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Islam-Kritik
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44125

Beitrag(#2176166) Verfasst am: 27.04.2019, 16:59    Titel: Antworten mit Zitat

Spanien wurde ja auch schon zwischen 711 und 726 von den Umayyaden erobert. Fand also die Eroberung Spaniens durch die Araber statt, bevor es den Islam gab? Und breitete sich dieser dann ein paar hundert Jahre später irgendwie von Arabien bis nach Spanien aus, ohne dass das zu größeren Verwerfungen innerhalb der arabischen Herrschaftsgebiete geführt hätte? Wie genau ging diese Verbreitung denn vor sich?
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2176167) Verfasst am: 27.04.2019, 17:11    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Spanien wurde ja auch schon zwischen 711 und 726 von den Umayyaden erobert. Fand also die Eroberung Spaniens durch die Araber statt, bevor es den Islam gab? Und breitete sich dieser dann ein paar hundert Jahre später irgendwie von Arabien bis nach Spanien aus, ohne dass das zu größeren Verwerfungen innerhalb der arabischen Herrschaftsgebiete geführt hätte? Wie genau ging diese Verbreitung denn vor sich?

Ja, das sind Fragen, die sich anschließen. Es ist kein Zweifel, daß die islamische Geschichtsschreibung nicht unerheblich auch Propaganda ist, und von einer Geschichtswissenschaft in unserem Verständnis weit entfernt ist. Auch ist es im Moment sehr schwer, arabische Geschichte wissenschaftlich aufzuarbeiten, aber es ist schon ein Unterschied, ob man das alles feststellt, oder behauptet, die frühislamische Geschichte habe es nicht gegeben.
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"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

Friedrich Nietzsche
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Tarvoc
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44125

Beitrag(#2176171) Verfasst am: 27.04.2019, 17:18    Titel: Antworten mit Zitat

Bin kein Experte, aber müsste es gerade zur Eroberung Spaniens nicht auch einiges an nichtmuslimischer Geschichtsschreibung aus der Zeit geben?
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2176181) Verfasst am: 27.04.2019, 17:56    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Bin kein Experte, aber müsste es gerade zur Eroberung Spaniens nicht auch einiges an nichtmuslimischer Geschichtsschreibung aus der Zeit geben?

Ja, auch wenn die auch nicht das sind, was wir heute unter Geschichtsschreibung verstehen. Das gleiche gilt für die Aufzeichnungen aus Byzanz. Das hat alles etwas Legendenhaftes, vermischt mit den jeweiligen religiösen Vorstellungen. Aber daß diese arabischen Eroberungen stattgefunden haben, und daß dahinter eine einheitliche politische Struktur stand, die die Araber vorher nicht gehabt hatten, und den Umständen der Zeit entsprechend damit auch eine neue politisch-religiöse Ideologie, das scheint mir unzweifelhaft. Sie mag nicht die Form gehabt haben, die man ihr im späteren Verschriftlichungsprozeß verpaßt hat. Da ist viel nachträgliche Idealisierung passiert. Aber daß diese arabische Expansion mit einer neuen religiösen Ideologie, dem Islam, einherging, scheint mir unzweifelhaft. Hamed Abdel-Samad hat sich mit der Frage auseinandergesetzt, und kommt zum gleichen Schluß (leider finde ich gerade die Stelle nicht). Er begründet das damit, daß, wenn man davon ausginge, die gesamte Frühzeit des Islam sei erfunden worden, viele auch nach damaligen Vorstellungen negative Schilderungen nicht erklärbar wären. Außerdem würde eine solche These mehr Fragen aufwerfen als beantworten.
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2176188) Verfasst am: 27.04.2019, 18:45    Titel: Antworten mit Zitat

So, ich mußte erst ein bißchen suchen. Die Auseinandersetzung mit der Frage, ob Mohamed je existiert hat, findet sich bei Hamed Abdel-Samad 2015: Mohamed, im 1. Kapitel unter der Überschrift: Hat Mohamed je existiert. (Manchmal übersieht man das Offensichtliche).
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fwo
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Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 25878
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Beitrag(#2176200) Verfasst am: 27.04.2019, 20:24    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Spanien wurde ja auch schon zwischen 711 und 726 von den Umayyaden erobert. Fand also die Eroberung Spaniens durch die Araber statt, bevor es den Islam gab? Und breitete sich dieser dann ein paar hundert Jahre später irgendwie von Arabien bis nach Spanien aus, ohne dass das zu größeren Verwerfungen innerhalb der arabischen Herrschaftsgebiete geführt hätte? Wie genau ging diese Verbreitung denn vor sich?

Die Eroberung Spaniens war kein religiöser Feldzug, sondern ein arabischer - es gab da ja wohl anfänglich auch z.T. lustige Allianzen zwischen den Arabern und einzelnen Bischöfen. Die Berber, die da kamen, waren selbst noch Christen, wenn auch wahrscheinlich keine trinitarischen. Die Betonung des einzigen Gottes war es auch, die den Übergang vorangetrieben hat.

Ich empfehle die Lektüre von
http://inarah.de/sammelbaende-und-artikel/inarah-band-3/fruehe-spanische-zeugnisse-zum-islam-1-teil/
http://inarah.de/sammelbaende-und-artikel/inarah-band-3/fruehe-spanische-zeugnisse-zum-islam-2-teil/
http://inarah.de/sammelbaende-und-artikel/inarah-band-3/fruehe-spanische-zeugnisse-zum-islam-3-teil/

Die arabischen Expansion fand also statt, wenn auch nicht überall dort, wo sie beschrieben wird: So brauchte Palästina gar nicht erobert zu werden, weil die Araber da bereits als römische Hilfstruppen saßen. Das "arabische Schicksalsjahr" 622 ist das Jahr, in dem Herakleios in die Offensive gegen die Sassaniden ging und damit den Arabern den Druck nahm. Ansonsten passierte da erstmal gar nichts, außer dass die arabischen Herrscher langsam eine eigene Tradition entwickelten, der allerdings der Gründungsmythos noch fehlte. Man definierte sich dabei durch den Gegensatz zur Trinität und idealisierte sich zum Wüstenvolk, dessen Herkunft man auf die Sinai-Halbinsel verlegte usw.

Das lief auch alles nicht unbedingt so absichtlich ab, wie es in dieser Zusammenfassung klingt.

Ich empfehle von Bangert "Der Prophet, der nie war". Das ist eine Ausgliederung des historischen Teils des Lehrbuchs "Muhammad", die er im Eigenverlag (Philia-Verlag) ohne echte Auflagen als POD vertreibt. Gut zu lesen, alle Quellen sauber dokumentiert. Wer wissen will, wie er arbeitet, soll sich die Rezensionen von "Muhammad" ansehen - ich fand ihn überzeugend.
p.s. Bevor das jemand falsch versteht: Das Lehrbuch "Muhammad" erscheint nicht im Eigenverlag, sondern bei Springer. Die setzen hohe Hürden, bevor sie derart investieren.

Zu Bangert:
Studium Germanistik und Ev. Theologie, aktiver Christ im "Bund für Freies Christentum", kein irgendwie fundamentalistischer Haufen, und mit mindestens einem Muslim in der Verwandtschaft, zu dem außerdem ein entspanntes Verhältnis existiert (ich hatte mal persönlichen Kontakt). Also kein Missionar. Seine Ergebnisse decken sich zwar teilweise mit denen von Inarah, teilweise benutzt er sie auch als Quelle, aber er hat nicht wirklich was mit ihnen zu tun.

Ansonsten haben wir noch 3 (eigentlich 2 zwinkern ) Werke zur Anfangszeit des Islam, die relativ neu sind:

Das Buch "Mohammed – Leben und Legende" von Tilman Nagel - wobei Nagel versuchte, eine Mohammed-Biografie nur auf der arabischen Literatur zu begründen. Nach geschichtswissenschaftlichen Maßstäben kann er damit nur scheitern. Selbst nicht gelesen.
"Theologie und Gesellschaft im 1. Jahrhundert Hidschra" von Josef van Ess. Oft nachgefragt, aber nie geschrieben und stattdessen brüsk zurückgewiesen, weil er für diese Zeit keinerlei außerislamische Zeugnisse kannte, die dafür sprechen, dass es zu dieser Zeit überhaupt eine islamische Gesellschaft gab.
"Mohammed: Eine Biographie" Hans Jansen. Ist eigentlich wohl mehr eine Dekonstruktion der arabischen Geschichtschreibung anstatt etwas Neues an ihre Stelle zu setzen. Selbst nicht gelesen.
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Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

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Marcellinus
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Beitrag(#2176205) Verfasst am: 27.04.2019, 21:07    Titel: Antworten mit Zitat

Abdel-Samad setzt sich wie gesagt direkt mit diesem Thema auseinander. Zitat: "Dennoch wahre ich zur These der "Erfindung" Mohameds eine kritische Distanz, genauso wie ich gegenüber der offiziellen islamischen Erzählung über die Entstehung des Islam eine gewisse Skepsis habe. So wie die islamische Erzählung einen perfekten Plan Gottes hinter der Entstehung des Islam sieht, setzen die Thesen wie die oben genannten eine Verschwörung voraus."

Genauso sehe ich das auch. Der Islam ist genauso historisch entstanden wie das Christentum, nur eben in viel kürzerer Zeit und mit einem größeren Einfluß des "Gründers". Abdel-Samad führt das auch noch im einzelnen aus, weshalb er ein solche nachträgliche Erfindung für Unsinn hält, und wie sich mit weit weniger Aufwand erklären läßt, was da entstanden ist und wie. Allerdings habe ich keine Lust, das entsprechende Kapitel abzuschreiben.

Die Geschichtswissenschaft sieht das übrigens ähnlich, ist sich auch sicher, daß die islamische Erzählung dieser Frühzeit mit Vorsicht zu genießen ist, ohne allerdings gleich einer mindestens ebenso abenteuerlichen Verschwörungstheorie anheimzufallen.

Vieleicht kommt das Mißverständnis auch dadurch zustande, daß du beim den Arabern dieser Zeit eben die islamische Erzählung im Hinterkopf hast. Historikern ist aber schon ziemlich lange klar, daß die arabische Expansion der ersten Jahrzehnte vor allen Dingen ein Raubzug war, mit dem Ziel, tributpflichtige Untertanen einzusammeln. Hinzukommt, daß die Umayyaden ursprünglich Erzfeinde von Mohamed und seinen Hashimiten waren, und erst zu ihm überwechselten, als er erfolgreich war. Es waren also nicht Religion und "reine Lehre", sondern politisches Kalkül, was sie antrieb.

Außerdem waren die Araber in den ersten Jahrzehnten in den eroberten Gebieten in der Minderheit. Die Mehrheit waren im Gebiet des ehemaligen Römischen Reiches Christen und im Perserreich Zoroastrier. Das wäre es ziemlich "geschäftsschädigend" gewesen, den Islam allzu offensiv zu propagieren. Außerdem zahlten ja nur Nicht-Moslems Kopfsteuer. Was die christlichen Münzen aus dieser Zeit betrifft, so finden sich persische Münzen im ehemaligen Perserreich. Die Araber mußten überhaupt erst einmal eine eigene Schriftkultur entwickeln. So haben sie die örtlichen Traditionen einfach weiterlaufen lassen.

Nur macht das die Geschichte von Mohamed nicht zu einer Erfindung. Abdel-Samad weißt darauf hin, daß die in dieser Geschichte erwähnten arabischen Stämme ja weiterexistierten, teilweise übrigens bis heute, eine mündlche Tradition besaßen, in der die Märtyrer dieser Zeit besungen wurden, und die sich sicherlich nicht Traditionen hätten aufdrängen lassen. Auch war die Macht der Umayyaden und nach ihnen der Abbasiden nicht so unbestritten, daß sie eine komplette Geschichte hätten erfinden können. Die Geschichte Mohameds wurde sicherlich geschönt, sicherlich auch Teile weggelassen, aber gerade die erste Generation islamischer Theologen und Geschichtensammler waren durchaus streitlustig. Eine flächendeckende und jahrhundertelang aufrechterhaltene Konstruktion aus dem Nichts war einfach jenseits der Möglichkeiten der damaligen Zeit.

Richtig ist vielmehr fast das Gegenteil. Nicht Mohamed und der Koran sind Erfindungen der Umayyaden, sondern die islamische Theologie, die aus einer blutrünstigen Eroberergeschichte eine weitgehend zivilisierte islamische Kultur schufen, nicht unerheblich auch mit Hilfe von Christen, Juden und Persern. Nicht zufällig entstand dies nicht in Mekka und Medina, sondern an friedlicheren und zivilisierteren Orten wie Damaskus, Cordoba und Bagdad.
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Beitrag(#2176206) Verfasst am: 27.04.2019, 21:19    Titel: Antworten mit Zitat

Die Widerstände gegen eine historische sachgerechte Darstellung der Frühzeit ihrer Religion sind übrigens im Christentum nicht weniger ausgeprägt als im Islam, auch wenn man hier nicht den Kopf abgeschlagen bekommt.

Das ist das Problem jeder Offenbarungsreligion, daß ihre Geschichte als Heilsgeschichte verstanden wird, die der Rechtfertigung dieser Religion dienen. Da können die wirklichen Ereignisse nur stören. Erst wenn die Macht der Kleriker über den Wissenschaftsbetrieb nachläßt, kommen dann auch realistischere Darstellung zum Tragen.
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Beitrag(#2176210) Verfasst am: 27.04.2019, 22:01    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Abdel-Samad setzt sich wie gesagt direkt mit diesem Thema auseinander. Zitat: "Dennoch wahre ich zur These der "Erfindung" Mohameds eine kritische Distanz, genauso wie ich gegenüber der offiziellen islamischen Erzählung über die Entstehung des Islam eine gewisse Skepsis habe. So wie die islamische Erzählung einen perfekten Plan Gottes hinter der Entstehung des Islam sieht, setzen die Thesen wie die oben genannten eine Verschwörung voraus."
...

Das ist aber offensichtlich falsch. Damit möchte ich Bangerts Version nicht zur Wahrheit erheben, sondern weise nur darauf hin, dass er eine sehr plausible Geschichte präsentiert, die völlig ohne Verschwörung auskommt.

Dabei betrachtet er auch nicht nur die Zeit direkt rund um Mohammed, sondern fängt im Prinzip mit der Verbreitung des Christentums an, um sich auch anzusehen, in welchen christologischen Versionen das wo hingelangt ist, um sich danach mit den Religionen der unterschiedlichen arabischen Völker zu befassen und deren Bewegungen im ostmediterranen Raum. Er hat dabei das Bild, das ich grob aus der Kriminalstatistik des Christentums kannte, von einer anderen Seite aus neu gezeichnet.

Er beschäftigt sich also nicht nur mit irgendwelchen Details, die man nachweisen oder eben nicht nachweisen kann und deshalb anzweifeln sollte, sondern versucht, die historische Situation viel weiter zu fassen als nur um die Existenz Mohammeds. Deshalb gibt es auch einige universitäre Geschichtswissenschaftler, die Loblieder auf sein Lehrbuch "Muhammad" singen. Allerdings war es mir auch keine 96€ und 950 Seiten wert, weshalb ich die Ausgliederung des historischen Teils vorgezogen habe, das waren dann 560 Seiten für 36 €, immer noch ein dickes Brett. Du solltest Dich mit ihm auseinandersetzen, bevor Du ihn beurteilst.

(btw: Du kannst im Netz übrigens die Dissertation Kalischs finden, derentwegen er letztlich seine Professur für islamische Theologie wegen des Drucks der Islamverbände abgeben musste. In dieser Dissertation kommt er zu dem Ergebnis, dass sich der historische Mohammed nicht belegen lässt. Kalisch ist inzwischen allerdings Apostat und hat sich Inarah angeschlossen.)
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Marcellinus
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Beitrag(#2176211) Verfasst am: 27.04.2019, 22:22    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Abdel-Samad setzt sich wie gesagt direkt mit diesem Thema auseinander. Zitat: "Dennoch wahre ich zur These der "Erfindung" Mohameds eine kritische Distanz, genauso wie ich gegenüber der offiziellen islamischen Erzählung über die Entstehung des Islam eine gewisse Skepsis habe. So wie die islamische Erzählung einen perfekten Plan Gottes hinter der Entstehung des Islam sieht, setzen die Thesen wie die oben genannten eine Verschwörung voraus."
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Das ist aber offensichtlich falsch. Damit möchte ich Bangerts Version nicht zur Wahrheit erheben, sondern weise nur darauf hin, dass er eine sehr plausible Geschichte präsentiert, die völlig ohne Verschwörung auskommt.

Dann sehen wir das wohl unterschiedlich. Ich habe versucht, ein paar Einwände zu schildern, die Abdel-Samad vorbringt, und die mir plausibel erscheinen. Für mich macht seine Darstellung Sinn, weil sie auch mit den Darstellungen anderer Historiker übereinstimmt. Ich denke da zum Beispiel an Judith Herrin, eine führende britische Byzantinistin, deren Buch "Byzanz. Die erstaunliche Geschichte eines mittelalterlichen Imperiums" aus 2013 ich hier auf dem Schreibtisch habe, die die Geschichte aus byzantinischer Sicht betrachtet, und zu ähnlichen Schlüssen kommt. Außenseitermeinungen müssen nicht von vornherein falsch sein, aber bis zum Beweis des Gegenteils halte ich, auch nach eigener langjähriger Beschäftigung mit der Spätantike und dem beginnenden Mittelalter die Theorie einer nachträglichen "Erfindung" Mohameds für ziemlich unwahrscheinlich.
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Beitrag(#2176219) Verfasst am: 27.04.2019, 23:03    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Abdel-Samad setzt sich wie gesagt direkt mit diesem Thema auseinander. Zitat: "Dennoch wahre ich zur These der "Erfindung" Mohameds eine kritische Distanz, genauso wie ich gegenüber der offiziellen islamischen Erzählung über die Entstehung des Islam eine gewisse Skepsis habe. So wie die islamische Erzählung einen perfekten Plan Gottes hinter der Entstehung des Islam sieht, setzen die Thesen wie die oben genannten eine Verschwörung voraus."
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Das ist aber offensichtlich falsch. Damit möchte ich Bangerts Version nicht zur Wahrheit erheben, sondern weise nur darauf hin, dass er eine sehr plausible Geschichte präsentiert, die völlig ohne Verschwörung auskommt.

Dann sehen wir das wohl unterschiedlich. Ich habe versucht, ein paar Einwände zu schildern, die Abdel-Samad vorbringt, und die mir plausibel erscheinen. Für mich macht seine Darstellung Sinn, weil sie auch mit den Darstellungen anderer Historiker übereinstimmt. Ich denke da zum Beispiel an Judith Herrin, eine führende britische Byzantinistin, deren Buch "Byzanz. Die erstaunliche Geschichte eines mittelalterlichen Imperiums" aus 2013 ich hier auf dem Schreibtisch habe, die die Geschichte aus byzantinischer Sicht betrachtet, und zu ähnlichen Schlüssen kommt. Außenseitermeinungen müssen nicht von vornherein falsch sein, aber bis zum Beweis des Gegenteils halte ich, auch nach eigener langjähriger Beschäftigung mit der Spätantike und dem beginnenden Mittelalter die Theorie einer nachträglichen "Erfindung" Mohameds für ziemlich unwahrscheinlich.

Bei Mohammed handelt es sich nach Bangert nicht um eine Erfindung, sondern um ein Epitheton in der Bedeutung "Auserwählter" oder "Gepriesener" bis hin zu "Messias", das erst später mit dem langsamen Verlust des Wissens um die Herkunft der heiligen Texte, in denen von Jesus die Rede ist, personifiziert wurde, um dann zum Autor erhoben zu werden. Mohammed ist vorher auch als Name praktisch nicht nachweisbar.

Das hat Bangert sich auch nicht alleine ausgedacht, der Mann hat viel gelesen, wenn auch nicht Judith Herrin (habe gerade nachgesehen: Die Bibliographie umfasst 30 dieser 560 Seiten.)

Es gab übrigens vorher keine Neudeutung der islamischen Frühgeschichte aus einer derartigen Gesamtsicht - in Deutschland lässt das Schicksal Günter Lülings grüßen - insofern konnte Abdel-Samad hierauf auch nicht eingegangen sein.

„Der Autor legt in einem beeindruckenden Manuskript den Ertrag jahrelanger Studien vor ... Dass er nicht "zünftiger" Islamwissenschaftler ist, stellt einen nicht zu überschätzenden Vorteil dar: Es erspart ihm die oft zu beobachtende Enge, Einseitigkeit, ja Voreingenommenheit, von denen man manche westliche Fachkollegen nicht freisprechen kann. Seinem profunden Fachwissen, wenn man die penible Aufarbeitung der Methoden, Ansätze und Ergebnisse moderner Islamforschung meint, tut dies keinen Abbruch ... Zu jeder der in neuerer Forschung vertretenen Thesen zu Einzelproblemen formuliert er eine begründete Meinung und bezieht deutlich Stellung. Dies ist neben umfangreicher Sachinformation der wichtigste Wert der Studie ... In einem [weiteren] programmatischen Hauptteil wagt der Autor die Skizze ... einer alternativen narratio der Entwicklung des Frühislams und des Bildes seines Propheten. Hier bezieht er nichtmuslimische Quellen mit ein und betont zu Recht die Bedeutung des Rechtssystems und dessen Entwicklung.“

Prof. Dr. Manfred Kropp
Professor emer. für Semitistik und Islamwissenschaft an der Universität Mainz


Aber ich kann da nicht mehr, als zu versuchen, Dich neugierig zu machen.

Daran, dass die beiden Reviewer Sivers und Kropp von Manuskript sprechen, kannst Du übrigens erkennen, dass es sich um die peer reviewer handelt, die der Springerverlag eingeschaltet hatte, bevor er sich entschlossen hat, so einen dicken Wälzer zu drucken.
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Marcellinus
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Beitrag(#2176285) Verfasst am: 28.04.2019, 12:50    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:

Bei Mohammed handelt es sich nach Bangert nicht um eine Erfindung, sondern um ein Epitheton in der Bedeutung "Auserwählter" oder "Gepriesener" bis hin zu "Messias", das erst später mit dem langsamen Verlust des Wissens um die Herkunft der heiligen Texte, in denen von Jesus die Rede ist, personifiziert wurde, um dann zum Autor erhoben zu werden. Mohammed ist vorher auch als Name praktisch nicht nachweisbar.

Das hat Bangert sich auch nicht alleine ausgedacht, der Mann hat viel gelesen, wenn auch nicht Judith Herrin (habe gerade nachgesehen: Die Bibliographie umfasst 30 dieser 560 Seiten.)

Es gab übrigens vorher keine Neudeutung der islamischen Frühgeschichte aus einer derartigen Gesamtsicht - in Deutschland lässt das Schicksal Günter Lülings grüßen - insofern konnte Abdel-Samad hierauf auch nicht eingegangen sein.
[…]
Aber ich kann da nicht mehr, als zu versuchen, Dich neugierig zu machen.


Das Problem ist, daß Bangert nicht nur nicht Islamwissenschaftler, sondern auch nicht Historiker ist, und das hat methodisch offenbar einige Folgen. Du mußt mich nicht neugierig machen. Wenn etwas mit besser mit Tatsachen belegt ist als die traditionelle Vorstellung, bin ich immer dabei. So etwas gibt es in der Geschichtewissenschaft immer wieder.

So galt es seit langem als ausgemacht, daß die Römer nach der sogenannten Varusschlacht ihr Interesse am Germanien aufgegeben und sich unwiderruflich hinter den Limes zurückgezogen hätten. Womit Arminius (auch noch „eingedeutscht“ als Hermann) zum „Befreier Germaniens“ avancierte. Leider gab es dann vor ein paar Jahren einige Funde im Harz, die eindeutig belegten, daß die Römer auch noch Jahrhunderte später weit in Germanien operierten, und zwar durchaus erfolgreich. „One of the greatest tragedies in life“, sagte schon Benjamin Franklin, „is the murder of a beautiful theory by a gang of brutal facts“.

Nur hier scheint es nicht um Fakten zu gehen, sondern um Spekulationen auf der Basis des Fehlens von Fakten. Aber so funktioniert Wissenschaft nicht, auch nicht Geschichtswissenschaft. Wissenschaft ist die Suche nach Modellen und Theorien, die erklären, wie beobachtbare Fakten nachprüfbar zusammenhängen, wobei den Modellen der Vorzug zu geben ist, die diese Erklärung mit den wenigsten Nebenannahmen leisten.

Ja, Mohamed ist (auch) ein Titel, aber eben auch ein Name, und es war in Arabien nicht unüblich, daß Menschen neben ihrem Geburts- auch einen Würdenamen trugen. Daraus zu schließen, diese Person nicht existiert hat (auch wenn ihr Geburtsname vielleicht ein anderer war), und der gesamte Koran und die Lebensgeschichten um Mohamed eine spätere Verschwörung seien, ist einfach eine Annahme zuviel, vor allem, weil sie sich nicht falsifizieren läßt, aber auch, weil Abdel-Hamad eine glaubwürdige Erklärung für dem Zusammenhang zwischen einer historischen Person Mohamed und der Entwicklung des Korans liefert. Dabei lasse ich die sonstigen Geschichtsrevisionistischen Thesen im Umfeld von Luxenberg und Uhlig mal außen vor. Genauso gut könnten wir diskutieren, ob es Karl den Großen überhaupt gegeben hat (Ja, solche Hypothesen gibt es!).
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Beitrag(#2176306) Verfasst am: 28.04.2019, 17:15    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
...
Nur hier scheint es nicht um Fakten zu gehen, sondern um Spekulationen auf der Basis des Fehlens von Fakten. Aber so funktioniert Wissenschaft nicht, auch nicht Geschichtswissenschaft. Wissenschaft ist die Suche nach Modellen und Theorien, die erklären, wie beobachtbare Fakten nachprüfbar zusammenhängen, wobei den Modellen der Vorzug zu geben ist, die diese Erklärung mit den wenigsten Nebenannahmen leisten.

Ja, Mohamed ist (auch) ein Titel, aber eben auch ein Name, und es war in Arabien nicht unüblich, daß Menschen neben ihrem Geburts- auch einen Würdenamen trugen. Daraus zu schließen, diese Person nicht existiert hat (auch wenn ihr Geburtsname vielleicht ein anderer war), und der gesamte Koran und die Lebensgeschichten um Mohamed eine spätere Verschwörung seien, ist einfach eine Annahme zuviel, vor allem, weil sie sich nicht falsifizieren läßt, aber auch, weil Abdel-Hamad eine glaubwürdige Erklärung für dem Zusammenhang zwischen einer historischen Person Mohamed und der Entwicklung des Korans liefert. ...

Zu kurz gesprungen.
Das mit dem Namen, den es vorher nicht gab, ist nur ein Punkt unter sehr vielen. Ein wesentlicherer ist, dass es die Eroberung Palästinas aus dem Sinai heraus nie gegeben hat und nicht geben konnte, weil die Araber zu der Zeit in Palästina waren und nicht im Sinai: Das ist doch der archäologische Befund, dass es z.B. im Medina zur Zeit "Mohammeds" keine eigene arabische Kultur gab - Bei Ausgrabungen im Hidschaz fand Nevo Überreste griechischer, nabatäischer, römischer und frühbyzantinischer Siedlungen, komischerweise nix arabisches, nix jüdisches, weder in Medina noch in der Umgebung. Und das sind keine Landschaften, die so überwachsen werden wie es in Norddeutschland im Wiehengebirge oder Harz der Fall ist. Was sagt uns das über die Geschichten mit Mohammed und den Juden?

Auch wenn man sich den Koran ansieht, so bestehen die beiden Teile sehr unterschiedlich lang: Der "mekkanische" Teil, von dem inzwischen Teile gefunden wurden, die es nach der arabischen Geschichtsschreibung nicht geben dürfte, weil sie zu alt sind, besteht aus christlichen Texten, von denen man aber offensichtlich einiges nicht mehr haben wollte und sie mittels "Abrogation" durch die neueren, "medinensischen" Texte in ihr Gegenteil verwandelte. Diese lassen sich aber erst nach 1000 während der Herrschaft der Abassiden finden. usw. usw.

Es gibt für das erste Jahrhundert der islamischen Geschichtsschreibung weder einen archäologischen Befund, noch externe Texte, die glaubhaft Zeugnis geben, noch arabische Hinterlassenschaften in Palästina, die davon Zeugnis geben, dass hier etwas Neues am Werk war. Dafür gibt es einen archäologischen Befund und Texte, die etwas anderes sagen.
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Wissenschaft ist die Suche nach Modellen und Theorien, die erklären, wie beobachtbare Fakten nachprüfbar zusammenhängen, wobei den Modellen der Vorzug zu geben ist, die diese Erklärung mit den wenigsten Nebenannahmen leisten.

Genau. Aber das hat es bei uns in den Islamwissenschaften mal mit Ignaz Goldziher gegeben, das kam aber schnell aus der Mode und es wurden die Islamwissenschaften betrieben wie die christliche Theologie, nämlich durch ein Studium der islamischen Texte. Mach Dir mal den Spaß und lies bei Wikipedia nach, was mit Günter Lülich passiert ist, als der wieder etwas anderes versuchte. Van Ess hat auch erst nach seiner Emeritierung laut gesagt, warum er das oft von ihm geforderte Werk zum 1. Jahrhundertn nie geschrieben hat. Auch so funktioniert Wissenschaft nämlich, wenn sie evtl politische Folgen hat. Die Bildung von Inarah war eine Folge des Umgangs mit Lülich, und die Leute, die da zusammenarbeiten, tun das zwar in einer Form von "Citizen Science", aber eben nicht als Laien: Z.B. Puin gilt international als einer der besten Kenner der alten Korantexte.

Die Kehrseite ist, dass Bangert gerade weil er weder Islamwissenschaftler noch Historiker ist, was er auch nicht verheimlicht, höchst penibel in der Offenlegung und der Bewertung seiner Quellen ist. Genau das ist auch das Thema der Besprechung Kropps, die ich hier zitiert habe, wenn er sagt:
Zitat:
Seinem profunden Fachwissen, wenn man die penible Aufarbeitung der Methoden, Ansätze und Ergebnisse moderner Islamforschung meint, tut dies keinen Abbruch .


Eigentlich macht er genau, was Du verlangst: Er untersucht alle verfügbaren Quellen, auch die islamischen Texte, nach den Kriterien der Geschichtswissenschaft auf ihre Glaubwürdigkeit, wobei er seine Bewertung offenlegt und begründet. Danach macht er eine Zusammenschau des Sicheren und erst danach den Versuch einer alternative Erklärung dafür, wie es zur Historisierung des arabischen Gesandten kommen konnte.

Genau damit unterscheidet er sich allerdings von den meisten Islamwissenschaftlern, deren meist geäußerte Maxime darin besteht, nichts ohne die Muslime zu machen.

btw: Ich kenne Abdel-Samads Buch nicht und habe eben mal nachgesehen: Eigentlich müsstest Du da nach Deinen eigenen Kriterien schon deshalb sehr vorsichtig sein, weil auch Abdel-Samad weder Islamwissenschaftler noch Historiker ist, er ist Politologe. Und dadurch, dass er sich auf die islamischen Quellen beschränkt, das tut er nämlich, macht er eines ganz bestimmt nicht: Wissenschaft in Deinem Sinn. Was er da betreibt, scheint mir eher ein Sich-los-schreiben von den Narrativen seiner Jugend, indem er sie bei ihren Inhalten nimmt.
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Beitrag(#2176313) Verfasst am: 28.04.2019, 18:31    Titel: Antworten mit Zitat

Ja, da haben wir ja etwas gemeinsam: Du hast Abdel-Samads Bücher nicht gelesen, ich das von Bangert nicht. Ich habe es ehrlich gesagt auch gar nicht vor.

Hier geht so viel durcheinander, daß ich schon mit dem Nachhalten nicht mehr nachkomme. Mal gab es gar keine arabische Kultur, mal besetzten die Araber Palästina und bekamen es anschließend von den Byzantinern geschenkt (allein schon bei dem Gedanken rollen sich einem die Fußnägel auf, aber egal).

Du schreibst, Mohamed habe es als Person nicht gegeben, und er sei von den Umayyaden nachträglich erfunden worden. Historiker (nicht nur Abdel-Samad), gehen von einer historischen Person Mohamed aus, die allerdings wohl etwas anders war als die heute verklärte Legende. Soll ich's ganz ehrlich sagen: mir geht die Frage am Arsch vorbei, auch wenn ich immer noch der Ansicht bin, daß eine komplette Erfindung über die Möglichkeiten der damaligen Zeit schlicht hinausging. Ist mit vielen Verschwörungstheorien so. Sie funktionieren einfach nicht. Irgendeiner hätte nicht dichtgehalten.

Ich sehe es als Fakt an, daß es innerhalb weniger Jahrzehnte eine Eroberungswelle von arabischen Heeren im Nahen Osten und im Norden Afrikas gegeben hat, die das Oströmische Reich zwei Drittel ihres Gebietes gekostet hat. Du magst das anders sehen. Ob das schon ein Islam im späteren Sinne war, mag man mit Fug und Recht bezweifeln, aber daß da etwas Neues passiert war, was die kriegerische Energie der arabischen Stämme, die sich bis dato gegenseitig bekämpft hatten, nach außen richtete, wird wohl kaum zu bestreiten sein. Obwohl, nachdem, was du schreibst, kann man natürlich alles mögliche bestreiten. Ich denke, dabei kann man, können wir es getrost bewenden lasssen.
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Samson83
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Beitrag(#2176315) Verfasst am: 28.04.2019, 18:38    Titel: Antworten mit Zitat

Fwo, Marcellinus - könnte man , wenn man Mohammeds Existenz bestreitet nicht die von so ziemlich jeder antiken oder frühmittelalterlichen Person bestreiten zB Cäsar, Alexander, Karl dem Grossen, Krimhield? Das ist doch albern.
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Marcellinus
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Beitrag(#2176320) Verfasst am: 28.04.2019, 18:42    Titel: Antworten mit Zitat

Noch ein kleiner Nachtrag. Daraus, daß man nichts findet, zu schließen, es gibt auch nichts, ist in der Geschichtswissenschaft keine gute Idee (wahrscheinlich in anderen Wissenschaften auch nicht). Was ist "arabische Kultur"? Die Provinz Syria war Teil des Römischen Reiches, ihre Kultur römisch. Es gab sogar einen Kaiser mit dem Beinahmen Arabs. Die arabische Expansion dagegen wurde von arabischen Nomandenstämmen getragen. Deren Kultur paßte in die Satteltaschen ihrer Kamele. Was willst du da finden? DIE Arabische Kultur entstand erst später. Die arabischen Nomanden aber gab es schon länger, und zu einem bestimmten Zeitpunkt sind sie nicht mehr gegeneinander in den Kampf gezogen, sondern miteinander, und zwar ziemlich schnell und ziemlich effektiv. Warum das so war, DAS ist die spannende Frage, nicht die, wie "islamisch" sie zu diesem Zeitpunkt schon gewesen sind, oder was "islamisch" damals bedeutet hat.
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Beitrag(#2176342) Verfasst am: 28.04.2019, 20:19    Titel: Antworten mit Zitat

Samson83 hat folgendes geschrieben:
Fwo, Marcellinus - könnte man , wenn man Mohammeds Existenz bestreitet nicht die von so ziemlich jeder antiken oder frühmittelalterlichen Person bestreiten zB Cäsar, Alexander, Karl dem Grossen, Krimhield? Das ist doch albern.

Wird ja auch gemacht. Es gibt sogar Leute, die ganze Jahrhunderte aus der Geschichte streichen wollen. Das Problem mit solcher „Radikalkritik“ ist, daß sie sich zwangsläufig verrennt, weil sie das Ergebnis ihrer “Forschung“ schon vorher zu kennen meint.

Wenn ich mich geschichtswissenschaftlich mit einer Person wie Mohamed beschäftige, dann kann ich nur versuchen, die eindeutig legendären Erzählungen von den vermutlich historischen zu unterscheiden. Ich mag auch zu der Erkenntnis kommen, daß ich zwischen Historie und Legende im Moment überhaupt nicht unterscheiden kann. Aber das ist immer noch etwas anderes, als zu behaupten, es habe diese Person überhaupt nicht gegeben. Denn dann muß ich so viele Ereignisse alternativ „erklären“, daß ich zwingend bei einer Verschwörungstheorie lande.
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Beitrag(#2176346) Verfasst am: 28.04.2019, 20:24    Titel: Antworten mit Zitat

Um mal von Mohamed und der vermeintlichen oder realen Islamkritik wegzukommen, um die es mir gar nicht geht: Das Gleiche gilt mit Abstrichen auch für eine historische Person Jesus. Da bin ich sogar ziemlich fest überzeugt, daß ein Historiker über eine solche Person nichts Belegbares sagen kann. Aber selbst das reicht nicht, um zu behaupten, es habe diese Person nicht gegeben. Genauer gesagt: Behaupten kann man es schon, nur belegen kann man es noch weniger als die These von der Existenz einer solchen Person.
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Beitrag(#2176357) Verfasst am: 28.04.2019, 20:48    Titel: Antworten mit Zitat

Samson83 hat folgendes geschrieben:
Fwo, Marcellinus - könnte man , wenn man Mohammeds Existenz bestreitet nicht die von so ziemlich jeder antiken oder frühmittelalterlichen Person bestreiten zB Cäsar, Alexander, Karl dem Grossen, Krimhield? Das ist doch albern.

Hier findest du etwas dazu: Erfundenes Mittelalter
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Zuletzt bearbeitet von Marcellinus am 28.04.2019, 21:01, insgesamt einmal bearbeitet
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Samson83
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Beitrag(#2176358) Verfasst am: 28.04.2019, 20:53    Titel: Antworten mit Zitat

Kenn ich. Nicht überzeugend
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Marcellinus
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Beitrag(#2176359) Verfasst am: 28.04.2019, 21:01    Titel: Antworten mit Zitat

Samson83 hat folgendes geschrieben:
Kenn ich. Nicht überzeugend

Ne, wirklich nicht! Smilie
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Beitrag(#2176402) Verfasst am: 29.04.2019, 11:31    Titel: Antworten mit Zitat

Samson83 hat folgendes geschrieben:
Fwo, Marcellinus - könnte man , wenn man Mohammeds Existenz bestreitet nicht die von so ziemlich jeder antiken oder frühmittelalterlichen Person bestreiten zB Cäsar, Alexander, Karl dem Grossen, Krimhield? Das ist doch albern.

Es besteht ein kleiner Unterschied darin, ob man eine Person und ihre Handlungen nur einem einzigen Schriftenbündel gemeinsamer Herkunft findet, bei dem sich alle darüber einig sind, dass es im politischen Auftrag geschrieben wurde, oder ob man Zeugnisse zur Handlung dieser Person sowohl von anderen Quellen als auch in der Archäologie findet. Wir wissen ja von Cäsar nicht nur durch seine "Memoiren", wir haben Schriftstücke aus der römischen Verwaltung, die diese Memoiren bestätigen, wir haben Reden aus dem Parlament, die ihn ansprechen, wir können im Prinzip das gesamte Beziehungsgeflecht der römischen Elite einschließlich ihrer Intrigen anhand von Schriftstücken sehr genau nachzeichnen, und zwar immer aus unterschiedlichen Quellen, deren jede ihre Mängel hat, die aber als Gesamtheit ein ziemlich verlässliches Bild ergeben. Ohne jetzt auf die anderen beiden einzugehen: Wir können als Gegenbeispiel Jesus nehmen, dessen Leben genau genommen auch nur in einem Buch der eigenen Fangemeinde beschrieben wird. Zu Jesus selbst gibt es auch keine (ernstzunehmenden) externen Belege. Da sind aber zwei Unterschiede zu Mohammed: 1. Jesus war relativ zur Figur des Mohammed ein Kneipenprediger, irgendwo hat er auch mal eine Ansprache unter freiem Himmel gehalten. Das verwundert also nicht, wenn der in externen Dokumenten nicht auftaucht. Mohammed soll ein Feldherr und Politiker gewesen sein, der aus der Wüste kommend Palästina aufgerollt haben soll. Da verwundert es schon, wenn das Volk, dem er entstammte und das er im Kriegszug nach Palästina geführt haben soll, in der Wüste, aus der er gekommen sein soll, nicht gewohnt hat. Das genau ist nämlich das Ergebnis von YEHUDA NEVO/JUDITH KOREN: Crossroads to Islam. The Origin of the Arab Religion and the Arab State, New York 2003. Nevo ist ein israelischer Archäologe, der auf dem Sinai gegraben hatte, bevor er sich mit diesem Buch zu Wort gemeldet hatte. Um nochmal sicher zu gehen, hatte er auch noch einmal in Israel nach schriftlichen Belegen für jüdische Siedlungen auf dem Sinai gesucht und war auch da nicht fündig geworden. Auch die Stadt Mekka ist erst in den 800er Jahren mit anlaufendem Mohammedrummel so groß geworden, dass sie die Bezeichnung Stadt verdiente. Über die Gründe brauchen wir jetzt nicht zu spekulieren, aber man hat da einen Feldherren in einer relativ leeren Wüste aufgebaut, in der es z.B. keinen Kampf mit untreuen Juden gegeben haben kann. Es hatte vor Nevo nie jemand nachgesehen, was wirklich auf dem Sinai stattgefunden hat - die gesamten Islamwissenschaften waren als sekundäre Literaturwissenschaft angelegt wie die Theologie. Dazu gehört dann auch, dass der ältere Teil des Koran (zu alt, ich habe es schon geschrieben) christliche Texte enthält, die sich im Wesentlichen um Jesus drehen. Auch in diesen Texten wäre es eigentlich schlüssiger, den Mohammed, er taucht da ohnehin nur sehr selten auf, als Beinamen zu Jesus zu lesen.

Wenn wir uns jetzt nach Palästina in die Zeit Mohammeds begeben, dann kämpften da die Ghassaniden für die Byzantiner, auf Seiten der Sassaniden kämpften die Lachmiden, beides arabische Stämme, in großen Verbänden. Nachdem der Sassanide Chosrau II durch Heraclius geschlagen worden war, zog sich dieser weitgehend aus Palästina zurück. Er starb 641 nach längerer Krankheit und hinterlies ein Machtvakuum in Palästina, das verschiedenen Araberfürsten versuchten auszufüllen; aber weder kamen die vom Sinai, noch war da ein Mohammed drunter, noch brachten die eine neue Religion - was da ablief, ist durch den erhaltenen Schriftverkehr zwischen christlichen Klöstern, wer die Kriminalgeschichte des Christentums gelesen hat, weiß, dass es da genug davon gab, relativ gut dokumentiert.

Der Vergleich mit Alexander, Caesar oder Karl dem Großen stimmt also insofern nicht, als bei denen eine völlig andere Quellen- und archäologische Faktenlage vorliegt. Dagegen wird das Geschehen im Palästina des 7. Jahrhunderts, soweit man es archäologisch und mit Quellen ohne politischen Auftrag rekonstruieren kann, tatsächlich besser erklärbar, wenn man die Person Mohammeds ersatzlos streicht, auch, wenn sich Marcellinus Fußnägel dabei aufrollen.

@ Marcellinus: An der Stelle hast Du überzogen: Im Gegensatz zu Abdel-Samad hat Bangert sein Hauptwerk bei Springer veröffentlicht, einem Verlag, der ein wissenschaftliches Renommee zu verlieren hat. Die haben entsprechend mindestens zwei Leute um ihren Senf gebeten, die ganz offiziell sowohl auf diese Zeit als auch diese Gegend spezialisiert sind. Wenn deren Fußnägel das aushielten, sollten Deine das auch tun. Einach nicht weiter begründete Absurdheitsvorwürfe abzusondern, wird der Arbeit Bangerts auf keinen Fall gerecht. Da sollte man schon in die Details gehen. Genauso wie Bangert bei all den Indizien, die für Mohammed sprechen könnten, in die Details geht.
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Grey
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Beitrag(#2176406) Verfasst am: 29.04.2019, 12:22    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Spanien wurde ja auch schon zwischen 711 und 726 von den Umayyaden erobert. Fand also die Eroberung Spaniens durch die Araber statt, bevor es den Islam gab? ...

Die Jahre zwischen 614 und 911 gab es doch gar nicht.

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fwo
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Beitrag(#2176407) Verfasst am: 29.04.2019, 12:26    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Um mal von Mohamed und der vermeintlichen oder realen Islamkritik wegzukommen, um die es mir gar nicht geht: Das Gleiche gilt mit Abstrichen auch für eine historische Person Jesus. Da bin ich sogar ziemlich fest überzeugt, daß ein Historiker über eine solche Person nichts Belegbares sagen kann. Aber selbst das reicht nicht, um zu behaupten, es habe diese Person nicht gegeben. Genauer gesagt: Behaupten kann man es schon, nur belegen kann man es noch weniger als die These von der Existenz einer solchen Person.

Es gibt etwas, was die Historiker indirekt zu Jesus sagen können: Es gab relativ wenige Jahrzehnte nach seinem angeblichen Leben unterschiedliche Gemeinden rund ums Mittelmeer, aber auch bis ins persische Reich, die sich auf diesen Prediger bezogen, und das lange, bevor eine christliche Kirche Texte zu ihm kanonisiert hatte. Die unterschieden sich allerdings bezüglich ihrer Christologie, d.h. für die einen war er Prophet, für andere war er der Messias usw, sie nannten sich auch uterschiedlich.

Im Gegensatz dazu taucht die Figur Mohammed und der Bezug auf sie gesichert zuerst in den Hadithen, die im 9. Jahrhundert geschrieben wurden, auf.

Vor dem Hintergrund erscheint mir eine historische Existenz der Figur Jesus inzwischen als wahrscheinlicher als die der Figur Mohammed.
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Beitrag(#2176409) Verfasst am: 29.04.2019, 12:42    Titel: Antworten mit Zitat

Ich hab jetzt mal Yehuda Nevo nachgeschlagen, und stelle fest, daß er wohl durchaus nicht unwidersprochen ist. Jetzt kannst du sagen, das sei bei diesem Thema auch zu erwarten, und das ist sicher so. Dort fand ich auch einen Hinweis auf Karl-Heinz Ohlig, auch kein Unbekannter. Es scheint immer das gleiche Argumentationsmuster zu sein. Man schließt aus der Nicht-Existenz (was im Falle von Nevo auch Nicht-Erkennen sein könnte) von archäologischen Befunden auf die Nicht-Existenz in diesem Fall einer ganzen politisch-sozialen Bewegung, die sich ja eben nicht auf die ehemalige Provinz Syrien beschränkt.

Ich werde das Gefühl nicht los, daß es eigentlich gar nicht um Geschichtswissenschaft geht, sondern um eine religiös-ideologische Auseinandersetzung mit dem Islam, und der Geschichtsrevisionismus nur Mittel zum Zweck ist. Das ist halt das Drama der Geschichtswissenschaft, daß sie oft von außerwissenschaftlichen, heteronomen Wertungen beherrscht wird. Ich kann damit nichts anfangen.

Wollte man das hier fortführen, müßte ich mich eingehender mit arabischer Geschichte beschäftigen, und es bliebe doch eine Debatte aus zweiter Hand, in der man sich die Thesen einzelner Autoren um die Ohren haut (und bei der die Mehrheit der Historiker bisher noch eher meine These stützt). Ich sage ganz ehrlich, dazu habe ich weder Zeit noch Lust. Insofern stelle ich fest, daß dieser Punkt im Moment eher an dich geht.
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Beitrag(#2176410) Verfasst am: 29.04.2019, 12:52    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:

Es gibt etwas, was die Historiker indirekt zu Jesus sagen können: Es gab relativ wenige Jahrzehnte nach seinem angeblichen Leben unterschiedliche Gemeinden rund ums Mittelmeer, aber auch bis ins persische Reich, die sich auf diesen Prediger bezogen, und das lange, bevor eine christliche Kirche Texte zu ihm kanonisiert hatte. Die unterschieden sich allerdings bezüglich ihrer Christologie, d.h. für die einen war er Prophet, für andere war er der Messias usw, sie nannten sich auch uterschiedlich.

Ja, und der wichtigste Apostel hat diesen Jesus nie gesehen, bezieht sich auch nicht auf dessen Leben, sondern nur auf eine "Erscheinung". Da es um diese Zeit eigentlich noch viele Menschen gegeben haben müßte, die diesen Jesus persönlich gekannt haben, hätte es Widerspruch geben müssen. Stattdessen gab es, wie du richtig sagst, rund ums Mittelmeer, überall dort, wo sich Juden niedergelassen hatten, Grüppchen, die ihre eigenen Geschichten von diesem Jesus erzählten, wie als wenn sein wirkliches Leben, von dem selbst die Evangelien eigentlich nur 3 Jahre für wirklich bedeutsam halten, nicht Stoff genug gegeben hätte. Wenn man dann noch weiß, daß "Jesus" damals ein Allerweltsname war wie Hans oder Franz zu einer bestimmten Zeit in Deutschland, dann ist der Gedanke nicht weit, daß der historische Kern dieser Person zumindest nicht groß gewesen sein kann.

Aber es ist eben ein Unterschied, ob ich das Fehlen von historischen Belegen feststelle und Nicht-Wissen konstatiere, oder ob ich ich daraus auf Nicht-Existenz schließe. Aus religionskritischer Sicht mag Nicht-Existenz ein verführerischer Gedanken sein, wenn man weiß, wie sehr Offenbarungsreligionen von der Historizität ihrer Gründerfiguren abhängen. Aus historischer Sicht ist es einfach ein Schritt zu viel.
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Beitrag(#2176419) Verfasst am: 29.04.2019, 13:58    Titel: Antworten mit Zitat

@fwo: Hübsch, was sich bei etwas Recherche findet: Tilman Nagel: Befreit den Propheten aus seiner religiösen Umklammerung!

Was meint Nagel eigentlich mit "dilettantisch"? Vielleicht geht der Punkt ja doch nicht so sicher an dich. Sehr glücklich
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Beitrag(#2176424) Verfasst am: 29.04.2019, 14:47    Titel: Antworten mit Zitat

Grey hat folgendes geschrieben:
Die Jahre zwischen 614 und 911 gab es doch gar nicht.

Ja, und Bielefeld gibt's auch gar nicht. Ich hab' sogar Freunde, die da herkommen, und mir bestätigt haben, dass es das nicht gibt. freakteach
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Beitrag(#2176426) Verfasst am: 29.04.2019, 14:52    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
@fwo: Hübsch, was sich bei etwas Recherche findet: Tilman Nagel: Befreit den Propheten aus seiner religiösen Umklammerung!

Was meint Nagel eigentlich mit "dilettantisch"? Vielleicht geht der Punkt ja doch nicht so sicher an dich. Sehr glücklich

Ganz abgesehen davon, dass ich nicht behaupte, dass hier irgendetwas ganz sicher an mich geht, ist das eine Zusammenfassung von Tilman Nagel, die das Jahr 2007 sehr gut wiederspiegelt. Ich suche sie jetzt nicht heraus (sind auch schon irgendwo verlinkt), aber interessant in dem Zusammenhang dürfte auch der langsame aber erkennbare Wander der Angelika Neuwirth sein, die seit 2007 das Forschungsvorhaben Corpus Coranicum leitet. Sie gehört zu denen, von denen die stärksten Inkompetenzvorwürfe gegen Luxenberg ausgingen. Bereits 2011 war der Koran dann auch bei ihr weniger der Text des Autors Mohammed, sondern stattdessen " ... ein Text der Spätantike .... aus der Auseinandersetzung mit spätantiken Diskursen hervorgegangen ...". Wenn ich jetzt etwas Neueres raussuchen würde, von den Saarbrückern hat das letztes Jahr? mal jemand gemacht und am Ende festgestellt dass die neueren Texte sich fast so läsen, als seien in in Saarbrücken verfasst, könnte ich also noch eine andere Ansicht finden. Was ich damit sagen will, ist, dass die Luxenbergsche "Aramäische Lesart" inzwischen weitgehend anerkannt ist und anders dasteht, als Nagel, der ansonsten weiterhin ein überragender Kenner der islamischen Theologie bleibt, das 2007 dargestellt hat.

Da tut sich etwas. Deshalb sollte man in dem Zusammenhang ältere Veröffentlichungen, dazu gehört ein von 2007 tatsächlich, nicht mehr unbedingt als auf der Höhe der Zeit ansehen. Viel interessanter wäre es für mich, wenn Du mal eine Reaktion eines weniger stark auf den Islam fixierten Historikers direkt zur Arbeit Bangerts finden würdest.
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Beitrag(#2176428) Verfasst am: 29.04.2019, 14:55    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Grey hat folgendes geschrieben:
Die Jahre zwischen 614 und 911 gab es doch gar nicht.

https://de.wikipedia.org/wiki/Erfundenes_Mittelalter Auf den Arm nehmen

Ja, und Bielefeld gibt's auch gar nicht. Ich hab' sogar Freunde, die da herkommen, und mir bestätigt haben, dass es das nicht gibt. freakteach


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