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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1872629) Verfasst am: 08.10.2013, 18:07 Titel: Text zur Einführung in den Naturalismus |
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Ich bedauere seit langem, dass es keine zeitgenössische deutschsprachige Einführung in den philosophischen Naturalismus gibt, die man Interessenten empfehlen kann. Nun hat Gerhard Vollmer ein Büchlein (laut Verlag eine Broschüre) zu diesem Thema verfasst, wobei ich noch nichts weiter darüber sagen kann, weil ich es noch nicht gelesen habe:
* Vollmer, Gerhard. Gretchenfragen an den Naturalisten. Aschaffenburg: Alibri, 2013. (Preis: 5€)
http://www.alibri-buecher.de/Buecher/Philosophie/Gerhard-Vollmer-Gretchenfragen-an-den-Naturalisten::446.html
Eine Besprechung:
"Die 90seitige Broschüre wurde im Auftrag der Giordano-Bruno-Stiftung von dem Physiker und Philosophen Prof. Dr. Gerhard Vollmer erarbeitet. Sie gibt eine ganz hervorragende, kompakte und allgemeinverständliche Übersicht der grundlegenden Positionen des Naturalismus.
Alle wichtigen Kernpunkte unseres wissenschaftlich fundierten Weltbildes und die Grundlagen einer naturalistischen Ethik werden angesprochen...."
http://hpd.de/node/16891
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1872789) Verfasst am: 09.10.2013, 10:21 Titel: |
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Ich werde es auf jeden Fall mal lesen und hier was dazu schreiben.
PS: Ich bezweifle, daß alle der dort behandelten Fragen für den Naturalisten beantwortbar sind. Gut gefällt mir auf jeden Fall schon mal, daß z.B. "Warum gibt es überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?" unter "Kosmologie" und nicht unter "Metaphysik" steht.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Chinasky dirty ol' man
Anmeldungsdatum: 27.03.2006 Beiträge: 1264
Wohnort: Hoher Norden
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(#1873147) Verfasst am: 10.10.2013, 14:00 Titel: |
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Das Inhaltsverzeichnis sieht interessant für einen Laien wie mich aus. Hoffe mal, das ich das Ding bald auf dem Kindle zu lesen bekomme.
_________________ Still confused - but on a higher level.
Mein Zeugs auf deviantart
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1873231) Verfasst am: 10.10.2013, 17:41 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: |
PS: Ich bezweifle, daß alle der dort behandelten Fragen für den Naturalisten beantwortbar sind. Gut gefällt mir auf jeden Fall schon mal, daß z.B. "Warum gibt es überhaupt etwas und nicht vielmehr nichts?" unter "Kosmologie" und nicht unter "Metaphysik" steht. |
Die Kosmologie (Weltlehre) ist keineswegs ausschließlich Teil der Naturwissenschaft. Sie gehört weiterhin sowohl zur Naturwissenschaft als auch zur Naturphilosophie, und die Übergänge zwischen beiden Bereichen sind fließend. Man kann die Metaphysik durchaus als theoretische Kosmologie bezeichnen oder als Teil derselben betrachten. Laut Donald Williams ist Metaphysik = spekulative Kosmologie + analytische Ontologie.
Im Übrigen ist Lawrence Krauss' (wenig empfehlenswertes) Buch mit dem irreführenden Titel "A Universe from Nothing" eine Mogelpackung, weil sein sogenanntes "Nichts" kein Nichts, sondern ein Etwas ist.
Es ist sowieso grundsätzlich unmöglich, die Existenz des physischen Universums als Ganzem physikalisch zu erklären, da jedwede als Explanans herangezogene physische Entität Teil des physischen Universums und damit Teil des Explanandum ist. Dass heißt, alle möglichen physikalischen Erklärungen setzen bestimmte physische Entitäten axiomatisch voraus, die selbst unerklärt bleiben.
Wer keinerlei physische Entitäten als gegeben annimmt, der versucht das Unmögliche, nämlich eine ursächliche Erklärung der Welt ohne Ursachen.
"If the explanation cannot begin with some entity, then it is hard to see how any explanation is feasible. Some philosophers conclude ‘Why is there something rather than nothing?’ is unanswerable. They think the question stumps us by imposing an impossible explanatory demand, namely, Deduce the existence of something without using any existential premises. Logicians should feel no more ashamed of their inability to perform this deduction than geometers should feel ashamed at being unable to square the circle."
http://plato.stanford.edu/entries/nothingness/
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1873245) Verfasst am: 10.10.2013, 18:36 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: |
PS: Ich bezweifle, daß alle der dort behandelten Fragen für den Naturalisten beantwortbar sind. |
Die ideologische Gefahr einer solchen Übersicht oder Einführung besteht darin, dass der Autor seine eigenen Positionen als Positionen des Naturalismus hinstellt, ohne auf gleichfalls Naturalismus-kompatible Alternativ- oder Konkurrenzpositionen hinzuweisen. (Ob, und wenn, inwieweit dies auf Vollmer zutrifft, kann ich natürlich erst nach der Lektüre seines Büchleins beurteilen.) Je detaillierter der Naturalismus inhaltlich bestimmt wird, umso weniger gerechtfertigt ist der Anspruch auf Allgemeingültigkeit, weil er dann spezielle Thesen oder Theorien beinhaltet, die auch unter den naturalistischen Philosophen umstritten sind und nicht von allen akzeptiert werden. Das betrifft insbesondere den Bereich der Ethik.
Die nicht einfache Aufgabe besteht darin, einen für alle akzeptablen Mittelweg zwischen Unterbestimmung und Überbestimmung zu finden, sodass der Naturalismus weder zu generell noch zu speziell definiert ist.
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smallie resistent!?
Anmeldungsdatum: 02.04.2010 Beiträge: 3726
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(#1873339) Verfasst am: 10.10.2013, 21:55 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | Im Übrigen ist Lawrence Krauss' (wenig empfehlenswertes) Buch mit dem irreführenden Titel "A Universe from Nothing" eine Mogelpackung, weil sein sogenanntes "Nichts" kein Nichts, sondern ein Etwas ist. |
Wenig empfehlenswert?
Im aktuellen SdW findet sich eine Rezension zu diesem Buch. Die Autorin kommt zu einem anderen Fazit als du. Sie bemängelt zwar, daß das Buch vieles als bekannt voraussetzt, was den Gelegenheitsleser überfordern dürfte. Darüber hinaus lobt sie es jedoch als "inspirierend".
Myron hat folgendes geschrieben: | Es ist sowieso grundsätzlich unmöglich, die Existenz des physischen Universums als Ganzem physikalisch zu erklären, da jedwede als Explanans herangezogene physische Entität Teil des physischen Universums und damit Teil des Explanandum ist. Dass heißt, alle möglichen physikalischen Erklärungen setzen bestimmte physische Entitäten axiomatisch voraus, die selbst unerklärt bleiben. |
Multiversum Typ IV schafft das Kunststück.
Natürlich ist das faustdicke Metaphysik, mit der sich so mancher Physiker zurecht nicht anfreunden mag. Der Philosophie aber wird es schwerfallen, Typ IV als "sowieso grundsätzlich unmöglich" darzustellen.
Myron hat folgendes geschrieben: | Wer keinerlei physische Entitäten als gegeben annimmt, der versucht das Unmögliche, nämlich eine ursächliche Erklärung der Welt ohne Ursachen. |
Nicht physische Entitäten stehen am Anfang, sondern logische.
Dazu gleich mehr.
Myron hat folgendes geschrieben: | "If the explanation cannot begin with some entity, then it is hard to see how any explanation is feasible. Some philosophers conclude ‘Why is there something rather than nothing?’ is unanswerable. They think the question stumps us by imposing an impossible explanatory demand, namely, Deduce the existence of something without using any existential premises. Logicians should feel no more ashamed of their inability to perform this deduction than geometers should feel ashamed at being unable to square the circle."
http://plato.stanford.edu/entries/nothingness/ |
Ganz fürchterlicher Käse.
Diesen Vorwurf muß ich wohl im Einzelnen begründen:
Zitat: | If the explanation cannot begin with some entity, then it is hard to see how any explanation is feasible. |
Jede Erklärung setzt Logik voraus, sonst ist die Erklärung selbst hinfällig.
Letztlich landet man hier beim alten Einwand von Hume, daß
A & (A ==> B) ==> B
nicht bewiesen ist. Folgt man Hume, dann hat man sich selbst den Ast abgesägt, auf dem man sitzt; dann ist es müßig, überhaupt irgend eine Aussage zu machen. Das nennt man den Trugschluß vom geborgten Konzept.
Zitat: | Some philosophers conclude ‘Why is there something rather than nothing?’ is unanswerable. |
Warum-Fragen sind prinzipiell pathologisch und führen zu einem unendlichen Regress. Sollte das nur einigen Philosophen aufgefallen sein? Falls ja: Autsch!
Zitat: | They think the question stumps us by imposing an impossible explanatory demand, namely, Deduce the existence of something without using any existential premises. |
Siehe oben. Deduktion setzt bereits die Gültigkeit von Logik voraus. Wer diese Gültigkeit bestreitet, darf überhaupt keine Aussage mehr machen und muß fortan schweigen.
Zitat: | Logicians should feel no more ashamed of their inability to perform this deduction than geometers should feel ashamed at being unable to square the circle. |
Ganz schlechtes Argument, ausgerechnet die Geometriker ins Spiel zu bringen. Denn die Geometriker haben jahrtausendlang negative Zahlen abgelehnt, weil man auf einem Blatt Papier keine negative Länge darstellen kann.
Nichtsdestotrotz, danke für die Info. Lob gebührt auch den Verantwortlichen, die das Büchlein für 5 EUR in den Handel bringen.
_________________ "There are two hard things in computer science: cache invalidation, naming things, and off-by-one errors."
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1873343) Verfasst am: 10.10.2013, 22:04 Titel: |
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@smallie: Wohl gesprochen!
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1873360) Verfasst am: 10.10.2013, 23:55 Titel: |
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smallie hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: | Es ist sowieso grundsätzlich unmöglich, die Existenz des physischen Universums als Ganzem physikalisch zu erklären, da jedwede als Explanans herangezogene physische Entität Teil des physischen Universums und damit Teil des Explanandum ist. Dass heißt, alle möglichen physikalischen Erklärungen setzen bestimmte physische Entitäten axiomatisch voraus, die selbst unerklärt bleiben. |
Multiversum Typ IV schafft das Kunststück.
Natürlich ist das faustdicke Metaphysik, mit der sich so mancher Physiker zurecht nicht anfreunden mag. Der Philosophie aber wird es schwerfallen, Typ IV als "sowieso grundsätzlich unmöglich" darzustellen. |
http://en.wikipedia.org/wiki/Multiverse#Level_IV:_Ultimate_Ensemble
http://en.wikipedia.org/wiki/Mathematical_universe_hypothesis
"Tegmark's mathematical universe hypothesis (MUH) is: Our external physical reality is a mathematical structure. That is, the physical universe is mathematics in a well-defined sense, and "in those [worlds] complex enough to contain self-aware substructures [they] will subjectively perceive themselves as existing in a physically 'real' world".[2][3] The hypothesis suggests that worlds corresponding to different sets of initial conditions, physical constants, or altogether different equations may be considered equally real. Tegmark elaborates the MUH into the Computable Universe Hypothesis (CUH), which posits that all computable mathematical structures exist.
The theory can be considered a form of Pythagoreanism or Platonism in that it posits the existence of mathematical entities; a form of mathematical monism in that it denies that anything exists except mathematical objects; and a formal expression of ontic structural realism."
Man lese meine obige Aussage im Kontext des physikalischen Realismus, dem zufolge die physische Realität ontologisch weder idealistisch auf Psychisches noch platonistisch auf Abstraktes reduzierbar ist. Auf eine nichtraumzeitliche Welt, worin nur abstrakte mathematische Entitäten existieren, sind keine ursächlichen Erklärungen anwendbar, da eine solche Welt völlig statisch und ereignislos ist, und darin somit weder Ursachen noch Wirkungen vorkommen.
Außerdem setzt Tegmark sein mathematisches Multiversum als gegeben voraus. Er kann nun behaupten, dass abstrakte mathematische Entitäten notwendigerweise existieren, und dies der hinreichende Grund dafür sei, dass das mathematische Multiversum existiert: Es existiert, weil es existieren muss. Seine Nichtexistenz ist unmöglich. Das ist freilich keine kausale, sondern eine modale Daseinserklärung.
(Tegmarks reduktionistischer Platonismus, der Konkretes wie das Physische auf Abstraktes reduziert, das weder physischer noch psychischer Natur ist, scheint mir auf einem Kategorienfehler zu beruhen. Außerdem können abstrakte Objekte keine Subjekte sein; das heißt, Tegmark muss konsequenterweise die Wirklichkeit des Bewusstseins leugnen, was an Wahnsinn grenzt und nicht ohne Selbstwiderspruch machbar ist. Und wenn er uns abstrakte "Substrukturen" als Bewusstseinssubjekte verkaufen will, dann ist sein ontologischer Kategorienfehler offensichtlich, da abstrakte Objekte per definitionem keine psychischen Eigenschaften haben und auch nicht haben können. In Tegmarks Universum gäbe es im Gegensatz zu Berkeley's spirituellem Universum nicht einmal die subjektive Illusion einer physischen Wirklichkeit, da das Vorkommen von Illusionen das Dasein wahrnehmender Subjekte voraussetzt. Der Begriff eines abstrakten Subjekts ist jedoch unsinnig.)
smallie hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: | Wer keinerlei physische Entitäten als gegeben annimmt, der versucht das Unmögliche, nämlich eine ursächliche Erklärung der Welt ohne Ursachen. |
Nicht physische Entitäten stehen am Anfang, sondern logische. |
Was verstehst du unter einer "logischen Entität"?
Wenn du damit bestimmte abstrakte Entitäten meinst, dann können diese grundsätzlich nicht als kausale Explanantia innerhalb theoretischer Erklärungen dienen, da sie in Ermangelung von Mächten oder Kräften nichts bewirken können. Abstrakte Entitäten können grundsätzlich keine Ursachen sein.
smallie hat folgendes geschrieben: |
Zitat: | They think the question stumps us by imposing an impossible explanatory demand, namely, Deduce the existence of something without using any existential premises. |
Siehe oben. Deduktion setzt bereits die Gültigkeit von Logik voraus. Wer diese Gültigkeit bestreitet, darf überhaupt keine Aussage mehr machen und muß fortan schweigen. |
Der Punkt ist und bleibt, dass eine theoretische Herleitung von etwas aus nichts kausal-logisch unmöglich ist.
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1873361) Verfasst am: 11.10.2013, 00:04 Titel: |
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Übrigens: Der ontologische Naturalismus ist mit dem mathematischen Platonismus unvereinbar!
(Daran ändert auch das Quine'sche&Putnam'sche Unverzichtbarkeitsargument nichts. Wenn der "Obernaturalist" Quine an die Existenz mathematischer Abstrakta glaubte, dann tat er dies als ontologischer Szientist und nicht als ontologischer Naturalist. Ich wehre mich gegen die Gleichsetzung von Naturalismus und Szientismus sowie dagegen, dass vom Naturalismus die Rede ist, wenn damit eigentlich der Szientismus gemeint ist. Aus Sicht des ontologischen Naturalismus können mathematische Abstrakta nicht wirklich als natürliche Entitäten gelten. Natürliche Entitäten sind konkrete, d.i. physische, psychische oder soziale Entitäten. Der Naturalismus schließt den Konkretismus ein bzw. sollte ihn einschließen.)
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#1873379) Verfasst am: 11.10.2013, 08:46 Titel: |
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smallie hat folgendes geschrieben: |
Letztlich landet man hier beim alten Einwand von Hume, daß
A & (A ==> B) ==> B
nicht bewiesen ist. Folgt man Hume, dann hat man sich selbst den Ast abgesägt, auf dem man sitzt; dann ist es müßig, überhaupt irgend eine Aussage zu machen. Das nennt man den Trugschluß vom geborgten Konzept. |
Folgt man Hume bei was genau? Wo hat Hume überhaupt über die Gültigkeit von Logik gesprochen?
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1873425) Verfasst am: 11.10.2013, 11:52 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | Ich wehre mich gegen die Gleichsetzung von Naturalismus und Szientismus sowie dagegen, dass vom Naturalismus die Rede ist, wenn damit eigentlich der Szientismus gemeint ist. Aus Sicht des ontologischen Naturalismus können mathematische Abstrakta nicht wirklich als natürliche Entitäten gelten. Natürliche Entitäten sind konkrete, d.i. physische, psychische oder soziale Entitäten. Der Naturalismus schließt den Konkretismus ein bzw. sollte ihn einschließen.) |
Das is doch nur ein philosophischer Hoheitsstreit um den Begriff "Naturalist", ich kann auch sagen, Du bist demnach egentlich gar kein Naturalist (im Sinne von Szientist), sondern ein metaphysischer Realist oder sowas.
Viel kritischer sehe ich allerdings, daß bei Dir ist die ontologische Prämisse wichtiger als die naturalistische Erklärung.
Ich dagegen meine, daß die "Natürlichkeit von Entitäten", wie Du es nennst, reduzierbar ist. Daß also wissenschaftlich erklärt werden kann, wie es kommt, daß wir dazu neigen, bestimmte Phänomene als "real" zu kategorisieren.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1873512) Verfasst am: 11.10.2013, 16:28 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Das is doch nur ein philosophischer Hoheitsstreit um den Begriff "Naturalist", ich kann auch sagen, Du bist demnach egentlich gar kein Naturalist (im Sinne von Szientist), sondern ein metaphysischer Realist oder sowas. |
Es muss darüber geredet und notfalls auch gestritten werden, was der philosophische Naturalismus im Wesentlichen beinhaltet und was nicht. Dazu zählen für mich u.a. zweifellos der physikalische Realismus, die Ansicht, dass es eine ontologisch irreduzible materielle/physische Wirklichkeit gibt, und der Konkretismus, die Ansicht, dass alles Wirkliche konkret (nichtabstrakt) ist. Die Natur ist etwas Konkret-Reales.
(Weder der physikalische Realismus noch der Konkretismus schließen per se den Materialismus/Physikalismus ein.)
step hat folgendes geschrieben: | Viel kritischer sehe ich allerdings, daß bei Dir ist die ontologische Prämisse wichtiger als die naturalistische Erklärung. |
Die ontologischen Aspekte stehen für mich in der Tat im Vordergrund. Wenn alles Reale natürlich ist, dann folgt daraus selbstverständlich, dass die Realität nur naturalistisch erklärt werden kann. Denn der ontologische Naturalismus schließt den (wie ich ihn nenne) ätiologischen Naturalismus ein (was umgekehrt nicht der Fall ist): Die natürliche Welt ist kausal geschlossen; es kommen keine übernatürlichen Beeinflussungen des natürlichen Weltgeschehens und keine übernatürlichen Einschränkungen von dessen Eigengesetzlichkeit vor. Wenn ein Ereignis in der Natur eine Ursache hat, dann hat es ausschließlich eine natürliche Ursache.
step hat folgendes geschrieben: | Ich dagegen meine, daß die "Natürlichkeit von Entitäten", wie Du es nennst, reduzierbar ist. Daß also wissenschaftlich erklärt werden kann, wie es kommt, daß wir dazu neigen, bestimmte Phänomene als "real" zu kategorisieren. |
Ontologische Probleme sind nicht auf psychologische Probleme reduzierbar.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1873517) Verfasst am: 11.10.2013, 16:50 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Ich dagegen meine, daß die "Natürlichkeit von Entitäten", wie Du es nennst, reduzierbar ist. Daß also wissenschaftlich erklärt werden kann, wie es kommt, daß wir dazu neigen, bestimmte Phänomene als "real" zu kategorisieren. | Ontologische Probleme sind nicht auf psychologische Probleme reduzierbar. |
- Ontologische Fragen, sofern sinnvoll, werden mE physikalisch beantwortbar (einige wurden schon).
- Reflektiv-philosophische Versuche, komplexe ontologische Fragen zu beantworten, enden typischerweise in intuitiven Fehlschlüssen, unendlichen Regressen, logischen oder empirischen Widersprüchen und dgl.
- in der klassischen, mesokosmischen Welt führten beide Ansätze häufig zum selben Ergebnis
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1873526) Verfasst am: 11.10.2013, 17:21 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: |
- Ontologische Fragen, sofern sinnvoll, werden mE physikalisch beantwortbar (einige wurden schon).
- Reflektiv-philosophische Versuche, komplexe ontologische Fragen zu beantworten, enden typischerweise in intuitiven Fehlschlüssen, unendlichen Regressen, logischen oder empirischen Widersprüchen und dgl.
- in der klassischen, mesokosmischen Welt führten beide Ansätze häufig zum selben Ergebnis |
Ich will hier nicht in einen metaontologischen Diskurs über die Ontologie an sich abschweifen, sondern nur die Kernthese des ontologischen Naturalismus betonen und erhellen: Alles Seiende/Wirkliche ist natürlich. Daraus ergeben sich bestimmte epistemologische und methodologische Annahmen bzw. Gebote.
Der ontologische Naturalismus steht der naturwissenschaftlichen Forschung mitnichten im Weg. Er schreibt der Naturwissenschaft nicht apriorisch vor, wie die (konkret-materielle) Natur beschaffen ist.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1873531) Verfasst am: 11.10.2013, 17:38 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | Der ontologische Naturalismus steht der naturwissenschaftlichen Forschung mitnichten im Weg. Er schreibt der Naturwissenschaft nicht apriorisch vor, wie die (konkret-materielle) Natur beschaffen ist. |
Mir war jedoch, als hätest gerade Du hier im Forum schon versucht apriorisch zu definieren, was Realität sei. Aber gut, lassen wir das und schauen mal, was Vollmer so schreibt!
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1873534) Verfasst am: 11.10.2013, 17:52 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: |
Mir war jedoch, als hätest gerade Du hier im Forum schon versucht apriorisch zu definieren, was Realität sei. |
Wir haben es mit zwei unterschiedlichen Fragen zu tun:
1. Was bedeutet "real"?
2. Was ist real (und was nicht)?
Frage 1 ist nicht aposteriorisch, empirisch beantwortbar; und Frage 2 kann zumindest teilweise apriorisch beantwortet werden, falls bestimmte Sachen oder Sachverhalte aus bestimmten (onto-)logischen Gründen gar nicht wirklich sein oder werden können.
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Wasserhund Anfänger
Anmeldungsdatum: 10.02.2012 Beiträge: 9
Wohnort: Chemnitz
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(#1873541) Verfasst am: 11.10.2013, 18:34 Titel: |
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Pff, was Philosophen über "das Ding an sich" denken ist doch nur ein Gedanke. So auch hier. Lese gern, und schreibe um so weniger, je intelligenter ihr seit. Aber hier muss ich mal:
Über unsere Wahrnehmung, und so. Realität läßt sich doch nicht durch denken verändern.
Und nein, ich bin nicht naiv.
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1873553) Verfasst am: 11.10.2013, 19:02 Titel: |
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Wasserhund hat folgendes geschrieben: |
Über unsere Wahrnehmung, und so. Realität läßt sich doch nicht durch denken verändern. |
Zumindest nicht durch unmittelbare Fernbeeinflussung. Aber mein Denken beeinflusst durchaus meine Handlungen, welche Veränderungen in der äußeren Wirklichkeit bewirken können.
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1873560) Verfasst am: 11.10.2013, 19:29 Titel: |
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Leider geht die Kontroverse bereits beim ersten Punkt los:
"1. Nur soviel Metaphysik wie nötig!
Metaphysik: Annahmen, die nicht an der Erfahrung scheitern können (POPPER).
Warum wenig Metaphysik?
a) Unprüfbare Annahmen sind potentielle Fehlerquellen für die Wissenschaft und können sie behindern.
b) Sie haben keinen empirischen Gehalt, sagen uns also nichts über die Welt."
Das klingt, als müssten Naturalisten logische Empiristen/Positivisten sein und das semantische Verifikationsprinzip akzeptieren, dem zufolge unverifizierbare Aussagen sinnlos und somit wahrheitswertlos sind. Ich denke jedoch, dass Naturalisten keineswegs antimetaphysisch gesinnte logische Empiristen/Positivisten sein müssen.
Was die epistemologischen Aspekte des Naturalismus betrifft, so steht dieser im Spannungsfeld zwischen dem Rationalismus und dem Empirismus. Müssen Naturalisten Empiristen sein? Wenn ja, bezieht sich dies sowohl auf synthetische als auch auf analytische Sätze und Erkenntnisse oder nur auf synthetische?
Hinter der Bezeichnung "Naturalismus" verbirgt sich oft das, was ich als metaphilosophischen Szientismus bezeichne, welcher sich auf das Verhältnis von Philosophie und (Erfahrungs-)Wissenschaft bezieht:
Die Philosophie ist zu verwissenschaftlichen, d.h. der Erfahrungswissenschaft und vor allem der Naturwissenschaft anzugliedern und deren Verfahren und Ergebnissen (so weit wie möglich) anzupassen.
Motto: Weg von apriorischer Geisteswissenschaft, hin zu aposteriorischer Erfahrungswissenschaft!
Dass Naturalisten metaphilosophische Szientisten sein müssen oder sollen, ist jedoch keineswegs selbstverständlich.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1873577) Verfasst am: 11.10.2013, 20:12 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | Leider geht die Kontroverse bereits beim ersten Punkt los:
"1. Nur soviel Metaphysik wie nötig! |
Ja, herrlich!
Myron hat folgendes geschrieben: | Metaphysik: Annahmen, die nicht an der Erfahrung scheitern können (POPPER).
Warum wenig Metaphysik?
a) Unprüfbare Annahmen sind potentielle Fehlerquellen für die Wissenschaft und können sie behindern.
b) Sie haben keinen empirischen Gehalt, sagen uns also nichts über die Welt."
Das klingt, als müssten Naturalisten logische Empiristen/Positivisten sein ... |
Genau. Und wenn das nicht so wäre, wenn man sich also darauf einigen würde, daß auch ein metaphysischer Realist als Naturalist durchgeht, dann mag ich kein Naturalist mehr sein.
Myron hat folgendes geschrieben: | ... Dass Naturalisten metaphilosophische Szientisten sein müssen oder sollen, ist jedoch keineswegs selbstverständlich. |
Stimmt, das ist eine Definitionsfrage.
Aber Punkt b) oben ist auf jeden Fall bedenkenswert!
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1873578) Verfasst am: 11.10.2013, 20:15 Titel: |
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Wasserhund hat folgendes geschrieben: | Realität läßt sich doch nicht durch denken verändern. |
Aber die Realität ändert sich unausweichlich bei jedem Gendanken. Allein schon dadurch, daß ein Gedanke immer physikalisch realisiert ist.
Oder wolltest Du ausdrücken, daß das Objekt Deines Denkens (also z.B. die "reale" Referenz eines von Dir imaginierten Schiffes) sich nicht ändert, indem Du es imaginierst?
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
Zuletzt bearbeitet von step am 11.10.2013, 20:52, insgesamt einmal bearbeitet |
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1873582) Verfasst am: 11.10.2013, 20:30 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Genau. Und wenn das nicht so wäre, wenn man sich also darauf einigen würde, daß auch ein metaphysischer Realist als Naturalist durchgeht, dann mag ich kein Naturalist mehr sein. |
Ich denke nicht, dass die Leugnung der transmentalen Realität der Natur mit dem Naturalismus kompatibel ist. Der Naturalismus grenzt sich vom reduktiven oder eliminativen Idealismus/Mentalismus/Spiritualismus ab. (Beachte, dass die Frage nach dem Vorhandensein einer psychologisch irreduziblen physischen Realität verschieden ist von der Frage nach deren Erkennbarkeit.)
step hat folgendes geschrieben: | Aber Punkt b) oben ist auf jeden Fall bedenkenswert! |
Bedenkenswert ist, dass sich das Verifikationsprinzip selbst untergräbt, weil es selbst empirisch unverifizierbar ist.
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Myron Pansomatist
Anmeldungsdatum: 01.07.2007 Beiträge: 3625
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(#1873583) Verfasst am: 11.10.2013, 20:31 Titel: |
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step hat folgendes geschrieben: | Wasserhund hat folgendes geschrieben: | Realität läßt sich doch nicht durch denken verändern. |
Aber die Realität ändert sich unausweichlich bei jedem Gendanken. Allein schon dadurch, daß ein Gedanke immer physikalisch realisiert ist. |
Stimmt.
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zelig Kultürlich
Anmeldungsdatum: 31.03.2004 Beiträge: 25405
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(#1873584) Verfasst am: 11.10.2013, 20:40 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | step hat folgendes geschrieben: | Wasserhund hat folgendes geschrieben: | Realität läßt sich doch nicht durch denken verändern. |
Aber die Realität ändert sich unausweichlich bei jedem Gendanken. Allein schon dadurch, daß ein Gedanke immer physikalisch realisiert ist. |
Stimmt. |
Die Realität ändert sich sowieso mit jedem Gedanken, unabhängig davon, welcher Natur der ist. Oder existiert etwas, was nicht Teil der Realität ist? ; )
Aber Wasserhund zielt vermutlich auf etwas anderes ab.
_________________ Es gibt kein richtiges Leben im falschen.
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smallie resistent!?
Anmeldungsdatum: 02.04.2010 Beiträge: 3726
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(#1873604) Verfasst am: 11.10.2013, 21:49 Titel: |
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Nochmal zu Lawrence Krauss:
Myron, wir hatten das Thema bereits mehrfach. Die Grundidee hinter dem something from nothing hatte ich schon erwähnt, als ich noch bei den Brights geschrieben habe, also lange vor dem Buch von Krauss. Wenn du nicht gerade im Urlaub warst, müsstest du das eigentlich gesehen haben. Hier im Forum war es vor über einem Jahr mal Thema.
Ich werde mich also kurz fassen.
Edward Tryon hat folgendes geschrieben: | The universe is simply one of those things that happens from time to time. |
Man könnte die Idee auch salopp als 0 = 1 + (-1) hinschreiben.
Hehe, das ist das Schöne, wenn man schon länger in einem Forum ist, dann kann man sich selbst zitieren.
smallie hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: | smallie hat folgendes geschrieben: |
Außer daß in deiner Formulierung der neue Kerngedanke: Gesamtenergie des Universums = Null völlig verdunkelt wird. |
Welcher neue Kerngedanke? Dass man positive und negative Energie aus nicht vorhandener Energie erschaffen kann – à la "0 = -1 + 1"? Das ist absurd! |
Der Gedanke ist bald 40 Jahre alt. Er wurde bestimmt schon öfter als absurd bezeichnet.
Absurd oder nicht? |
Ich kann nichts dafür, daß das auch nach vierzig Jahren noch keinen Eingang in die Stanford Encyclopedia gefunden hat.
Aus der These folgt übrigens die Voraussage, daß das Universum "flach" ist. Die Flachheit wurde erst heuer wieder bestätigt. (Was die These natürlich nicht beweist.)
_________________ "There are two hard things in computer science: cache invalidation, naming things, and off-by-one errors."
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smallie resistent!?
Anmeldungsdatum: 02.04.2010 Beiträge: 3726
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(#1873605) Verfasst am: 11.10.2013, 21:50 Titel: |
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Myron hat folgendes geschrieben: | smallie hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: | Es ist sowieso grundsätzlich unmöglich, die Existenz des physischen Universums als Ganzem physikalisch zu erklären, da jedwede als Explanans herangezogene physische Entität Teil des physischen Universums und damit Teil des Explanandum ist. Dass heißt, alle möglichen physikalischen Erklärungen setzen bestimmte physische Entitäten axiomatisch voraus, die selbst unerklärt bleiben. |
Multiversum Typ IV schafft das Kunststück.
Natürlich ist das faustdicke Metaphysik, mit der sich so mancher Physiker zurecht nicht anfreunden mag. Der Philosophie aber wird es schwerfallen, Typ IV als "sowieso grundsätzlich unmöglich" darzustellen. |
Man lese meine obige Aussage im Kontext des physikalischen Realismus, dem zufolge die physische Realität ontologisch weder idealistisch auf Psychisches noch platonistisch auf Abstraktes reduzierbar ist. Auf eine nichtraumzeitliche Welt, worin nur abstrakte mathematische Entitäten existieren, sind keine ursächlichen Erklärungen anwendbar, da eine solche Welt völlig statisch und ereignislos ist, und darin somit weder Ursachen noch Wirkungen vorkommen. |
Falls Tegmark das tatsächlich so formuliert haben sollte, hätte ich auch Einwände. Ich hab's anders in Erinnerung.
Dein Zitat scheint meine Lesart zu bestätigen:
Zitat: | Tegmark elaborates the MUH into the Computable Universe Hypothesis (CUH), which posits that all computable mathematical structures exist. |
Myron hat folgendes geschrieben: | (Tegmarks reduktionistischer Platonismus, der Konkretes wie das Physische auf Abstraktes reduziert, das weder physischer noch psychischer Natur ist, scheint mir auf einem Kategorienfehler zu beruhen. |
Ich bezweifle, daß sich Tegmark selbst als Platoniker sieht. Kann es sein, daß du hier der Sache nur deine Begriffe überstülpst?
Ich gebe mal ein Beispiel, wie ich das sehe. Vergleichen wir die Fellmuster bei Tieren (Leopard, Zebra) mit Wachstumsmustern von zwei antagonistischen Bakterienkolonien in Petrischalen. In beiden Fällen läuft es auf Reaktions-Diffusions-Differentialgleichungen hinaus, obwohl die konkreten Ursachen völlig unterschiedlich sind. Für mich sind beide Phänomene dadurch "vereinheitlicht". Welch ontologischer Status den zugrunde liegenden Gleichungen zukommt, erscheint mir unbedeutend.
Myron hat folgendes geschrieben: | Der Punkt ist und bleibt, dass eine theoretische Herleitung von etwas aus nichts kausal-logisch unmöglich ist. |
Meinetwegen. Dann gab's halt schon immer was.
Woher kommt die Behauptung, das Universum hätte im Nichts begonnen? Stephen Hawking hat mal derartiges als Hypothese in den Raum gestellt. Sowas lesen dann auch die Wissenschaftsjournalisten - und plötzlich wird die Hypothese als Fakt dargestellt.
_________________ "There are two hard things in computer science: cache invalidation, naming things, and off-by-one errors."
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smallie resistent!?
Anmeldungsdatum: 02.04.2010 Beiträge: 3726
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(#1873606) Verfasst am: 11.10.2013, 21:51 Titel: |
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Kival hat folgendes geschrieben: | smallie hat folgendes geschrieben: |
Letztlich landet man hier beim alten Einwand von Hume, daß
A & (A ==> B) ==> B
nicht bewiesen ist. Folgt man Hume, dann hat man sich selbst den Ast abgesägt, auf dem man sitzt; dann ist es müßig, überhaupt irgend eine Aussage zu machen. Das nennt man den Trugschluß vom geborgten Konzept. |
Folgt man Hume bei was genau? |
Folgt man Hume dabei, daß Modus ponens nicht bewiesen ist, dann hat man sich selbst den Ast abgesägt, auf dem man argumentativ sitzt ...
Kival hat folgendes geschrieben: | Wo hat Hume überhaupt über die Gültigkeit von Logik gesprochen? |
Das habe ich aus irgendwelchen Zusammenfassungen über Philosophie herausgelesen.
Das Argument ging etwa so: "Wenn es regnet, dann ist die Wiese naß." - was aber nur für vergangene und beobachtete Ereignisse gezeigt werden kann, nicht in aller Allgemeinheit. "Theoretisch" könnte es schon morgen auch mal nach oben regnen. So zumindest das Argument, soweit ich mich korrekt daran erinnere.
Ich will mal suchen gehen, ob ich dazu was finden kann und ob's wirklich von Hume kommt. Wäre nicht das erste Mal, daß ich was verwechselt habe.
_________________ "There are two hard things in computer science: cache invalidation, naming things, and off-by-one errors."
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Kival Profeminist Ghost
Anmeldungsdatum: 14.11.2006 Beiträge: 24071
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(#1873608) Verfasst am: 11.10.2013, 21:55 Titel: |
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Hume widerspricht m.E., dass Kausalität beweisbar wäre und vor allem geht auf Hume das Induktionsproblem zurück. Zur Logik hat er m.W. nichts gemacht. Aber das was Du zitierst ist auch nicht direkt die Gültigkeit von MP... ich kann's auch nochmal raussuchen, könnte aber etwas dauern...
_________________ "A basic literacy in statistics will one day be as necessary for efficient citizenship as the ability to read and write." (angeblich H. G. Wells)
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step registriert
Anmeldungsdatum: 17.07.2003 Beiträge: 22782
Wohnort: Germering
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(#1873615) Verfasst am: 11.10.2013, 22:10 Titel: |
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smallie hat folgendes geschrieben: | Myron hat folgendes geschrieben: | Der Punkt ist und bleibt, dass eine theoretische Herleitung von etwas aus nichts kausal-logisch unmöglich ist. | Meinetwegen. Dann gab's halt schon immer was. Woher kommt die Behauptung, das Universum hätte im Nichts begonnen? Stephen Hawking hat mal derartiges als Hypothese in den Raum gestellt. Sowas lesen dann auch die Wissenschaftsjournalisten - und plötzlich wird die Hypothese als Fakt dargestellt. |
Genau. Übrigen vermeidet die gesamte moderene Physik das "Nichts", es erscheint uns Physikern als ein irgendwie unzulässiges philosophisches Konstrukt. In sämtlichen Quantenfeldtheorien etwa sind die Grundzustände nicht "nichts", und entsprechend wäre auch die 0 in Deinem "0 = -1 +1" ein solcher Grundzustand, oder etwas davon Verallgemeinertes.
_________________ Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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