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Religion ist sexuelle Selektion
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Geobacter
Normalbürger



Anmeldungsdatum: 06.03.2012
Beiträge: 117
Wohnort: Italy

Beitrag(#2173945) Verfasst am: 09.04.2019, 07:34    Titel: Antworten mit Zitat

Schade, dass ich die letzten Wochen nicht viel Zeit hatte...
Hätte hier gerne noch mit diskutiert.

Ich persönlich hab den Aufsatz eher mehr aus einer ganz neutralen wissenschaftlichen Perspektive gelesen.
Religion als Teil der Evolution, so sehe ich das eigentlich auch nicht. Und nach meinen persönlichen Verständnis hat das Euler auch überhaupt und gar nicht gemeint.

Selektionsfaktoren selbst sind ja nicht unmittelbarer Teil der Evolution. Eine Spezies die sich dort heran entwickelt, wo dauernd der Wind geht, die steht ja auch nicht schief, wenn mal keiner geht.

Bei den Faktoren der sexuellen Selektion im Tierreich, wie z.B. bei den Hirschen, da geht es ja um Attribute, wie Kraft Ausdauer, Gesundheit. Und es sind die weiblichen Hormone, die dann die Wahl treffen.

Und so wie ich Euler meine verstanden zu haben , sind diese weiblichen Sexualhormone genau darauf getrimmt, nach den besten genetischen Voraussetzungen für das Überleben der Nachkommenschaft Ausschau zu halten. Irrtümer sind da nie ganz ausgeschlossen. Und das Angebot ist ja auch nicht immer das allerbeste.

Weibliche Sexualhormone sind also schon von Natur aus auch ein bisschen "gläubig". Dass unsere Vorfahrinnen irgendwann anfingen als Willen der Götter/Mächte des Schicksals zu deuteten, was ihre eigenen Vorfahrinnen nur ganz nach Instinkten werteten, kann man schon nachvollziehen.

Nach Meinung vieler heute lebender christlich-amerikanischer Fundamentalisten, ist die Präsidentschaft Trumps ja auch der Wille Gottes. Geschockt
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smallie
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Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3613

Beitrag(#2174022) Verfasst am: 09.04.2019, 19:14    Titel: Antworten mit Zitat

Geobacter hat folgendes geschrieben:
Schade, dass ich die letzten Wochen nicht viel Zeit hatte...
Hätte hier gerne noch mit diskutiert.

Ahmm, einige Antworten stehen noch aus. Weiß noch nicht, ob oder wann ich mich dazu aufraffen kann ... gibt auch noch andere Themen ...

Richard Wrangham und sein neues Buch würde aber gut hierher passen. Mal sehen.


Geobacter hat folgendes geschrieben:
Ich persönlich hab den Aufsatz eher mehr aus einer ganz neutralen wissenschaftlichen Perspektive gelesen.

Wir - alle, die hier geschrieben haben - nicht? zwinkern


Geobacter hat folgendes geschrieben:
Religion als Teil der Evolution, so sehe ich das eigentlich auch nicht. Und nach meinen persönlichen Verständnis hat das Euler auch überhaupt und gar nicht gemeint.

Schau dir mal die Literaturliste im Eingangsartikel an. Religion als Teil der Evolution ist seit mindestens zwanzig Jahren Thema.


Geobacter hat folgendes geschrieben:
Selektionsfaktoren selbst sind ja nicht unmittelbarer Teil der Evolution. Eine Spezies die sich dort heran entwickelt, wo dauernd der Wind geht, die steht ja auch nicht schief, wenn mal keiner geht.

Die gesamte Umwelt - das schließt Kultur mit ein - ist Selektionsfaktor.

Seit es Kultur gibt, weht da noch mal ein anderer Wind. zwinkern


Geobacter hat folgendes geschrieben:
Bei den Faktoren der sexuellen Selektion im Tierreich, wie z.B. bei den Hirschen, da geht es ja um Attribute, wie Kraft Ausdauer, Gesundheit. Und es sind die weiblichen Hormone, die dann die Wahl treffen.

Und so wie ich Euler meine verstanden zu haben , sind diese weiblichen Sexualhormone genau darauf getrimmt, nach den besten genetischen Voraussetzungen für das Überleben der Nachkommenschaft Ausschau zu halten.

Und wie kam es dazu? Woher "wissen" die Hormone, wonach sie Ausschau halten sollen? Was hat sie auf etwas getrimmt?
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Geobacter
Normalbürger



Anmeldungsdatum: 06.03.2012
Beiträge: 117
Wohnort: Italy

Beitrag(#2174594) Verfasst am: 13.04.2019, 20:50    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:

Woher "wissen" die Hormone, wonach sie Ausschau halten sollen? Was hat sie auf etwas getrimmt?

Ich denke da ein körpereigenes Opium, das auch für die Placbowirkung zuständig ist.
Endorphine zum Beispiel. Im besonderen Dopamin.
Interessant ist in dem Zusammenhang z.B. die abergläubische Konditionierung auch bei Tieren und Tauben.. mit der sich schon Skinner befasst hat.

https://de.wikipedia.org/wiki/Nichtdeterministisches_Experiment beschreibt diese eigenartige Konditionierung auch ganz gut.

Link korrigiert. vrolijke
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vrolijke
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Anmeldungsdatum: 15.03.2007
Beiträge: 46311
Wohnort: Stuttgart

Beitrag(#2174595) Verfasst am: 13.04.2019, 21:09    Titel: Antworten mit Zitat

Geobacter hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:

Woher "wissen" die Hormone, wonach sie Ausschau halten sollen? Was hat sie auf etwas getrimmt?

Ich denke da ein körpereigenes Opium, das auch für die Placbowirkung zuständig ist.
Endorphine zum Beispiel. Im besonderen Dopamin.
Interessant ist in dem Zusammenhang z.B. die abergläubische Konditionierung auch bei Tieren und Tauben.. mit der sich schon Skinner befasst hat.

https://de.wikipedia.org/wiki/Nichtdeterministisches_Experiment beschreibt diese eigenartige Konditionierung auch ganz gut.


Hüstel:
Zitat:
Nichtdeterministisches Experiment..

Diese Seite existiert nicht

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Glück ist kein Geschenk der Götter; es ist die Frucht der inneren Einstellung.
Erich Fromm

Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.

Grenzen geben einem die Illusion, das Böse kommt von draußen


Zuletzt bearbeitet von vrolijke am 13.04.2019, 22:51, insgesamt einmal bearbeitet
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sehr gut
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Anmeldungsdatum: 05.08.2007
Beiträge: 14852

Beitrag(#2174599) Verfasst am: 13.04.2019, 21:34    Titel: Antworten mit Zitat

vrolijke hat folgendes geschrieben:
Geobacter hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:

Woher "wissen" die Hormone, wonach sie Ausschau halten sollen? Was hat sie auf etwas getrimmt?

Ich denke da ein körpereigenes Opium, das auch für die Placbowirkung zuständig ist.
Endorphine zum Beispiel. Im besonderen Dopamin.
Interessant ist in dem Zusammenhang z.B. die abergläubische Konditionierung auch bei Tieren und Tauben.. mit der sich schon Skinner befasst hat.

https://de.wikipedia.org/wiki/Nichtdeterministisches_Experiment beschreibt diese eigenartige Konditionierung auch ganz gut.


Hüstel:
Zitat:
Nichtdeterministisches Experiment..

Diese Seite existiert nicht

Die 2 Punkte beim Link hinten weg dann gehts
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smallie
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Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3613

Beitrag(#2175439) Verfasst am: 20.04.2019, 15:05    Titel: Antworten mit Zitat

PROLOG IM HIMMEL

Bertrand Russell wurde Vater.
Natürlich kam die Frage:"ist es ein Junge oder ein Mädchen?"
Darauf Russell: "Ja, was soll es sonst sein?"



fwo hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Um das Thema nicht ganz aus den Augen zu verlieren:

Es gibt einen kleinen, aber deutlichen Sexualdiphormismus beim Menschen. Ist er Resultat natürlicher oder sexueller Selektion?

Weiter heißt es, Frauen sein religiöser als Männer. Stimmt das? Falls ja, warum?

Warum schließen sich natürlich und sexuelle Selektion eigentlich aus?

Tun sie auch nicht. War nicht als entweder-oder gemeint.

fwo hat folgendes geschrieben:
Edukir hat für mich eindeutig gezeigt, dass die männliche Figur eine Anpassung an das Werfen darstellt - und wir können davon ausgehen, dass es damals keine olympischen Spiele gab, um den besten Werfer als obersten Befruchter zu küren. Dann sollten wir davon ausgehen, dass die Frauen an der typisch männlichen Y-Figur die wurfstärksten Männchen und damit erfolgversprechendsten Jäger erkannt haben. Wo ist da das Problem?

Kein Problem, passt schon.

Obwohl - aus dem Stand würd' ich nicht alle losen Enden zusammenbringen. Werfen macht relativ wenig Sinn, wenn man die Nahrung nicht kochen kann. Regelmäßig kochen kam erst vor 400 000 Jahren. Sollte werfen auch erst so spät kommen, was macht man die 1,5 Mio. Jahre vorher? Usw. Ist ein anderer Thread.

Noch ein Problem. Männliche Perspektive. Warum sollte ich mich als Frühmenschen-Mädchen an breiten Schultern orientieren, der tatsächliche Jagderfolg wäre ein besserer Indikator. Jäger-und-Sammler sehen ohnehin nicht aus wie der David bei Michelangelo.


fwo hat folgendes geschrieben:
Dass Frauen religiöser sind, sagen nach meiner Erinnerung einige Untersuchungen aber da werde ich nochmal nachsehen. Es könnte etwas mit der prinzipiell konservativen Mutterrolle zu tun haben. Es sind auch wesentlich die Frauen, die den Kindern das Sprechen beibringen.

Also salopp so: Der Mensch ist ein soziales Wesen, die Frau ist der sozialere Mensch?

(Rest in einem anderen Beitrag, damit's kürzer aussieht. zwinkern )
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smallie
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Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3613

Beitrag(#2175440) Verfasst am: 20.04.2019, 15:07    Titel: Antworten mit Zitat

Richard Wrangham hat ein Buch geschrieben, im Spiegel gab es ein Interview mit ihm. Relevant für diesen Thread ist die Passage zu den weiblichen Allianzen bei den Bonobos.


Titel und Anriß sind fürchterlich. Ohne weiteren Kommentar:

Zitat:
Wer die Regeln beachtete, den bevorzugte die Evolution.

Der britische Anthropologist Richard Wrangham glaubt, daß unser Menschsein mit Tyrannenmord begann.


'Those Who Obeyed the Rules Were Favored by Evolution'

British anthropologist Richard Wrangham believes our humanity began with the murder of a tyrant. In an interview with DER SPIEGEL, he explains why homo sapiens are so murderous, while also being among the most peaceful species.

http://www.spiegel.de/international/interview-with-anthropologist-richard-wrangham-a-1259252.html


Wrangham spricht von einem Domestizierungs-Syndrom. Menschen weisen typische Merkmale domestizierter Rassen auf, so die Behauptung. Über die Irreführung will ich nicht lästern, immerhin stellt er klar, worum es eigentlich geht.

Wrangham hat folgendes geschrieben:
Das Wort "Domestikation" ist etwas irreführend ... nur die Selektion nicht-aggressiven Verhaltens ist wichtig. Ob diese Domestikation in Gefangenschaft oder in freier Wildbahn stattfindet, macht keinen Unterschied ... wir sind die einzige Spezies, die sich selbst domestiziert hat.

Als Beispiel nennt er Bonobos und kommt dann zum Sozialverhalten der Weibchen.

Wrangham hat folgendes geschrieben:
Wenn ein Bonobo-Männchen ein Weibchen angreift, ruft sie um Hilfe und innerhalb von Augenblicken sieht sich das Männchen einer Allianz von Weibchen gegenüber, die ihn in seine Schranken verweisen.

SPIEGEL: Weibliche Bonobos haben die Männchen gezähmt?

Wrangham: Ja, wahrscheinlich. Die Bonobos leben in einem Habitat, das es den weibchen erlaubt, ständig zusammenzubleiben - anders als bei den Schimpansen. Dies hat soziale Allianzen zwischen den Weibchen befördert.

Hört sich sehr vernünftig an.


Wrangham hat folgendes geschrieben:
SPIEGEL: Wie ist es beim Menschen? Haben Frauen uns Männer ebenfalls zivilisiert?

Wrangham: Unwahrscheinlich. Es gibt viele mythologische Erinnerungen an eine Zeit, in der die Macht in den Händen der Frauen lag, aber es gibt heute kein Matriarchat irgendwo auf der Welt und wir haben keine Hinweise, daß es jemals anders war.

Die Irokesen waren matrilinear - und sicher kein Einzelfall. Ob man das Matriarchat nennt oder nicht, sei dahingestellt, ist das wichtig?

Überhaupt: Für Wrangham scheint es nur alle Macht oder gar keine zu geben. Falls das kein Interview-Lapsus war, sondern ernstgemeint ist, ... weia. Hier fehlt Wrangham die nötige weibliche Perspektive, gleich mal nachreichen:

Zitat:
Anecdotes and the shifting baseline syndrome of fisheries
Daniel Pauly - 1995

Eine Wissenschaftlerin sammelte verstreute Beobachtungen männlicher Anthropologen über Fischerei im Südpazifik. Ihr Ergebnis war, daß trotz kultureller Hervorgehobenheit des Fangs großer Fische durch Männer die Frauen und Kinder am Riff oft genauso hohe Erträge erbrachten, als die spektakuläreren Aktionen der Männer.

Diese fehlende Perspektive zeigt sich auch hier:

Wenn von Jägern-und-Sammlern die Rede ist, dann ist von Jägern die Rede. Von Sammlern (Sammlerinnen?) habe ich seltenst gehört. Gibt's da nichts zu erzählen, oder ist das in blinder Fleck in der kollektiven Wahrnehmung?




Schon wieder Off-Topic.

Wrangham hat folgendes geschrieben:
SPIEGEL: Wenn es nicht die Frauen waren, wer hat die Männer gezähmt?

Wrangham: Das ist spekulativ. Wir müssen uns die heutigen Jäger-und-Sammler ansehen. ... Ohne Gefängnisse, ohne Militär, ohne Polizei ... gibt es nur eine Verteidigung gegen einen unnachgiebigen Täter: er wird exekutiert.

SPIEGEL: Es ist eine gewagte These, daß uns die Todesstrafe zu dem gemacht hat, was wir sind. Wie sind sie drauf gekommen?

Wrangham: Aus einem Buch von Christopher Boehm, "Hierarchie in den Wäldern".


Von wegen nur eine Verteidigung. Bei Boehm es gibt mehrere Strategien: Spott, Tadel, Ungehorsam, Verbannung, Auszug, Exekution.

Entweder hat Wrangham hier für's Interview sehr vereinfacht, oder er hat wesentliche Elemente der Sache nicht verstanden. Deshalb faselt er auch vom Matriarchat ohne sich die Mühe zu machen, genau hinzuschauen.



EPILOG AUF DER ERDE

Um Betrand Russell ans 21 Jahrhundert anzupassen: "Es ist ein Junge oder ein Mädchen, in 99% aller Fälle. In den anderen kann man's nicht genau sagen." Wer hat eigentlich diesen vermaledeiten Satz vom ausgeschlossenen Dritten in die Welt gesetzt?
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zelig
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Beiträge: 25404

Beitrag(#2175444) Verfasst am: 20.04.2019, 16:36    Titel: Antworten mit Zitat

Interessantes Interview.

Zitat:
DER SPIEGEL: And little by little, cowardice wrote itself into our genes.

Wrangham: Yes. And the fossil record suggests that the domestication process even accelerated.


Könnte man an der Stelle darüber diskutieren, ob "Feigheit" überhaupt noch die zutreffende Umschreibung für eine Eigenschaft ist, die in langen Zeiträumen transformiert wurde? Sprich: Nicht Angst, Gewalt und Unterwerfung beschreiben das Setting, sondern vielleicht eher Einsicht, Mitgefühl und Gewaltlosigkeit in der Erziehung.
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fwo
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Beiträge: 25829
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2175448) Verfasst am: 20.04.2019, 21:10    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
PROLOG IM HIMMEL

Bertrand Russell wurde Vater.
Natürlich kam die Frage:"ist es ein Junge oder ein Mädchen?"
Darauf Russell: "Ja, was soll es sonst sein?"



fwo hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Um das Thema nicht ganz aus den Augen zu verlieren:

Es gibt einen kleinen, aber deutlichen Sexualdiphormismus beim Menschen. Ist er Resultat natürlicher oder sexueller Selektion?

Weiter heißt es, Frauen sein religiöser als Männer. Stimmt das? Falls ja, warum?

Warum schließen sich natürlich und sexuelle Selektion eigentlich aus?

Tun sie auch nicht. War nicht als entweder-oder gemeint.

fwo hat folgendes geschrieben:
Edukir hat für mich eindeutig gezeigt, dass die männliche Figur eine Anpassung an das Werfen darstellt - und wir können davon ausgehen, dass es damals keine olympischen Spiele gab, um den besten Werfer als obersten Befruchter zu küren. Dann sollten wir davon ausgehen, dass die Frauen an der typisch männlichen Y-Figur die wurfstärksten Männchen und damit erfolgversprechendsten Jäger erkannt haben. Wo ist da das Problem?

Kein Problem, passt schon.

Obwohl - aus dem Stand würd' ich nicht alle losen Enden zusammenbringen. Werfen macht relativ wenig Sinn, wenn man die Nahrung nicht kochen kann. Regelmäßig kochen kam erst vor 400 000 Jahren. Sollte werfen auch erst so spät kommen, was macht man die 1,5 Mio. Jahre vorher? Usw. Ist ein anderer Thread.

Noch ein Problem. Männliche Perspektive. Warum sollte ich mich als Frühmenschen-Mädchen an breiten Schultern orientieren, der tatsächliche Jagderfolg wäre ein besserer Indikator. Jäger-und-Sammler sehen ohnehin nicht aus wie der David bei Michelangelo.
...

Das Werfen kam viel früher (ich habe im Moment keinen Zugriff auf Edukirs Arbeit, reiche ich nach.) Wenn ich mir die Darmlänge der Carnivoren ansehe, gehe ich auch davon aus, dass wir das Kochen eher zur Erleichterung des Verdauens von Pflanzen brauchen als zum Verdauen von Fleisch.

Es ist auch nicht klar, ob das Werfen von Anfang an eine Jagdmethode war, es kann auch am Anfang mehr eine Verteidigungsmethode gewesen sein, nachdem man in ein Habitat gewechselt war, in dem nicht mehr genug Bäume als Fluchtmöglichkeit standen.

Das mit dem erfolgreichsten Jäger ist so eine Sache: Das ganze fing lange vor der Existenz der Sprache und damit auch vor der Möglichkeit des logischen Denkens und der "Zeitreisen" (=Erinnerung) an. Das ist eine Sache, über die sich übrigens auch Wrangham nicht im klaren ist, wenn er formuliert:
Wrangham hat folgendes geschrieben:
Well, it's quite dangerous to rebel against the alpha male. The one who throws the first stone will risk his life. No lion or chimpanzee would dare to do that. Only humans were able to squat together and whisper: "Let's meet at the big stone, then attack and kill him.
"
Einen derartigen Plan gemeinsam auszuhecken bedarf der abstrakten Sprache - die kommt in ihrer minimalen Ausprägung frühestens vor 100 000 Jahren. Da ist aber das Wesentliche der genetischen Menschwerdung schon gelaufen.

Was aber bis dahin, wie man an den Steinwerkzeugen sehen kann, schon vorhanden war, das war die Tradition praktischen Wissens, das sich ganz langsam mehrte. Die richtige kulturelle Revolution beginnt mit der Sprache. Aber die Kulturbedingtheit des heutigen Menschen kommt bei Wrangham nicht vor - er ist, auch wenn er ihm inhaltlich widerspricht, noch viel zu sehr in der Denkweise Lorenz' verhaftet und sucht zu stark nach genetisch selektierten Eigenschaften.
_________________
Ich glaube an die Existenz der Welt in der ich lebe.

The skills you use to produce the right answer are exactly the same skills you use to evaluate the answer. Isso.

Es gibt keinen Gott. Also: Jesus war nur ein Bankert und alle Propheten hatten einfach einen an der Waffel (wenn es sie überhaupt gab).
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fwo
Caterpillar D9



Anmeldungsdatum: 05.02.2008
Beiträge: 25829
Wohnort: im Speckgürtel

Beitrag(#2175449) Verfasst am: 20.04.2019, 21:19    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Interessantes Interview.

Zitat:
DER SPIEGEL: And little by little, cowardice wrote itself into our genes.

Wrangham: Yes. And the fossil record suggests that the domestication process even accelerated.


Könnte man an der Stelle darüber diskutieren, ob "Feigheit" überhaupt noch die zutreffende Umschreibung für eine Eigenschaft ist, die in langen Zeiträumen transformiert wurde? Sprich: Nicht Angst, Gewalt und Unterwerfung beschreiben das Setting, sondern vielleicht eher Einsicht, Mitgefühl und Gewaltlosigkeit in der Erziehung.

Einsicht, Mitgefühl und Gewaltlosigkeit sind ziemlich wurscht - denk an die Spartaner, die erfolgreich waren, weil sie anders erzogen haben, oder auch an die Taliban aus den Koranschulen.

Trotzdem glaube ich, dass Du dichter an der Menschwerdung bist als Wrangham, einfach, weil Du die Erziehung erwähnst. (s.o. in meiner Antwort an smallie)
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2175450) Verfasst am: 20.04.2019, 21:24    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:

Einen derartigen Plan gemeinsam auszuhecken bedarf der abstrakten Sprache - die kommt in ihrer minimalen Ausprägung frühestens vor 100 000 Jahren. Da ist aber das Wesentliche der genetischen Menschwerdung schon gelaufen.

Zwei Anmerkungen dazu: Zum einem, woher nimmst du diese definitive Jahreszahl? Meines Wissens gibt es darüber bisher keine einheitliche wissenschaftliche Meinung. 100.000 Jahre scheint eher eine minimale Annahme zu sein.
Zum anderen, ist die Behauptung, die Fähigkeit zu sprechen habe sich erst nach dem Abschluß der "genetischen Menschwerung" entwickelt, nicht ein Widerspruch in sich? Ist doch eben diese Fähigkeit ein wesentlicher Bestandteil des Menschseins, und ohne genetisch Entwicklung kaum zu denken. Irgendetwas stimmt in deiner Argumentation nicht.
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2175451) Verfasst am: 20.04.2019, 21:28    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:

Einsicht, Mitgefühl und Gewaltlosigkeit sind ziemlich wurscht - denk an die Spartaner, die erfolgreich waren, weil sie anders erzogen haben, oder auch an die Taliban aus den Koranschulen.

Gewaltlosigkeit ist solange kein erfolgversprechendes Konzept, solange es keine stabilen Gewaltmonopole gibt. Auch diese setzen übrigens Gewalt voraus, nur kann eine immer größere Zahl von Menschen sich einreden, Gewaltlosigkeit sei sozusagen der Normalfall. Was es allerdings in der bisherigen Menschheitsgeschichte noch nie war.
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beachbernie
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Beitrag(#2175454) Verfasst am: 20.04.2019, 22:11    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:

Einsicht, Mitgefühl und Gewaltlosigkeit sind ziemlich wurscht - denk an die Spartaner, die erfolgreich waren, weil sie anders erzogen haben, oder auch an die Taliban aus den Koranschulen.

Gewaltlosigkeit ist solange kein erfolgversprechendes Konzept, solange es keine stabilen Gewaltmonopole gibt. Auch diese setzen übrigens Gewalt voraus, nur kann eine immer größere Zahl von Menschen sich einreden, Gewaltlosigkeit sei sozusagen der Normalfall. Was es allerdings in der bisherigen Menschheitsgeschichte noch nie war.



Einspruch!

Wenn die Menschheitsgeschichte etwas gezeigt hat, dann ist es, dass nicht Gewalt, sondern die Abwesenheit von Gewalt der Normalfall ist, sonst haette die Fortpflanzungsrate des Menschen absolut nicht ausgereicht um ihn als Art überleben zu lassen.
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Lebensnebel
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Beitrag(#2175455) Verfasst am: 20.04.2019, 22:19    Titel: Antworten mit Zitat

beachbernie hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:

Einsicht, Mitgefühl und Gewaltlosigkeit sind ziemlich wurscht - denk an die Spartaner, die erfolgreich waren, weil sie anders erzogen haben, oder auch an die Taliban aus den Koranschulen.

Gewaltlosigkeit ist solange kein erfolgversprechendes Konzept, solange es keine stabilen Gewaltmonopole gibt. Auch diese setzen übrigens Gewalt voraus, nur kann eine immer größere Zahl von Menschen sich einreden, Gewaltlosigkeit sei sozusagen der Normalfall. Was es allerdings in der bisherigen Menschheitsgeschichte noch nie war.



Einspruch!

Wenn die Menschheitsgeschichte etwas gezeigt hat, dann ist es, dass nicht Gewalt, sondern die Abwesenheit von Gewalt der Normalfall ist, sonst haette die Fortpflanzungsrate des Menschen absolut nicht ausgereicht um ihn als Art überleben zu lassen.


Würde ich nicht sagen. In Afghanistan wird seit Jahrzehnten Krieg geführt und die Bevölkerung nimmt zu.

Edith: Oder schau mal Mexiko oder Somalia an.
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beachbernie
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Beitrag(#2175457) Verfasst am: 20.04.2019, 22:46    Titel: Antworten mit Zitat

Lebensnebel hat folgendes geschrieben:
beachbernie hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:

Einsicht, Mitgefühl und Gewaltlosigkeit sind ziemlich wurscht - denk an die Spartaner, die erfolgreich waren, weil sie anders erzogen haben, oder auch an die Taliban aus den Koranschulen.

Gewaltlosigkeit ist solange kein erfolgversprechendes Konzept, solange es keine stabilen Gewaltmonopole gibt. Auch diese setzen übrigens Gewalt voraus, nur kann eine immer größere Zahl von Menschen sich einreden, Gewaltlosigkeit sei sozusagen der Normalfall. Was es allerdings in der bisherigen Menschheitsgeschichte noch nie war.



Einspruch!

Wenn die Menschheitsgeschichte etwas gezeigt hat, dann ist es, dass nicht Gewalt, sondern die Abwesenheit von Gewalt der Normalfall ist, sonst haette die Fortpflanzungsrate des Menschen absolut nicht ausgereicht um ihn als Art überleben zu lassen.


Würde ich nicht sagen. In Afghanistan wird seit Jahrzehnten Krieg geführt und die Bevölkerung nimmt zu.

Edith: Oder schau mal Mexiko oder Somalia an.



Die heutige Zeit ist dadurch gekennzeichnet, dass es dem Menschen gelungen ist die biologischen Beschränkungen seiner Art weitgehend ausser Kraft zu setzen. Deshalb kann man aktuelle Gegenbeispiele nur sehr begrenzt gelten lassen. An unserer Lebensweise ist nichts mehr natuerlich. Viele Menschen werden heutzutage alt, die vor nicht allzulanger Zeit noch nicht mal ihre Kindheit überlebt haetten.

Ob die Afghanen sich auch noch vermehren wuerden, wenn sie sich weiter so hirnlos kloppen wie gehabt, aber keinen Zugang zu moderner Medizin und internationaler Lebensmittelhilfe haetten? Ich habe so meine Zweifel daran... zwinkern
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Marcellinus
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Beitrag(#2175459) Verfasst am: 20.04.2019, 23:05    Titel: Antworten mit Zitat

beachbernie hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:

Einsicht, Mitgefühl und Gewaltlosigkeit sind ziemlich wurscht - denk an die Spartaner, die erfolgreich waren, weil sie anders erzogen haben, oder auch an die Taliban aus den Koranschulen.

Gewaltlosigkeit ist solange kein erfolgversprechendes Konzept, solange es keine stabilen Gewaltmonopole gibt. Auch diese setzen übrigens Gewalt voraus, nur kann eine immer größere Zahl von Menschen sich einreden, Gewaltlosigkeit sei sozusagen der Normalfall. Was es allerdings in der bisherigen Menschheitsgeschichte noch nie war.



Einspruch!

Wenn die Menschheitsgeschichte etwas gezeigt hat, dann ist es, dass nicht Gewalt, sondern die Abwesenheit von Gewalt der Normalfall ist, sonst haette die Fortpflanzungsrate des Menschen absolut nicht ausgereicht um ihn als Art überleben zu lassen.

Nur weil man feststellt, daß.Gewalt ein integraler Bestandteil menschlicher Beziehungen ist, heißt das ja noch nicht, daß sie auch ständig eingesetzt wurde und wird. Im Gegenteil, gerade weil alle Menschen die meiste Zeit unserer Geschichte gewußt haben, daß.Gewalt jeder Zeit eine Möglichkeit war, und die Menschen darauf vorbereitet und auch darin geübt waren, blieb sie in der Praxis eine leider nicht allzu seltene Ausnahme.
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Wohnort: Stuttgart

Beitrag(#2175460) Verfasst am: 20.04.2019, 23:15    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
beachbernie hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:

Einsicht, Mitgefühl und Gewaltlosigkeit sind ziemlich wurscht - denk an die Spartaner, die erfolgreich waren, weil sie anders erzogen haben, oder auch an die Taliban aus den Koranschulen.

Gewaltlosigkeit ist solange kein erfolgversprechendes Konzept, solange es keine stabilen Gewaltmonopole gibt. Auch diese setzen übrigens Gewalt voraus, nur kann eine immer größere Zahl von Menschen sich einreden, Gewaltlosigkeit sei sozusagen der Normalfall. Was es allerdings in der bisherigen Menschheitsgeschichte noch nie war.



Einspruch!

Wenn die Menschheitsgeschichte etwas gezeigt hat, dann ist es, dass nicht Gewalt, sondern die Abwesenheit von Gewalt der Normalfall ist, sonst haette die Fortpflanzungsrate des Menschen absolut nicht ausgereicht um ihn als Art überleben zu lassen.

Nur weil man feststellt, daß.Gewalt ein integraler Bestandteil menschlicher Beziehungen ist, heißt das ja noch nicht, daß sie auch ständig eingesetzt wurde und wird. Im Gegenteil, gerade weil alle Menschen die meiste Zeit unserer Geschichte gewußt haben, daß.Gewalt jeder Zeit eine Möglichkeit war, und die Menschen darauf vorbereitet und auch darin geübt waren, blieb sie in der Praxis eine leider nicht allzu seltene Ausnahme.

Angeblich wird die Menschheit immer friedlicher.
Wenn man Archäologen glauben darf, läßt sich an alte Grabstätten nachweisen, dass früher ein viel höheren Prozentsatz an Gewaltanwendung gestorben ist.
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Sich stets als unschuldiges Opfer äußerer Umstände oder anderer Menschen anzusehen ist die perfekte Strategie für lebenslanges Unglücklichsein.

Grenzen geben einem die Illusion, das Böse kommt von draußen
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fwo
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Beitrag(#2175465) Verfasst am: 21.04.2019, 02:08    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:

Einen derartigen Plan gemeinsam auszuhecken bedarf der abstrakten Sprache - die kommt in ihrer minimalen Ausprägung frühestens vor 100 000 Jahren. Da ist aber das Wesentliche der genetischen Menschwerdung schon gelaufen.

Zwei Anmerkungen dazu: Zum einem, woher nimmst du diese definitive Jahreszahl? Meines Wissens gibt es darüber bisher keine einheitliche wissenschaftliche Meinung. 100.000 Jahre scheint eher eine minimale Annahme zu sein.

Die Zahl 100 000 ist von Robin Dunbar. Ich habe auch schon mal geschrieben, warum ich sie für passend halte:
Sobald der Mensch die Fähigkeit besitzt, gemeinsam zu denken, das ist das, was wir im Gespräch tun, muss sich das im archäologischen Befund niederschlagen, und zwar in einer Beschleunigung der technischen Entwicklung. Denn Sprache ermöglicht nicht nur gemeinsames Denken, sondern auch das Sammeln theoretischen Wissens bereits in der Vergrößerung des Vokabulars.
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Zum anderen, ist die Behauptung, die Fähigkeit zu sprechen habe sich erst nach dem Abschluß der "genetischen Menschwerdung" entwickelt, nicht ein Widerspruch in sich? Ist doch eben diese Fähigkeit ein wesentlicher Bestandteil des Menschseins, und ohne genetisch Entwicklung kaum zu denken. Irgendetwas stimmt in deiner Argumentation nicht.

Um aus normalen Affen Menschen zu machen, bedurfte es weniger Eigenschaften: der akkumulierenden Kultur, mit der Basis der präzisen Kopie der elterlichen Kultur. Tomasello hat gezeigt, dass ein wesentlicher Unterschied zwischen dem Lernen bei Menschen und anderen Affen darin besteht, dass Menschen durch Nachahmung lernen: Wenn man uns Blödsinn vormacht, machen wir tatsächlich Blödsinn nach. Und das liegt daran, dass wir ab einem Alter von ungefähr 9 Monaten den anderen als intentionales Wesen begreifen. Dazu kommt, dass Menschen sich auf Gegenstände gemeinsamen Interesses einigen: Im Gegensatz zu anderen Affen, die lernen können, auf einen Gegenstand zu zeigen, um zu signalisieren, dass sie ihn haben wollen, beginnen Menschenkinder irgendwann, auf Gegenstände zu zeigen, um Kommunikationsabsichten zu diesem Gegenstand zu signalisieren. Sobald dazu ein Verhalten kommt, mit Lauten nicht mehr nur - wie im übrigen Tierreich - die eigene Gestimmtheit zu signalisieren, sondern den Gegenstand des gemeinsamen Interesses zu meinen, haben wir die Grundvoraussetzungen für Sprache schon geschaffen. Die Sprache selbst kann aber nur kulturell entstehen, also am Beginn nicht mit großer Funktionalität und nach unseren Maßstäben quälend langsam, bis sie soweit war, zum individuellen wie zum gemeinsamen Denken zu taugen.

Der wesentliche Teil der Menschwerdung, also die Entwicklung dessen, was uns so offensichtlich von den anderen Affen trennt, geschieht im Anschluss an die Evolution der genetischen Voraussetzungen dazu in einer kulturellen Evolution.
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beachbernie
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Beitrag(#2175472) Verfasst am: 21.04.2019, 08:41    Titel: Antworten mit Zitat

vrolijke hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
beachbernie hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:

Einsicht, Mitgefühl und Gewaltlosigkeit sind ziemlich wurscht - denk an die Spartaner, die erfolgreich waren, weil sie anders erzogen haben, oder auch an die Taliban aus den Koranschulen.

Gewaltlosigkeit ist solange kein erfolgversprechendes Konzept, solange es keine stabilen Gewaltmonopole gibt. Auch diese setzen übrigens Gewalt voraus, nur kann eine immer größere Zahl von Menschen sich einreden, Gewaltlosigkeit sei sozusagen der Normalfall. Was es allerdings in der bisherigen Menschheitsgeschichte noch nie war.



Einspruch!

Wenn die Menschheitsgeschichte etwas gezeigt hat, dann ist es, dass nicht Gewalt, sondern die Abwesenheit von Gewalt der Normalfall ist, sonst haette die Fortpflanzungsrate des Menschen absolut nicht ausgereicht um ihn als Art überleben zu lassen.

Nur weil man feststellt, daß.Gewalt ein integraler Bestandteil menschlicher Beziehungen ist, heißt das ja noch nicht, daß sie auch ständig eingesetzt wurde und wird. Im Gegenteil, gerade weil alle Menschen die meiste Zeit unserer Geschichte gewußt haben, daß.Gewalt jeder Zeit eine Möglichkeit war, und die Menschen darauf vorbereitet und auch darin geübt waren, blieb sie in der Praxis eine leider nicht allzu seltene Ausnahme.

Angeblich wird die Menschheit immer friedlicher.
Wenn man Archäologen glauben darf, läßt sich an alte Grabstätten nachweisen, dass früher ein viel höheren Prozentsatz an Gewaltanwendung gestorben ist.


Und ausserdem werden die Menschen immer mehr. Passt.
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Marcellinus
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Beitrag(#2175555) Verfasst am: 22.04.2019, 17:53    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
fwo hat folgendes geschrieben:

Einen derartigen Plan gemeinsam auszuhecken bedarf der abstrakten Sprache - die kommt in ihrer minimalen Ausprägung frühestens vor 100 000 Jahren. Da ist aber das Wesentliche der genetischen Menschwerdung schon gelaufen.

Zwei Anmerkungen dazu: Zum einem, woher nimmst du diese definitive Jahreszahl? Meines Wissens gibt es darüber bisher keine einheitliche wissenschaftliche Meinung. 100.000 Jahre scheint eher eine minimale Annahme zu sein.

Die Zahl 100 000 ist von Robin Dunbar. Ich habe auch schon mal geschrieben, warum ich sie für passend halte:
Sobald der Mensch die Fähigkeit besitzt, gemeinsam zu denken, das ist das, was wir im Gespräch tun, muss sich das im archäologischen Befund niederschlagen, und zwar in einer Beschleunigung der technischen Entwicklung. Denn Sprache ermöglicht nicht nur gemeinsames Denken, sondern auch das Sammeln theoretischen Wissens bereits in der Vergrößerung des Vokabulars.


Ja, Sprache ermöglicht gemeinsames Denken, aber wenn ich das wenige, was ich so schnell über Dunbar gefunden habe, richtig verstehe, meinte er vor allem Sprache als „soziales Kraulen“, als die Voraussetzung der Bildung größerer Gruppen. Hier findet sich ein, wie ich finde, brauchbarer Ansatz, nämlich die Vorstellung, die Sprachentwicklung sei die Voraussetzung schon der Entwicklung der Steinwerkzeuge gewesen, etwas, was du offenbar anderes siehst. Da hättest du dann übrigens auch deinen technischen Fortschritt, nur locker ein paar hunderttausend Jahre eher.

Was die Behauptung betrifft, technischer Fortschritt sei die automatische, notwendige und sofortige Folge menschlicher Sprache gewesen, spricht die beobachtbare Wirklichkeit dagegen. Die neuzeitlichen Menschen gibt es in Europa seit ca. 40.000 Jahren. Das sind ca. 1500 Generationen, wenn nicht mehr. Wie viele technische Fortschritte konnte man da in den ersten 30.000 Jahren beobachten? Dann die Neolithische Revolution. Auch die ist nach neuen Erkenntnissen kein Fortschritt gewesen, der überall stattgefunden hätte, sondern eine Verdrängung der Jäger und Sammler in Nordeuropa durch Bauern aus der Gegend um Anatolien.

Ich würde also als Gegenthese aufstellen, daß technischer Fortschritt zumindest auf der Ebene der Steinzeit etwas ist, das, wenn überhaupt, nur sehr vereinzelt auftritt. Die meiste Zeit sind die Menschen offenbar vollkommen damit ausgelastet und auch zufrieden gewesen, das Wissen der einen Generation an die nächste weiterzugeben. Beispiele für menschliche Zivilisationen, die vollkommen ohne technischen Fortschritt auskommen, gibt es übrigens auch heute noch.

Damit entfällt meiner Ansicht nach dein wesentliches Argument. Menschen können also die Fähigkeit der Sprache besitzen, ohne daß das technischen Fortschritt zur Folge haben muß. Genauer gesagt ist Fortschritt in der menschlichen Geschichte eher die Ausnahme als die Regel gewesen. Erst mit der „Erfindung“ der Landwirtschaft beschleunigt sich der menschliche Erfindergeist.

Meine Theorie: Menschen erfinden nur dann etwas, wenn es gar nicht mehr anders geht, wenn die Widersprüche im täglichen Leben zwischen dem, was ist und dem, was man möchte, so groß geworden sind, daß einzelne sich genötigt sehen, zum Tüftler zu werden. Wenn die gesellschaftlichen Veränderungen erst einmal ein gewisses Tempo erreicht haben, entstehen mit jeder technischen Lösung auch immer zwei oder drei neue Probleme. Der Fortschritt treibt sich von da ab an selbst, und man kriegt ihn auch so schnell nicht mehr in die Flasche.

fwo hat folgendes geschrieben:
Der wesentliche Teil der Menschwerdung, also die Entwicklung dessen, was uns so offensichtlich von den anderen Affen trennt, geschieht im Anschluss an die Evolution der genetischen Voraussetzungen dazu in einer kulturellen Evolution.

Wenn ich dich richtig verstehen, hieße das, da sei zuerst biologisch die Fähigkeit zu denken und zu sprechen entstanden, die aber niemand genutzt habe. Und dann, bääm!, hätte sich die Sprache entwickelt und damit hätten unsere Vorfahren auch plötzlich entdeckt, daß sie denken können. Du bist der Biologe, nicht ich, aber das kannst du nicht gemeint haben.

Also kurz zusammengefaßt: Nach meiner Ansicht sind die Entwicklung der Sprache und des damit verbundenen Denkens ein wechselseitiger Prozeß als biologischer Evolution und sozialer (kultuereller) Entwicklung, das eine nicht ohne das andere zu denken. Diese Sprachentwicklung hat vor allem die Entwicklung menschlicher Gruppen möglich gemacht, und nebenher auch ein paar technische Entwicklung ermöglicht. Die eigentliche Dynamik des technischen Fortschritts setzt aber erst sehr viel später ein, als es die Sprachen längst gab, und hat auch andere, soziale Ursachen.
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smallie
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Beitrag(#2175556) Verfasst am: 22.04.2019, 18:03    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
Interessantes Interview.

Wrangham schafft es, Jäger-Sammler-Egalitarismus so zu verdrehen, daß am Ende etwas herauskommt, das er mit der amerikanischen Verfassung gleichsetzt und sich wie das chinesische Sozialpunkte-Modell anfühlt.

Wer Egalitarismus nicht bereits kennt, wird diese Stelle über die Regeln falsch verstehen.

Wrangham hat folgendes geschrieben:
Wrangham: irgendwann vereinigten sich die Beta-Männer (Beta-Menschen) gegen den Machthaber. Dann erkannten sie, daß sie nun selbst die Macht hatten, jeden in der Gruppe zu töten. Sie gaben sich Regeln für's Zusammenleben und jeder, der sie brach, hatte den Tod zu fürchten. Auf diese Weise wurden die Regeltreuen von der Evolution bevorzugt.

Die Regel lautet: Herrsche nicht über andere.

(Und: Teile deine Beute.)


Wrangham hat folgendes geschrieben:
SPIEGEL: Unterwürfigkeit [submission] hat uns zu moralischen Wesen gemacht?
Wrangham: Sie haben es griffig formuliert.

Zu griffig.

Person A: "Hör auf, mich zu schlagen, sonst kriegste selber aufs Maul."
Person B: "Hilfe! Du willst mich unterwerfen!"


Wrangham hat folgendes geschrieben:
Es mag enttäuschend sein. Aber ich fürchte, Moral entstand, um nicht Ziel des Zorns der Gemeinschaft zu werden.

Ernsthaft?

    Moral entstand, damit mich der Zorn der Gesellschaft nicht trifft, der von einer meiner unmoralischen Handlungen angefacht wurde.

Wrangham sollte fragen, warum manche Handlungen Zorn auslösen. Warum regt es die Leute auf, wenn ich sage, hey, ihr zwei, baut mir ein Kanu, du gibst mir deinen Speer und den da mag ich nicht, den hau ich um. Die Antwort sollte leicht fallen. Sie ist auch schon länger bekannt:

    Eine Handlung ist unmoralisch, wenn sie Einzelnen ungerechtfertigte Vorteile verschafft auf Kosten anderer.



zelig hat folgendes geschrieben:
Zitat:
DER SPIEGEL: And little by little, cowardice wrote itself into our genes.

Wrangham: Yes. And the fossil record suggests that the domestication process even accelerated.


Könnte man an der Stelle darüber diskutieren, ob "Feigheit" überhaupt noch die zutreffende Umschreibung für eine Eigenschaft ist, die in langen Zeiträumen transformiert wurde?

Hier überhaupt von Feigheit zu sprechen, ist irreführend.

    Feige sein = etwas zu unterlassen, mit dem man durchkommen hätte können.
    Tollkühn sein = etwas zu tun, mit dem man eher nicht durchkommen wird.

Ein Möchtegern-Häuptling, der darauf verzichtet, sich mit einer Überzahl anzulegen, ist nicht feige, sondern vernünftig.

Der bessere Begriff wäre vielleicht Zurückhaltung, realistische Selbsteinschätzung oder so etwas.


zelig hat folgendes geschrieben:
Sprich: Nicht Angst, Gewalt und Unterwerfung beschreiben das Setting, sondern vielleicht eher Einsicht, Mitgefühl und Gewaltlosigkeit in der Erziehung.

Das ist ein Entweder/Oder-Satz. zwinkern

Ich halte beides für richtig, jedoch zu unterschiedlichen Zeiten. Einsicht und Mitgefühl nahmen auf dem Weg vom Affen zum Jäger-und-Sammler zu. Die Gewalt entwickelte sich auf dem Weg vom Jäger-und-Sammler zum Landwirt.

Angst, Gewalt und Unterwerfung - das ist ein Ackerbauer- und Viehzüchter-Ding. Bei Jägern-und-Sammlern greift das nicht, weil sie lose Gruppen sind. Wenn's Einzelnen oder einer Fraktion in einem Stamm nicht mehr gefällt, dann schließen sie sich einem anderen Stamm an oder machen ihren eigenen auf.

Das Selbe aus einem anderen Winkel betrachtet:

Angst, Gewalt und Unterwerfung machen krank. Robert Sapolski: ein rangniedriger Primat ist ein kranker Primat. Zunehmend egalitär organisierte Frühmenschen haben hier einen Vorteil gegenüber Spätaffen mit Rang- und Hackordnung.

Die Weibchen würden davon am meisten profitieren, denn sie stehen samt und sonder rangmäßig unter den Männchen, sagt Wrangham:

Wrangham hat folgendes geschrieben:
Wrangham: Take the behavior of males on the threshold of adulthood: They almost ritually attack one female after the other until each one shows signs of submission. Only when a male has achieved physical dominance over every single female is he able to enter the male hierarchy and compete there for the highest possible rank.


Wrangham glaubt, daß Frauen auch bei den Frühmenschen von den Männern dominiert wurden - was umstritten ist:

Wrangham hat folgendes geschrieben:
... even the fact that the Declaration of Independence only mentions men, but not women, corresponds to the situation in communities of hunters and gatherers. Egalitarianism among them only applies to men. Women, on the other hand, are dominated by men.

Christopher Boehm behauptet das auch. Peter Gray behauptet das Gegenteil, wie auch das Zitat im nächsten Beitrag.


fwo hat folgendes geschrieben:
Einsicht, Mitgefühl und Gewaltlosigkeit sind ziemlich wurscht ...

Ja, genau. Zustimmung

Gleichzeitig hängt Dunbar die Rekonstruktion der Menschheitsgeschichte an der Frage auf: wo kriegen die genug zu Fressen her, um sich ein größeres Gehirn leisten zu können, das genug Einsicht und Mitgefühl produziert, um auch in größeren sozialen Gruppen leben zu können.


fwo hat folgendes geschrieben:
... - denk an die Spartaner, die erfolgreich waren, weil sie anders erzogen haben

Wo sind die Spartaner heute?
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Zuletzt bearbeitet von smallie am 22.04.2019, 18:18, insgesamt 2-mal bearbeitet
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smallie
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Beitrag(#2175561) Verfasst am: 22.04.2019, 18:12    Titel: Antworten mit Zitat

Eine Gegenmeinung zu Wrangham. Außerdem on-topic:


Zitat:
A Bold New Theory Proposes That Humans Tamed Themselves

... it is indeed true that human hunter-gatherers, whose societies exist without governments, sometimes collectively eliminate bad actors. But such actions are rare, as the Canadian anthropologist Richard Lee emphasized in his extensive studies of the !Kung, which include the report of an unusual case: After a certain man killed at least two people, several other men ambushed and killed him.

My own two years with the !Kung point to a more robust possible selection process for winnowing out aggression: female choice. Women in most hunter-gatherer groups, as I learned in the course of my experience in the field, are closer to equality with men than are women in many other societies.

Evolutionary logic suggests that young women and their parents, in choosing less violent mates through the generations, could provide steady selection pressure toward lower reactive aggression—steadier pressure than infrequent dramas of capital punishment could. (Female bonobo coalitions would seem primed to serve a similar taming function.)

https://www.theatlantic.com/magazine/archive/2019/03/how-humans-tamed-themselves/580447/


PS:

Im letzten Absatz fehlt das Argument, warum die Sache überhaupt klappt.
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step
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Beitrag(#2175562) Verfasst am: 22.04.2019, 18:24    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Wrangham hat folgendes geschrieben:
Es mag enttäuschend sein. Aber ich fürchte, Moral entstand, um nicht Ziel des Zorns der Gemeinschaft zu werden.
Ernsthaft?

    Moral entstand, damit mich der Zorn der Gesellschaft nicht trifft, der von einer meiner unmoralischen Handlungen angefacht wurde.

Wrangham sollte fragen, warum manche Handlungen Zorn auslösen. Warum regt es die Leute auf, wenn ich sage, hey, ihr zwei, baut mir ein Kanu, du gibst mir deinen Speer und den da mag ich nicht, den hau ich um. Die Antwort sollte leicht fallen. Sie ist auch schon länger bekannt:

    Eine Handlung ist unmoralisch, wenn sie Einzelnen ungerechtfertigte Vorteile verschafft auf Kosten anderer.

Hmm ... und was ist ungerechtfertigt? Doch nicht etwa das, was die Gemeinschaft dafür hält?

Vielleicht so: Gerechtfertigt ist das Erwartbare, also das, worauf man sich geeinigt hat, worauf man sich verlassen kann. Moral entstand, um die Verläßlichkeit innerhalb der Gruppe zu erhöhen.

Außerdem stört mich die implizite Gleichsetzung von Moral und Gewaltfreiheit. Moral kann auch zu mehr Gewalt führen, z.B. wenn es gegen konkurrierende Stämme geht, oder um die Durchsetzung einer funktionierenden Hierarchie innerhalb der Gruppe.
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Marcellinus
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Beitrag(#2175565) Verfasst am: 22.04.2019, 18:36    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:

fwo hat folgendes geschrieben:
... - denk an die Spartaner, die erfolgreich waren, weil sie anders erzogen haben

Wo sind die Spartaner heute?

Nichts auf dieser Welt hält ewig, auch das schönste Ding wird schäbig! Die Spartaner sind übrigens nicht an ihrer zu hohen Gewaltbereitschaft gescheitert, sondern einem ökonomischen Monopolisierungsprozeß. Um spartanischer Vollbürger zu sein, mußtest du ein Landlos besitzen. Durch Heiraten gerieten diese Landlose in die Hände von immer weniger spartanischen Familien, während immer mehr Spartaner "landlos" wurden, und damit sich die Zahl der Spartiaten immer mehr verringerte. Da die Spartiaten aber die besten Krieger stellten, konnte sich der spartanische Staat immer weniger gegenüber seinen Gegnern behaupten. Als die Spartaner dann bei Leuktra 371 v.d.Z. in offener Feldschlacht von den Thebanern geschlagen wurden, war der Nimbus der Unbesiegbarkeit dahin.
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Marcellinus
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Beiträge: 7429

Beitrag(#2175566) Verfasst am: 22.04.2019, 18:39    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Wrangham hat folgendes geschrieben:
Es mag enttäuschend sein. Aber ich fürchte, Moral entstand, um nicht Ziel des Zorns der Gemeinschaft zu werden.
Ernsthaft?

    Moral entstand, damit mich der Zorn der Gesellschaft nicht trifft, der von einer meiner unmoralischen Handlungen angefacht wurde.

Wrangham sollte fragen, warum manche Handlungen Zorn auslösen. Warum regt es die Leute auf, wenn ich sage, hey, ihr zwei, baut mir ein Kanu, du gibst mir deinen Speer und den da mag ich nicht, den hau ich um. Die Antwort sollte leicht fallen. Sie ist auch schon länger bekannt:

    Eine Handlung ist unmoralisch, wenn sie Einzelnen ungerechtfertigte Vorteile verschafft auf Kosten anderer.

Hmm ... und was ist ungerechtfertigt? Doch nicht etwa das, was die Gemeinschaft dafür hält?

Vielleicht so: Gerechtfertigt ist das Erwartbare, also das, worauf man sich geeinigt hat, worauf man sich verlassen kann. Moral entstand, um die Verläßlichkeit innerhalb der Gruppe zu erhöhen.

Außerdem stört mich die implizite Gleichsetzung von Moral und Gewaltfreiheit. Moral kann auch zu mehr Gewalt führen, z.B. wenn es gegen konkurrierende Stämme geht, oder um die Durchsetzung einer funktionierenden Hierarchie innerhalb der Gruppe.

"Moral" im allgemeinen hat mit unserer Vorstellung von Moral nichts zu tun. Moral war und ist einfach ein Regelsystem innerhalb von Gruppen oder Gesellschaften. Kurz: unsere Moral ist nicht DIE Moral. zwinkern
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Ahriman
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Beitrag(#2175632) Verfasst am: 23.04.2019, 10:17    Titel: Antworten mit Zitat

Sprache und technischer Fortschritt geht nicht unbedingt zusammen. Wenn in den alten Zeiten ein Handwerker einen Dreh herausfand, wie er irgendwas besser machen konnte als die anderen hat er das keinesfalls weitererzählt - im Gegenteil. Und heute zerbrechen sich die Restauratoren die Köpfe, wie man das damals gemacht hat. Genau das Problem hat man jetzt wieder bei Notre Dame.
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fwo
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Beitrag(#2175642) Verfasst am: 23.04.2019, 12:10    Titel: Antworten mit Zitat

Ahriman hat folgendes geschrieben:
Sprache und technischer Fortschritt geht nicht unbedingt zusammen. Wenn in den alten Zeiten ein Handwerker einen Dreh herausfand, wie er irgendwas besser machen konnte als die anderen hat er das keinesfalls weitererzählt - im Gegenteil. Und heute zerbrechen sich die Restauratoren die Köpfe, wie man das damals gemacht hat. Genau das Problem hat man jetzt wieder bei Notre Dame.

Das Problem ist weniger, dass sie es nicht weitererzählt hätten - die hatten ihre Schüler, denen sie sehr wohl erzählt haben, was sie wussten, das Problem, das Du hier schilderst, besteht eher darin, dass sie es nicht aufgeschrieben haben, so dass das Wissen verloren ging, wenn die einzelnen Schulen erloschen. Das ist bei sehr vielen alten Handwerken so - auch das Schmieden von Damaszenerklingen musste experimentell wiederentdeckt werden.

Aber das ändert nichts daran, dass die Möglichkeit des abstrakten Denkens das Finden neuer Lösungen erleichtert, und abstraktes Denken ist genauso wie gemeinsames Denken nur in Sprache möglich. Aber dazu muss ich hier noch zwei längere Antworten geben, zu denen ich im Moment keine Zeit habe.
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smallie
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Beitrag(#2175774) Verfasst am: 24.04.2019, 16:41    Titel: Antworten mit Zitat

vrolijke hat folgendes geschrieben:
Angeblich wird die Menschheit immer friedlicher.

Halte ich für richtig, mit folgender Einschränkung:

vrolijke hat folgendes geschrieben:
Wenn man Archäologen glauben darf, läßt sich an alte Grabstätten nachweisen, dass früher ein viel höheren Prozentsatz an Gewaltanwendung gestorben ist.

Wie alt ist alt?

Von allen Höhlenmalereien der Steinzeit (also bis 12 000 vdZ) gibt es nur zwei mit Gewaltdarstellungen. Ob sie Krieg darstellen oder nicht, ist unklar. Für archäologische Funde, die nach Krieg aussehen, nennt Wikipedia ein Alter von 8 000 Jahren.

https://en.wikipedia.org/wiki/Prehistoric_warfare


Als Grundsatzüberlegung: Krieg bei Jägern-und-Sammler scheint ökonomisch unsinnig zu sein. Was könnte man gewinnen?
    - Die Leute leben von der Hand in den Mund. Es gibt keine Vorräte, die man erbeuten könnte.
    - Es gibt kaum wertvolle Güter. Du kannst einige Eßschüsseln rauben oder einige Speere. Was bringt es? Am Ende kannst du doch nur aus einer Schüssel essen und den Speer einmal werfen, dann rennt die Beute aufgeschreckt davon.
    - Sklaven- und Frauenraub klappt auch nicht, weil die bei nächstbester Gelegenheit fliehen werden.

Anders im landwirtschaftlichen Neolithikum:

    - Die Leute haben Vorräte und Viehbestände. Die lassen sich rauben.
    - Alternativ kann man den Leute ihre Existenzgrundlage lassen und sie zu jährlichem Tribut verpflichten.
    - Entlaufene Sklaven oder Frauen werden im nächsten oder übernächsten Dorf gefangen und ihrem rechtmäßigen Besitzer übergeben.



Darüber hinaus gibt es noch die These, daß es in besonders nahrungsreichen Küstenstreifen bereits früher zu Kämpfen um Territorium kam, zum Beispiel Südafrika, Blombos, etwa 80 000 vdZ. Das war die Zeit, in der die ersten symbolischen Marker auftraten, Muscheln als Schmuck zum Beispiel.
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smallie
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Beitrag(#2175778) Verfasst am: 24.04.2019, 17:53    Titel: Antworten mit Zitat

fwo hat folgendes geschrieben:
Das Werfen kam viel früher ...

Das denke ich auch.


fwo hat folgendes geschrieben:
Wenn ich mir die Darmlänge der Carnivoren ansehe, gehe ich auch davon aus, dass wir das Kochen eher zur Erleichterung des Verdauens von Pflanzen brauchen als zum Verdauen von Fleisch.

Das kenne ich anders:

Zitat:
Human Evolution
Robin Dunbar - 2014

Rohes Säugetierfleisch ist für Menschenaffen (einschließlich Menschen) nicht leicht verdaulich.

Hmm. Wenn das so ist, dann frage ich mich, was es mit Geschichten von Schimpansen auf sich hat, die andere Affen jagen und verspeisen. Wrangham meinte im Interview, seit dem er das gesehen habe, esse er kein Fleisch mehr.


fwo hat folgendes geschrieben:
Das mit dem erfolgreichsten Jäger ist so eine Sache: Das ganze fing lange vor der Existenz der Sprache und damit auch vor der Möglichkeit des logischen Denkens und der "Zeitreisen" (=Erinnerung) an.

Logisches Denken - ich möchte logisches Denken nicht grundsätzlich schlecht reden - aber Katja Ebstein hatte schon ein gutes Argument, als sie sagte, "Wenn du denkst du denkst, dann denkst du nur du denkst." Und das lange vor Daniel Kahnemann zwinkern

Euklid gilt weithin als Meilenstein im logischen Denken. Seiner Logik nach war es zwingend, daß sich Parallelen nie schneiden. Zweitausend Jahre lang ist dieser Denkfehler niemandem aufgefallen. Was im Kern am Satz des ausgeschlossenen Dritten liegt.

"Zeitreisen" (=Erinnerung) - Vampierfledermäuse merken sich, wer ihnen Blut gegeben hat, falls sie selbst mal leer ausgingen und revanchieren sich dann bevorzugt bei ihren Spendern.


fwo hat folgendes geschrieben:
Das ist eine Sache, über die sich übrigens auch Wrangham nicht im klaren ist, wenn er formuliert:
Wrangham hat folgendes geschrieben:
Well, it's quite dangerous to rebel against the alpha male. The one who throws the first stone will risk his life. No lion or chimpanzee would dare to do that. Only humans were able to squat together and whisper: "Let's meet at the big stone, then attack and kill him.
"

Üblicherweise werden Rangordnungskämpfe nicht auf Leben oder Tod ausgefochten. Sagt die Theorie ... Pfeifen


fwo hat folgendes geschrieben:
Einen derartigen Plan gemeinsam auszuhecken bedarf der abstrakten Sprache ...

Wirklich?

    - Wölfe kennen instinktiv die Zahl der Tiere in einem Jagdrudel. Sind es nur wenig, werden kleinere Tiere gejagt. Sind es zehn oder mehr, dann muß auch mal ein Elch seine Beine in die Hand nehmen.

    - Delphine haben eine kollektive Jagdtechnik. Sie kreisen einen Sardinenscharm ein. Sobald sie ihn in Kugelform gebracht haben, stößt mal der eine, mal der andere Delphin in die Kugel.

    - Schimpansen beherrschen Flankentechnik, wenn sie "auf dem Kriegspfad" sind.

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fwo
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Beitrag(#2175779) Verfasst am: 24.04.2019, 18:08    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
....

Als Grundsatzüberlegung: Krieg bei Jägern-und-Sammler scheint ökonomisch unsinnig zu sein. Was könnte man gewinnen?
    - Die Leute leben von der Hand in den Mund. Es gibt keine Vorräte, die man erbeuten könnte.
    - Es gibt kaum wertvolle Güter. Du kannst einige Eßschüsseln rauben oder einige Speere. Was bringt es? Am Ende kannst du doch nur aus einer Schüssel essen und den Speer einmal werfen, dann rennt die Beute aufgeschreckt davon.
    - Sklaven- und Frauenraub klappt auch nicht, weil die bei nächstbester Gelegenheit fliehen werden.

....

Das glaube ich so nicht, wenn ich an die Schimpansen des Gombe-Nationalparks denke. Natürlich gibt es den Gewinn von Territorium und Weibern. Die laufen auch nicht weg, wenn sie wissen, dass sie niemanden mehr haben, zu dem sie laufen können, entweder, weil der tot ist, oder, weil sie wissen, dass der sie nicht mehr anfasst, wenn sie mal in der Hand eines anderen Mannes waren. Das letztere ist natürlich für Schimpansen nicht typisch, es kann typisch für eine Art sein, die nach entsprechenden kulturellen Regeln lebt.
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