wird. Oder anders gesagt, sie predigen Wasser und trinken Wein. Sie schreiben, ihre Moral gilt universal, aber ihr Handeln zeigt, dass sie tatsächlich nur für die Gruppenmitglieder gilt.
PS: Für den Humanismus gilt das sicher auch, hier ist die Gruppe aber die gesamte Menschheit, und soweit ich weiß, war es da auch nie anders.
_________________ Denny Crane!
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L.E.N. im falschen Film
Anmeldungsdatum: 25.05.2004 Beiträge: 27745
Wohnort: Hamburg
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(#1703999) Verfasst am: 12.11.2011, 18:23 Titel: |
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Ich finde ja "Der Mann erschuf Gott nach seinem Bilde" immer noch am treffendsten.
_________________ Ich will Gott lästern dürfen! Weg mit §166 StGB!
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VanHanegem Weltmeister
Anmeldungsdatum: 24.04.2006 Beiträge: 3180
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(#1704006) Verfasst am: 12.11.2011, 18:41 Titel: Re: Der Mensch als Ebenbild Gottes |
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fwo hat folgendes geschrieben: |
Was wir allenfalls sagen können, ist dass genau die Religionen überlebt haben, bei denen entweder die Kernsätze offen genug formuliert waren, oder die internen Widersprüche groß genug, um über die Exegese jeweils den (fast) neuesten Stand der über den interkulturellen Dialog sich entwickelnden Sitten als religiös fundiert zu erklären.
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Das stimmt zumindest für das Christentum, und zwar genau deswegen, weil es aus dem interkulturellen Dialog heraus entstanden ist.
Starrheit der Kernsätze dageben dürfte wiederum eine Spezialität zumindest monotheistischer Religionen mit ihrem Absolutheitsanspruch sein.
Alles in allem kann ich die oben formulierte Gesätzmäßigkeit so nicht nachvollziehen.
_________________ Hup Holland Hup, Oranje winnt de cup (2022)
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tillich (epigonal) hat Spaß
Anmeldungsdatum: 12.04.2006 Beiträge: 22263
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(#1704015) Verfasst am: 12.11.2011, 19:25 Titel: Re: Der Mensch als Ebenbild Gottes |
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Argeleb hat folgendes geschrieben: | tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Argeleb hat folgendes geschrieben: | Und Gott erschuf den Christen nach seinem Bilde. Somit gibt es kein Problem mehr, Nicht-Christen zu töten oder zu versklaven, denn für die gelten ja die Rechte, die Liebe des Herrn nicht.
Ist das zu weit hergeholt? |
Was ist deine Frage?
Ob mit dieser Umformulierung der "eigentliche Sinn" dieser und vergleichbarer Aussagen angemessen wiedergegeben wäre? Natürlich nicht, sondern die Umformulierung ist eine Verdrehung ins komplette Gegenteil und nimmt genau den wesentlichen Punkt weg, den der universalistische Gehalt des monotheistischen Gottesbilds für die Ethik bedeutet.
Oder ist die Frage, ob es gegen die eigentlich universalistische Ausrichtung in den monotheistischen Religionen immer wieder genau so gelaufen ist, wie du es schreibst? Klar, das ist leider so. Das kann man aber auch ohne oder mit einem nicht-religiösen universalistischen Anspruch schaffen. |
Du hast das ganz gut beschrieben. Das was geschrieben steht, entspricht nicht dem, wie gehandelt wird. Oder anders gesagt, sie predigen Wasser und trinken Wein. Sie schreiben, ihre Moral gilt universal, aber ihr Handeln zeigt, dass sie tatsächlich nur für die Gruppenmitglieder gilt.
PS: Für den Humanismus gilt das sicher auch, hier ist die Gruppe aber die gesamte Menschheit, und soweit ich weiß, war es da auch nie anders. |
Nein, das habe ich nicht so beschrieben. Ich habe geschrieben "immer wieder", nicht "immer". Also: Die Anhänger monotheistischer Religionen haben oft wiederholt gegen die in ihren Grundaussagen enthaltenen universalistischen Grundsätze verstoßen, tun dies aber nicht, wie du behauptest, prinzipiell.
_________________ "YOU HAVE TO START OUT LEARNING TO BELIEVE THE LITTLE LIES." -- "So we can believe the big ones?" -- "YES."
(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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tillich (epigonal) hat Spaß
Anmeldungsdatum: 12.04.2006 Beiträge: 22263
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(#1704018) Verfasst am: 12.11.2011, 19:34 Titel: Re: Der Mensch als Ebenbild Gottes |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Wenn aber diese Gedanken den Verlauf der Gesellschaftsentwicklung einigermaßen beschreiben, dann liegt die evolutionäre Funktion der Religion nicht in der Entwicklung einer universalistischen Moral oder der Anbetung irgendwelcher Götter, sondern einzig in der Überhöhung und damit Stabilisierung der Kultur, die immer eine Kultur der sie tragenden Gruppe war. Warum um alles in der Welt sollte die eine "universalistische Ausrichtung" haben? |
Du machst da mMn zwei Fehler:
Erstens gehst du davon aus, dass alles, auch eine Religion, eine "evolutionäre Funktion" haben müsste. Muss es aber nicht.
Und zweitens setzt du deine Vermutungen, wie eine solche evolutionäre Funktion aussehen sollte, über die Fakten. Und es ist nun mal ein Faktum, dass monotheistische Religionen auch universalistische Prinzipien beinhalten (auch wenn sich beides erst herausbilden musste). Dass diese auch mit Gruppenverhalten und entsprechenden Texten in Konflikt geraten, ist dabei natürlich völlig unbestritten.
Vielleicht ist die "evolutionäre Fuktion" - vorausgesetzt, es gibt sie - von universalistischen Ideen (ob religiös oder nicht) ja aber gerade, dem Menschen das Überschreiten seiner Gruppengrenzen zu ermöglichen bzw. die Gruppengrenzen immer mehr zu erweitern.
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(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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Argeleb Misanthropischer Humanist
Anmeldungsdatum: 02.01.2010 Beiträge: 2056
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(#1704020) Verfasst am: 12.11.2011, 19:50 Titel: Re: Der Mensch als Ebenbild Gottes |
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tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Argeleb hat folgendes geschrieben: | tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | Argeleb hat folgendes geschrieben: | Und Gott erschuf den Christen nach seinem Bilde. Somit gibt es kein Problem mehr, Nicht-Christen zu töten oder zu versklaven, denn für die gelten ja die Rechte, die Liebe des Herrn nicht.
Ist das zu weit hergeholt? |
Was ist deine Frage?
Ob mit dieser Umformulierung der "eigentliche Sinn" dieser und vergleichbarer Aussagen angemessen wiedergegeben wäre? Natürlich nicht, sondern die Umformulierung ist eine Verdrehung ins komplette Gegenteil und nimmt genau den wesentlichen Punkt weg, den der universalistische Gehalt des monotheistischen Gottesbilds für die Ethik bedeutet.
Oder ist die Frage, ob es gegen die eigentlich universalistische Ausrichtung in den monotheistischen Religionen immer wieder genau so gelaufen ist, wie du es schreibst? Klar, das ist leider so. Das kann man aber auch ohne oder mit einem nicht-religiösen universalistischen Anspruch schaffen. |
Du hast das ganz gut beschrieben. Das was geschrieben steht, entspricht nicht dem, wie gehandelt wird. Oder anders gesagt, sie predigen Wasser und trinken Wein. Sie schreiben, ihre Moral gilt universal, aber ihr Handeln zeigt, dass sie tatsächlich nur für die Gruppenmitglieder gilt.
PS: Für den Humanismus gilt das sicher auch, hier ist die Gruppe aber die gesamte Menschheit, und soweit ich weiß, war es da auch nie anders. |
Nein, das habe ich nicht so beschrieben. Ich habe geschrieben "immer wieder", nicht "immer". Also: Die Anhänger monotheistischer Religionen haben oft wiederholt gegen die in ihren Grundaussagen enthaltenen universalistischen Grundsätze verstoßen, tun dies aber nicht, wie du behauptest, prinzipiell. |
ich behaupte ja, dass es nie universell gegolten hat, sondern schon immer nur für die Gruppe. Die Inuit bezeichnen sich ja auch als "Menschen". Trotzdem gelten die Regeln, die die Inuit sich vielleicht gegeben haben, nicht für alle Menschen. Meine These sagt nun, dass die christliche Moral beispielsweise eben nicht universal ist, und Ökumene daher widersprüchlich
_________________ Denny Crane!
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esme lebt ohne schützende Gänsefüßchen.
Anmeldungsdatum: 12.06.2005 Beiträge: 5667
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(#1704068) Verfasst am: 12.11.2011, 22:51 Titel: |
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Universelle Ansprüche in der Ethik sind auch dann ein gewaltiger Fortschritt, wenn "alle" zunächst nur eine kleine Gruppe ist.
In dem Moment, wo der Grundsatz "Jeder hat eine Stimme." oder "Alle Menschen sind gleich und frei geboren." oder "Alle Menschen sind das Ebenbild Gottes." auf dem Tisch steht, kann er auch von Frauen, Ausländern, Sklaven und Falschgläubigen zweckentfremdet werden.
Ich bin die erste, die sich aufregt, wenn man die Demokratie in der Antike oder die Gesetze des Hammurabi über den grünen Klee lobt, aber man kann Fortschritte im menschlichen Denken auch anerkennen, ohne die beteiligten Menschen und ihre Ideen zu idealisieren.
Insofern ist es kein Widerspruch, wenn im Christentum in der Praxis nicht alle Menschen als gleichwertig gesehen wurden und trotzdem universelle Ansätze den Weg zu einem Fortschritt gebahnt haben.
Natürlich brauchen sich damit nicht genau die rühmen, die sich gegen jeden Fortschritt mit aller Kraft sträuben, aber von einer historischen Perspektive ist es schon möglich, dem Christentum einen derartigen Einfluß zuzugestehen.
Ich halte es auch für sehr interessant, dass das Christentum in China zunimmt, während in Europa verschiedenste Esoterikmischungen die aktuelle Religion sind. Ich finde, dass das den gesellschaftlichen Bedürfnissen und Möglichkeiten entspricht. Wenn die Leute in China von ihren Ursprungsdörfern wegziehen, suchen sie statt dem Ahnenkult etwas universelleres. Wenn sich die Gesellschaft in Europa immer mehr individualisiert, suchen die Leute individuelle Antworten.
Unter diesem Aspekt würde ich die universellen Ansprüche im Christentum nicht als besondere Leistung sehen, sondern quasi zwangsläufig unter der Prämisse, dass Palästina vor 2000 Jahren voll mit jüdischen Sekten war und nur eine Sekte, die sich irgendwann für einen universelleren Anspruch entscheidet, konnte den Sprung in das römische Reich schaffen.
_________________ Gunkl über Intelligent Design:
Da hat sich die Kirche beim Rückzugsgefecht noch einmal grandios verstolpert und jetzt wollen sie auch noch Haltungsnoten für die argumentative Brez'n, die sie da gerissen haben.
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26446
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1704109) Verfasst am: 13.11.2011, 04:38 Titel: Re: Der Mensch als Ebenbild Gottes |
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tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | ....
Erstens gehst du davon aus, dass alles, auch eine Religion, eine "evolutionäre Funktion" haben müsste. Muss es aber nicht..... |
Sorry, aber hier liegt ein Verständnisfehler vor. Ich gehen nicht davon aus, dass Religionen eine evolutuionäre Funktion haben, sondern ich gehe davon aus, dass Kulturen, die sich über die sie tragenden Menschen von Generation zu Generation selbst kopieren, und dabei sich gleichzeitig um die insgesamt endliche Ressource Mensch streiten, damit ganz automatisch in einem evolutiven Prozess stehen. Das lässt sich auch nicht verhindern und kann auch gar nicht anders sein. Und meine Frage war, welche Funktion die Religion in diesem Prozess hat - wenn sie keine hätte, wäre sie nach einigen Generationen kein Kulturbestandteil mehr.
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | ......Und es ist nun mal ein Faktum, dass monotheistische Religionen auch universalistische Prinzipien beinhalten (auch wenn sich beides erst herausbilden musste). ......... |
Du erlaubst, dass ich leicht grinse. "(auch wenn sich beides erst herausbilden musste)." bedeutet doch nichts anderes als "wir interpretieren es heute so, auch wenn die Handlungen am Beginn dieser Tradition so aussehen, als ob die es damals gar nicht so gemeint hätten, wie wir es heute verstehen."
Faktum ist nur, dass wir (genauer: ihr) diese Formulierungen heute universalistisch verstehen(versteht). Dass sie damals auch so gemeint waren ist nicht nur kein Faktum, sondern angesichts des damals gegenteiligen Handelns auch relativ unwahrscheinlich.
fwo
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44650
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(#1704126) Verfasst am: 13.11.2011, 11:13 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Das galt natürlich nicht für das, was später Klassenfeinde genannt wurde.  |
Au contraire. Die Prinzipien der Revolution galten im Verständnis der Revolutionäre sehr wohl für alle Franzosen. Der beste Beweis dafür ist, dass der terreur sich nicht nur gegen den Adel richtete, sondern (jedenfalls potentiell) jeden Franzosen treffen konnte.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26446
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1704129) Verfasst am: 13.11.2011, 11:47 Titel: |
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Tarvoc hat folgendes geschrieben: | fwo hat folgendes geschrieben: | Das galt natürlich nicht für das, was später Klassenfeinde genannt wurde.  |
Au contraire. Die Prinzipien der Revolution galten im Verständnis der Revolutionäre sehr wohl für alle Franzosen. Der beste Beweis dafür ist, dass der terreur sich nicht nur gegen den Adel richtete, sondern (jedenfalls potentiell) jeden Franzosen treffen konnte. |
Ich bin diesem schönen Begriff Klassenfeind nur im Geschichtsunterricht begegnet, an der Stelle an der Wikipedia das so formuliert:
Zitat: | Wortgebrauch in der Sowjetunion
Klassenfeind oder Feind der Werktätigen war in den ersten Jahren der sowjetischen Geschichte der zentrale Begriff bei der Verfolgung missliebiger Personen, Andersdenkender und Oppositioneller. |
Ich glaube schon, dass das in der Terrorpraxis ganz gut mit Robespierres Begriffen Feinde des Volkes oder der Republik vergleichbar war. Hat Marx diesen Begriff speziell für den Adel benutzt?
fwo
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44650
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(#1704130) Verfasst am: 13.11.2011, 11:57 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Ich glaube schon, dass das in der Terrorpraxis ganz gut mit Robespierres Begriffen Feinde des Volkes oder der Republik vergleichbar war. |
Das bestreite ich nicht. Nur ist auch der Klassenkampf (wenigstens bei Marx) nicht so gedacht, dass die universellen Prinzipien, für die die Arbeiterklasse steht, nicht auch für Menschen des Bürgertums gelten sollen. Klassenkampf ist kein Krieg zwischen unterschiedlichen Partikulärgruppen, sondern der Antagonismus zwischen den partikulären Privilegien der herrschenden Klasse einerseits und der Forderung nach Universalität andererseits (bzw. der Klasse, in der sich diese Forderung zum jeweiligen historischen Zeitpunkt manifestiert).
fwo hat folgendes geschrieben: | Hat Marx diesen Begriff speziell für den Adel benutzt? |
Marx spricht weniger von Klassenfeinden als mehr von der Feindschaft zwischen den Klassen. In der französischen Revolution standen sich im Wesentlichen das Bürgertum und der Adel gegenüber, während die Bauern zwischen beiden Lagern gespalten waren und die Arbeiterklasse sich noch nicht wirklich als eigene Klasse herausgebildet hatte. In einer proletarischen Revolution wäre natürlich das Bürgertum (zusammen mit den Überresten des alten Adels, die es mehr oder weniger integriert hat) der Feind der revolutionären Klasse. In der französischen Revolution war das Bürgertum die revolutionäre Klasse, und der Adel stand ihm feindlich gegenüber. In der russischen Revolution hatten wir die (bei Marx ursprünglich nicht vorgesehene) Situation, dass zunächst die Arbeiterklasse das revolutionäre Subjekt war, die ihm gegenüberstehende herrschende Klasse jedoch nicht das Bürgertum, sondern der alte Adel - das Bürgertum war zwischen beiden gespalten.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Argeleb Misanthropischer Humanist
Anmeldungsdatum: 02.01.2010 Beiträge: 2056
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(#1704147) Verfasst am: 13.11.2011, 13:22 Titel: |
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esme hat folgendes geschrieben: | Universelle Ansprüche in der Ethik sind auch dann ein gewaltiger Fortschritt, wenn "alle" zunächst nur eine kleine Gruppe ist. |
Aber doch nur dann, wenn es in dieser Ethik keine "anderen" gibt, die man nach Belieben versklaven und töten darf. Was wird denn aus denen, nachdem man Gruppenethik universell macht?
esme hat folgendes geschrieben: | Unter diesem Aspekt würde ich die universellen Ansprüche im Christentum nicht als besondere Leistung sehen, sondern quasi zwangsläufig unter der Prämisse, dass Palästina vor 2000 Jahren voll mit jüdischen Sekten war und nur eine Sekte, die sich irgendwann für einen universelleren Anspruch entscheidet, konnte den Sprung in das römische Reich schaffen. |
Da ist was dran. Nur weil die Christen die Römer nicht mehr als die anderen betrachteten, konnten sie sie integrieren. Aber es blieben ja trotzdem noch genügend andere übrig. Zum Beispiel die Schwarzafrikaner, die bis in die Neuzeit von Christen versklavt wurden. Ich fürchte eben, dass es auch heute noch die anderen gibt: Atheisten
_________________ Denny Crane!
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26446
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1704153) Verfasst am: 13.11.2011, 13:37 Titel: |
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Wenn man sich das ansieht, auch "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" galt ja nicht wirklich für alle, so waren Frauen nicht gemeint, dann scheint es fast so, als seien alle diese Aussagen, die heute mit universellem Anspruch gehandelt werden, immer nur Gruppenaussagen gewesen und die Universalität aus Sicht der Autoren immer ein Kommunikationsunfall.
Kann jemand was dazu sagen? Z.B. unter welchen Bedinungen dieses Missverständnis erfolgreich transportiert und als zukünftige Bedeutung festgeschrieben wird?
fwo
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.
Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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Argeleb Misanthropischer Humanist
Anmeldungsdatum: 02.01.2010 Beiträge: 2056
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(#1704161) Verfasst am: 13.11.2011, 14:35 Titel: |
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Ich kann dazu nicht viel sagen, außer dass ich das auch so sehe. Ich habe sogar behauptet, der Humanismus wäre die erste Strömung gewesen, die wirklich universell gilt. Aber ist das auch so, oder gibt es da auch Missverständnisse? Kann es also sein, dass der Humanismus der Aufklärung nur für aufgeklärte Europäer gilt?
_________________ Denny Crane!
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Tarvoc would prefer not to.
Anmeldungsdatum: 01.03.2004 Beiträge: 44650
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(#1704166) Verfasst am: 13.11.2011, 15:03 Titel: |
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Argeleb hat folgendes geschrieben: | Ich habe sogar behauptet, der Humanismus wäre die erste Strömung gewesen, die wirklich universell gilt. |
Der Humanismus gilt nicht universell. Ausnahmen aufzuzählen, die z.B. das gegenwärtige Europa in seinem erklärten Humanismus macht, ist nun wirklich nicht schwierig.
Auch "historische Verbrechen des Humanismus" aufzuzählen ist gar nicht so schwierig, z.B. wurden (und werden!) manche Formen des Kolonialismus humanistisch begründet.
Wer die tatsächlich ausnahmslose Anwendung der Werte als Kriterium nimmt, kann nur zu dem Schluss kommen, dass es überhaupt noch keinen Universalismus gab.
_________________ "Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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tillich (epigonal) hat Spaß
Anmeldungsdatum: 12.04.2006 Beiträge: 22263
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(#1704177) Verfasst am: 13.11.2011, 15:46 Titel: Re: Der Mensch als Ebenbild Gottes |
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fwo hat folgendes geschrieben: | tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | ......Und es ist nun mal ein Faktum, dass monotheistische Religionen auch universalistische Prinzipien beinhalten (auch wenn sich beides erst herausbilden musste). ......... |
Du erlaubst, dass ich leicht grinse. "(auch wenn sich beides erst herausbilden musste)." bedeutet doch nichts anderes als "wir interpretieren es heute so, auch wenn die Handlungen am Beginn dieser Tradition so aussehen, als ob die es damals gar nicht so gemeint hätten, wie wir es heute verstehen." |
Nein, das heißt es gerade nicht - im Gegenteil. Es heißt, dass wir erkennen, dass sich die monotheistische Religion erst aus Vorformen herausbildete, die noch nicht monotheistisch waren, sondern zB monolatrisch, und dass sich universalistische Ideen auch erst in diesem Zusammenhang entwickelten.
fwo hat folgendes geschrieben: | Faktum ist nur, dass wir (genauer: ihr) diese Formulierungen heute universalistisch verstehen(versteht). Dass sie damals auch so gemeint waren ist nicht nur kein Faktum, sondern angesichts des damals gegenteiligen Handelns auch relativ unwahrscheinlich. |
Ich wüsste nicht, wie man zB den Gedanken vom Threadtitel - der Mensch als Ebenbild Gottes, und eben nicht: der Hebräer, Israelit, Jude, Christ oder dergleichen - anders verstehen könnte als universalistisch. Es sei denn natürlich, man will es mit Gewalt anders verstehen, indem man durch "Umformulierung" eben einfach das Gegenteil hineinschreibt, was da tatsächlich formuliert wird.
Allerdings stammt diese Formulierung ja auch in der Tat eben nicht vom Anfang der erwähnten Entwicklung, sondern aus dem ersten (jüngeren) Schöpfungsbericht aus Gen 1-2,4a, der aus einer Zeit stammt, in dem diese Entwicklung schon relativ weit fortgeschritten war.
_________________ "YOU HAVE TO START OUT LEARNING TO BELIEVE THE LITTLE LIES." -- "So we can believe the big ones?" -- "YES."
(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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tillich (epigonal) hat Spaß
Anmeldungsdatum: 12.04.2006 Beiträge: 22263
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(#1704179) Verfasst am: 13.11.2011, 15:52 Titel: |
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Argeleb hat folgendes geschrieben: | Aber es blieben ja trotzdem noch genügend andere übrig. Zum Beispiel die Schwarzafrikaner, die bis in die Neuzeit von Christen versklavt wurden. Ich fürchte eben, dass es auch heute noch die anderen gibt: Atheisten |
Ja, manche Christen (und andere Anhänger von Lehren, die eigentlich einen universellen Aspekt haben) haben immer wieder geeignete "andere" gefunden. Und andere Christen haben eben dieses Verhalten an ihrem universellen Anspruch gemessen und kritisiert. Genau das gilt auch für das Verhältnis von Christen zu Atheisten und anderen Andersgläubigen: Es ist ja nun wahrhaftig nicht so, dass sich die Christen da einig wären.
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tillich (epigonal) hat Spaß
Anmeldungsdatum: 12.04.2006 Beiträge: 22263
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(#1704180) Verfasst am: 13.11.2011, 15:56 Titel: |
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fwo hat folgendes geschrieben: | Wenn man sich das ansieht, auch "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" galt ja nicht wirklich für alle, so waren Frauen nicht gemeint, dann scheint es fast so, als seien alle diese Aussagen, die heute mit universellem Anspruch gehandelt werden, immer nur Gruppenaussagen gewesen und die Universalität aus Sicht der Autoren immer ein Kommunikationsunfall. |
Ich würde eher sagen, dass die "Urheber" (soweit man davon reden kann) solcher Ideen wahrscheinlich oft nicht in der Lage waren, zu überblicken, welche Reichweite diese zu Ende gedacht haben würden und müssten (und viele Anhänger noch weniger). Ideen sind mMn oft größer als die Menschen, die sie tragen.
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VanHanegem Weltmeister
Anmeldungsdatum: 24.04.2006 Beiträge: 3180
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(#1704195) Verfasst am: 13.11.2011, 16:28 Titel: |
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esme hat folgendes geschrieben: |
Ich halte es auch für sehr interessant, dass das Christentum in China zunimmt, während in Europa verschiedenste Esoterikmischungen die aktuelle Religion sind. Ich finde, dass das den gesellschaftlichen Bedürfnissen und Möglichkeiten entspricht. Wenn die Leute in China von ihren Ursprungsdörfern wegziehen, suchen sie statt dem Ahnenkult etwas universelleres. Wenn sich die Gesellschaft in Europa immer mehr individualisiert, suchen die Leute individuelle Antworten. |
Wobei zu berücksichtigen wäre, daß die Chinesen bereits durch Mao mit judeo-christlichen Ideen im Gewande des ML konfrontiert waren.
esme hat folgendes geschrieben: |
Unter diesem Aspekt würde ich die universellen Ansprüche im Christentum nicht als besondere Leistung sehen, sondern quasi zwangsläufig unter der Prämisse, dass Palästina vor 2000 Jahren voll mit jüdischen Sekten war und nur eine Sekte, die sich irgendwann für einen universelleren Anspruch entscheidet, konnte den Sprung in das römische Reich schaffen. |
Wobei die frühesten verbürgten Quellen bereits von einem Autor stammen, der vermutlich griechischer Muttersprachler war.
_________________ Hup Holland Hup, Oranje winnt de cup (2022)
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fwo Caterpillar D9
Anmeldungsdatum: 05.02.2008 Beiträge: 26446
Wohnort: im Speckgürtel
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(#1704203) Verfasst am: 13.11.2011, 17:08 Titel: Re: Der Mensch als Ebenbild Gottes |
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tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | ....
Ich wüsste nicht, wie man zB den Gedanken vom Threadtitel - der Mensch als Ebenbild Gottes, und eben nicht: der Hebräer, Israelit, Jude, Christ oder dergleichen - anders verstehen könnte als universalistisch. Es sei denn natürlich, man will es mit Gewalt anders verstehen, indem man durch "Umformulierung" eben einfach das Gegenteil hineinschreibt, was da tatsächlich formuliert wird.
Allerdings stammt diese Formulierung ja auch in der Tat eben nicht vom Anfang der erwähnten Entwicklung, sondern aus dem ersten (jüngeren) Schöpfungsbericht aus Gen 1-2,4a, der aus einer Zeit stammt, in dem diese Entwicklung schon relativ weit fortgeschritten war. |
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben: | fwo hat folgendes geschrieben: | Wenn man sich das ansieht, auch "Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" galt ja nicht wirklich für alle, so waren Frauen nicht gemeint, dann scheint es fast so, als seien alle diese Aussagen, die heute mit universellem Anspruch gehandelt werden, immer nur Gruppenaussagen gewesen und die Universalität aus Sicht der Autoren immer ein Kommunikationsunfall. |
Ich würde eher sagen, dass die "Urheber" (soweit man davon reden kann) solcher Ideen wahrscheinlich oft nicht in der Lage waren, zu überblicken, welche Reichweite diese zu Ende gedacht haben würden und müssten (und viele Anhänger noch weniger). Ideen sind mMn oft größer als die Menschen, die sie tragen. |
Meine Frage ging ja dahin, wie die Uridee eigentlich inhaltlich gemeint war. Ich bestreite ja nicht, dass diese Ideen in ein größeres Umfeld transferiert auch eine größer Reichweite bekommen und dass das, etwa im Fall der Menschenrechtes auch gut und richtig ist.
Ich kenne die Herkunft dieser Erinnerung jetzt nicht mehr, aber ich erinnere mich an Übersetzungen von Texten aus einer Südseesprache, in denen in der Übersetzung immer fleißig mit Mensch übersetzt wurde, wo in Wirklichkeit eigentlich immer nur Stammesmitglieder gemeint waren: Die Sekundärliteratur zu Bibelübersetzungen ist ja ziemlich umfangreich. Gibt es da vielleicht irgendetwas zu den Wörtern, die da mit Mensch übersetzt werden, und deren vermuteten Bedeutungsspektren?
Selbst "wir" benutzen das Wort Mensch ja im Lauf der Zeit immer universalistischer: Im Mittelalter war für die Mehrheit völlig klar - und insofern war das auch Sprachwirklichkeit, dass Neger da nicht wirklich zugehören. Genauso wir Demogratie bei den Griechen ja nicht wirklich bedeutete, dass alle mitreden durften.
fwo
_________________ Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.
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DerBernd auf Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 16.10.2010 Beiträge: 1043
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(#1704208) Verfasst am: 13.11.2011, 17:35 Titel: Re: Der Mensch als Ebenbild Gottes |
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fwo hat folgendes geschrieben: | dass Neger da nicht wirklich zugehören. |
Als wir in Europa mobiler wurden und z.B. Amerika und Australien entdeckten, gab es große Diskussionen darüber, ob die Indianer, Aborigines und die anderen Menschen auf irgendwelchen Inseln, denn auch von Adam & Eva abstammen (und wie die dann da hingekommen sind ). Viele meinten damals, sie stammten nicht von Adam ab.
Und nur Adam wurde nach dem Ebenbild Gottes erschaffen, nicht der Indianer, Aborigine, usw.
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