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Welches Weltbild vermittelt uns die Naturwissenschaft?
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Shiva
Newcomer



Anmeldungsdatum: 22.05.2019
Beiträge: 26

Beitrag(#2182011) Verfasst am: 29.06.2019, 17:34    Titel: Welches Weltbild vermittelt uns die Naturwissenschaft? Antworten mit Zitat

Hallo Teilnehmer,
Naturwissenschaft bzw. Naturphilosophie versucht seit über 2500 Jahren uns die Welt zu erklären & begreiflich zu machen, z.B.:
Die Annahme einer Teilchenstruktur der Materie liegt in der Tradition des mechanistischen Denkens, und diese Annahme hat sich sowohl im Großen (bei der Erklärung der Planetenbahnen) als auch im Kleinen (in der kinetischen Wärmetheorie) bestens bewährt. In der Klassischen Mechanik sind die fundamentalen Objekte Teilchen, deren Ausdehnung im Idealfall verschwindend klein ist. Der Zustand eines solchen Punktteilchens ist festgelegt, wenn man seine drei Ortskoordinaten und die drei Komponenten des Impulses angegeben hat. Die Teilchen (Korpuskel) sind zu jeder Zeit lokalisiert, und ihre Aufenthaltsorte ergeben im zeitlichen Verlauf eine kontinuierliche Bahn. Eine solche Bahn (Trajektorie) kann durch eine Funktion x(t) beschrieben werden, die für jeden Zeitpunkt t den Ort x angibt, an dem sich das Teilchen befindet. Diese Bahn erlaubt es auch, dasselbe Teilchen zu einem späteren Zeitpunkt wiederzuentdecken. So wird es möglich, Teilchen zu identifizieren und als „Individuen“ in ihrer Bewegung zu verfolgen – der Kausalität sei Dank.

Mit dem Übergang von der klassischen Mechanik zur Quantenmechanik begannen die Schwierigkeiten mit der räumlichen Einbettung der von der Physik beschriebenen Objekte. Die räumlichen Aspekte der Interpretation der Quantentheorie wurden zunächst vor allem unter dem Stichwort des Teilchen-Welle-Dualismus diskutiert.
Die grundlegende Beschreibung ging von der Punktmechanik auf die Wellenmechanik in Form der Schrödinger-Gleichung ? über, wobei sich ein Widerspruch auftat zwischen unitärer deterministischer ?-Funktion und diskreter indeterministischer |?|^2 Kollaps-Funktion.
Im Rahmen der „klassischen“ Quantenmechanik konnten weder der Teilchen-Welle-Dualismus noch die räumliche Einbettung der Quantenobjekte wirklich geklärt werden. Eine einheitliche Theorie scheiterte bislang an dem quantenmechanischen Messprozess und die Probleme sind nur statistisch, aber nicht auf der Ebene einzelner Teilchen oder Ergebnisse gelöst.

War es in der klassischen Physik auf einfache Weise möglich, die Theorien raumzeitlich zu interpretieren, so ist das in der relativistischen Quantenfeldtheorie (QFT) mit ihren viel reicheren mathematischen Strukturen erheblich schwieriger. Die Frage nach der Ontologie der QFT setzt voraus, dass die Theorie nicht nur als Instrument zur Vorhersage von experimentellen Ergebnissen verstanden, sondern realistisch interpretiert wird. Der Unterschied zwischen Teilchen und Feldern ist hier völlig verwischt; demgegenüber werden Strukturen und Eigenschaftsbündel als das Substrat der Welt angesehen (Strukturen- & Tropenrealismus).

Welche Rolle spielt die Mathematik in dieser Frage und passt hier philosophisch Einsteins Allgemeine Relativitätstheorie als Feldtheorie in dieses Bild?

***************
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uwebus
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Anmeldungsdatum: 23.06.2011
Beiträge: 4688

Beitrag(#2182697) Verfasst am: 05.07.2019, 18:25    Titel: Re: Welches Weltbild vermittelt uns die Naturwissenschaft? Antworten mit Zitat

Shiva hat folgendes geschrieben:

Im Rahmen der „klassischen“ Quantenmechanik konnten weder der Teilchen-Welle-Dualismus noch die räumliche Einbettung der Quantenobjekte wirklich geklärt werden.


Geht das nicht in euren Kopf? Wenn die Welt aus Quanten besteht, dann BILDEN die den Raum, die werden nicht irgendwo eingebettet. Der Raum ist die Summe der endlichen Volumina der Quanten, egal ob man das Universum als endlich oder unendlich annimmt.

Geben wir zwei Quanten doch einfach Namen: A und B. Was sagt die Erfahrung?

Wo A ist, kann nicht gleichzeitig B sein, mit A ungleich B.

So einfach kann Physik sein.
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narr
workingglass
Moderator



Anmeldungsdatum: 02.01.2009
Beiträge: 3788

Beitrag(#2182702) Verfasst am: 05.07.2019, 19:25    Titel: Antworten mit Zitat

Und Naturwissenschaft = Physik? skeptisch
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2182704) Verfasst am: 05.07.2019, 19:29    Titel: Antworten mit Zitat

narr hat folgendes geschrieben:
Und Naturwissenschaft = Physik? skeptisch

Und Wisenschaft = Naturwissenschaft? zwinkern
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"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

Friedrich Nietzsche
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narr
workingglass
Moderator



Anmeldungsdatum: 02.01.2009
Beiträge: 3788

Beitrag(#2182707) Verfasst am: 05.07.2019, 20:09    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
narr hat folgendes geschrieben:
Und Naturwissenschaft = Physik? skeptisch

Und Wisenschaft = Naturwissenschaft? zwinkern

Nee, nicht - nur ist hier ja der Faden-Titel: "Welches Weltbild vermittelt uns die Naturwissenschaft?"
Könnte man dann ja mit dem Bild, welches andere Wissenschaften vermitteln vergleichen.
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2182715) Verfasst am: 05.07.2019, 21:03    Titel: Antworten mit Zitat

narr hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
narr hat folgendes geschrieben:
Und Naturwissenschaft = Physik? skeptisch

Und Wisenschaft = Naturwissenschaft? zwinkern

Nee, nicht - nur ist hier ja der Faden-Titel: "Welches Weltbild vermittelt uns die Naturwissenschaft?"
Könnte man dann ja mit dem Bild, welches andere Wissenschaften vermitteln vergleichen.

Meines Wissens gibt es keine verbindliche Definition von „Weltbild“. Also hängt die Beantwortung dieser Frage in hohem Maße davon ab, was man unter Weltbild versteht. Ist ein physikalisches Modell wie das von Newton schon ein Weltbild?

Für mich sind Weltbilder, besonders in einer Zeit immer kompilizierterer naturwissenschaftlicher Modelle, eher die Popularisierung wissenschaftlicher Modelle, und es sind in der Regel nicht die Wissenschaftler selbst, die diese Popularisierung besorgen, die ja auch immer eine Vereinfachung und oft damit auch Verfälschung sind.

Insofern ist aus meiner Sicht die Entwicklung der Wissenschaften auf der einen Seite, und die sich daraus ergebenden, oder eben auch nicht ergebenden Weltbilder auf der anderen Seite zwei zwar miteinander verbundene, aber keineswegs identische Prozesse, und die von den Wissenschaften beeinflußten Weltbilder schon gar nicht einfach Abbilder wissenschaftlicher Erkenntnisse.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
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Beitrag(#2182718) Verfasst am: 05.07.2019, 21:17    Titel: Antworten mit Zitat

Ein paar weltbildliche Aspekte, die Naturwissenschaft vermittelt:
- es geht doch ziemlich regelmäßig zu.
- sauber formulierte Behauptungen von Zusammenhängen sind überprüfbar und halten intersubjektiv stand
- es gibt nicht 3500 Physiken oder Chemien (wie bei Religion), sondern nur eine.
- Theorien können sehr mächtig sein für Voraussagen und technische Anwendungen
- Mathematik und Statistik sind mächtige Methoden
- für Bereiche außerhalb unseres täglichen, sozialen Lebens liegt Intuition meist daneben
- ...
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Was ist der Sinn des Lebens? - Keiner, aber Leere ist Fülle für den, der sie sieht.
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2182720) Verfasst am: 05.07.2019, 21:27    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Ein paar weltbildliche Aspekte, die Naturwissenschaft vermittelt:
- es geht doch ziemlich regelmäßig zu.
- sauber formulierte Behauptungen von Zusammenhängen sind überprüfbar und halten intersubjektiv stand
- es gibt nicht 3500 Physiken oder Chemien (wie bei Religion), sondern nur eine.
- Theorien können sehr mächtig sein für Voraussagen und technische Anwendungen
- Mathematik und Statistik sind mächtige Methoden
- für Bereiche außerhalb unseres täglichen, sozialen Lebens liegt Intuition meist daneben
- ...

Und wieviel ist davon im "Weltbild" der Öffentlichkeit angekommen? zwinkern
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uwebus
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Anmeldungsdatum: 23.06.2011
Beiträge: 4688

Beitrag(#2182721) Verfasst am: 05.07.2019, 21:27    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:

Also hängt die Beantwortung dieser Frage in hohem Maße davon ab, was man unter Weltbild versteht. Ist ein physikalisches Modell wie das von Newton schon ein Weltbild?


Egal von welcher Warte man ausgeht, ALLE Weltbilder, ob technische, philosophische oder religiöse, benutzen die Begriffe Raum und Zeit.

Folglich muß man diese Begriffe zu erklären versuchen. Der Pfaffe beschäftigt einen Gott als Verursacher, der Philosoph redet von menschlichen Vorstellungsweisen (Kant) und der Techniker fragt danach, wie die sich technisch erklären lassen. Und nun packe ich mal großzügigerweise alle Naturwissenschaftler in den Begriff Technik, weil Naturwissenschaftler üblicherweise mit dem Experiment arbeiten und MESSEN.

Also bevor wir uns teilen in naturwissenschaftliche Fachrichtungen bedarf es einer gemeinsamen Definition der Begriffe Raum und Zeit und deren technische Erklärung. Den Pfaffen und den Philosphen bleibt es überlassen, diese Begriffe weiterhin ohne technische Definition zu verwenden.
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Lebensnebel
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Anmeldungsdatum: 06.02.2016
Beiträge: 2845

Beitrag(#2182722) Verfasst am: 05.07.2019, 21:28    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:

- es gibt nicht 3500 Physiken oder Chemien (wie bei Religion), sondern nur eine.


https://www.youtube.com/watch?v=TxNL6fAJYB0
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#2182723) Verfasst am: 05.07.2019, 21:29    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Ein paar weltbildliche Aspekte, die Naturwissenschaft vermittelt:
- es geht doch ziemlich regelmäßig zu.
- sauber formulierte Behauptungen von Zusammenhängen sind überprüfbar und halten intersubjektiv stand
- es gibt nicht 3500 Physiken oder Chemien (wie bei Religion), sondern nur eine.
- Theorien können sehr mächtig sein für Voraussagen und technische Anwendungen
- Mathematik und Statistik sind mächtige Methoden
- für Bereiche außerhalb unseres täglichen, sozialen Lebens liegt Intuition meist daneben
- ...

Und wieviel ist davon im "Weltbild" der Öffentlichkeit angekommen? zwinkern

Schon einiges, würde ich sagen.

Bei der Gelegenheit fällt mir natürlich auch Negatives ein, die mit obigem vermittelt werden, z.B. Kälte, Berechnung, Zahlenfixierung, Nerds, Romantikverlust, Zweckdenken, ...
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2182725) Verfasst am: 05.07.2019, 21:45    Titel: Antworten mit Zitat

Ich denke, es sind trotzdem zwei Paar Schuhe. Die Wissenschaften sind das eine, und die Geschichten, die zum Teil mit ihrer Hilfe, zum Teil ohne oder sogar gegen sie erzählt werden. Aber wenn man das wirklich wissen wollte, müßte man systematisch (und wissenschaftlich, will heißen: nachprüfbar), alle das untersuchen, wo sich "Weltbilder" festmachen lassen, und dann schauen, welchen Anteil daran die Wissenschaften haben, und welchen zB. Medien wie Printmedien, TV oder das Netz haben. Man könnte sich ja mal die Evolutionstheorie rausgreifen, um zu schauen, wieviel davon in den Köpfen der Leute angekommen ist. Ich denke, das Ergebnis wäre ernüchternd.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#2182726) Verfasst am: 05.07.2019, 21:57    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Ich denke, es sind trotzdem zwei Paar Schuhe. Die Wissenschaften sind das eine, und die Geschichten, die zum Teil mit ihrer Hilfe, zum Teil ohne oder sogar gegen sie erzählt werden. Aber wenn man das wirklich wissen wollte, müßte man systematisch (und wissenschaftlich, will heißen: nachprüfbar), alle das untersuchen, wo sich "Weltbilder" festmachen lassen, und dann schauen, welchen Anteil daran die Wissenschaften haben, und welchen zB. Medien wie Printmedien, TV oder das Netz haben. Man könnte sich ja mal die Evolutionstheorie rausgreifen, um zu schauen, wieviel davon in den Köpfen der Leute angekommen ist. Ich denke, das Ergebnis wäre ernüchternd.

Ja, mag schon sein. Um sowas zu untersuchen, gibt es ja Umfrageinstitute, experimentelle Soziologie, Streephilosophy usw.

Andererseits - in den letzten 150 Jahren ist da schon einiges ins kollektive Bewußtsein gesickert, auch durch plakative Anwendungsereignisse wie Atombombe, Mondlandung, Gentechnik ...
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Myron
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Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3481

Beitrag(#2182729) Verfasst am: 05.07.2019, 22:18    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Meines Wissens gibt es keine verbindliche Definition von „Weltbild“. Also hängt die Beantwortung dieser Frage in hohem Maße davon ab, was man unter Weltbild versteht. Ist ein physikalisches Modell wie das von Newton schon ein Weltbild?


Für den Entwurf von Weltbildern sind die Metaphysiker zuständig.
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Myron
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Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3481

Beitrag(#2182730) Verfasst am: 05.07.2019, 22:28    Titel: Re: Welches Weltbild vermittelt uns die Naturwissenschaft? Antworten mit Zitat

uwebus hat folgendes geschrieben:
Geht das nicht in euren Kopf? Wenn die Welt aus Quanten besteht, dann BILDEN die den Raum, die werden nicht irgendwo eingebettet. Der Raum ist die Summe der endlichen Volumina der Quanten, egal ob man das Universum als endlich oder unendlich annimmt.


Wenn du mit "Quanten" keine physikalischen Quantitäten, sondern Partikel oder Korpuskel meinest, dann verwende besser die letzteren Begriffe!

Ein Punktpartikel-/-korpuskel hat übrigens kein (von 0 verschiedenes) Volumen. (Ich persönlich glaube jedoch nicht an Punktpartikel/-korpuskel.)

Aus relationistischer/strukturalistischer Sicht ist der Raum keine Substanz, sondern eine Struktur, d.i. ein aus Abstandsbeziehungen (Distanzen) zwischen Teilchen bestehender Relationenkomplex. Dieser bildet dann den Raum, und nicht die Summe der Volumina aller 3-dimensionalen Elementarteilchen.
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2182734) Verfasst am: 05.07.2019, 22:58    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Meines Wissens gibt es keine verbindliche Definition von „Weltbild“. Also hängt die Beantwortung dieser Frage in hohem Maße davon ab, was man unter Weltbild versteht. Ist ein physikalisches Modell wie das von Newton schon ein Weltbild?

Für den Entwurf von Weltbildern sind die Metaphysiker zuständig.

Sagt ein Metaphysiker! Und was qualifiziert ihn dazu? Eine besonders blühende Fantasie? Fakten können es nicht sein, denn dann hieße es: Wissenschaft. Zur Metaphysik kommt man, wenn man beim Nachdenken über eine Sache dem Denken den Vorzug gibt vor der Sache. Am Ende ist Metaphysik nichts anderes als Storytelling - ich gebe einer Sache einen Sinn, der nicht aus der Sache kommt, sondern aus meinem Wunsch nach einer schönen Geschichte. Kann man mögen, muß man aber nicht.
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3481

Beitrag(#2182742) Verfasst am: 05.07.2019, 23:39    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:

Für den Entwurf von Weltbildern sind die Metaphysiker zuständig.

Sagt ein Metaphysiker! Und was qualifiziert ihn dazu?


Das Studium der Metaphysik (und wissenschaftliche Kenntnisse)!

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Eine besonders blühende Fantasie? Falkten können es nicht sein, denn dann hieße es: Wissenschaft. Zur Metaphysik kommt man, wenn man beim Nachdenken über eine Sache dem Denken den Vorzug gibt vor der Sache. Am Ende ist Metaphysik nichts anderes als Storytelling - ich gebe einer Sache einen Sinn, der nicht aus der Sache kommt, sondern aus meinem Wunsch nach einer schönen Geschichte. Kann man mögen, muß man aber nicht.


Eine ausgeprägte Vorstellungskraft schadet dem Metaphysiker nicht, was aber mitnichten bedeutet, dass er beim Entwurf eines Weltbildes die wissenschaftlichen Tatsachen (absichtlich oder unabsichtlich) außer Acht lässt. Ein metaphysisches Weltbild, das als Modell der wirklichen Welt verkauft wird, muss mit allen wissenschaftlichen Erkenntnissen vereinbar sein und in deren Licht glaubwürdig erscheinen.

Wie Jonathan Lowe erklärt, hat die Metaphysik sowohl apriorische/nichtempirische als auch aposteriorische/empirische Aspekte. Einerseits geht es um die Vorstellung und Beschreibung möglicher Welten, und andererseits um die Frage nach der Beschaffenheit der wirklichen Welt, für die hauptsächlich die Erfahrungswissenschaften zuständig sind.
Lowe bezeichnet die reine Metaphysik als "eine Erforschung des Raums von Möglichkeiten" ("an inquiry into the space of possibilities"), während die angewandte Metaphysik als Kosmologie auf die Zusammenarbeit mit den Wissenschaften angewiesen ist.

"According to the position that I shall be defending, metaphysical inquiry has two distinct but related dimensions: one a priori and the other a posteriori. The a apriori dimension concerns the realm of the possible, while the a posteriori dimension concerns the realm of the actual."
(p. 257)

"Pure metaphysics, then, is that form of inquiry whose object it is to explore and delimit the space of possibility—to determine which worlds are genuinely possible—and this is a form of inquiry which precedes and is presupposed by any form of empirical inquiry, such as the natural sciences. But pure metaphysics cannot establish which of all the possible worlds is actual—which such world is this world. For that, appeal must be made to empirical evidence, the best of which is provided by the mature natural sciences. Determining what is actually the case, then, requires a combination of metaphysics and natural science, which consequently complement each other rather than being in competition. However, it must also be remarked that another key feature of metaphysics is its degree of generality: it is concerned with what is co-possible with what else, not just with what is possible simpliciter. Its scope is entire possible worlds, not just small parts of them. No natural science has that kind of scope with respect to the actual world. Hence, even with regard to the actual world, metaphysics has a special role to play, which cannot be taken over by any of the natural sciences. Its role is to mediate between those sciences, settling boundary disputes between them and attempting, as far as is possible, to reconcile their ?ndings. The underlying principle at work here is the principle of the unity of truth: that all actual truths, being truths about a single possible world, must be consistent with each other (…). So, if pure metaphysics is aptly described as an inquiry into the space of possibilities, then applied metaphysics—or 'cosmology' in the original sense of that term—may aptly be described as the attempt, conducted with the aid of the various natural sciences, to establish the fundamental structure of reality as a whole. In this respect, metaphysics has an a posteriori as well as an a priori dimension."
(p. 259)

(Lowe, E. J. "Grasp of Essences versus Intuitions: An Unequal Contest." In Intuitions, edited by Anthony Robert Booth and Darrell P. Rowbottom, 256-268. New York: Oxford University Press, 2014.)
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Marcellinus
Outsider



Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2182747) Verfasst am: 06.07.2019, 00:06    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:

Für den Entwurf von Weltbildern sind die Metaphysiker zuständig.

Sagt ein Metaphysiker! Und was qualifiziert ihn dazu?


Das Studium der Metaphysik (und wissenschaftliche Kenntnisse)!

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Eine besonders blühende Fantasie? Falkten können es nicht sein, denn dann hieße es: Wissenschaft. Zur Metaphysik kommt man, wenn man beim Nachdenken über eine Sache dem Denken den Vorzug gibt vor der Sache. Am Ende ist Metaphysik nichts anderes als Storytelling - ich gebe einer Sache einen Sinn, der nicht aus der Sache kommt, sondern aus meinem Wunsch nach einer schönen Geschichte. Kann man mögen, muß man aber nicht.


Eine ausgeprägte Vorstellungskraft schadet dem Metaphysiker nicht, was aber mitnichten bedeutet, dass er beim Entwurf eines Weltbildes die wissenschaftlichen Tatsachen (absichtlich oder unabsichtlich) außer Acht lässt. Ein metaphysisches Weltbild, das als Modell der wirklichen Welt verkauft wird, muss mit allen wissenschaftlichen Erkenntnissen vereinbar sein und in deren Licht glaubwürdig erscheinen.


Metaphysik, wo sie über die beobachtbare Physik hinausgeht, ist nichts anderes als Fantasie, die sich für eine „höhere“ Wirklichkeit ausgibt, ohne dafür einen anderen Beleg angeben zu können als den Wunsch, es möge so sein. Sie beansprucht damit eine Autorität, für die sie keinen Grund angeben kann. Sie ist bloße Glaubenssache, und wo sie das von sich weist, Gegenaufklärung im wahrsten Sinn des Wortes.
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3481

Beitrag(#2182750) Verfasst am: 06.07.2019, 00:51    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Metaphysik, wo sie über die beobachtbare Physik hinausgeht, ist nichts anderes als Fantasie, die sich für eine „höhere“ Wirklichkeit ausgibt, ohne dafür einen anderen Beleg angeben zu können als den Wunsch, es möge so sein. Sie beansprucht damit eine Autorität, für die sie keinen Grund angeben kann. Sie ist bloße Glaubenssache, und wo sie das von sich weist, Gegenaufklärung im wahrsten Sinn des Wortes.


Die gute Metaphysik (als philosophische Disziplin), die ich vertrete und verteidige, ist mitnichten "gegenaufklärerisch". Sie ist weder irrational (esoterisch/mystisch/okkultisch) noch antiempirisch, und sie ist auch weder dogmatisch noch autoritär. Sie ist insofern unbescheiden, als sie sich nicht mit der positivistischen Katalogisierung wissenschaftlicher Tatsachen begnügt, aber insofern bescheiden, als sie in Bezug auf ihre Thesen, Theorien oder Modelle keinen Wissensanspruch erhebt, sondern offen und ehrlich zugibt, dass im Reich metaphysischer Spekulation vernünftige, glaubwürdige oder wahrscheinliche Mutmaßungen oder Vermutungen erreicht werden können, aber kein echtes Wissen, geschweige denn objektive, epistemische Gewissheit oder Sicherheit.

Dieser Umstand schmälert den Wert der Metaphysik jedoch keineswegs; und für einen Menschen, der tiefgründig über die Welt nachdenken will, gibt es ja keine Alternative zum Aufbruch in metaphysische bzw. meta-empirische theoretische Sphären!

Übrigens, Metaphysik ist nicht mit Hyperphysik zu verwechseln!
Denn die Welt der Metaphysik kann mit der Welt der Physik (und der anderen Naturwissenschaften) sehr wohl identisch sein. Das heißt, die Metaphysik muss keineswegs supernaturalistisch oder hyperphysikalistisch sein und irgendwelche übernatürlichen oder nichtphysischen Entitäten postulieren.
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Shiva
Newcomer



Anmeldungsdatum: 22.05.2019
Beiträge: 26

Beitrag(#2182752) Verfasst am: 06.07.2019, 01:56    Titel: Re: Welches Weltbild vermittelt uns die Naturwissenschaft? Antworten mit Zitat

uwebus hat folgendes geschrieben:
Shiva hat folgendes geschrieben:
Im Rahmen der „klassischen“ Quantenmechanik konnten weder der Teilchen-Welle-Dualismus noch die räumliche Einbettung der Quantenobjekte wirklich geklärt werden.

Geht das nicht in euren Kopf? Wenn die Welt aus Quanten besteht, dann BILDEN die den Raum, die werden nicht irgendwo eingebettet. Der Raum ist die Summe der endlichen Volumina der Quanten, egal ob man das Universum als endlich oder unendlich annimmt.
Geben wir zwei Quanten doch einfach Namen: A und B. Was sagt die Erfahrung?
Wo A ist, kann nicht gleichzeitig B sein, mit A ungleich B.
So einfach kann Physik sein.

Bleib geschmeidig, uwebus. Ich sprach von der klassischen QT, nicht von mir.
Ich persönlich denke auch, dass es der materielle Raum selbst ist, der i.V.m. Bewegung den Kosmos konstituiert. That's all. Mehr braucht's nicht!
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Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
(Murray Gell-Mann)
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#2182764) Verfasst am: 06.07.2019, 11:59    Titel: Re: Welches Weltbild vermittelt uns die Naturwissenschaft? Antworten mit Zitat

Shiva hat folgendes geschrieben:
Bleib geschmeidig, uwebus.

Gröhl...
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#2182765) Verfasst am: 06.07.2019, 12:03    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
... die Welt der Metaphysik kann mit der Welt der Physik (und der anderen Naturwissenschaften) sehr wohl identisch sein.

Sehe ich anders. Sie müssen sich nicht widersprechen, mehr ist nicht drin. Denn die Physik sagt ja nur etwas (Überprüfbares) über die Welt aus und die Metaphysik sagt nichts (Überprüfbares) über die Welt aus.
_________________
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Zuletzt bearbeitet von step am 06.07.2019, 12:12, insgesamt einmal bearbeitet
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2182766) Verfasst am: 06.07.2019, 12:04    Titel: Antworten mit Zitat

Vielleicht ein interessanter Beitrag zum Thema: Nobelpreisträger Adam Riess: „Alle Modelle sind falsch, aber einige sind nützlich.“
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Beitrag(#2182768) Verfasst am: 06.07.2019, 12:12    Titel: Re: Welches Weltbild vermittelt uns die Naturwissenschaft? Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:


Aus relationistischer/strukturalistischer Sicht ist der Raum keine Substanz, sondern eine Struktur, d.i. ein aus Abstandsbeziehungen (Distanzen) zwischen Teilchen bestehender Relationenkomplex. Dieser bildet dann den Raum, und nicht die Summe der Volumina aller 3-dimensionalen Elementarteilchen.


Also jetzt mal einfache Mechanik:

1) Raum hat Volumen, Volumen ist ein mathematisches Abstraktum einer physischen Entität, also besteht der Raum aus physischen Entitäten, denn von NIX kann man NIX abstrahieren.

2) Wenn das Universum aus QuantenFELDERN besteht und aus sonst gar nichts, dann wird der Raum aus Quantenfeldern gebildet.

3) Sind Quantenfelder endlich, sonst könnte man Quanten nicht messen, gilt "Wo A ist, kann nicht gleichzeitig B sein, mit A ungleich B". Also steigt das gesamte Quantenfeldvolumen mit der Anzahl der beteiligten Quantenfelder.

Ihr solltet endlich mal von der Idee "Elementarteilchen" wegkommen und jedes physische Objekt als eine Ansammlung von miteinander wirkenden Quantenfeldern zur Kenntnis nehmen. Solange das nicht geschieht, kann die Physik nicht von einem monistischen Weltverständnis ausgehen.

Was sagt die Philosophie? Zum Sein als solchem gibt es keine denkbare Alternative (Parmenides). Wenn es nur ein Sein als solches gibt, dann gibt es halt nur Quantenfelder. Wer meint, es gäbe noch was anderes, der sollte Religion oder philosophischen Idealismus betreiben, aber keine Physik.
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uwebus
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Beitrag(#2182770) Verfasst am: 06.07.2019, 12:29    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:

Metaphysik, wo sie über die beobachtbare Physik hinausgeht, ist nichts anderes als Fantasie, die sich für eine „höhere“ Wirklichkeit ausgibt, ohne dafür einen anderen Beleg angeben zu können als den Wunsch, es möge so sein. Sie beansprucht damit eine Autorität, für die sie keinen Grund angeben kann. Sie ist bloße Glaubenssache, und wo sie das von sich weist, Gegenaufklärung im wahrsten Sinn des Wortes.


Also um ein metaphysisches Postulat kommt auch ein Physiker nicht umhin:

Das Universum muß aus irgendetwas bestehen. Wie man dieses Etwas tauft bleibt jedem überlassen, ich halte mich da an das apeiron des Anaximander, andere beziehen sich auf den Begriff Substanz des Aristoteles, die zeitgenössische Physik spricht von Masse oder Energie.

Und was ist beobachtbar und messbar? Alles, was Volumen aufweist, einen mathematischen Punkt kann man nicht beobachten und messen.

So, und wenn man sich daran hält, reichen für Physik drei Raumdimensionen und für die Veränderungen der Welt ein Zeitmaßstab Delta-t, denn Zeit als solche (t) gibt es gar nicht.

In der Technik hilft das mks-System und mehr braucht es meiner Meinung auch nicht.
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Marcellinus
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Anmeldungsdatum: 27.05.2009
Beiträge: 7429

Beitrag(#2182781) Verfasst am: 06.07.2019, 13:17    Titel: Antworten mit Zitat

Myron hat folgendes geschrieben:
Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Metaphysik, wo sie über die beobachtbare Physik hinausgeht, ist nichts anderes als Fantasie, die sich für eine „höhere“ Wirklichkeit ausgibt, ohne dafür einen anderen Beleg angeben zu können als den Wunsch, es möge so sein. Sie beansprucht damit eine Autorität, für die sie keinen Grund angeben kann. Sie ist bloße Glaubenssache, und wo sie das von sich weist, Gegenaufklärung im wahrsten Sinn des Wortes.


Die gute Metaphysik (als philosophische Disziplin), die ich vertrete und verteidige, ist mitnichten "gegenaufklärerisch". Sie ist weder irrational (esoterisch/mystisch/okkultisch) noch antiempirisch, und sie ist auch weder dogmatisch noch autoritär. Sie ist insofern unbescheiden, als sie sich nicht mit der positivistischen Katalogisierung wissenschaftlicher Tatsachen begnügt, aber insofern bescheiden, als sie in Bezug auf ihre Thesen, Theorien oder Modelle keinen Wissensanspruch erhebt, sondern offen und ehrlich zugibt, dass im Reich metaphysischer Spekulation vernünftige, glaubwürdige oder wahrscheinliche Mutmaßungen oder Vermutungen erreicht werden können, aber kein echtes Wissen, geschweige denn objektive, epistemische Gewissheit oder Sicherheit.

Dieser Umstand schmälert den Wert der Metaphysik jedoch keineswegs; und für einen Menschen, der tiefgründig über die Welt nachdenken will, gibt es ja keine Alternative zum Aufbruch in metaphysische bzw. meta-empirische theoretische Sphären!

Übrigens, Metaphysik ist nicht mit Hyperphysik zu verwechseln!
Denn die Welt der Metaphysik kann mit der Welt der Physik (und der anderen Naturwissenschaften) sehr wohl identisch sein. Das heißt, die Metaphysik muss keineswegs supernaturalistisch oder hyperphysikalistisch sein und irgendwelche übernatürlichen oder nichtphysischen Entitäten postulieren.

Ich finde sehr interessant, was du schreibst. Ein paar Anmerkungen dazu:

Auch die Wissenschaften, jedenfalls soweit ich das beobachten kann, begnügen sich nicht mit „positivistischem Katalogisieren wissenschaftlicher Tatsachen“. Vielmehr sind theoretisch-empirische Wissenschaften ein Prozeß von Tatsachenbeobachtung auf der Basis von gedanklichen Modellen und das Erstellen von Modellen, die beschreiben, wie beobachtbare Tatsachen nachprüfbar zusammenhängen. Das eine geht nicht ohne das andere.

Zu einem gewissen Teil werden diese Modelle notwendig mit Hilfe der Fantasie der Forschenden erstellt, einfach weil realistisches Wissen um Zusammenhänge oft fehlt. Solche Fantasien können sich lange halten, bis wir, wie Popper das so schön formuliert hat, mit der Wirklichkeit in Kontakt kommen, indem unsere Theorien an ihr scheitern. Man bemerkt einen Irrtum oft erst, wenn man sich den Kopf an ihm stößt.

Das Ziel der Wissenschaften ist aber immer, mit so wenig Fantasie wie möglich auszukommen, die immer eher von den subjektiven Bedürfnissen, Wünschen und Vorurteilen der Forschenden bestimmt wird, und sich mehr an den beobachtbaren Eigenschaften der zu untersuchenden Objekte zu orientieren. Der Prozeß der Wissenschaften kann also auch beschrieben werden als ein Prozeß weg von subjektiv befriedigenden, aber unrealistischen Vorstellungen über diese Welt, und hin zu Fragestellungen, die zwar affektiv weniger attraktiv sein mögen, sich dafür aber eher an der Sache orientieren.

Was du als „gute Metaphysik“ beschreibst, wäre also in meiner Terminologie ein mehr an Fantasie, mehr als die beobachtbaren Tatsachen hergeben, und mehr als mal zur Beschreibung der Zusammenhänge zwischen ihnen braucht und überprüfen kann. Der Grund für ein solches Vorgehen scheint mir in dem Bedürfnis nach subjektiv befriedigenderen, „vollständigeren“ Erklärungsmodellen zu liegen, als sie die theoretisch-empirischen Wissenschaften liefern können und wollen.

Dahinter scheint mir ein Gefühl zu stehen, daß ich bei aller Vorsicht (und ohne negative Absicht) „religiös“ nennen möchte, religiös im Sinne von Friedrich Schleiermacher: „Religion ist Sinn und Geschmack fürs Unendliche.“ Auch Schleiermacher versuchte nicht, seine Vorstellung von Religion gegen die Erkenntnisse der Wissenschaften zu stellen, sondern einen anderen, subjektorientierten Zugang zu dieser Welt zu finden. Mich erinnert das an einige Diskussionen, die ich mit Religiösen hatte. An Ende stand die Erkenntnis, daß mein Verzicht auf Metaphysik etwas für sie Wichtiges ausließ, während ich den Eindruck habe, daß Metaphysik dieser Welt etwas Überflüssiges hinzufügt.

Unabhängig aber davon, ob man sich mit Metaphysik beschäftigt oder nicht, und damit kommen wir wieder zum Anfang unserer Gedanken, ist es nötig, vor allem die Unterschiede zwischen Wissenschaft und Philosophie herauszuarbeiten, also die beiden voneinander zu trennen, denn die Wissenschaften brauchen die Philosophie nicht, und die Philosophie setzt sich unnötig dem Vorwurf aus, seine metaphysischen Spekulationen als „Wahrheit“ zu verkaufen.
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"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

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step
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Beitrag(#2182791) Verfasst am: 06.07.2019, 13:48    Titel: Antworten mit Zitat

Marcellinus hat folgendes geschrieben:
Vielleicht ein interessanter Beitrag zum Thema: Nobelpreisträger Adam Riess: „Alle Modelle sind falsch, aber einige sind nützlich.“

Nichts Neues drin, aber recht hat er.
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Shiva
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Beitrag(#2182806) Verfasst am: 06.07.2019, 17:34    Titel: Re: Welches Weltbild vermittelt uns die Naturwissenschaft? Antworten mit Zitat

uwebus hat folgendes geschrieben:

Also jetzt mal einfache Mechanik:

1) Raum hat Volumen, Volumen ist ein mathematisches Abstraktum einer physischen Entität, also besteht der Raum aus physischen Entitäten, denn von NIX kann man NIX abstrahieren.

2) Wenn das Universum aus QuantenFELDERN besteht und aus sonst gar nichts, dann wird der Raum aus Quantenfeldern gebildet.

3) Sind Quantenfelder endlich, sonst könnte man Quanten nicht messen, gilt "Wo A ist, kann nicht gleichzeitig B sein, mit A ungleich B". Also steigt das gesamte Quantenfeldvolumen mit der Anzahl der beteiligten Quantenfelder.

Also jetzt mal einfache Philosophie:
Wenn das nicht einfach ein paar hingeworfene Gedanken bleiben sollen, dann würde ich doch meinen, müsstest du das Eine oder Andere begründen können.

1) Gibt es d.M.n. ein ursprüngliches QF? Falls ja, was zeichnet dieses aus, warum ist es das ursprüngliche? Anaximanders Apeiron (das Unbestimmte) kann man immer anführen, erklärt aber nichts, weil es eben unbestimmt ist.

2) Wie stellst du dir die Entwicklung dieses Feldes vor? Als anfangs hochkomprimiert, das dann expandiert?

3) Wenn die Objekte des Kosmos letztendlich aus diesem Urfeld evolvieren, dann wären sie (auch wir Menschen) im Grunde eine " hochkomplexe Felderregung", die sich durch das Uni-Feld fortpflanzt (was die LG als Max. erklären würde?)

4) Du negierst die Zeit als intrinsisches Element der Natur. Gibt es dafür einen stichhaltigen Grund?

5) Was wäre in deinem Bild das "Quanten-Vakuum?"

Zitat:
Zum Sein als solchem gibt es keine denkbare Alternative (Parmenides). Wenn es nur ein Sein als solches gibt, dann gibt es halt nur Quantenfelder.

Es gibt unendlich viele "Sein". Parmenides' Sein ist speziell das unteilbare Sein, dann passt es.
Der Schluss von "Sein" auf "QF" ist nicht zwingend; es sind auch andere Entitäten/Felder denkbar.

Zitat:
Solange das nicht geschieht, kann die Physik nicht von einem monistischen Weltverständnis ausgehen.

Wer sagt, dass es monistisch (oder dualistisch) sein muss?

Wenn wir davon ausgehen, dass dieses Feld existiert (was ich glaube), dann haben wir damit eine Einheit von Gegensätzlichem (Heraklit), nämlich das "relativ kontinuierliche" Feld und die "relativ diskreten" Objekte/Schwingungsmoden (oder was auch immer). Also nicht Bohrs Komplementarität, sondern Heraklits Dialektik.

Insofern wären Parmenides und Demokrit konsistent und plausibel vereint.

Ich finde deine Gedanken sehr interessant & diskurswürdig - gib ruhig mehr...
_________________
Niels Bohr brainwashed a whole generation of theorists into thinking that the job (interpreting quantum theory) was done 50 years ago.
(Murray Gell-Mann)
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Myron
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Anmeldungsdatum: 01.07.2007
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Beitrag(#2182807) Verfasst am: 06.07.2019, 17:46    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Myron hat folgendes geschrieben:
... die Welt der Metaphysik kann mit der Welt der Physik (und der anderen Naturwissenschaften) sehr wohl identisch sein.

Sehe ich anders. Sie müssen sich nicht widersprechen, mehr ist nicht drin. Denn die Physik sagt ja nur etwas (Überprüfbares) über die Welt aus und die Metaphysik sagt nichts (Überprüfbares) über die Welt aus.


Das bedeutet aber nicht, dass es nicht ein und dieselbe natürliche/physische Welt ist, über die etwas ausgesagt wird.

"Twentieth-century coinages like ‘meta-language’ and ‘metaphilosophy’ encourage the impression that metaphysics is a study that somehow “goes beyond” physics, a study devoted to matters that transcend the mundane concerns of Newton and Einstein and Heisenberg. This impression is mistaken."
—Peter van Inwagen: https://plato.stanford.edu/entries/metaphysics/

Außerdem:

"Many scientific theories are only very indirectly testable and there is no sharp line between the testable and the untestable."

(Smart, J. J. C. Introduction to Essays Metaphysical and Moral: Selected Philosophical Papers, 1-8. Oxford: Blackwell, 1987. p. 2)
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Myron
Metaphysischer Materialist



Anmeldungsdatum: 01.07.2007
Beiträge: 3481

Beitrag(#2182812) Verfasst am: 06.07.2019, 18:43    Titel: Antworten mit Zitat

@Marcellinus:

Ich teile Forrests Auffassung (ungeachtet dessen, dass er Theist ist und ich Atheist bin):

"Science has not and cannot emancipate itself from metaphysics. …[T]he gap between metaphysics and physics should never have arisen."

"Die Wissenschaft hat sich nicht von der Metaphysik emanzipiert und kann es auch nicht. Die Kluft zwischen der Metaphysik und der Physik hätte nie entstehen sollen."

[© meine Übers.]

(Forrest, Peter. The Necessary Structure of the All-Pervading Aether. Frankfurt: Ontos, 2012. p. 25)

"There is no contrast between science and metaphysics; science is a special case of metaphysics."

"Es gibt keinen Kontrast zwischen Wissenschaft und Metaphysik; die Wissenschaft ist ein spezieller Fall von Metaphysik."

[© meine Übers.|

(McGinn, Colin. "Science as Metaphysics." In Philosophical Provocations: 55 Short Essays, 215–218. Cambridge, MA: MIT Press, 2017. p. 216)

Man kann die Physik genauso gut als empirische Metaphysik bezeichnen und die Naturwissenschaft genauso gut als empirische Naturphilosophie.

Der empirische Teil besteht in sinnlichen Wahrnehmungen/Beobachtungen und diese beschreibenden Beobachtungssätzen (Protokollsätzen, Basissätzen) sowie allen Sätzen, die sich daraus deduktiv oder induktiv ableiten lassen. Alle anderen Sätze sind meta-empirischer, theoretischer Natur!
Aus manchen theoretischen Sätzen lassen sich experimentell überprüfbare Vorhersagen herleiten, aber aus vielen anderen nicht oder nur höchst indirekt. Was testbar ist und was nicht, hängt auch vom Stand der Technik ab.

Ohne Einsteins blühende Fantasie gäbe es jetzt keine Relativitätstheorie!
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