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alex6 registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.12.2005 Beiträge: 750
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(#1750037) Verfasst am: 04.05.2012, 12:28 Titel: Das hedonistische Manifest von Kanitscheider |
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Vor einigen Jahren stieß ich mehr zufällig auf das bereits damals nur noch antiquarisch erhältliche Buch "Von Lust und Freude" von Bettina Dessau und Bernulf Kanitscheider. Ich war so begeistert davon, daß ich noch diverse Exemplare ergatterte und verschenkte.
Gestern stellte Prof. Dr. Kanitscheider endlich den Nachfolgeband "Das hedonistische Manifest" im Rahmen des Tagesspiegel-Wissenschaftssalon vor. Ich habe es leider noch nicht gelesen, aber vielleicht kennt es schon jemand hier im Forum?
Was haltet Ihr von Hedonismus als Weltanschauung? Was unterscheidet sie vom "evolutionären Humanismus" oder anderen humanistischen Strömungen? Warum gibt es noch keinen organisierten Hedonismus äquivalent zu z.B. HVD oder GBS? (Die "Hedonistische Internationale" nehme ich mal aus.)
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Witz- und Kobold auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 03.03.2012 Beiträge: 516
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(#1750215) Verfasst am: 05.05.2012, 06:50 Titel: Re: Das hedonistische Manifest von Kanitscheider |
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alex6 hat folgendes geschrieben: | Was haltet Ihr von Hedonismus als Weltanschauung? |
Ist denn Hedonismus überhaupt eine Weltanschauung? Ich würde eher sagen, er kann Teil oder Konsequenz einer solchen sein.
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Lord Snow I am the one who knocks
Anmeldungsdatum: 05.09.2006 Beiträge: 6445
Wohnort: Würzburg
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(#1750224) Verfasst am: 05.05.2012, 11:05 Titel: |
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Das sehe ich auch so, es ist lediglich ein Teilaspekt einer Weltanschauung.
_________________ Ich irre mich nie! Einmal dachte ich, ich hätte mich geirrt, aber da hatte ich mich getäuscht
"Der Gott, der Gott sterben läßt, um Gott zu besänftigen"...Hundert Folianten, die für oder wider das Christentum geschrieben worden sind, ergeben eine geringere Evidenz als der Spott dieser zwei Zeilen.
Denis Diderot
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1750225) Verfasst am: 05.05.2012, 11:09 Titel: |
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Muß nicht sein. Je nachdem wie man "Weltanschauung" versteht:
Weltanschauung = meine Theorie / Modell der Welt: Hedonismus ist nur eine Lebenseinstellung.
Weltanschauung = mein Ziel / Sinn des lebens: kann hedonistisch sein
Zu dem Buch kann ich nichts sagen, frühere Sachen von Kanitscheider habe ich aber gern gelesen.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Heizölrückstoßabdämpfung Hedonist

Anmeldungsdatum: 26.07.2007 Beiträge: 17543
Wohnort: Stralsund
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(#1750268) Verfasst am: 05.05.2012, 14:11 Titel: Re: Das hedonistische Manifest von Kanitscheider |
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alex6 hat folgendes geschrieben: |
Was haltet Ihr von Hedonismus als Weltanschauung? |
Ich sehe das so:
step hat folgendes geschrieben: |
Weltanschauung = meine Theorie / Modell der Welt: Hedonismus ist nur eine Lebenseinstellung.
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_________________ „Wer in einem gewissen Alter nicht merkt, daß er hauptsächlich von Idioten umgeben ist, merkt es aus einem gewissen Grunde nicht.“ Curt Goetz
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Landei Gesinnungspolizist
Anmeldungsdatum: 27.02.2011 Beiträge: 1180
Wohnort: Sandersdorf-Brehna
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(#1750274) Verfasst am: 05.05.2012, 14:41 Titel: Re: Das hedonistische Manifest von Kanitscheider |
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Witz- und Kobold hat folgendes geschrieben: | Ist denn Hedonismus überhaupt eine Weltanschauung? Ich würde eher sagen, er kann Teil oder Konsequenz einer solchen sein. |
Wenn man die Grundaussage des Hedonismus voraussetzt, hat man immerhin ein Ziel- und Wertesystem, aus dem sich Positionen für viele Themenbereiche ableiten lassen (z.B. müsste ein konsequenter Hedonist auch transhumanistische Ideen vertreten). Insofern finde ich die Kategorie "Weltanschauung" schon angemessen.
_________________ Der Islam gehört auf den Müllhaufen der Geschichte. Diese Gotteslehre eines unmoralischen Beduinen ist ein verwesender Kadaver, der unser Leben vergiftet. (Kemal Atatürk)
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Witz- und Kobold auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 03.03.2012 Beiträge: 516
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(#1750277) Verfasst am: 05.05.2012, 14:55 Titel: Re: Das hedonistische Manifest von Kanitscheider |
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Landei hat folgendes geschrieben: | Wenn man die Grundaussage des Hedonismus voraussetzt, hat man immerhin ein Ziel- und Wertesystem, aus dem sich Positionen für viele Themenbereiche ableiten lassen (z.B. müsste ein konsequenter Hedonist auch transhumanistische Ideen vertreten). Insofern finde ich die Kategorie "Weltanschauung" schon angemessen. |
Gut, es kommt natürlich wirklich zunächst einmal darauf an, was man unter dem Wort versteht. Doch wenn ich ihn wörtlich nehme, dann bezeichnet der Ausdruck "Weltanschauung" doch mehr als bloß das menschliche Handeln (einschließlich entsprechender Neben- und Folgethemen).
Ich finde, dass eigentlich nur die erste der beiden Bedeutungen, die step vorgeschlagen hat, passt. Eine Weltanschauung umfasst m. E. prinzipielle Annahmen darüber, wie die Welt in ihrer Gesamtheit zu verstehen ist. Und es gibt ja mehr in der Welt als nur den Menschen. Da aber der Mensch und sein Handeln auch zur Welt gehören, kann eine Weltanschauung natürlich auch die Basis für ethische Fragen sein. Entsprechend kann eine bestimmte Weltanschauung, z. B. ein Naturalismus, eben auch einen Hedonismus als ethische Orientierung nahelegen.
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alex6 registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.12.2005 Beiträge: 750
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(#1750342) Verfasst am: 05.05.2012, 20:04 Titel: Re: Das hedonistische Manifest von Kanitscheider |
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Witz- und Kobold hat folgendes geschrieben: | Doch wenn ich ihn [den Begriff] wörtlich nehme, dann bezeichnet der Ausdruck "Weltanschauung" doch mehr als bloß das menschliche Handeln (einschließlich entsprechender Neben- und Folgethemen).
Ich finde, dass eigentlich nur die erste der beiden Bedeutungen, die step vorgeschlagen hat, passt. Eine Weltanschauung umfasst m. E. prinzipielle Annahmen darüber, wie die Welt in ihrer Gesamtheit zu verstehen ist. Und es gibt ja mehr in der Welt als nur den Menschen. Da aber der Mensch und sein Handeln auch zur Welt gehören, kann eine Weltanschauung natürlich auch die Basis für ethische Fragen sein. Entsprechend kann eine bestimmte Weltanschauung, z. B. ein Naturalismus, eben auch einen Hedonismus als ethische Orientierung nahelegen. |
Wenn ich Kanitscheider richtig verstehe, ist für ihn der Hedonismus tatsächlich eine Weltanschauung in diesem Sinne, u.a. eine materialistische und humanistische.
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Fake auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 11.11.2011 Beiträge: 3548
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(#1750683) Verfasst am: 07.05.2012, 09:16 Titel: Re: Das hedonistische Manifest von Kanitscheider |
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alex6 hat folgendes geschrieben: | "Das hedonistische Manifest" |
Ist das sowas wie "Die 120 Tage von Sodom"?
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alex6 registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.12.2005 Beiträge: 750
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(#1751455) Verfasst am: 10.05.2012, 09:41 Titel: Re: Das hedonistische Manifest von Kanitscheider |
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Fake hat folgendes geschrieben: | alex6 hat folgendes geschrieben: | "Das hedonistische Manifest" |
Ist das sowas wie "Die 120 Tage von Sodom"? 8) |
De Sades Text ist philosophisch eher nicht kompatibel mit dem Hedonismus. Denn er stellt nicht-einvernehmliche, sadomasochistisch Handlungen positiv dar. Gegen BDSM ist aus hedonistischer Sicht nichts einzuwenden, im Gegenteil: Jede Steigerung des Lustempfindens ist zu begrüßen, aber es sollte dann SSC (safe, sane, consensual) oder wenigstens RACK (risk-aware consensual kink) verlaufen. De Sade hat auf "consensual" nicht viel Wert gelegt, weder in seinen Schriften noch in seinem Sexualleben, wie man hört. Wenn man Hedonismus mit SM-Literatur in Verbindung bringen will, wäre wohl die "Histoire d'O" passender.
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Witz- und Kobold auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 03.03.2012 Beiträge: 516
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(#1751538) Verfasst am: 10.05.2012, 18:43 Titel: Re: Das hedonistische Manifest von Kanitscheider |
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alex6 hat folgendes geschrieben: | De Sades Text ist philosophisch eher nicht kompatibel mit dem Hedonismus. Denn er stellt nicht-einvernehmliche, sadomasochistisch Handlungen positiv dar. |
Wer sagt denn, dass Hedonismus notwendig einschließt, dass man auch an der Lust anderer interessiert ist?
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alex6 registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.12.2005 Beiträge: 750
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(#1751861) Verfasst am: 11.05.2012, 23:53 Titel: Re: Das hedonistische Manifest von Kanitscheider |
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Witz- und Kobold hat folgendes geschrieben: | alex6 hat folgendes geschrieben: | De Sades Text ist philosophisch eher nicht kompatibel mit dem Hedonismus. Denn er stellt nicht-einvernehmliche, sadomasochistisch Handlungen positiv dar. |
Wer sagt denn, dass Hedonismus notwendig einschließt, dass man auch an der Lust anderer interessiert ist? |
Kanitscheider (und offenbar auch die antiken Philosophen des Hedonismus) vertreten uneindeutig, daß die eigene Lust niemals zuungunsten Dritter ausgelebt werden darf, da es sich um eine universelle Philosophie handelt, soweit es richtig verstehe. Universell wäre sie aber nicht, wenn nur manche Spaß haben (können). Kanitscheider betont, daß der Hedonismus somit auch immer eine pazifistische Philosophie ist und wohl auch erkannt hat, daß die in der Antike übliche Sklaverei inkompatibel mit dem Hedonismus ist.
Wenn einige Spaß haben, bzw. ihre Lust ausleben auf Kosten anderer, braucht man keinen Hedonismus. Diese Variante nennt sich je noch Epoche Feudalismus, Kapitalismus oder real existierender Sozialismus. Um solche Systeme ideologisch zu rechtfertigen eignet sich der Hedonismus allerdings denkbar schlecht.
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Witz- und Kobold auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 03.03.2012 Beiträge: 516
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(#1751906) Verfasst am: 12.05.2012, 09:04 Titel: |
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Was Kanitscheider dazu sagt, weiß ich (noch) nicht. Aber allgemein denke ich, dass eine Ethik zwar auch hedonistische Elemente enthalten kann, dass sich mit dem Hedonismus allein aber keine eigentliche Ethik begründen lässt. Epikur z. B. sagt ja auch, dass Tugend und Glück zusammen gehören, aber eigentlich nur deshalb, weil jemand, der mit den anderen in größere Konflikte gerät, seine Möglichkeiten, Freude zu erleben, reduziere. Er lässt es aber durchaus offen, ob der "Weise" sich an die sozialen Regeln halten würde, wenn sicher wäre, dass er damit durchkommt.
Ich selbst verstehe unter Hedonismus tatsächlich nichts anderes als eine Lebensorientierung an Lust bzw. an dem, was man für angenehm hält. Einen Universalitätsanspruch kann ich da so nicht erkennen, denn Lust oder Freude erlebt im eigentlichen Sinne immer nur ein Individuum. Wenn man z. B. davon spricht, dass es einer ganzen Gesellschaft gut gehe, dann ist das übertragene Rede.
Nun kann man natürlich sagen, dass der Mensch auch Freude erlebe, wenn er anderen Gutes tut, oder man kann das erwähnte Argument bringen, dass man schon aus Klugheitsgründen die Interessen der anderen berücksichtigen sollte. Aber ein strenges Gebot kann man m. E. aus dem Hedonismus allein nicht ableiten. Eben deshalb nicht, weil die einzige Instanz, die letzten Endes darüber entscheiden kann, was mir Freude bereitet, ich selbst bin. Und wenn ich für mich zu dem Schluss käme, dass die Rücksichtnahme mir mehr Glücksoptionen nimmt als das Risiko, das mit der Missachtung der Interessen anderer einher geht, dann würde ich als reiner Hedonist durchaus die anderen für mich leiden lassen.
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alex6 registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.12.2005 Beiträge: 750
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(#1751943) Verfasst am: 12.05.2012, 12:45 Titel: |
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Witz- und Kobold hat folgendes geschrieben: | Einen Universalitätsanspruch kann ich da so nicht erkennen, denn Lust oder Freude erlebt im eigentlichen Sinne immer nur ein Individuum. Wenn man z. B. davon spricht, dass es einer ganzen Gesellschaft gut gehe, dann ist das übertragene Rede. |
Mit "Universalität" meine ich auch das Individuum, nicht die Gesellschaft, aber eben jedes Individuum, nicht nur ein einzelnes. Der Hedonismus ist ja schon eher eine individualistische Idee und keine, die das Gemeinwohl über das Individuum stellte. Aber es ist logisch, daß ein Lustgewinn einer Person auf Kosten einer anderen nicht funktionieren kann, weil es eben die Individualrechte (es geht nicht um die Gesellschaft) der anderen beschneidete. Daher ist für mich D.A.F. de Sade kein Vertreter des Hedonismus.
Kanitscheider legt übrigens Wert darauf, daß der Hedonismus den Lustgewinn im unmittelbaren Sinn anstrebt, d.h. für ihn ist Josemaría Escrivá kein Hedonist, auch wenn dieser vielleicht leiden wollte und auf eine Belohnung post-mortem hoffte. Beim Masochisten dagegen dient der Schmerz direkt der Lust und vergrößert die Freude am Sex, es gibt gewissermaßen "schlechtes Leiden" (Opus Dei, Belohnung sehr fraglich) und "gutes Leiden" (Sadomasochismus, aber auch leidvolles Üben eines Musikstückes, aber mit der anschließenden Freude, es spielen zu können).
http://www.de.josemariaescriva.info/ hat folgendes geschrieben: | Geschult durch ein christliches Elternhaus, wo er am Beispiel seiner Eltern erlebt hatte, wie man aus Liebe zu Gott Schmerz und Leid annimmt, ohne zu verbittern oder zu verzweifeln, machte ihm dieses Erlebnis [kalte Füße eines unbeschuhten Karmeliters] eindringlich klar, daß ein Leben in der Nachfolge Christi eine ausdauernde Kreuzesnähe verlangt. |
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Witz- und Kobold auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 03.03.2012 Beiträge: 516
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(#1751956) Verfasst am: 12.05.2012, 13:44 Titel: |
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alex6 hat folgendes geschrieben: | Mit "Universalität" meine ich auch das Individuum, nicht die Gesellschaft, aber eben jedes Individuum, nicht nur ein einzelnes. Der Hedonismus ist ja schon eher eine individualistische Idee und keine, die das Gemeinwohl über das Individuum stellte. Aber es ist logisch, daß ein Lustgewinn einer Person auf Kosten einer anderen nicht funktionieren kann, weil es eben die Individualrechte (es geht nicht um die Gesellschaft) der anderen beschneidete. |
Warum ist das logisch? Woraus folgt das denn? Nur wenn du die individuelle Perspektive übersteigst, kannst du zu diesem Ergebnis kommen. Z. B. mit dem altbekannten "Wenn das jeder tun würde..." Beschränkt man sich bei der Beurteilung seiner Handlungsabsichten jedoch auf das eigene Wohlergehen, dann folgt nichts dergleichen. Wenn ich z. B. die Möglichkeit sehe, jemanden zu bestehlen, ohne erwischt zu werden, und ich finde, dass mir dieser Diebstahl bzw. das Gestohlene Freude bringen wird, dann ändert auch der Nachteil des Bestohlenen nichts daran. Vorausgesetzt, ich bekomme kein schlechtes Gewissen oder Angst, doch überführt zu werden. Aber dass ich das so erlebe, ist eben nicht notwendig der Fall.
Zitat: | Kanitscheider legt übrigens Wert darauf, daß der Hedonismus den Lustgewinn im unmittelbaren Sinn anstrebt, d.h. für ihn ist Josemaría Escrivá kein Hedonist, auch wenn dieser vielleicht leiden wollte und auf eine Belohnung post-mortem hoffte. Beim Masochisten dagegen dient der Schmerz direkt der Lust und vergrößert die Freude am Sex, es gibt gewissermaßen "schlechtes Leiden" (Opus Dei, Belohnung sehr fraglich) und "gutes Leiden" (Sadomasochismus, aber auch leidvolles Üben eines Musikstückes, aber mit der anschließenden Freude, es spielen zu können). |
Kann man vielleicht so sehen, aber ich finde eigentlich nicht, dass das direkt etwas mit dem Konzept "Hedonismus" zu tun hat. Die Frage wäre eher, ob Escrivá denn leiden wollte, um am Ende Lust oder Freude zu empfinden. Wenn das die eigentliche Motivation gewesen sein sollte, dann könnte man die entsprechende Lebensweise vielleicht wirklich für einen (natürlich einigermaßen skurrilen und vor allem verblendeten) Hedonismus halten.
Der Punkt ist doch, dass man oftmals gar nicht weiß, ob das, was man anstrebt, wirklich die Erfüllung bedeutet, die man sich vorstellt. Für die Frage, ob man hedonistisch orientiert ist, spielt das aber m. E. keine Rolle. Dafür reicht es aus, dass man meint, durch sein Handeln sein eigenes Wohlergehen, wie auch immer, zu befördern. Und wenn ich von der Voraussetzung ausgehe, dass es ein Leben nach dem Tod gibt, dann kann ich doch auch das als eine mögliche Quelle von Lust in meine Planung einbeziehen. Das Verquere ist halt, dass in solchen religiösen Lehren oftmals das Leiden als an sich positiv beurteilt wird, dass man also gerade keine Lust empfinden soll - all das aber nur, um am Ende doch dafür belohnt zu werden. D. h. es geht einem irgendwie doch um das eigene Wohl, aber das wird ständig verdrängt.
Aber gut, speziell zu Kanitscheider kann nichts sagen. Ich werde den Text vielleicht demnächst mal lesen.
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alex6 registrierter User
Anmeldungsdatum: 22.12.2005 Beiträge: 750
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(#1751978) Verfasst am: 12.05.2012, 17:07 Titel: |
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Witz- und Kobold hat folgendes geschrieben: | alex6 hat folgendes geschrieben: | Mit "Universalität" meine ich auch das Individuum, nicht die Gesellschaft, aber eben jedes Individuum, nicht nur ein einzelnes. Der Hedonismus ist ja schon eher eine individualistische Idee und keine, die das Gemeinwohl über das Individuum stellte. Aber es ist logisch, daß ein Lustgewinn einer Person auf Kosten einer anderen nicht funktionieren kann, weil es eben die Individualrechte (es geht nicht um die Gesellschaft) der anderen beschneidete. |
Warum ist das logisch? Woraus folgt das denn? Nur wenn du die individuelle Perspektive übersteigst, kannst du zu diesem Ergebnis kommen. Z. B. mit dem altbekannten "Wenn das jeder tun würde..." Beschränkt man sich bei der Beurteilung seiner Handlungsabsichten jedoch auf das eigene Wohlergehen, dann folgt nichts dergleichen. |
Es ist in der Tat fraglich, ob sich der Unterschied zwischen Egoismus und Hedonismus logisch herleiten läßt. Kanitscheider schreibt in "Hedonismus – eine naturalistische Ethik":
Zitat: | Sittliche Normen, Tugenden werden also bei Epikur nicht aus evidenten Prinzipien, Wertintuitionen oder dergleichen abgeleitet, sondern sie ergeben sich aus langfristigen, folgenorientierten Klugheitsüberlegungen. Im Wettbewerb der egoistischen Strebungen sind solche Klugheitsregeln vonnöten, die Konflikte vermeiden und die Kooperationskosten senken. |
Offenbar ist Epikurs (und Kanitscheiders) Hedonismus nicht nur Luststreben, sondern Luststreben gepaart mit Klugheit :~)
Witz- und Kobold hat folgendes geschrieben: | Kann man vielleicht so sehen, aber ich finde eigentlich nicht, dass das direkt etwas mit dem Konzept "Hedonismus" zu tun hat. Die Frage wäre eher, ob Escrivá denn leiden wollte, um am Ende Lust oder Freude zu empfinden. Wenn das die eigentliche Motivation gewesen sein sollte, dann könnte man die entsprechende Lebensweise vielleicht wirklich für einen (natürlich einigermaßen skurrilen und vor allem verblendeten) Hedonismus halten. |
Vermutlich deshalb betont Kanitscheider, daß eben nur tatsächliche (meßbare?) Lust als Hedonismus taugt, Askese, weil es dem Asketen eben die größte Freude macht, ist für den Autoren eben kein Hedonismus. Ein Leid um später um so mehr Lust zu erleben ist für ihn nur "Hedonismus-kompatibel", solange die Belohnung auch mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgt, insbesondere zu Lebzeiten.
Witz- und Kobold hat folgendes geschrieben: | Aber gut, speziell zu Kanitscheider kann nichts sagen. Ich werde den Text vielleicht demnächst mal lesen. |
Ich habe das Buch auch noch nicht durch und sollte vorsichtig sein aus dem ersten Drittel zu viele Schlüsse zu ziehen...
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Witz- und Kobold auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 03.03.2012 Beiträge: 516
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(#1751982) Verfasst am: 12.05.2012, 17:28 Titel: |
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alex6 hat folgendes geschrieben: | Vermutlich deshalb betont Kanitscheider, daß eben nur tatsächliche (meßbare?) Lust als Hedonismus taugt, Askese, weil es dem Asketen eben die größte Freude macht, ist für den Autoren eben kein Hedonismus. Ein Leid um später um so mehr Lust zu erleben ist für ihn nur "Hedonismus-kompatibel", solange die Belohnung auch mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgt, insbesondere zu Lebzeiten. |
Ich halte beide Einschränkungen für problematisch. Zum einen fände ich es absurd, mir erst auf der Basis irgendwelcher Messungen oder dergleichen bestätigen zu lassen, was ich angenehm finde, um mich dann daran zu orientieren. Wenn ich meine, dass ich mich gut fühle, dann fühle ich mich gut. Es mag sein, dass es mir nicht gut geht (z. B. körperlich beim Drogenkonsum), aber in Bezug auf mein Empfinden selbst ist das erst mal irrelevant.
Vor allem ist ja gerade die Antizipation von Angenehmem für das Handeln entscheidend. Und da kann ich mich zum einen stets täuschen (d. h. es ist letzten Endes nicht angenehm) und zum anderen könnte man dieses angenomme Wohl definitiv nicht messen. Mein Fazit: für den Hedonismus entscheidend ist bloß, dass ich mich nach dem richte, was mir angenehm vorkommt bzw. was ich mir als angenehm vorstelle.
Zweiter Punkt: man kann natürlich unvernünftige Ziele verfolgen. Aber das ist doch entweder ein theoretisches oder ein technisches Problem. Man verkennt die Beschaffenheit der Welt und setzt sich unerreichbare Ziele oder wählt Mittel, die nicht zum Ziel führen. Aber ich finde eben, dass "Hedonismus" nur eine Form der Motivation beschreibt und keine bestimmten Ziele oder Handlungsweisen. D. h. ich meine, man kann auch nicht erfolgreich Hedonist sein. Aber gut, das mag eine Definitionssache sein.
Und auch wenn das eher nicht unmittelbar zum Thema gehört: Askese kann durchaus mit Lust einhergehen. Und das lässt sich, z. B. im Fall von Nahrungsentzug, auch messen.
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Witz- und Kobold auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 03.03.2012 Beiträge: 516
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(#1751990) Verfasst am: 12.05.2012, 18:15 Titel: |
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alex6 hat folgendes geschrieben: | Offenbar ist Epikurs (und Kanitscheiders) Hedonismus nicht nur Luststreben, sondern Luststreben gepaart mit Klugheit :~) |
Aber auch unter der Bedingung ist das rücksichtslose Handeln noch nicht generell abzulehnen. Es kann doch durchaus Situationen geben, in denen es klug wäre, andere über die Klinge springen zu lassen, wenn es mir nur darum ginge, meine eigenen Wünsche zu erfüllen.
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Murphy auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 29.04.2011 Beiträge: 5000
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(#1752120) Verfasst am: 13.05.2012, 05:02 Titel: |
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Witz- und Kobold hat folgendes geschrieben: | alex6 hat folgendes geschrieben: | Vermutlich deshalb betont Kanitscheider, daß eben nur tatsächliche (meßbare?) Lust als Hedonismus taugt, Askese, weil es dem Asketen eben die größte Freude macht, ist für den Autoren eben kein Hedonismus. Ein Leid um später um so mehr Lust zu erleben ist für ihn nur "Hedonismus-kompatibel", solange die Belohnung auch mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolgt, insbesondere zu Lebzeiten. |
Ich halte beide Einschränkungen für problematisch. Zum einen fände ich es absurd, mir erst auf der Basis irgendwelcher Messungen oder dergleichen bestätigen zu lassen, was ich angenehm finde, um mich dann daran zu orientieren. Wenn ich meine, dass ich mich gut fühle, dann fühle ich mich gut. Es mag sein, dass es mir nicht gut geht (z. B. körperlich beim Drogenkonsum), aber in Bezug auf mein Empfinden selbst ist das erst mal irrelevant.
Vor allem ist ja gerade die Antizipation von Angenehmem für das Handeln entscheidend. Und da kann ich mich zum einen stets täuschen (d. h. es ist letzten Endes nicht angenehm) und zum anderen könnte man dieses angenomme Wohl definitiv nicht messen. Mein Fazit: für den Hedonismus entscheidend ist bloß, dass ich mich nach dem richte, was mir angenehm vorkommt bzw. was ich mir als angenehm vorstelle. |
Wenn ich mich recht erinnere war ein entscheidendes Element des Hedonismus, dass Genuss ohne Reue stattfindet. Dies kann entweder geschehen indem man auf Vergnügungen, die Unlust nach sich ziehen, verzichtet oder man akzeptiert die damit verbundenen Unlustgefühle und nimmt sie hin zugunsten einer höher bewerteten oder größeren Lust.
'Meßbar' trifft es vielleicht nicht ganz, aber spürbar, erlebbar, erfahrbar muss eine angenehme Empfindung schon sein. Die bloße Vorstellung von Lust ist zuwenig, um sie den tatsächlichen Leiden gegenüberzustellen und das Leben mit Sinn zu erfüllen muss sie auch gelebt werden.
Witz- und Kobold hat folgendes geschrieben: |
Zweiter Punkt: man kann natürlich unvernünftige Ziele verfolgen. Aber das ist doch entweder ein theoretisches oder ein technisches Problem. Man verkennt die Beschaffenheit der Welt und setzt sich unerreichbare Ziele oder wählt Mittel, die nicht zum Ziel führen. Aber ich finde eben, dass "Hedonismus" nur eine Form der Motivation beschreibt und keine bestimmten Ziele oder Handlungsweisen. D. h. ich meine, man kann auch nicht erfolgreich Hedonist sein. Aber gut, das mag eine Definitionssache sein.
Und auch wenn das eher nicht unmittelbar zum Thema gehört: Askese kann durchaus mit Lust einhergehen. Und das lässt sich, z. B. im Fall von Nahrungsentzug, auch messen. |
Da die Abwesenheit von Unlust schon einen angenehmen Zustand darstellt und Unlust und Schmerz somit eigentlich die Ausnahme sind, ist Hedonismus eine lebensbejahende Einstellung, die konträr zu dem steht was die Religion aus der Askese gemacht hat. Sicher, Verzicht mag ein Mittel sein um zur Lust zu gelangen, nur ist dieser für den (religiösen) Asketen Selbstzweck gegen alles was lebendig, mithin sündig und verkommen ist, während der Hedonist sein Vergnügen aus der Genügsamkeit zieht, die es ihm ermöglicht das Leben mit geringeren Mitteln häufiger zu genießen.
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Witz- und Kobold auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 03.03.2012 Beiträge: 516
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(#1752122) Verfasst am: 13.05.2012, 08:04 Titel: |
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Sargnagel hat folgendes geschrieben: | 'Meßbar' trifft es vielleicht nicht ganz, aber spürbar, erlebbar, erfahrbar muss eine angenehme Empfindung schon sein. Die bloße Vorstellung von Lust ist zuwenig, um sie den tatsächlichen Leiden gegenüberzustellen und das Leben mit Sinn zu erfüllen muss sie auch gelebt werden. |
Ich wollte auch nicht sagen, dass es um bloß fiktive Lust gehe. "Vorgestellte Lust" soll hier nur heißen, dass sie noch nicht vorhanden ist, wenn ich mein Handeln danach ausrichte, in der Zukunft eine bestimmte angenehme Erfahrung zu machen. Und wie soll man einen solchen Zustand per Messung objektivieren?
Und mein allgemeiner Punkt ist eben, dass "Lust" ohnehin einen subjektiven Zustand beschreibt. Selbst wenn man mir erklärt, dass meine körperliche Verfassung nicht dem entspricht, was allgemein mit der Äußerung "ich erlebe Lust" verknüpft ist, erlebe ich Lust, wenn ich der Meinung bin, dass das, was ich erlebe, angenehm ist. Ich finde, das geht ineinander auf.
Aber natürlich wäre ich irritiert über einen solchen Befund. Und es könnte ja auch in der Tat so sein, dass ich mir die Lust nur einrede. Wie dem auch sei, ich hielte es jedenfalls für unsinnig, mich bei der Planung eines lustvollen Lebens in letzter Instanz an irgendwelchen Messungen oder Statistiken zu orientieren und nicht an meinem Erleben.
Zitat: | Da die Abwesenheit von Unlust schon einen angenehmen Zustand darstellt und Unlust und Schmerz somit eigentlich die Ausnahme sind, ist Hedonismus eine lebensbejahende Einstellung, die konträr zu dem steht was die Religion aus der Askese gemacht hat. Sicher, Verzicht mag ein Mittel sein um zur Lust zu gelangen, nur ist dieser für den (religiösen) Asketen Selbstzweck gegen alles was lebendig, mithin sündig und verkommen ist, während der Hedonist sein Vergnügen aus der Genügsamkeit zieht, die es ihm ermöglicht das Leben mit geringeren Mitteln häufiger zu genießen. |
Ja, ein Nutzen von Askese kann sein, dass man dabei lernt, mit wenigem zufrieden zu sein, was natürlich die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass man auch wirklich zufrieden wird.
Auf der anderen Seite können aber darüber hinaus asketische Praktiken, die eigentlich erst mal als schmerzhaft empfunden werden, unmittelbar mit Lustempfindungen einhergehen. Die Frage wäre dann, ob jemand, der bewusst solche Praktiken anwendet, um Lust zu erleben, Asket und Hedonist zugleich ist.
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Fake auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 11.11.2011 Beiträge: 3548
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(#1752410) Verfasst am: 14.05.2012, 09:59 Titel: |
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Ihr habt den Kern der Sache bisher konsequent gemieden. Es gibt nicht nur die Fälle, in denen der Lustgewinn des einen als unbeabsichtigte Nebenfolge bei einem anderen Unlust erzeugt. Es gibt auch Fälle, in denen der Lustgewinn des einen unmittelbar aus der Unlust des anderen entsteht.
Leitmotiv seiner Einstellung ist die wohl von Paul Henri Thiry d’Holbach übernommene Vorstellung des „Rechtes des Stärkeren“, das Sade interpretiert als Recht einer sozialen und geistigen Elite – letztlich der Hocharistokratie – auf eine ungehemmte Verfolgung ihres Strebens nach Lustgewinn. Die pornografischen Passagen der Texte von Sade schildern in aller Ausführlichkeit alle vorstellbaren sowie auch viele nur mühsam vorstellbare sexuellen Handlungen. Sade lässt sich daher nicht auf den „Sadismus“ als begrenzte Menge von Praktiken reduzieren. Lustgewinn aus den Schmerzen anderer ist für ihn nur die eindeutigste Form, wie menschliche Sexualität in all ihren Formen strukturiert ist.
http://de.wikipedia.org/wiki/Donatien_Alphonse_Fran%C3%A7ois_de_Sade
Das besondere an de Sade ist, dass er jede Form der Güterabwägung ableht. Der Stärkere darf alles. In seinem Hedonismus ist die Unlust anderer kein Grund dafür, die eigene Lust zu zügeln, im Gegenteil: die Unlust anderer ist Quelle eigener Lust. De Sade hält die Konzepte Rücksicht und Mitleid für geradezu grotesk und widernatürlich.
Ich finde ein Prof. Dr. Kanitscheider macht es sich zu einfach, wenn er de Sade einfach per definitionem aus dem Hedonismus ausschließt. Die inhaltliche Auseinandersetzung muss schon sein. Es ist nämlich keinesfalls selbsterklärend oder gar logisch, warum Lustverzicht zugunsten anderer erstrebenswert sein sollte. Insbesondere deswegen nicht, weil es dem obersten Gebot des Hedonismus widerspricht. Man kann de Sade vieles entgegenhalten, aber eines muss man ihm zugestehen: er ist konsequent und seine Philosophie ist in sich völlig widerspruchsfrei. Das können nicht viele von sich behaupten.
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Witz- und Kobold auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 03.03.2012 Beiträge: 516
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(#1752419) Verfasst am: 14.05.2012, 10:09 Titel: |
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Fake hat folgendes geschrieben: | Ihr habt den Kern der Sache bisher konsequent gemieden. Es gibt nicht nur die Fälle, in denen der Lustgewinn des einen als unbeabsichtigte Nebenfolge bei einem anderen Unlust erzeugt. Es gibt auch Fälle, in denen der Lustgewinn des einen unmittelbar aus der Unlust des anderen entsteht. |
Das wollte ich nicht ausschließen, habe das aber durch meine Formulierung vielleicht getan. Immerhin wäre man in dem Fall ja wirklich daran interessiert, wie es dem anderen geht, nur halt im negativen Sinne.
Allerdings finde ich, dass das eigentlich nur ein Sonderfall dessen ist, was ich beschrieben habe. Denn letzten Endes ginge es einem dabei doch nur um die eigene Lust und die Unlust des anderen wäre nur so etwas wie ein Objekt, das die eigene Lust hebt. Im gleichen Sinne halte ich übrigens "gutes Handeln" allein auf der Basis von Empathie nicht eigentlich für moralisch gut. Die positive Verfassung des anderen tut mir gut und deshalb handele ich so. Es geht mir also im Grunde doch wieder nur um mein Empfinden.
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Fake auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 11.11.2011 Beiträge: 3548
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(#1752446) Verfasst am: 14.05.2012, 11:47 Titel: |
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Witz- und Kobold hat folgendes geschrieben: | Fake hat folgendes geschrieben: | Ihr habt den Kern der Sache bisher konsequent gemieden. Es gibt nicht nur die Fälle, in denen der Lustgewinn des einen als unbeabsichtigte Nebenfolge bei einem anderen Unlust erzeugt. Es gibt auch Fälle, in denen der Lustgewinn des einen unmittelbar aus der Unlust des anderen entsteht. |
Das wollte ich nicht ausschließen, habe das aber durch meine Formulierung vielleicht getan. Immerhin wäre man in dem Fall ja wirklich daran interessiert, wie es dem anderen geht, nur halt im negativen Sinne.
Allerdings finde ich, dass das eigentlich nur ein Sonderfall dessen ist, was ich beschrieben habe. Denn letzten Endes ginge es einem dabei doch nur um die eigene Lust und die Unlust des anderen wäre nur so etwas wie ein Objekt, das die eigene Lust hebt. Im gleichen Sinne halte ich übrigens "gutes Handeln" allein auf der Basis von Empathie nicht eigentlich für moralisch gut. Die positive Verfassung des anderen tut mir gut und deshalb handele ich so. Es geht mir also im Grunde doch wieder nur um mein Empfinden. |
Das sehe ich auch so. Letztlich gibt es selbstloses Handeln nicht. Man sollte daher die Kategorien "gut" und "böse" ganz aufgeben. Man sollte auch die Moral ganz aufgeben.
Recht und Ethik (alleine) sind viel besser geeignet, ein friedliches Zusammenleben sicherzustellen.
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Witz- und Kobold auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 03.03.2012 Beiträge: 516
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(#1752450) Verfasst am: 14.05.2012, 12:02 Titel: |
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Fake hat folgendes geschrieben: | Recht und Ethik (alleine) sind viel besser geeignet, ein friedliches Zusammenleben sicherzustellen. |
Du meinst Ethik als theoretische Grundlage und Recht als ihre Umsetzung?
Denn unter "Moral" verstehe ich, in Bezug auf Ethik, auch nichts anderes als die Umsetzung der Einsichten, die man durch ethische Überlegungen gewonnen hat. Aber eben auf eher informelle Weise. Allgemein bedeutet "Moral" nach meinem Verständnis bloß irgendeine Manifestation von Verhaltensregeln, egal, ob begründet oder nicht.
Ob man nun auf eine solche Moral verzichten sollte? Ich denke eigentlich, dass diese Frage praktisch sinnlos ist. Denn eine weitgehend unbegründete Moral wird sich wohl immer "von selbst" ergeben und eine eigentlich ethisch fundierte Moral, die entsprechend aufgegeben werden könnte, haben vermutlich die wenigsten Menschen.
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Witz- und Kobold auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 03.03.2012 Beiträge: 516
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(#1752475) Verfasst am: 14.05.2012, 13:44 Titel: |
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Fake hat folgendes geschrieben: | Letztlich gibt es selbstloses Handeln nicht. Man sollte daher die Kategorien "gut" und "böse" ganz aufgeben. |
Dazu fällt mir noch folgendes ein: ich denke, man muss hier unterscheiden zwischen der Frage, was als "gut" und "böse" bzw. (neutraler) "schlecht" zu beurteilen ist, und der, warum man sich denn überhaupt an solchen Kategorien orientieren sollte, warum man also überhaupt moralisch (im erwähnten Sinne) sein sollte.
Das erste Problem dürfte man nicht loswerden, wenn man überhaupt Regeln für das Zusammenleben aufstellen will. Nur sollte man sich den Ausdruck "böse" vielleicht sparen, da er doch ziemlich stark metaphysisch aufgeladen ist.
Was nun aber die zweite Frage angeht, stimme ich dir zu. Ich kann jedenfalls mit keiner der mir bekannten Überlegungen, das irgendwie auf eine andere Quelle als die "Selbstliebe" zurückzuführen, etwas anfangen. Irgendwie lässt sich das immer auch als "nicht selbstlos" deuten. Wenn jemand hier einen solchen Versuch kennt, den er für überzeugend hält, möge er das mal vorbringen. Fände ich interessant.
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Fake auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 11.11.2011 Beiträge: 3548
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(#1752487) Verfasst am: 14.05.2012, 14:10 Titel: |
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Witz- und Kobold hat folgendes geschrieben: | Fake hat folgendes geschrieben: | Recht und Ethik (alleine) sind viel besser geeignet, ein friedliches Zusammenleben sicherzustellen. |
Du meinst Ethik als theoretische Grundlage und Recht als ihre Umsetzung? |
Nein. Wenn es das selbe wäre, bräuchte man nicht beides.
Recht ist leicht erklärt, deswegen möchte ich damit anfangen. Recht ist die Summe aller Gesetze im weiteren Sinne. Recht ist deswegen so leicht zu handhaben, weil es keine unabhängig Legitimation braucht. Die Basis ist Abstimmung. Ein Gesetz ist geltendes Recht, wenn und weil es in einem Abstimmungsprozess dazu gemacht wurde. Das gleiche gilt für die Verfassung, auf der die Gesetze basieren.
Ethik regelt das Zusammenleben zwischen Individuen. Das tut Recht auch, es gibt aber einen entscheidenden Unterschied. Man erreicht leicht einen Konsens für Gesetze, die Individualinteressen schützen, weil sich mit der Zustimmung jeder selber schützt. So werden die meisten Menschen dafür stimmen, das Töten von Menschen zu verbieten, weil sie selber nicht getötet werden möchten. Die Frage, warum man andere Menschen nicht töten sollte, wenn man davon ausgehen darf damit durchzukommen, kann einem das Recht aber nicht beantworten. Dafür braucht es Ethik. Nur Ethik ist in der Lage zu beschreiben, warum etwas "falsch" ist. Recht stellt lediglich fest, dass bestimmte Verhaltensweisen unerwünscht sind. Recht kann durch das Verhängen von Sanktionen unerwünschte Verhaltensweise einschränken. Eine inhaltliche Begründung kann (und will) Recht aber nicht liefern.
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Witz- und Kobold auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 03.03.2012 Beiträge: 516
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(#1752492) Verfasst am: 14.05.2012, 14:27 Titel: |
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Mit der "Umsetzung der Ethik durch das Recht" meinte ich, dass die Gesetze auf der Basis allgemeinerer ethischer Grundlagen entworfen werden sollten. Ob das nun realistisch ist oder nicht, spielt erst mal keine Rolle. Entscheidend ist, dass ich nur so überhaupt einen sinnvollen Zusammenhang zwischen Ethik und Recht sehen kann. Die Ethik im Nachhinein zur Interpretation von Gesetzen zu gebrauchen, die bereits durch Abstimmung legitimiert wurden, wäre doch bloßer Schein. Man würde die Ethik nur einsetzen, um schon Beschlossenes zu adeln. Oder sollte man Gesetze, die sich nicht auch ethisch begründen ließen, wieder fallen lassen? Dann wäre die Ethik letzten Endes doch die theoretische Grundlage des Rechts.
Wenn du jetzt aber sagst, dass Ethik darüber hinaus erklären soll, warum man denn so oder so handeln sollte, das aber unabhängig vom Recht "wirken" soll, dann liefe das eben doch wieder auf eine ethisch fundierte Moral hinaus.
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Fake auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 11.11.2011 Beiträge: 3548
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(#1752501) Verfasst am: 14.05.2012, 15:25 Titel: |
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Oder man sagt, dass Ethik den Grund dafür liefert sich an Gesetze auch zu halten. Es ist nämlich immer ein Unterschied zwischen der Bewertung eines Verhaltens als gut oder schlecht im allgemeinen und dem tatsächlichen eigenen Verhalten im Einzelfall.
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Witz- und Kobold auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 03.03.2012 Beiträge: 516
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(#1752510) Verfasst am: 14.05.2012, 15:42 Titel: |
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Fake hat folgendes geschrieben: | Oder man sagt, dass Ethik den Grund dafür liefert sich an Gesetze auch zu halten. Es ist nämlich immer ein Unterschied zwischen der Bewertung eines Verhaltens als gut oder schlecht im allgemeinen und dem tatsächlichen eigenen Verhalten im Einzelfall. |
Das heißt, wir hätten auf der einen Seite Gesetze, die unabhängig von ethischen Grundlagen allein aufgrund von Abstimmung zustande gekommen sind, und auf der anderen Seite eine Ethik, die bloß dazu dienen soll, die Menschen dazu zu bringen, jene Gesetze zu befolgen?
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Fake auf eigenen Wunsch deaktiviert
Anmeldungsdatum: 11.11.2011 Beiträge: 3548
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(#1752512) Verfasst am: 14.05.2012, 15:46 Titel: |
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Witz- und Kobold hat folgendes geschrieben: | Fake hat folgendes geschrieben: | Oder man sagt, dass Ethik den Grund dafür liefert sich an Gesetze auch zu halten. Es ist nämlich immer ein Unterschied zwischen der Bewertung eines Verhaltens als gut oder schlecht im allgemeinen und dem tatsächlichen eigenen Verhalten im Einzelfall. |
Das heißt, wir hätten auf der einen Seite Gesetze, die unabhängig von ethischen Grundlagen allein aufgrund von Abstimmung zustande gekommen sind, und auf der anderen Seite eine Ethik, die bloß dazu dienen soll, die Menschen dazu zu bringen, jene Gesetze zu befolgen? |
Genau.
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