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Atheismus-Unterricht?

 
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Grusu
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Anmeldungsdatum: 30.06.2012
Beiträge: 10

Beitrag(#1763968) Verfasst am: 01.07.2012, 19:50    Titel: Atheismus-Unterricht? Antworten mit Zitat

Hallo,
ich frage mich, ob es sinnvoll und möglich wäre, einen Atheismusunterricht in Schulen einzuführen. Der Ethikunterricht ist ja weltanschaulich neutral ausgelegt. Der Religionsunterricht hingegen nicht, auch wenn Religionsunterricht und Ethikunterricht in 95% die selben Themen behandeln. Eine Einführung des Atheismusunterrichts würde auch zur gesellschaftlichen Akzeptanz des Atheismus beitragen. Natürlich könnte man im Atheismusunterricht auch die verschiedenen Religionen und Moralvorstellungen durchnehmen, er würde aber auch im Gegensatz zum Ethikunterricht ein atheistisches und anti-religiöses Weltbild fördern.
Was ist eure Meinung?
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1763970) Verfasst am: 01.07.2012, 19:56    Titel: Antworten mit Zitat

Finde ich keine gute Idee. Da der Religionsunterricht ideologisch tendenziös ist, gehört er abgeschafft. RU + Atheismusunterricht wäre so, als ob man CSU- und SPD-Unterricht einführt, statt Politik bzw. Gesellschaftskunde.
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Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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VanHanegem
Weltmeister



Anmeldungsdatum: 24.04.2006
Beiträge: 3180

Beitrag(#1763975) Verfasst am: 01.07.2012, 20:03    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Finde ich keine gute Idee. Da der Religionsunterricht ideologisch tendenziös ist, gehört er abgeschafft. RU + Atheismusunterricht wäre so, als ob man CSU- und SPD-Unterricht einführt, statt Politik bzw. Gesellschaftskunde.

Richtig:
Atheismusunterricht würde letztlich auf ganz normalen Religionsunterricht hinauslaufen.
Mögliche Ausprägungen eines Atheistischen Religionsunterrichtes wären z.B.
ML, konfuzianistische Religionslehre, buddhistische Religionslehre etc.

Ehrlich gesagt habe ich nur von ersterem als offiziellem Schul-Religionsunterricht gehört.
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Kival
Profeminist Ghost



Anmeldungsdatum: 14.11.2006
Beiträge: 24071

Beitrag(#1763978) Verfasst am: 01.07.2012, 20:31    Titel: Antworten mit Zitat

Das wäre völliger Unsinn. Ich halte überhaupt nichts davon, eine alternative Indoktrinierung in den Schulen einzuführen....
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Grusu
registrierter User



Anmeldungsdatum: 30.06.2012
Beiträge: 10

Beitrag(#1763983) Verfasst am: 01.07.2012, 20:43    Titel: Antworten mit Zitat

Alternative Indoktrinierung ist zu hart. Der Religionsunterricht ist heute auch nicht mehr indoktrinierend. Aber der Atheismus könnte etwas offensiver auftreten, außerdem kann man so eine klarere Stellung beziehen. Der katholische/evangelische Religionsunterricht stammt aus einer christlichen Gesellschaft. Im Sinne der Förderung einer möglichen atheistischen Gesellschaft könnte ein Atheismusunterricht eingeführt werden. Ich will auch niemanden zum Atheismus zwingen, es gibt noch genug Alternativen. Aber im Ethikunterricht erfolgt meist keine Wertung, die Vorteile des Atheismus gegenüber der Religion werden dort nicht klar.
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Tarvoc
would prefer not to.



Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44647

Beitrag(#1763985) Verfasst am: 01.07.2012, 20:55    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Da der Religionsunterricht ideologisch tendenziös ist, gehört er abgeschafft.

Mit der Begründung könnte man auch gleich mindestens den Geschichtsunterricht, Sozialkunde und den Deutschunterricht abschaffen.
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"Die Tradition der Unterdrückten belehrt uns darüber, daß der Ausnahmezustands in dem wir leben, die Regel ist."
- Walter Benjamin, VIII. These zum Begriff der Geschichte
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Shevek
ohne jeglichen Respekt vor Autoritäten



Anmeldungsdatum: 23.01.2006
Beiträge: 4289

Beitrag(#1763986) Verfasst am: 01.07.2012, 21:02    Titel: Antworten mit Zitat

Ich bin für einen möglichst neutralen Unterricht für alle.

Völlig neutral wird nicht gehen, da auch Lehrer ihre Überzeugung haben.

Aber man kann auf Toleranz hinwirken, das geht mit jeder Überzeugung.
_________________
Endlich sind die Terroristen weg,
und es herrschen Ordnung und Ruhe und Frieden,.......

.....die, die Unheil und Armut und Krankheit verbreiten,
für sie herrschen sorglose Zeiten,
da kein bisschen Sprengstoff sie daran hindert, ihre Geschafte zu betreiben...

....endlich sind die Terroristen weg,
und es herrschen Ordnung und Ruhe und Frieden.

(Jan Delay)
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1763990) Verfasst am: 01.07.2012, 21:17    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Da der Religionsunterricht ideologisch tendenziös ist, gehört er abgeschafft.
Mit der Begründung könnte man auch gleich mindestens den Geschichtsunterricht, Sozialkunde und den Deutschunterricht abschaffen.

Bei manchen Lehrern schon ... aber diese Fächer sind immerhin von ihrem Ansatz, ihrem Ziel her weniger ideologisch. Man sollte bedenken, daß eine gewisse Ideologie systemimmanent ist: Lehrer sollten schon unsere wesentlichen Grundwerte vertreten dürfen. Insofern sehe ich da schon noch einen Unterschied.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22782
Wohnort: Germering

Beitrag(#1763991) Verfasst am: 01.07.2012, 21:21    Titel: Antworten mit Zitat

Shevek hat folgendes geschrieben:
Aber man kann auf Toleranz hinwirken, das geht mit jeder Überzeugung.

Genau, und auch auf Skepsis und kritische Haltung. Ich erwarte von einem Lehrer, daß er Schüler dafür lobt und dazu anhält, anderer Meinung als er selbst zu sein.
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Shevek
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Anmeldungsdatum: 23.01.2006
Beiträge: 4289

Beitrag(#1763992) Verfasst am: 01.07.2012, 21:26    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Shevek hat folgendes geschrieben:
Aber man kann auf Toleranz hinwirken, das geht mit jeder Überzeugung.

Genau, und auch auf Skepsis und kritische Haltung. Ich erwarte von einem Lehrer, daß er Schüler dafür lobt und dazu anhält, anderer Meinung als er selbst zu sein.


Ja sicher, und was ich eigentlich schreiben wollte, aber dann wurde ich von meiner Familie genötigt mit ihnen (ein Brettspiel) zu spielen: Alle gemeinsam.

Darum lassen wir unsere Tochter auch im "Religionsunterricht für alle" den ich für ne faule Geschichte halte, weils vom Ansatz her noch zu Religiös ist, weil die Lehrerin eben auf Toleranz hin arbeitet.
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44647

Beitrag(#1764003) Verfasst am: 01.07.2012, 22:07    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Man sollte bedenken, daß eine gewisse Ideologie systemimmanent ist:

Deine "systemimmanente Ideologie" führt dann zu solchen Absurditäten wie der, dass man zum Beispiel Brecht im Deutschunterricht weder so behandeln kann, wie er tatsächlich war, noch ihn einfach aufgeben kann, sondern extra für den Schulunterricht einen weichgespülten Brecht erfinden muss, den es überhaupt nie gegeben hat. Gleichzeitig wird dann der Unterricht so gestaltet, dass man sowohl den Schülern als auch den Lehrern das Interesse an Brecht außerhalb des Unterrichts möglichst gründlich austreibt.

Aber gut, dass du einsiehst, dass Lüge und Täuschung in unseren Schulen systemimmanent sind. Die nächste Frage ist dann, welche Aufgabe unsere Schulen eigentlich haben (und nicht: haben sollten).

step hat folgendes geschrieben:
Ich erwarte von einem Lehrer, daß er Schüler dafür lobt und dazu anhält, anderer Meinung als er selbst zu sein.

Der Job eines Lehrers hängt nicht davon ab, was du von ihm erwartest.
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tillich (epigonal)
hat Spaß



Anmeldungsdatum: 12.04.2006
Beiträge: 22261

Beitrag(#1764036) Verfasst am: 01.07.2012, 23:56    Titel: Antworten mit Zitat

Shevek hat folgendes geschrieben:
... "Religionsunterricht für alle" ...

Hamburg?
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(Death / Susan, in: Pratchett, Hogfather)
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Shevek
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Anmeldungsdatum: 23.01.2006
Beiträge: 4289

Beitrag(#1764038) Verfasst am: 02.07.2012, 00:10    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Shevek hat folgendes geschrieben:
... "Religionsunterricht für alle" ...

Hamburg?

Ja, genau da.

Die Lehrerin ist Christin, aber eine ausgesprochen fähige Pädagogin und auch wenn ich ihren Unterricht nicht wirklich für Weltanschaulich neutral halte, bringt sie die wesentliche Botschaft: Toleranz gut rüber.

Meine Tochter hat dann die Kinderbücher von Schmidt-Salomon eines nach dem anderen im Deutschunterricht vorgestellt. Sehr glücklich
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Kival
Profeminist Ghost



Anmeldungsdatum: 14.11.2006
Beiträge: 24071

Beitrag(#1764044) Verfasst am: 02.07.2012, 02:14    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Man sollte bedenken, daß eine gewisse Ideologie systemimmanent ist:

Deine "systemimmanente Ideologie" führt dann zu solchen Absurditäten wie der, dass man zum Beispiel Brecht im Deutschunterricht weder so behandeln kann, wie er tatsächlich war, noch ihn einfach aufgeben kann, sondern extra für den Schulunterricht einen weichgespülten Brecht erfinden muss, den es überhaupt nie gegeben hat. Gleichzeitig wird dann der Unterricht so gestaltet, dass man sowohl den Schülern als auch den Lehrern das Interesse an Brecht außerhalb des Unterrichts möglichst gründlich austreibt.

Aber gut, dass du einsiehst, dass Lüge und Täuschung in unseren Schulen systemimmanent sind. Die nächste Frage ist dann, welche Aufgabe unsere Schulen eigentlich haben (und nicht: haben sollten).


Über welche Aspekte Brechts wird denn im Deutsch-Unterricht hinweggetäuscht?
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44647

Beitrag(#1764045) Verfasst am: 02.07.2012, 02:49    Titel: Antworten mit Zitat

Kival hat folgendes geschrieben:
Über welche Aspekte Brechts wird denn im Deutsch-Unterricht hinweggetäuscht?

Im Prinzip wird Brecht auf seine Theorie der Durchbrechung der dritten Wand und auf etwas Sozialkritik heruntergebrochen. Werke wie "Die Maßnahme" werden zur Lektüre nicht nur nicht in Betracht gezogen, sondern regelrecht totgeschwiegen. Und auch die Werke, die gelesen werden, werden an essenziellen Stellen völlig verdreht. Man muss sich nur mal ansehen, wie z.B. der Satz "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral" aus der Dreigroschenoper im Deutschunterricht meist behandelt wird. Im Grunde fällt Brechts gesamter Stalinismus völlig hinten runter. Wenn man nur im Deutschunterricht mit Brecht in Berührung kommt, meint man am Ende, es mit einem weiteren gutmütigen sozialkritischen Moralisten zu tun zu haben - oder anders gesagt halt bloß mit irgendeinem weiteren deutschen Literaten. Wenn man Glück hat, wird irgendwann mal am Rande erwähnt, dass er halt irgendwie Marxist war - nicht dass dann erklärt würde, was das heißt und wie sich das auf Brechts Werk ausgewirkt hat. Und nein, ich bin nicht der Ansicht, dass das am Lehrer liegt. Ich habe von anderen Leuten auf anderen Schulen mit konstanter Regelmäßigkeit entsprechende Berichte gehört. Das ist strukturell. Das Problem besteht wie gesagt darin, dass man in der bestehenden ideologischen Konstellation Brecht weder einfach fallenlassen kann, weil er für die deutsche Literatur und auch für die deutsche Geistesgeschichte zu wichtig ist, noch offen thematisieren kann, was er war und wofür er stand, weil man dann hinsichtlich seiner Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft Position beziehen müsste.
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Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 02.07.2012, 02:54, insgesamt einmal bearbeitet
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tillich (epigonal)
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Anmeldungsdatum: 12.04.2006
Beiträge: 22261

Beitrag(#1764046) Verfasst am: 02.07.2012, 02:53    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
... "Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral" ...

Das ist im Vaterunser auch so. Erst kommt das Fressen ("Unser täglich Brot gib uns heute"), dann die Moral ("Und vergib uns unsere Schuld"). Würdest du den Bezug für verkehrt halten?
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44647

Beitrag(#1764047) Verfasst am: 02.07.2012, 02:57    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Würdest du den Bezug für verkehrt halten?

Kann ich nicht genau sagen. Ich bin mir nicht so ganz sicher, worauf du mit dem Bezug hinauswillst. Bei Brecht ist der Satz moralkritisch gemeint und wird von der Position der Hungernden aus artikuliert, die feststellen, dass man von Moral nicht satt wird, dass die Moralgebote der Herren sogar ihren Hunger und ihre Not vergrößern. Im Deutschunterricht wird das dann regelmäßig auf mehr oder weniger unsubtile Weise so umgebogen, dass Brecht sich darüber aufregen würde, dass es den Leuten zuerst ums Fressen geht.
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tillich (epigonal)
hat Spaß



Anmeldungsdatum: 12.04.2006
Beiträge: 22261

Beitrag(#1764048) Verfasst am: 02.07.2012, 03:26    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Ich bin mir nicht so ganz sicher, worauf du mit dem Bezug hinauswillst.

Auf die konkreten Bedürfnisse der Menschen. Hunger stillen und von Schuld erlöst werden, gehören beide dazu, aber ersteres geht ganz praktisch vor. Zugegeben, der Bezug Moral-Erlösung von Schuld ist nicht so direkt wie die Hunger-Fressen.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Bei Brecht ist der Satz moralkritisch gemeint und wird von der Position der Hungernden aus artikuliert, die feststellen, dass man von Moral nicht satt wird, [1/2] dass die Moralgebote der Herren sogar ihren Hunger und ihre Not vergrößern.

Klar. Den ersten Teil seh ich eindeutig auch so, der zweite steckt in dem einen Satz wohl nicht so drin; würde ich im Kontext aber auch zustimmen.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Im Deutschunterricht wird das dann regelmäßig auf mehr oder weniger unsubtile Weise so umgebogen, dass Brecht sich darüber aufregen würde, dass es den Leuten zuerst ums Fressen geht.

WTF? Hab ich so noch nicht gehört. Das wäre grandios bürgerlich daneben.
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44647

Beitrag(#1764049) Verfasst am: 02.07.2012, 03:31    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Auf die konkreten Bedürfnisse der Menschen. Hunger stillen und von Schuld erlöst werden, gehören beide dazu, aber ersteres geht ganz praktisch vor. Zugegeben, der Bezug Moral-Erlösung von Schuld ist nicht so direkt wie die Hunger-Fressen.

Ich kann mit der Ansicht, dass es auch sowas wie spirituelle Grundbedürfnisse gibt, durchaus was anfangen. Ich bin mir aber nicht ganz sicher, ob Brecht das auch so gesehen hätte (obwohl er sich z.B. für die fernöstlichen Religionen durchaus interessierte).

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
WTF? Hab ich so noch nicht gehört. Das wäre grandios bürgerlich daneben.

Es gibt da natürlich unterschiedliche und auch unterschiedlich subtile Arten, wie das im Deutschunterricht umgebogen wird. Durchgehend steht am Ende aber in irgendeiner Weise dann doch wieder die Moral an erster Stelle. Damit man nur ja die Moralkritik selbst nicht ernst nehmen muss, sondern das Ganze auf eine selbst wieder bloß moralische Verurteilung bestehender Missstände herunterkürzen kann.
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tillich (epigonal)
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Anmeldungsdatum: 12.04.2006
Beiträge: 22261

Beitrag(#1764051) Verfasst am: 02.07.2012, 04:35    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Auf die konkreten Bedürfnisse der Menschen. Hunger stillen und von Schuld erlöst werden, gehören beide dazu, aber ersteres geht ganz praktisch vor. Zugegeben, der Bezug Moral-Erlösung von Schuld ist nicht so direkt wie die Hunger-Fressen.

Ich kann mit der Ansicht, dass es auch sowas wie spirituelle Grundbedürfnisse gibt, zumindest im Prinzip durchaus was anfangen. Ich bin mir aber ehrlich gesagt nicht ganz sicher, ob Brecht das auch so gesehen hätte.

Naja ... spirituell ... das wäre dem Brecht wohl untergeschoben (wenn auch vielleicht nicht auszuschließen, dass auch das eine Rolle spielt). Das würde ich so nicht machen. Allerdings würde ich (zwischenmenschliche) Schuld und Moral auch noch nicht für spirituelle Kategorien halten. Spirituell wirds - aber bei beidem, dem Fressen und der Moral! -, wenn es beim Vaterunser ins Gebet kommt. Das ist natürlich nicht Brecht, aber dass das Fressen auch hier vor der Moral kommt, ist eine interessante Parallele, finde ich.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
WTF? Hab ich so noch nicht gehört. Das wäre grandios bürgerlich daneben.

Es gibt da natürlich unterschiedliche und auch unterschiedlich subtile Arten, wie das umgebogen wird. Durchgehend steht am Ende dann aber in irgendeiner Weise doch wieder die Moral an erster Stelle. Damit man nur ja die Moralkritik selbst nicht ernst nehmen muss, sondern das Ganze auf eine selbst wieder bloß moralische Verurteilung bestehender Missstände herunterkürzen kann.

Hmm ... ich sehe das Problem.
Ich würde da aber zwei mögliche moralische Interpretationen auseinanderhalten wollen:
1) wäre das, was du oben gesagt hast: Brecht selbst würde sich darüber aufregen, dass (bzw. der wesentliche Inhalt des Textes wäre, es zu verurteilen, wenn) es den Leuten vor der Moral zuerst ums Fressen geht.
2) wäre, wenn, wie du es nun schreibst, der Text als moralische Verurteilung bestehender Missstände aufgefasst wird und auch zu einer ebensolchen moralischen Verurteliung von Missständen (ob aktuellen oder zum Kontext des Textes gehörenden) bei den Lesern führen würde.
Dabei wäre es ja völlig im Rahmen dieser Deutung möglich, wenn es moralisch gerechtfertigt wird, dass es den von Misständen Betroffenen zunächst um das Fressen geht.

1) wäre mMn eine klare Fehlinterpretation.
Bei 2) hingegen wäre genauer hinzuschauen: Läuft die moralische Verurteilung auf die Verurteilung von einzelnem, "unmoralischem" Verhalten hinaus, unter der Prämisse, man könne sich auch anders verhalten, so dass die verurteilten Misstände eher zufällig wären und innerhalb des bestehenden Systems durch anderes verhalten vermieden werden könnten? Oder wird das ganze System, zu dem die Missstände immanent und für die Einzelnen ausweglos dazugehören, insgesamt verurteilt? Das wäre auch noch eine moralische Verurteilung, die aber nicht mehr primär auf den Einzelnen zielen würde. So würde ich das sehen.

Sowohl Brecht als auch heutige Schüler und Lehrer in Deutschland sind nun mal nicht die, die von ungerechten Verhältnissen primär betroffen sind (zumindest im globalen Maßstab; manche Schüler im lokalen Maßstab natürlich schon). Der Text selbst ebenso wie seine Rezeption durch nicht unmittelbar von entsprechenden Missständen Betroffene können erst einmal nichts anderes sein als eine moralische Verurteilung von Missständen - auch wenn sie die Moral auf einen Platz hinter unmittelbareren Bedürfnissen verweisen.

MMn haben wir da das Paradox, dass die Moralkritik selbst moralisch ist - im Namen einer anderen, besseren Moral, die berechtigte unmittelbarere Bedürfnisse besser zur Sprache zu bringen behauptet. Sie könnte das nur vermeiden, wenn sie sich zugunsten der angenommenen Betroffenen den Mund verbietet. Das wäre aber erstens selbst wieder eine moralische Entscheidung; und zweitens würden vermutlich andere, noch stärker Betroffene wiederum nicht zu Wort kommen. Und Brecht selbst hat sich ja offenbar auch anders entschieden - die beschriebene Paradoxie aber mMn auch bewusst in den Text eingebaut.

Die Moralkritik müsste sich also ständig selbst unter Ideologieverdacht stellen. Wäre das der angemessene Umgang mit dem Text im Deutschunterricht?

Und bin ich gerade klar? Ich habe eventuell gerade ein bisschen viel getrunken.
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Beiträge: 44647

Beitrag(#1764052) Verfasst am: 02.07.2012, 05:26    Titel: Antworten mit Zitat

tillich (epigonal) hat folgendes geschrieben:
Oder wird das ganze System, zu dem die Missstände immanent und für die Einzelnen ausweglos dazugehören, insgesamt verurteilt? Das wäre auch noch eine moralische Verurteilung, die aber nicht mehr primär auf den Einzelnen zielen würde.

Ja, aber für Brecht ist das Problem doch gar nicht das moralische Problem der "Verurteilung" bestehender Verhältnisse, sondern das praktische Problem zunächst ihrer Darstellung und dann ihrer Veränderung.
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Beiträge: 3548

Beitrag(#1764074) Verfasst am: 02.07.2012, 09:57    Titel: Re: Atheismus-Unterricht? Antworten mit Zitat

Grusu hat folgendes geschrieben:
Hallo,
ich frage mich, ob es sinnvoll und möglich wäre, einen Atheismusunterricht in Schulen einzuführen.

Gibt es schon. Nennt sich "Naturwissenschaft".
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Beitrag(#1764079) Verfasst am: 02.07.2012, 10:53    Titel: Antworten mit Zitat

@Tarvoc: Ich finde Deine Kritik an der Art und Weise, wie der Deutschunterricht Brecht behandelt, ziemlich überzogen. Natürlich ist es wichtig, auf Brechts politische Hinter- und Beweggründe hinzuweisen und diesen auch nicht weichzuspülen.

In meiner Schulzeit in den 80-ern wurde im Deutschunterricht klar gesagt, daß Brecht Kommunist, Idealist und Moralist war und dies auch der zentrale Beweggrund für viele seiner Stücke ist. Wir haben auch irgendeinen Brief (?) von ihm gelesen, der das nichtliterarisch erläutert. Es wurde jedoch nicht weiter auf den Marxismus als solchen eingegangen.

Bei mir entsteht jedoch der Eindruck, Du wolltest das Thema Brecht im Deutschunterricht zu einer Lehrstunde in Marxismus-Leninismus machen. Marxismus sollte aber mE eher ein Thema im Gewschichts- bzw. Gesellschaftskundeunterricht sein. Wenn man etwa im Musikunterricht Anton Bruckner durchnimmt, muß man auch keinen Unterichtsschwerpunkt auf ecclesiogene Neurosen setzen, obwohl dieser Mann von einer ausgewachsenen solchen inklusive Marienfetisch getrieben war.
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
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Beitrag(#1764098) Verfasst am: 02.07.2012, 14:47    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
In meiner Schulzeit in den 80-ern wurde im Deutschunterricht klar gesagt, daß Brecht Kommunist, Idealist und Moralist war

Bis auf den Kommunismus ist das genau das, was ich meine. Wo Brecht zum "Idealisten und Moralisten" gemacht wird, ist die ideologische Verbiegung schon so gut wie komplett. Das ist so, als würde man Nietzsche zum Christen und Demokraten erklären.

step hat folgendes geschrieben:
Bei mir entsteht jedoch der Eindruck, Du wolltest das Thema Brecht im Deutschunterricht zu einer Lehrstunde in Marxismus-Leninismus machen.

Ich weiss wirklich nicht, wie man Brecht behandeln will, ohne sich mit seiner Weltanschauung auseinanderzusetzen.
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Beitrag(#1764111) Verfasst am: 02.07.2012, 15:30    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
In meiner Schulzeit in den 80-ern wurde im Deutschunterricht klar gesagt, daß Brecht Kommunist, Idealist und Moralist war
Bis auf den Kommunismus ist das genau das, was ich meine. Wo Brecht zum "Idealisten und Moralisten" gemacht wird, ist die ideologische Verbiegung schon so gut wie komplett.

Mir ist bekannt, daß Brecht zuweilen auch bestimmte Haltungen als "zu idealistisch" oder "naiv" kritisierte. Aber die positiv gezeichneten Figuren in seinen Schauspielen sind oft moralische Idealisten in ihrem Widerstand. Zudem fällt es mir schwer darüber hinwegzusehen, daß Brecht sehr appellativ schreibt. Man fühlt sich ständig konfrontiert, in eine Richtung gedrängt und zu etwas aufgerufen. Egal wie man dazu konkret steht, das ist für mich ein Zeichen von moralischem Idealismus.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Bei mir entsteht jedoch der Eindruck, Du wolltest das Thema Brecht im Deutschunterricht zu einer Lehrstunde in Marxismus-Leninismus machen.
Ich weiss wirklich nicht, wie man Brecht behandeln will, ohne sich mit seiner Weltanschauung auseinanderzusetzen.

Vielleicht indem man sich mit seinen Dramen und seiner Lyrik in Deutsch erst beschäftigt, nachdem man in Gesellschaftskunde den Kommunismus behandelt hat?
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Tarvoc
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Beitrag(#1764114) Verfasst am: 02.07.2012, 15:42    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Man fühlt sich ständig konfrontiert, in eine Richtung gedrängt und zu etwas aufgerufen. Egal wie man dazu konkret steht, das ist für mich ein Zeichen von moralischem Idealismus.

Wie jetzt? Fühlt man sich aufgerufen oder wird man aufgerufen? Wenn man in einer Kirche sitzt, ist es ganz klar: Man wird vom Pfarrer dazu aufgerufen, den Moralgeboten Gottes zu folgen.

Dass man sich bei Brecht zu etwas aufgerufen fühlt, liegt (meistens) nicht an der Art der Darstellung, sondern an dem, was dargestellt wird. Und genau das ist materialistisch. (Ich würde allerdings das Argument gelten lassen, das sich das nicht streng trennen lässt.)

step hat folgendes geschrieben:
Vielleicht indem man sich mit seinen Dramen und seiner Lyrik in Deutsch erst beschäftigt, nachdem man in Gesellschaftskunde den Kommunismus behandelt hat?

Das wäre eine Möglichkeit. Das erfordert natürlich einen vernünftigen Gesellschaftskundeunterricht. Andererseits kann auch nicht einem Fach die Aufgabe aufgebürdet werden, alle strukturellen Schwächen eines anderen Faches auszubügeln.
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Beitrag(#1764133) Verfasst am: 02.07.2012, 16:52    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Dass man sich bei Brecht zu etwas aufgerufen fühlt, liegt (meistens) nicht an der Art der Darstellung, sondern an dem, was dargestellt wird.

Es ist ganz klar das Was und das Wie.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Und genau das ist materialistisch. (Ich würde allerdings das Argument gelten lassen, das sich das nicht streng trennen lässt.)

Es ist auch überhaupt kein Gegensatz. Ich meine "idealistisch" nicht als Gegensatz zum philosophischen Materialismus, sondern als Gegensatz zum pragmatischen Realismus bzw. moralischen Relativismus. Im Sinne von Idealen - andere "moralisch-idealistische" Autoren wären etwa Heine, Kästner oder Lessing.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
ndererseits kann auch nicht einem Fach die Aufgabe aufgebürdet werden, alle strukturellen Schwächen eines anderen Faches auszubügeln.

Es ist aber nunmal keine Schwäche des Fachs "Deutsch", wenn die Schüler nichts über Marxismus wissen.
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Beitrag(#1764134) Verfasst am: 02.07.2012, 16:59    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Ich meine "idealistisch" nicht als Gegensatz zum philosophischen Materialismus, sondern als Gegensatz zum pragmatischen Realismus bzw. moralischen Relativismus.

Lustig, dass du das so sagst. Ich arbeite seit einigen Monaten an meiner Doktorarbeit über die Ethik von Karl Marx, und eine meiner Grundthesen wird sein, dass sich die Ethik von Marx und seiner Nachfolger nicht einfach in diese Opposition von Idealismus und Relativismus einfügen lässt und dass genau darin der materialistische Charakter dieser Ethik besteht. Aber das muss natürlich noch alles ausgearbeitet werden, und ich stehe noch ganz am Anfang. So gesehen lasse ich das jetzt erstmal so stehen.

step hat folgendes geschrieben:
Es ist aber nunmal keine Schwäche des Fachs "Deutsch", wenn die Schüler nichts über Marxismus wissen.

Mh, ja. - Aber der Marxismus ist nunmal auch eine literarische Bewegung. Es ist schon irgendwo ein Fehler der Gesamtstruktur, wenn einzelne Fächer mit der Vermittlung interdisziplinärer Themen und Theoriebildungen Schwierigkeiten bekommen. - Okay, das ist jetzt vielleicht etwas sehr radikal formuliert. Aber zumindest kann man hier sehen, in welchem Maße es sich auch auf die anderen Fächer auswirkt, wenn in einem Fach was schief läuft. Das verliert man leicht aus dem Blick, wenn man jedes Fach einzeln betrachtet.
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Beitrag(#1764152) Verfasst am: 02.07.2012, 19:09    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Ich meine "idealistisch" nicht als Gegensatz zum philosophischen Materialismus, sondern als Gegensatz zum pragmatischen Realismus bzw. moralischen Relativismus.
Lustig, dass du das so sagst. Ich arbeite seit einigen Monaten an meiner Doktorarbeit über die Ethik von Karl Marx, und eine meiner Grundthesen wird sein, dass sich die Ethik von Marx und seiner Nachfolger nicht einfach in diese Opposition von Idealismus und Relativismus einfügen lässt und dass genau darin der materialistische Charakter dieser Ethik besteht. Aber das muss natürlich noch alles ausgearbeitet werden, und ich stehe noch ganz am Anfang. So gesehen lasse ich das jetzt erstmal so stehen.

Meine - zugegeben rudimentären - Kenntnisse von Marx und seiner Ethik würde ich so zusamenfassen: Marx hat zum einen die Ethik des Kapitalismus als menschenfeindlich kritisiert, zum anderen wollte er eine kommunistische Ethik darauf begründen, was den Menschen wirklich nützt. Ich denke schon, daß man dies bis dahin als materialistisch und evtl. sogar relativistisch ansehen kann.

Ich weiß aber zum Beispiel nicht, in welchem Maße Marx selbst, und in welchem Maße Nachfolger wie etwa Lenin diesen Ansatz idealistisch überhöht haben (Endziel der Geschichte, Diktatur des Proletariats, Paradies der klassenlosen Gesellschaft ...), irgendwo muß das ja herkommen.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Es ist schon irgendwo ein Fehler der Gesamtstruktur, wenn einzelne Fächer mit der Vermittlung interdisziplinärer Themen und Theoriebildungen Schwierigkeiten bekommen.

Ja, man könnte auch eine interdisziplinäre Einheit zu wichtigen Grundfragen der Menschheit machen. Kapitalismus/Kommunismus wäre sicher ein würdiges Thema.
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Beitrag(#1764157) Verfasst am: 02.07.2012, 19:34    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Marx hat zum einen die Ethik des Kapitalismus als menschenfeindlich kritisiert, zum anderen wollte er eine kommunistische Ethik darauf begründen, was den Menschen wirklich nützt.

Mh jaa - das klingt nach Utilitarismus. Eine "Ethik darauf zu begründen, was den Menschen wirklich nützt" ist ja etwas, das so auch von John Stuart Mill stammen könnte. Nur hat Marx eben auch an solchen Entwürfen Kritik geübt. Es gibt dabei ja auch eine ganze Reihe von Schwierigkeiten. Das fängt schon damit an, dass sich unsere Vorstellungen von individuellem Nutzen etc. selbst bereits im Rahmen kapitalistischer Verhältnisse gebildet haben. Deshalb werden ja solche Dinge wie Klassenstandpunkte, etc. relevant.
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