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Religion ist sexuelle Selektion
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fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 25891
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2175782) Verfasst am: 24.04.2019, 20:02    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Das Werfen kam viel früher ...

Das denke ich auch.


fwo hat folgendes geschrieben:
Wenn ich mir die Darmlänge der Carnivoren ansehe, gehe ich auch davon aus, dass wir das Kochen eher zur Erleichterung des Verdauens von Pflanzen brauchen als zum Verdauen von Fleisch.

Das kenne ich anders:

Zitat:
Human Evolution
Robin Dunbar - 2014

Rohes Säugetierfleisch ist für Menschenaffen (einschließlich Menschen) nicht leicht verdaulich.

Hmm. Wenn das so ist, dann frage ich mich, was es mit Geschichten von Schimpansen auf sich hat, die andere Affen jagen und verspeisen. Wrangham meinte im Interview, seit dem er das gesehen habe, esse er kein Fleisch mehr.

Wir wissen von regelmäßigem Fleischkonsum nicht nur von den Schimpansen, sonder auch von den Menschen seit dem Oldowan, also vor ca 2,6 Mio Jahren. Eine einigermaßen gesicherte regelmäßige Benutzung des Feuers beginnt frühestens von 800 000 Jahren, andere sagen vor 400 000 Jahren. Dann haben die also anscheinend 1,8 Mio Jahre was gegessen, was ihnen nicht bekommen ist was aber trotzdem angeblich seit mindestens 2 Mio Jahren an der Zunahme des Gehirnvolumens wesentlich beteiligt war.
smallie hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Das mit dem erfolgreichsten Jäger ist so eine Sache: Das ganze fing lange vor der Existenz der Sprache und damit auch vor der Möglichkeit des logischen Denkens und der "Zeitreisen" (=Erinnerung) an.

Logisches Denken - ich möchte logisches Denken nicht grundsätzlich schlecht reden - aber Katja Ebstein hatte schon ein gutes Argument, als sie sagte, "Wenn du denkst du denkst, dann denkst du nur du denkst." Und das lange vor Daniel Kahnemann zwinkern

Euklid gilt weithin als Meilenstein im logischen Denken. Seiner Logik nach war es zwingend, daß sich Parallelen nie schneiden. Zweitausend Jahre lang ist dieser Denkfehler niemandem aufgefallen. Was im Kern am Satz des ausgeschlossenen Dritten liegt.

Erstmal möchte ich ein Wort für Katja Ebstein einlegen: Dieses blöde Lied stammte von Juliane Werding.

Du siehst Dir gerade die Entwicklung der formalen Logik an, einer besonderen Sprache. Ich bezog mich mehr auf die Alltagslogik, die jeder benutzt; auch Menschen ohne höhere Schulbildung sind jeden Tag kausalanalytisch unterwegs.
smallie hat folgendes geschrieben:
"Zeitreisen" (=Erinnerung) - Vampierfledermäuse merken sich, wer ihnen Blut gegeben hat, falls sie selbst mal leer ausgingen und revanchieren sich dann bevorzugt bei ihren Spendern.

Damit beweist Du, dass bei diesen Tiere durch besondere Ereignisse besondere individuelle Verhältnisse eingeleitet werden können, aber noch lange kein episodisches Gedächtnis. Ockham lässt grüßen.
smallie hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Das ist eine Sache, über die sich übrigens auch Wrangham nicht im klaren ist, wenn er formuliert:
Wrangham hat folgendes geschrieben:
Well, it's quite dangerous to rebel against the alpha male. The one who throws the first stone will risk his life. No lion or chimpanzee would dare to do that. Only humans were able to squat together and whisper: "Let's meet at the big stone, then attack and kill him.
"

Üblicherweise werden Rangordnungskämpfe nicht auf Leben oder Tod ausgefochten. Sagt die Theorie ... Pfeifen

Dieses üblicherweise ist eines der widerlegten Erbstücke aus dem Haus Lorenz. Speziell bei den großen Menschenaffen gibt es andere Beobachtungen.
smallie hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Einen derartigen Plan gemeinsam auszuhecken bedarf der abstrakten Sprache ...

Wirklich?

    - Wölfe kennen instinktiv die Zahl der Tiere in einem Jagdrudel. Sind es nur wenig, werden kleinere Tiere gejagt. Sind es zehn oder mehr, dann muß auch mal ein Elch seine Beine in die Hand nehmen.

    - Delphine haben eine kollektive Jagdtechnik. Sie kreisen einen Sardinenscharm ein. Sobald sie ihn in Kugelform gebracht haben, stößt mal der eine, mal der andere Delphin in die Kugel.

    - Schimpansen beherrschen Flankentechnik, wenn sie "auf dem Kriegspfad" sind.

Generell sieht Schwarmverhalten bei viel dümmeren Tieren als Du sie gerade aufzählst, aus, als sei es verabredet. Auch die Beine von Insekten sehen aus, als würden sie zentral gesteuert. Aber wir finden gerade in der Robotik viel effektivere und "kostenärmere" Methoden sie zu steuern. Was ich damit sagen will, ist Folgendes: Dass etwas aussieht, als sei es durch abstrakte Intelligenz wie einer Verabredung verschiedener Individuen gesteuert, bedeutet noch nicht, dass das so ist. Sonst sind wir bei einer Erklärungskultur, die so ähnlich ist wie die des Kreationismus, nur, dass wir nicht sagen "Was wir noch nicht erklären konnten, ist ein Beweis für Gott" sondern "Steuerungen, die wir noch nicht verstanden haben, sind ein Beweis für abstraktes Denken.".
_________________
Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

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Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 25891
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2175790) Verfasst am: 24.04.2019, 22:33    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:

Einen derartigen Plan gemeinsam auszuhecken bedarf der abstrakten Sprache - die kommt in ihrer minimalen Ausprägung frühestens vor 100 000 Jahren. Da ist aber das Wesentliche der genetischen Menschwerdung schon gelaufen.

Zwei Anmerkungen dazu: Zum einem, woher nimmst du diese definitive Jahreszahl? Meines Wissens gibt es darüber bisher keine einheitliche wissenschaftliche Meinung. 100.000 Jahre scheint eher eine minimale Annahme zu sein.

Die Zahl 100 000 ist von Robin Dunbar. Ich habe auch schon mal geschrieben, warum ich sie für passend halte:
Sobald der Mensch die Fähigkeit besitzt, gemeinsam zu denken, das ist das, was wir im Gespräch tun, muss sich das im archäologischen Befund niederschlagen, und zwar in einer Beschleunigung der technischen Entwicklung. Denn Sprache ermöglicht nicht nur gemeinsames Denken, sondern auch das Sammeln theoretischen Wissens bereits in der Vergrößerung des Vokabulars.


Ja, Sprache ermöglicht gemeinsames Denken, aber wenn ich das wenige, was ich so schnell über Dunbar gefunden habe, richtig verstehe, meinte er vor allem Sprache als „soziales Kraulen“, als die Voraussetzung der Bildung größerer Gruppen. Hier findet sich ein, wie ich finde, brauchbarer Ansatz, nämlich die Vorstellung, die Sprachentwicklung sei die Voraussetzung schon der Entwicklung der Steinwerkzeuge gewesen, etwas, was du offenbar anderes siehst. Da hättest du dann übrigens auch deinen technischen Fortschritt, nur locker ein paar hunderttausend Jahre eher.

Was die Behauptung betrifft, technischer Fortschritt sei die automatische, notwendige und sofortige Folge menschlicher Sprache gewesen, spricht die beobachtbare Wirklichkeit dagegen. Die neuzeitlichen Menschen gibt es in Europa seit ca. 40.000 Jahren. Das sind ca. 1500 Generationen, wenn nicht mehr. Wie viele technische Fortschritte konnte man da in den ersten 30.000 Jahren beobachten? Dann die Neolithische Revolution. Auch die ist nach neuen Erkenntnissen kein Fortschritt gewesen, der überall stattgefunden hätte, sondern eine Verdrängung der Jäger und Sammler in Nordeuropa durch Bauern aus der Gegend um Anatolien.

Ich würde also als Gegenthese aufstellen, daß technischer Fortschritt zumindest auf der Ebene der Steinzeit etwas ist, das, wenn überhaupt, nur sehr vereinzelt auftritt. Die meiste Zeit sind die Menschen offenbar vollkommen damit ausgelastet und auch zufrieden gewesen, das Wissen der einen Generation an die nächste weiterzugeben. Beispiele für menschliche Zivilisationen, die vollkommen ohne technischen Fortschritt auskommen, gibt es übrigens auch heute noch.

Damit entfällt meiner Ansicht nach dein wesentliches Argument. Menschen können also die Fähigkeit der Sprache besitzen, ohne daß das technischen Fortschritt zur Folge haben muß. Genauer gesagt ist Fortschritt in der menschlichen Geschichte eher die Ausnahme als die Regel gewesen. Erst mit der „Erfindung“ der Landwirtschaft beschleunigt sich der menschliche Erfindergeist.

Meine Theorie: Menschen erfinden nur dann etwas, wenn es gar nicht mehr anders geht, wenn die Widersprüche im täglichen Leben zwischen dem, was ist und dem, was man möchte, so groß geworden sind, daß einzelne sich genötigt sehen, zum Tüftler zu werden. Wenn die gesellschaftlichen Veränderungen erst einmal ein gewisses Tempo erreicht haben, entstehen mit jeder technischen Lösung auch immer zwei oder drei neue Probleme. Der Fortschritt treibt sich von da ab an selbst, und man kriegt ihn auch so schnell nicht mehr in die Flasche.

Dunbar begeht einen grundsätzlichen Fehler, wenn er nach der statistischen Untersuchung des heutigen Sprachgebrauchs (hauptsächlich "Gossip") auf ihren Ursprung schließt: Den Tetrapoda sind auch nicht deshalb Vorderbeine gewachsen, weil die Vögel mal damit fliegen wollten. Da Sprache, egal ob man sie jetzt auf einem bestimmten Sprachgen beruhen lässt, oder zu ihrer Entstehung mit geringeren genetischen Änderungen auskommt, wie mein persönlicher Favorit Tomasello das macht, nur kulturell akkumulierend entstanden sein kann, ist es wohl sinnvoll, davon auszugehen, dass sie ihren Ursprung im Umgang mit sinnlich erfahrbaren Gegenständen hatte, auf die man zeigen konnte - eben die Gegenstände des geteilten Interesses. Zeig mal auf ein Verwandschaftsverhältnis oder eine Freundschaft, ohne erklären zu können, was das ist. Wenn aber Sprache an gemeinsam behandelten Gegenständen entstanden ist - wir wissen dass es eine echte Tradition praktischen Wissens im Behandeln von Steinen seit dem Oldowan gab - wäre es schon sehr eigenartig, wenn ein gemeinsames Denken nicht dort zuerst sichtbar geworden wäre.

Ich habe übrigens bezüglich des Denkens, der Sprache und der Erfindungen eine Theorie, die exakt andersherum funktioniert wie Deine: Wir entwickeln neue Techniken, sobald unsere Denkmöglichkeiten die zulassen, und stehen anschließend vor dem Problem, sie so zu steuern, dass die Schäden, die wir damit anrichten, erträglich oder zumindest nicht wiederholt werden. Eigentlich reicht ein Blick in unsere einigermaßen sichere Geschichte, um das zu belegen: Ein altes Sprichwort sagt, dass der Krieg der Vater allen Fortschritts ist, aber dieser spezielle Fortschritt entsteht nicht aus der Not, sondern aus der Neugier und der Begehrlichkeit. Es war keine Not, die Archimedes dazu veranlasste, sich mit der Mathematik zu beschäftigen, aber die Beschäftigung mit der Geometrie hat ihn natürlich Dinge erfinden lassen, die auch nützlich waren.
Um uns mal aus unserer Enge herauszubewegen: Die Entdeckung der planvollen Brandrodung und Düngung des Bodens durch Feuer war die Grundlage der Entstehung der großen nordamerikanischen Grassteppen, die irgendwann zwar große Büffelherden ernährten, aber bis dahin erst einmal nur für Hunger gesorgt haben dürften und für eine erheblich Dezimierung der Bevölkerung.

Ich glaube auch nicht an die Lesart der Entstehung des Ackerbaus: Damit der entstehen konnte, musste erst einmal ein Vokabular geschaffen werden, das geeignet war, die Beobachtungen wie aus Sahmen Pflanzen werden usw. über viele Generationen zu sammeln, bevor überhaupt jemand Ackerbau denken konnte. Aber als man das denken konnte, hat man das gemacht. Ich vermute, dass die Hungersnöte später und genau deshalb kamen, weil man es gemacht und sich darauf verlassen hat - was wussten die von der Erschöpfung des Bodens? Die bisherige Lesart beruht - genau wie meine - auf einer sehr unsicheren Datierung der Reihenfolge.

Was wir heute meistens vergessen, ist, dass Sprache über lange Zeit der einzige kollektive Wissenscontainer war, über den eine Gemeinschaft verfügte, der Anfang der Menschheit war mit Sicherheit auch nicht arbeitsteilig. Für uns ist Sprache etwas Selbstverständliches, und wenn wir etwas wissen wollen, müssen wir es halt lernen. Das kann am Anfang nicht so gewesen sein. Welchen Nutzen hatte es überhaupt, sie in ihren ersten Anfängen zu tradieren, um überhaupt die Chance zu einer Akkumulation zu bekommen? Eine sinnvolles Modell für diesen Vorgang besteht für mich als Begleitung und damit Beschleunigung der praktischen Tradition der Herstellung von Steinwerkzeugen. An dieser Stelle gereift auch ganz normale Selektion: Wer der nächsten Generation das Steineschlagen schneller und effektiver beibringen kann, hat als Gruppe einen echten Vorteil. Aber von da zum abstrakten Denken ist es ein sehr langer Weg, von da zum Tratsch, der eine funktionierende komplexe Sprache benötigt, um zu belustigen, wahrscheinlich ein noch viel längerer.

Um wieder in die jüngere Vergangenheit zu kommen: Was sind eigentlich Wissenschaften? Für mich sich es Fachsprachen bis hin zur formalen Sprache der Mathematik. Was sie von der natürlichen Sprache unterscheidet, ist eigentlich nur das Regelwerk, das zu ihrer Erweiterung aufgestellt wurde. Und nachdem wir sie erweitert haben, denken wir in ihr - primär aus Neugier, nicht um ein Problem zu lösen. Die mathematischen Methoden zur Bändigung des Teilchenzoos sind entstanden, ohne dass man die Bestandteile dieses Zoos kannte und ohne, dass man einen Anwendungsbereich kannte. Oder um es weniger hochgestochen zu zeigen: Welche großen Problem löste die ersten mechanischen Uhren? Die der Griechen waren Spielzeuge, Wunderwerke ohne Zweck. Auch die ersten Rohdaten der Himmelsmechanik und ihr Zusammenhang mit dem Jahreslauf müssen gesammelt und kommuniziert worden sein, bevor jemand eine Zusammenschau machen konnte. Berühmt (und regelmäßig wahrscheinlich übertrieben) ist der Spinnoff der Mondlandung, im Ursprung ein rein militärisches Imponierunternehmen. Welche Problem wurden damit gelöst?

Wie kam die große Überbevölkerung in die Welt: Durch den Export medizinischen Denkens. usw. Hier muss ich jetzt aktiv abbrechen.
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:
Der wesentliche Teil der Menschwerdung, also die Entwicklung dessen, was uns so offensichtlich von den anderen Affen trennt, geschieht im Anschluss an die Evolution der genetischen Voraussetzungen dazu in einer kulturellen Evolution.

Wenn ich dich richtig verstehen, hieße das, da sei zuerst biologisch die Fähigkeit zu denken und zu sprechen entstanden, die aber niemand genutzt habe. Und dann, bääm!, hätte sich die Sprache entwickelt und damit hätten unsere Vorfahren auch plötzlich entdeckt, daß sie denken können. Du bist der Biologe, nicht ich, aber das kannst du nicht gemeint haben.

Falsch verstanden.
Eigentlich steht hier alles drin:
fwo hat folgendes geschrieben:
Um aus normalen Affen Menschen zu machen, bedurfte es weniger Eigenschaften: der akkumulierenden Kultur, mit der Basis der präzisen Kopie der elterlichen Kultur. Tomasello hat gezeigt, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Lernen bei Menschen und anderen Affen darin besteht, dass Menschen durch Nachahmung lernen: Wenn man uns Blödsinn vormacht, machen wir tatsächlich Blödsinn nach. Und das liegt daran, dass wir ab einem Alter von ungefähr 9 Monaten den anderen als intentionales Wesen begreifen. Dazu kommt, dass Menschen sich auf Gegenstände gemeinsamen Interesses einigen: Im Gegensatz zu anderen Affen, die lernen können, auf einen Gegenstand zu zeigen, um zu signalisieren, dass sie ihn haben wollen, beginnen Menschenkinder irgendwann, auf Gegenstände zu zeigen, um Kommunikationsabsichten zu diesem Gegenstand zu signalisieren. Sobald dazu ein Verhalten kommt, mit Lauten nicht mehr nur - wie im übrigen Tierreich - die eigene Gestimmtheit zu signalisieren, sondern den Gegenstand des gemeinsamen Interesses zu meinen, haben wir die Grundvoraussetzungen für Sprache schon geschaffen. Die Sprache selbst kann aber nur kulturell entstehen, also am Beginn nicht mit großer Funktionalität und nach unseren Maßstäben quälend langsam, bis sie soweit war, zum individuellen wie zum gemeinsamen Denken zu taugen.

aber es ist sehr gedrängt. Was wir hatten, war eine grundsätzliche Fähigkeit zur Signalverarbeitung, wegen des leistungsfähigeren Gehirnes, das durch das Werfen selektiert worden war, in größerem Maße als bei Schimpansen, denen wir immerhin mit viel Mühe auch etwas beibringen können. Das heißt, dass das Gehirn da war, aber anders genutzt wurde, also völlig normal in der Evolution. Die grundsätzlichen Mutationen, die dazukommen müssen, damit ganz langsam so etwas wie Sprache entsteht, habe ich aber in diesem Absatz aufgezählt. Was Dir als selbstverständlich vorkommt, das Benennen externer Gegenstände, das Weitergeben dieser Benennungen einschließlich individueller Zufügungen, kommt Dir selbstverständlich vor, aber das sind die ursprünglichen Mutationen in unserem Verhalten, die dann zur Sprachentwicklung führen, wenn sie alle vorhanden sind. Aber gaanz langsam, nicht "bääm!". Ich hatte damals explizit danach gesucht, und als es von einem Autor erschien, den ich bis zu dem Zeitpunkt nicht gekannt habe, habe ich es mir allein aufgrund seines Titels gekauft: Michael Tomasello: "Die kulturelle Entwicklung des menschlichen Denkens." Ich habe es damals nach der Hälfte weggelegt, weil ich mich genügend bestätigt fühlte. Jetzt lese ich es gerade zu Ende und kann Dir nur sagen, dass es lohnt. Es ist auch bei Tomasello keine reine Denkarbeit. Er erklärt die Versuche, mit deren Ergebnissen er seine Theorie begründet. Da sind sehr viele vergleichende Untersuchungen an Menschen- und Schimpansenkindern dabei.

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Also kurz zusammengefaßt: Nach meiner Ansicht sind die Entwicklung der Sprache und des damit verbundenen Denkens ein wechselseitiger Prozeß als biologischer Evolution und sozialer (kultureller) Entwicklung, das eine nicht ohne das andere zu denken. Diese Sprachentwicklung hat vor allem die Entwicklung menschlicher Gruppen möglich gemacht, und nebenher auch ein paar technische Entwicklung ermöglicht. Die eigentliche Dynamik des technischen Fortschritts setzt aber erst sehr viel später ein, als es die Sprachen längst gab, und hat auch andere, soziale Ursachen.

Das sehe ich zum Teil anders. s.o.
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smallie
resistent!?



Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3626

Beitrag(#2176569) Verfasst am: 30.04.2019, 21:23    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Wrangham hat folgendes geschrieben:
Es mag enttäuschend sein. Aber ich fürchte, Moral entstand, um nicht Ziel des Zorns der Gemeinschaft zu werden.
Ernsthaft?

    Moral entstand, damit mich der Zorn der Gesellschaft nicht trifft, der von einer meiner unmoralischen Handlungen angefacht wurde.

Wrangham sollte fragen, warum manche Handlungen Zorn auslösen. Warum regt es die Leute auf, wenn ich sage, hey, ihr zwei, baut mir ein Kanu, du gibst mir deinen Speer und den da mag ich nicht, den hau ich um. Die Antwort sollte leicht fallen. Sie ist auch schon länger bekannt:

    Eine Handlung ist unmoralisch, wenn sie Einzelnen ungerechtfertigte Vorteile verschafft auf Kosten anderer.

Hmm ... und was ist ungerechtfertigt? Doch nicht etwa das, was die Gemeinschaft dafür hält?

Kommt drauf an.

Im ersten Schritt steht es der Gemeinschaft nicht zu, darüber zu entscheiden, was gerechtfertigt und was ungerechtfertigt ist. Zumindest nicht bei Dingen die nur mich betreffen und meine Komplizen. In einem zweiten Schritt braucht es aber einen gesellschaftlichen Konsens über den ersten Schritt, denn ich alleine kann ihn nicht durchsetzen.

smallie hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Nur zählt für jeden was anderes.

Ja und nein.

In einer pluralen Gesellschaft kann für jeden etwas anderes zählen.
In diesem einen Punkt zählt für alle das gleiche, sonst klappt es nicht mit der pluralen Gesellschaft.

Nocheinmal zu Bertrand Russell und salopp gesagt: manchmal ist auch das Gegenteil wahr und der Satz vom ausgeschlossenen Dritten ist eine Denkbremse. zwinkern


step hat folgendes geschrieben:
Vielleicht so: Gerechtfertigt ist das Erwartbare, also das, worauf man sich geeinigt hat, worauf man sich verlassen kann. Moral entstand, um die Verläßlichkeit innerhalb der Gruppe zu erhöhen.

Ein wichtiger Punkt. Laß mich eine alte Geschichte erzählen über das Erwartbare.

Auf der Straße spricht mich eine Frau an mit zwei Kindern im Schlepptau. Sie habe sich mir ihrem Mann gestritten, sei auf der Suche nach einem Hotel. Ob ich eins wisse? Sag ich da und da. Ob ich ihr einen Hunderter leihen könne? Ich konnte. Einige Tage später kam ein Brief und ich hatte meinen Hunderter wieder.

Mit einem simplen Homo-eoconomicus-Ansatz läßt sich weder erklären, warum ich meinen Hunderter zurück bekam, noch warum ich ihn überhaupt hergab.


step hat folgendes geschrieben:
Außerdem stört mich die implizite Gleichsetzung von Moral und Gewaltfreiheit. Moral kann auch zu mehr Gewalt führen, z.B. wenn es gegen konkurrierende Stämme geht, oder um die Durchsetzung einer funktionierenden Hierarchie innerhalb der Gruppe.

Für die Zeit nach der Landwirtschaft passt dein Einwand.

Vorher eher nicht, denn es gab keine Hierarchien, wenn man Wrangham oder Christopher Boehm glaubt.
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"There are two hard things in computer science: cache invalidation, naming things, and off-by-one errors."
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2176574) Verfasst am: 30.04.2019, 22:03    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:

smallie hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Nur zählt für jeden was anderes.

Ja und nein.

In einer pluralen Gesellschaft kann für jeden etwas anderes zählen.
In diesem einen Punkt zählt für alle das gleiche, sonst klappt es nicht mit der pluralen Gesellschaft.

Nocheinmal zu Bertrand Russell und salopp gesagt: manchmal ist auch das Gegenteil wahr und der Satz vom ausgeschlossenen Dritten ist eine Denkbremse. zwinkern

Das passiert, wenn man den Post eines anderen in Einzelzeilen zerlegt. Heraus kommt unverständlicher Unsinn. Bei meiner Bemerkung, es zähle für jeden etwas anderes, bezog ich mich nur auf den Satz von der "Religion als Gefühl", und deiner Antwort, es ginge um das "große Ganze", oder "das was zählt".

Die Grundlagen einer pluralen Gesellschaft sind dagegen ein eigenes Thema, das mit Religion nur noch indirekt zu tun hat.
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"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

Friedrich Nietzsche
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smallie
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Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3626

Beitrag(#2177038) Verfasst am: 04.05.2019, 20:37    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Das passiert, wenn man den Post eines anderen in Einzelzeilen zerlegt. Heraus kommt unverständlicher Unsinn.

Seufz. Es gelingt mir nicht immer, gleich beim ersten Mal zu erfassen, was gemeint ist. Ebensowenig gelingt es mir immer, mich verständlich auszudrücken.


Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Bei meiner Bemerkung, es zähle für jeden etwas anderes, bezog ich mich nur auf den Satz von der "Religion als Gefühl", und deiner Antwort, es ginge um das "große Ganze", oder "das was zählt".

Wie ist es denn nun? Zählt für alle das selbe oder eher nicht?

Sogar Alt-Papst Benedikt räumt ein, daß etliche Theologen der Meinung sind, es gäbe "moralische Universalien".

Ratzinger hat folgendes geschrieben:
Die Kirche und der Skandal des sexuellen Mißbrauchs

Unabhängig von dieser Frage wurde in weiten Kreisen der Moraltheologie die These entwickelt, daß die Kirche keine eigene Moral hat und haben kann. Dabei wird darauf hingewiesen, daß alle moralischen Thesen auch Parallelen in den übrigen Religionen kennen würden und ein christliches Proprium daher nicht existieren könne.

https://de.catholicnewsagency.com/story/die-kirche-und-der-skandal-des-sexuellen-missbrauchs-von-papst-benedikt-xvi-4498



Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Die Grundlagen einer pluralen Gesellschaft sind dagegen ein eigenes Thema, das mit Religion nur noch indirekt zu tun hat.

Indirekt? Meinetwegen. Macht aber keinen Unterschied. Die evolutionären Kräfte, die Gesellschaften zu eher pluralen oder eher konformistischen Gesellschaften machen, wirken auch auf Religionen.

Jäger-und-Sammler-Mythen haben nichts gemeinsam mit den frühen landwirtschaftlichen Religionen, in denen weltliche Herrscher gottgleich sind. Einige Beispiele für Jäger-und-Sammler-Mythen:

Zitat:
Geschlechter-Egalitarismus machte uns menschlich
Camilla Power - 2018

Bei den Initiationsriten der Frauen bei den Ju/’hoansi verwandeln sie sich in Antilopen-Böcke. Die Hadza-Mädchen in Tansania verkörpern eine matriarchische Heldin, die jagt und es mit einem Zebra treibt. Im Kongo bei den BaYaka schließt die Aufnahme in die geheime Frauengesellschaft Ngoku derbe Auführungen ein, bei denen männliches Sexualverhalten nachgeahmt wird, einschließlich der notwendigen Körperflüssigkeiten.

Gender egalitarianism made us human
Camilla Power - 2018

We need a theory to explain why gender ambiguity features so strongly in hunter-gatherer cosmologies. Female initiates of the Ju/’hoansi of the Kalahari turn into antelope bulls, while Hadza girls in Tanzania embody a matriarchal heroine who hunts and ties onto herself the genitalia of male zebra. Being initiated into the Congo BaYaka women’s secret society Ngoku involves ribald performances mimicking male sexual behaviour with all necessary secretions flowing all over the place.

https://libcom.org/history/gender-egalitarianism-made-us-human-response-david-graeber-david-wengrows-how-change-cou

Was Camilla Power sonst noch so schreibt im Link halte ich für sehr überzeugend. Sei weiß, was zählt. zwinkern
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