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Kartoffel Utilitarismus
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
Beiträge: 22767
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Beitrag(#2218902) Verfasst am: 28.07.2020, 17:55    Titel: Antworten mit Zitat

sehr gut hat folgendes geschrieben:
Critic hat folgendes geschrieben:
Das ist eine von vielen Fragen: Würden unsere entfernten Vorfahren und Verwandten heute leben, würden sie mit uns leben (könnte also der Arbeitskollege nicht nur von der Physiognomie, sondern auch von der genetischen Ausstattung her Neandertaler sein?) oder würden wir sie in den Zoo stecken oder in irgendwelchen Reservaten beherbergen?
Neandertaler : ...

Unabhängig von ihren genauen Fähigkeiten ist es so gut wie sicher, daß sie nicht nur empfindungsfähig, sondern Personen / ethische Subjekte waren, daß sie Interessen, soziale Strukturen usw. hatten. Aus utilitaristischer Sicht wäre damit jeglicher Speziesimus unzulässig.
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smallie
resistent!?



Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3613

Beitrag(#2218957) Verfasst am: 29.07.2020, 20:05    Titel: Antworten mit Zitat

Vom praktischen Nutzen der Krämerseele.


smallie hat folgendes geschrieben:
vrolijke hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:

PS: Bitte fragt mich jetzt nicht, wie ich das mit Berichten zusammenbringe, die von Eskimos erzählen, die ihre Alten auf die Eisscholle setzen.


Weil in der Welt der Inuit nicht genügend Ressourcen vorhanden sind, um jemand, der selber nichts beitragen kann, durchzufüttern.

Danke. Das könnte meine argumentative Lücke schließen.

Wenn ich darüber nachdenke, sehe ich immer noch eine Lücke.


Angenommen ein Eskimostamm habe 80 Mitglieder, die alle 80 Jahre alt werden. Eine Person in jedem Lebensalter von 0 bis 80. Das ist unrealistisch, macht aber nichts.

Weiter angenommen, in den letzten paar Lebensjahren geht gar nichts mehr, dann macht das weniger als 10 Prozent des Stamms aus. Gehen diese Alten vorzeitig in den Tod, gewinnst du weniger als 10% Nahrung. Auf die anderen Stammesmitglieder aufgeteilt macht das einige Promille mehr an Nahrung für jeden aus.

Pff. Da sind ja peanuts mehr. nee

Entweder ich hab mich verrechnet, oder das Selbstopfer der Alten rechnet sich nicht. Krämerseelen-Behauptung: All die Berichte über Alte, die zum Sterben in die Wüste gehen sind Berichte von Ausnahmefällen in Ausnahmesituationen.
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smallie
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Anmeldungsdatum: 02.04.2010
Beiträge: 3613

Beitrag(#2218958) Verfasst am: 29.07.2020, 20:17    Titel: Antworten mit Zitat

sehr gut hat folgendes geschrieben:
"If we see that Germany is winning we ought to help Russia and if Russia is winning we ought to help Germany, and that way let them kill as many as possible, although I don't want to see Hitler victorious under any circumstances."
Harry S. Truman 1941

Sowas.

Das ist Stratagem Nr. 3 aus der chinesischen Liste der 36 Stratageme. Es heißt:

    Kill with a borrowed knife.
    Mit dem Messer eines anderen töten


Vor Jahren in meinem alten Stammforum aufgeschrieben:

Zitat:
Rote Armee in Warschau

1944 hofften etwa 40 000 polnische Widerstandskämpfer in Warschau, von der schwierigen deutschen Situation nach Stalingrad und der Invasion profitieren zu können. Warschau sollte kein Schlachtfeld für deutsche und sowjetische Truppen sein.

Am 31. Juli 1944 erreichten sowjetische Voraus-Truppen die Außenbezirke Warschaus. Die Zeit schien reif für einen Angriff der Polen auf die Deutschen am 1. August. Doch nachdem der Angriff begann, stoppte die sowjetische Armee und zog sich sogar zurück.

Als die Deutschen sahen, dass es keine unmittelbare Bedrohung durch die Sowjets gab, gingen sie mit voller Härte gegen die polnischen Untergrundkämpfer vor. Roosevelt und Churchill telegrafierten Stalin wiederholt, er solle vorrücken und Warschau retten. Stalin ignorierte es.

Erst am 10. September ging der Vormarsch weiter, wurde aber am 15. September wieder gestoppt. Währenddessen legten die Deutschen Warschau in Schutt und Asche. Erst als der polnische Widerstand fast vollständig niedergeschlagen war, marschierte die Rote Armee in Warschau ein.

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Skeptiker
"I can't breathe!"



Anmeldungsdatum: 14.01.2005
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Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#2218977) Verfasst am: 30.07.2020, 07:49    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Nun ist aber die Gesamtgesellschaft kein Gesamtindividuum, sondern es sind nach wie vor viele einzelne Individuen, so dass die Widerprüche zwischen intraindividuellen Präferenzvorstellungen und interindividuellen Präferenzzuweisungen nun mal existieren. Und wie löst der Präferenzutilitarismus diese Widersprüche?

Im Utilitarismus generell wird dieser Widerspruch (den Du im selben Beitrag leugnest) nicht gelöst, sondern nur zu minimieren versucht. Der Präferenzutilitarismus unterschiedet sich in bezug auf die Methode, wie man feststellt, was die Wesen brauchen.


Ich sagte oben, dass es zwischen den verschiedenen individuellen menschlichen Bedürfnissen grundsätzlichen keine Widersprüche gibt, sofern es gleiche Verteilung von Macht und damit den Zugriff auf Ressourcen gibt und diese zudem recyclebar und regenerierbar seien. Das ist etwas anderes als jene prinzipiellen Widersprüche zwischen intraindividuellen Präferenzvorstellungen und interindividuellen Präferenzzuweisungen, welche durch den Utilitarismus erst geschaffen werden.

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
je gleichberechtigter eine Gesellschaft ist, desto geringer ist die Notwendigkeit, dass mächtigere Gruppen den weniger mächtigen Gruppen etwas zuweisen.

Das ist richtig, aber ein Strohmann.


Keinweswegs. Das ist ein zentraler Diskussionspunkt. Denn sonst haben wir wieder die Klasse der Zuweiser und der Zuweisungsentgegennehmer. Darum geht es doch die ganze Zeit.

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Denn gleiche Macht heißt auch immer gleicher Zugang zu den Ressourcen, also zu dem, was die Menschen brauchen. Dadurch wird das Zuweisen von Rechten tendenziell überflüssig.

Nein. Auch wenn alle gleich mächtig sind, müssen sie sich Rechte zuweisen. Denn gleiche Macht heißt keineswegs kompatible Interessen.


Ich weiß, was du meinst. Es ist aber ein Unterschied ob ich antagonistische oder bloß unterschiedliche Interessen habe. Letztere müssen nicht inkompatibel sein. Erstere sind es.

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
- einzig in einer völlig anarchischen Gesellschaft würde man wohl auf die Zuweisung von Rechten und Pflichten verzichten.
Anarchia (griechisch) - Herrschaftslosigkeit. Ähnlich dem Kommunismus - Klassenlosigkeit. In beiden Gesellschaften sind die Menschen allesamt souverän und benötigen keinen Souverän (Herrscher, Führer, Staat) über sich und - auch keine Zuweisung von Rechten und Pflichten.

Laut Wikipedia "wollen Anarchisten die Gesellschaft sich selbst regeln lassen" - das finde ich gut und entspricht dem, was ich oben über Utilitarismus gesagt habe. Und nach welchem Leitkriterium regelt sich die Gesellschaft selbst? Doch wohl nach einem Interessensausgleich und indem sie Rechte vereinbart.


Interessenausgleich und Kompromisse sind möglich unter Abwesenheit antagonistischer Interessen. Darauf beruht mein Optimismus.

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Man sollte die gesellschaftlichen Entwicklungen des letzten Jahrhunderts einbeziehen, um zu verstehen, warum es Bestrebungen gibt, die deontologischen Moralkonzepte abzulösen.

Die deontologischen Moralkonzepte dienten - auch Deiner eigenen Weltsicht gemäß - sehr klar der Machterhaltung. Auch davon wegzukommen hat den Utilitarismus befördert.


Die Religion dient der Machterhaltung, ja. Die Menschenrechte nicht.

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Du meinst wegen der erforderlichen Koordination der gemeinsamen Ressourcennutzung, oder? Dann müsste aber der Utilitarismus auch die ökonomische Realität mit einbeziehen, etwa den Widerspruch zwischen Maximalprofit und nachhaltiger Produktion. Und schon wäre man von der abstrakten Gesellschaft weg und die Sache wird plötzlich sehr komplex.

Nur Du redest ständig vom Maximalprofit, nicht ich.


Ich stellte es zur Wahl: Willst du von einer abstrakten Gesellschaft reden oder von der realen? Ich bin für beides offen. Aber wenn ersteres, dann verliert der Utilitarismus an Realismus.

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Solange Profit ---> Max! alle übrigen Kriterien dominiert ... Elon Musk ...

Schon wieder. Such Dir nen Neoliberalen zum Spielen.


Du musst nicht neoliberal sein, um die Realität der Profitdominanz anzuerkennen. Das ist eine Tatsache, um die kein seriöser Moraltheoretiker herum kommt.

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Die wissenschaftliche Bedürfnispyramide ist keine Frage der Entscheidung oder gar Willkür, sondern das Ergebnis wissenschaftlicher Erforschung des Menschen

Bißchen veraltet, aber OK. Und, wie baut man jetzt darauf einen Ausgleichsprozeß individueller Interessen auf? Z.B. indem man die unteren Schichten stärker gewichtet, oder? Auch Du brauchst letztlich eine Art "Nutzenfunktion".


Veraltet ist das nicht, was Maslow da entwarf. Vor allem ist es objektiv so und keine willkürliche Festlegung.

Anarchisten und Kommunisten geht es letztendlich um das Erklimmen der Spitze der Maslow'schen Pyramide, um die menschliche Selbstentfaltung allgemein. Der Rest sind überflüssige Vorurteile.
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step
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Anmeldungsdatum: 17.07.2003
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Beitrag(#2219003) Verfasst am: 30.07.2020, 20:06    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
je gleichberechtigter eine Gesellschaft ist, desto geringer ist die Notwendigkeit, dass mächtigere Gruppen den weniger mächtigen Gruppen etwas zuweisen.
Das ist richtig, aber ein Strohmann.
Keinweswegs. Das ist ein zentraler Diskussionspunkt. Denn sonst haben wir wieder die Klasse der Zuweiser und der Zuweisungsentgegennehmer. Darum geht es doch die ganze Zeit.

Ein Strohmann ist es nicht, weil es (Dir) darum geht, sondern weil weder ich noch der Utilitarismus fordern oder implizieren, daß "mächtigere Gruppen den weniger mächtigen Gruppen etwas zuweisen".

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Interessenausgleich und Kompromisse sind möglich unter Abwesenheit antagonistischer Interessen. Darauf beruht mein Optimismus.

OK. Aber das ist kein Argument gegen den Utilitarismus. Und ich bezweifle auch, daß das mit dem Menschen so funktioniert, vielleicht eher mit einer Spezies oder Gesellschaft aus gleichgeschalteten Klonen.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
... um die Realität der Profitdominanz anzuerkennen

In der Ethik geht es ja vor allem auch darum, wo man hinwill bzw. welche Ziele man sich gibt. Daß man von der Profitdominaz wegmuß, ist glaube ich unbestritten.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Anarchisten und Kommunisten geht es letztendlich um das Erklimmen der Spitze der Maslow'schen Pyramide, um die menschliche Selbstentfaltung allgemein.

Und möchten sie die Stufe N+1 erklimmen, bevor alle anderen die Stufe N erklommen haben? Und wären das antagonistische Interessen?
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Skeptiker
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Beitrag(#2219014) Verfasst am: 31.07.2020, 05:59    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
je gleichberechtigter eine Gesellschaft ist, desto geringer ist die Notwendigkeit, dass mächtigere Gruppen den weniger mächtigen Gruppen etwas zuweisen.
Das ist richtig, aber ein Strohmann.
Keinweswegs. Das ist ein zentraler Diskussionspunkt. Denn sonst haben wir wieder die Klasse der Zuweiser und der Zuweisungsentgegennehmer. Darum geht es doch die ganze Zeit.

Ein Strohmann ist es nicht, weil es (Dir) darum geht, sondern weil weder ich noch der Utilitarismus fordern oder implizieren, daß "mächtigere Gruppen den weniger mächtigen Gruppen etwas zuweisen".


Der Intention nach vielleicht nicht. Obwohl, wenn ich an das Bentham'sche Panoptikum denke:

Zitat:
Das Panopticon (von griechisch ... pan, 'alles', und ... optikó, 'zum Sehen gehörend'), latinisiert auch Panoptikum, ist ein von dem britischen Philosophen und Begründer des klassischen Utilitarismus Jeremy Bentham stammendes Konzept zum Bau von Gefängnissen und ähnlichen Anstalten, aber auch von Fabriken, das die gleichzeitige Überwachung vieler Menschen durch einen einzelnen Überwacher ermöglicht.

Der französische Philosoph des späten 20. Jahrhunderts Michel Foucault bezeichnete dieses Ordnungsprinzip als Modell moderner Überwachungsgesellschaften und als wesentlich für westlich-liberale Gesellschaften, die er auch Disziplinargesellschaften nennt. In Anlehnung daran entwickelte er seinen Begriff des Panoptismus.


https://de.wikipedia.org/w/index.php?title=Panopticon&oldid=194837450


Das meine ich mit dem Widerspruch zwischen intraindividuellen Präferenzen und interindividuellen Präferenzzuweisungen. Einige Kritiker des Utilitarismus weisen auf den ins Auge fallenden Widerspruch zwischen individuellen Interessen und Kollektivinteressen hin, etwa John Rawls, dessen Kritik indes noch sehr viel weiter führt.

Wie gesagt, muss man die Gefahr sehen, dass eine utilitaristische Formel, welche doch das Ziel hat, für mehr Wohlergehen Aller zu sorgen, erstens dieses Ziel nicht erreicht und zweitens den Schwerpunkt auf Kontrolle legt, weil das im Konzept implizit enthalten ist. Und wenn es eben nicht so ist, dass eine Kontrollklasse und eine kontrollierte Klasse entstehen, so doch womöglich eine Kontrolle Aller durch Alle.

Das wäre dann auch nicht viel besser. Jeder des anderen Blockwart sozusagen.

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
... um die Realität der Profitdominanz anzuerkennen

In der Ethik geht es ja vor allem auch darum, wo man hinwill bzw. welche Ziele man sich gibt. Daß man von der Profitdominaz wegmuß, ist glaube ich unbestritten.


Unumstritten ist das leider nicht überall. Was mich aber schon wundert, ist eine gewisse Ignoranz unter Moralphilosophen und Utilitaristen gegenüber der Profitdominanz, obwohl z.B. unter diesen Bedingungen noch nicht mal ökologische Probleme gelöst werden können:

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Dann müsste aber der Utilitarismus auch die ökonomische Realität mit einbeziehen, etwa den Widerspruch zwischen Maximalprofit und nachhaltiger Produktion.


Das müsste doch zu denken geben.

Etwas provokativ könnte man sagen, dass Elon Musk und Joe Kaeser letzten Endes so handeln, dass durch die Berücksichtigung einiger ökologischer Präferenzen das durchschnittliche Wohlergehen (die durchschnittliche Profitrate) der Kapitalklassen nicht gemindert, sondern immer weiter gesteigert wird.

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Anarchisten und Kommunisten geht es letztendlich um das Erklimmen der Spitze der Maslow'schen Pyramide, um die menschliche Selbstentfaltung allgemein.

Und möchten sie die Stufe N+1 erklimmen, bevor alle anderen die Stufe N erklommen haben?


Nein, sicher nicht. Es heißt ja nicht zufällig (leicht ergänzt): "Jedes Individuum nach seinen Fähigkeiten, jedem Individuum nach seinen Bedürfnissen."

step hat folgendes geschrieben:
Und wären das antagonistische Interessen?


Nein, das wären lediglich individuelle Unterschiede der Selbstentfaltung.
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step
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Beitrag(#2219025) Verfasst am: 31.07.2020, 09:34    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
... Der französische Philosoph des späten 20. Jahrhunderts Michel Foucault bezeichnete dieses Ordnungsprinzip als Modell moderner Überwachungsgesellschaften und als wesentlich für westlich-liberale Gesellschaften, die er auch Disziplinargesellschaften nennt. In Anlehnung daran entwickelte er seinen Begriff des Panoptismus. ...

Ein Überwachungs- und Spitzelstaat mit Wegsperren abweichend denkender Menschen ist schlimm, und diese Gefahr sehe ich durchaus - ich frage mich allerdings schon, inwiefern die "Disziplinierungsgesellschaft" ein Merkmal des Utilitarismus oder westlicher Demokratien sein sollte. Viel mehr sehe ich diese Gefahr in diktatorischen und in kollektivistischen / geleichgeschalteten Gesellschaften, am schlimmsten also in deren Kombination, der kommunistischen oder faschistischen Diktatur.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Einige Kritiker des Utilitarismus weisen auf den ins Auge fallenden Widerspruch zwischen individuellen Interessen und Kollektivinteressen hin ...

Was sind denn "Kollektivinteressen"? Sowas gibt es nicht - das einzige Kollektivinteresse ist, daß viele Personen mit individuellen Interessen zusammenleben wollen/müssen.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
... Was mich aber schon wundert, ist eine gewisse Ignoranz unter Moralphilosophen und Utilitaristen gegenüber der Profitdominanz, obwohl z.B. unter diesen Bedingungen noch nicht mal ökologische Probleme gelöst werden können ...

Utilitaristen sehen grob gesagt immer dann Handlungsbedarf, wenn Wesen mehr leiden als nötig. Oft ist das der Fall bei ausbeuterischen Bedingungen (etwa Billiglöhner oder Tiere in der Massenhaltung) oder auch bei Umweltzerstörung (wegen ihrer späteren Folgen).

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Etwas provokativ könnte man sagen, dass Elon Musk und Joe Kaeser ...

Das wären jetzt nicht meine Vorzeige-Utilitaristen. Du mußt an Deinen Strohmännern arbeiten, das ist eine echt schlimme Angewohnheit aus Agitatorenkreisen.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Und möchten sie die Stufe N+1 erklimmen, bevor alle anderen die Stufe N erklommen haben?
Nein, sicher nicht. Es heißt ja nicht zufällig (leicht ergänzt): [i]"Jedes Individuum nach seinen Fähigkeiten, jedem Individuum nach seinen Bedürfnissen."
Tja, diese Maxime ist aus meiner Sicht zu schwach bzw. sie ignoriert einfach, daß das eigentliche Problem in den Interessenkonflikten liegt - dafür braucht es eine Maxime.
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Zumsel
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Beiträge: 4667

Beitrag(#2219086) Verfasst am: 01.08.2020, 09:54    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Stalins Ideologie war kaum besser.


Na ja, was heißt "kaum"? Es gibt ja durchaus gute Gründe dafür, dass Hitlers letzter Strohhalm, die Westalliierten würden sich am Ende doch noch mit ihm zusammen schließen, weil die Angst vorm Bolschewismus größer wäre, sich als illusorisch erwiesen hat.

smallie hat folgendes geschrieben:
Die West-Alliierten hätten weitermarschieren und auch noch Stalin ausschalten können.


Du meinst, dem Beispiel des GröFaZ folgend mal eben unter Bruch sämtlicher Vereinbarungen die Rote Armee überrennen und blitzkriegartig bis zur Wolga durchmarschieren zwinkern

smallie hat folgendes geschrieben:
Wurde aber nicht gemacht, ging militärisch auch nicht, nicht vor der Atombombe. Pragmatismus in Reinform.


Geschockt Also ich hege ja die starke Vermutung, ein Atomschlag gegen die Sowjetunion wäre auch utilitaristisch kaum vertretbar gewesen.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Apropos, Stichwort: Monogamie. Was haben Kant & Co. dazu gesagt?


Kann ich aus dem Stegreif nicht Genaures zu sagen, ich glaube aber, dass es bei Kant wenn dann eher eine rechtliche als eine moralische Frage war. Das sind bei ihm zwei strikt getrennte Dinge.

smallie hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Klar, wenn man die umfassende Verdinglichung der Welt als negativ für die "Leidbilanz" definiert, kann man das natürlich alles utilitaristisch einfangen. Nur beißt sich die Katze da halt in den Schwanz, da die Neigung zum krämerischen Bilanzieren schon eine Form des verdinglichten Denkens darstellt.

Theorien setzen "Dinge", besser: Größen, zueinander in Beziehung.


Das ist schon richtig, nur sollte man immer im Auge behalten, dass man den Dingen dabei zwangsläufig Gewalt antut. Letztlich steckt dahinter ja bloß das seit den Griechen bekannten grundlegende Erkenntnisproblem, nämlich das unversöhnliche und zugleich unentwirrbare Verhältnis zwischen dem gegebenen Konkreten und dem erkenntnistheoretisch notwendigen Allgemeinen, dass sich also einerseits am Konkreten nichts Wesentliches verstehen lässt, ohne eine Vorstellung vom Allgemeinen zu haben, zugleich aber diese Vorstellung dem je Konkreten niemals wirklich gerecht werden kann. Aber dass diese Notwendigkeit besteht und sich die Gewalt, die die Abstraktion gegen die Dinge ausübt, daher nicht vermeiden lässt, sollte kein Grund sein, sie als Prinzip heilig zu sprechen, denn genau das wäre der Punkt, an dem das Bemühen um Erkenntnis in Ideologie erstarrt.

smallie hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Oder anders gesagt: Hätten wir menschenwürdige Verhältnisse, würde man nicht buchhalterisch um Interessenausgleich, Nutzenabwägung usw. ringen müssen.

Erich Fromm hat mal geschrieben, jede Zeit und jede Gesellschaft hätte innere Widersprüche. Damit wären menschenwürdige Verhältnisse nur in mehr oder weniger guter Näherung möglich. Irgendwer, irgendwas fällt immer durchs Raster.


Diese Vermutung kann ich durchaus unterschreiben. Und daher kann ich auch in dem, was man "Ethik" nennt, nichts anderes als den Versuch sehen, gegen die je zeitgenößischen Abscheulichkeiten anzukämpfen. Anders gesagt: Eine Ethik, die kritisch gegen das Bestehende sein will (und nur eine solche interessiert mich), kann man nicht anders denn als Utopie denken.


smallie hat folgendes geschrieben:
Wie wählst du deine Freunde aus? Danach, ob dir die Zeit, die du mit ihnen verbringst, etwas wert ist? (Und nein, ich benutze keinen Taschenrechner, um diesen Wert auszurechnen, sondern mein Gefühl.)


Nach Sympathie. Eine zeitgenößische Abscheulichkeit ist in dieser Hinsicht m.E. übrigens das, was man "Networking" nennt.


smallie hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Und dass ich in anderen Kontexten gezwungen bin, nach diesem Prinzip zu handeln (die bürgerliche Gesellschaft macht halt jeden irgendwie zur Krämerseele) empfinde ich als Zumutung.

Du meinst, das liegt an der bürgerlichen Gesellschaft? War es im Feudalismus besser?


Es war anders. Die Vornehmheit des Adels verachtete jede Krämerei. Natürlich rechnete man auch hier streng ab, aber, nun ja...mit Scham eben Lachen Gerade an solcher Scham zeigt sich übrigens auch nicht selten der Unterschied zwischen alter und neuer Oberschicht, zwischen, sagen wir mal, der Queen und Donald Trump (die Queen ist kein "Dealmaker"). Die Utopie, die der alte Adel lebte, war letztlich die eines von Zwecken weitgehend enthobenen Daseins. Natürlich war das Selbstbetrug, aber die Leistungsideologie der heutigen Oberschicht und mit ihr der ganzen bürgerlichen Gesellschaft ist es ja nicht weniger.

smallie hat folgendes geschrieben:
Aber hast schon Recht - es gibt eine Menge Zumutungen. Einige davon erscheinen nur mir als Zumutung, während andere Menschen keine Zumutung sehen. Hier beißt sich auch für mich die Katze in den Schwanz, wie du sagtest.


Was aber nicht heißt, dass alles nur eine Frage der persönlichen Einstellung wäre. Viele Zumutungen werden doch bloß deshalb nicht als solche empfunden, weil man sich schon derart dran gewöhnt hat, dass sie als vermeintlich unvermeidliche Realität einfach hingenommen werden.

smallie hat folgendes geschrieben:
Jetzt lebe ich in einer Stadt mit 120 000 Einwohnern. So einer wie Charly ist mir hier noch nicht untergekommen, dabei sollte es Dutzende seiner Art geben. Wo sind die alle? Im Heim?


Nun ja, ich lebe in Berlin, da gehören Charlies praktisch zum Alltag. Allerdings kennt niemand ihre Namen und Touristen lassen sich nicht selten daran erkennen, dass sie, anders als Einheimische, auf das Erscheinen eines Charlie noch wahrnehmbare Reaktionen zeigen.

smallie hat folgendes geschrieben:
Wild spekuliert: heute hätte Charlie keine Chance mehr. Ginge er in einen Betrieb, hieße es: Raus!. Wenn du hier zu Schaden kommst, ist der Betrieb haftbar. Kommt er im Straßenverkehr zu Schaden, kriegt sein Vormund auf den Deckel, weil er keine Heimverwahrung angeordnet hat.


    8 ) Trolleyproblem: läßt du Charly frei laufen, weil er damit "glücklich" zu sein scheint? Oder steckst du ihn ins Heim, um deinen Arsch vor rechtlichen Verwicklungen zu retten?


Tja, eine Frage von Zumutungen...
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Zumsel
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Beitrag(#2219088) Verfasst am: 01.08.2020, 10:01    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Man sollte die gesellschaftlichen Entwicklungen des letzten Jahrhunderts einbeziehen, um zu verstehen, warum es Bestrebungen gibt, die deontologischen Moralkonzepte abzulösen.

Die deontologischen Moralkonzepte dienten - auch Deiner eigenen Weltsicht gemäß - sehr klar der Machterhaltung.


Das ist in dieser Pauschalität fasch. Ich erwähnte ja an anderer Stelle schon, dass es gerade naturrechtliche Überlegungen waren, die die je herrschende Ordnung in Frage stellten. Schon bei Platon wird der Willkür der Götter Einhalt geboten durch eine übergeordnete Vernunft, an die auch die Götter gebunden wären. Die emanzipatorische Idee einer jeden Aufklärung besteht eigentlich immer darin, dass auch die herrschende Elite sich "höheren Prinzipien" zu unterwerfen habe.
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step
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Beitrag(#2219096) Verfasst am: 01.08.2020, 11:32    Titel: Antworten mit Zitat

Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Man sollte die gesellschaftlichen Entwicklungen des letzten Jahrhunderts einbeziehen, um zu verstehen, warum es Bestrebungen gibt, die deontologischen Moralkonzepte abzulösen.
Die deontologischen Moralkonzepte dienten - auch Deiner eigenen Weltsicht gemäß - sehr klar der Machterhaltung.
Das ist in dieser Pauschalität fasch. Ich erwähnte ja an anderer Stelle schon, dass es gerade naturrechtliche Überlegungen waren, die die je herrschende Ordnung in Frage stellten. Schon bei Platon wird der Willkür der Götter Einhalt geboten durch eine übergeordnete Vernunft, an die auch die Götter gebunden wären. Die emanzipatorische Idee einer jeden Aufklärung besteht eigentlich immer darin, dass auch die herrschende Elite sich "höheren Prinzipien" zu unterwerfen habe.

Ich schrieb nicht, daß die deontologischen Moralkonzepte zur Machterhaltung erfunden wurden, sondern daß sie ihr dienten. Jede apodiktische, nichtrelative Moralbegründung läßt sich aufgrund ihrer inhärenten logischen Beliebigkeit gut instrumentalisieren zum Machterhalt - typische Beispiele sind Gottesgnadentum, Nationalismus, §218, das "Ziel aller Geschichte" oder das Primat des freien Marktes.

Bestrebungen, deontologische Moralkonzepte abzulösen, kommen u.a. auch daher, daß man eben diese irrationale Beliebigkeit zunehmend als schlecht begründet, ungerecht und gefährlich erkannte, das war ein Aspekt der Aufklärung. Auch Kant hat in diese Richtung argumentiert, wenn auch leider nicht konsequent. In diesem Sinne waren Platon und Kant, und ist das heutige Grundgesetz, "weniger deontologisch" als die jeweils zuvor herrschenden Ideologien, ohne jedoch ihre jeweilige irrationale Rückbindung ganz aufzugeben.
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Zumsel
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Beitrag(#2219104) Verfasst am: 01.08.2020, 12:00    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
In diesem Sinne waren Platon und Kant, und ist das heutige Grundgesetz, "weniger deontologisch" als die jeweils zuvor herrschenden Ideologien, ohne jedoch ihre jeweilige irrationale Rückbindung ganz aufzugeben.


Worin genau siehst du derartige Rückbindungen?
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Beitrag(#2219113) Verfasst am: 01.08.2020, 13:43    Titel: Antworten mit Zitat

Diskutieren jetzt 6 Seiten, ist nun gut, wenn schälen Frau Kartoffeln? Lasse auch sie tragen Kartoffeln nach Hause. Bin stärker, ist leichter für mich, aber Frau dick. Gut für sie utilitaristisch wenn bisschen Bewegung bei Tragen und Schälen.
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Beiträge: 44087

Beitrag(#2219195) Verfasst am: 02.08.2020, 06:57    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Man sollte die gesellschaftlichen Entwicklungen des letzten Jahrhunderts einbeziehen, um zu verstehen, warum es Bestrebungen gibt, die deontologischen Moralkonzepte abzulösen.
Die deontologischen Moralkonzepte dienten - auch Deiner eigenen Weltsicht gemäß - sehr klar der Machterhaltung.
Das ist in dieser Pauschalität fasch. Ich erwähnte ja an anderer Stelle schon, dass es gerade naturrechtliche Überlegungen waren, die die je herrschende Ordnung in Frage stellten. Schon bei Platon wird der Willkür der Götter Einhalt geboten durch eine übergeordnete Vernunft, an die auch die Götter gebunden wären. Die emanzipatorische Idee einer jeden Aufklärung besteht eigentlich immer darin, dass auch die herrschende Elite sich "höheren Prinzipien" zu unterwerfen habe.

Ich schrieb nicht, daß die deontologischen Moralkonzepte zur Machterhaltung erfunden wurden, sondern daß sie ihr dienten. Jede apodiktische, nichtrelative Moralbegründung läßt sich aufgrund ihrer inhärenten logischen Beliebigkeit gut instrumentalisieren zum Machterhalt - typische Beispiele sind Gottesgnadentum, Nationalismus, §218, das "Ziel aller Geschichte" oder das Primat des freien Marktes.

Bestrebungen, deontologische Moralkonzepte abzulösen, kommen u.a. auch daher, daß man eben diese irrationale Beliebigkeit zunehmend als schlecht begründet, ungerecht und gefährlich erkannte, das war ein Aspekt der Aufklärung. Auch Kant hat in diese Richtung argumentiert, wenn auch leider nicht konsequent. In diesem Sinne waren Platon und Kant, und ist das heutige Grundgesetz, "weniger deontologisch" als die jeweils zuvor herrschenden Ideologien, ohne jedoch ihre jeweilige irrationale Rückbindung ganz aufzugeben.

Wie genau lässt sich denn z.B. der Imperativ, den Menschen in der eigenen Person und der jedes anderen nie bloß als Mittel, sondern stets auch als Zweck zu behandeln, für den eigenen Machterhalt instrumentalisieren? Da wäre ich jetzt schon mal auf Beispiele gespannt.

(Dass das "Ziel der Geschichte" ein deontologischer Tropos sei und nicht ein teleologischer, ist hoffentlich auch deinerseits nur als Scherz gemeint. Mit den Augen rollen)
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Beitrag(#2219214) Verfasst am: 02.08.2020, 10:36    Titel: Antworten mit Zitat

operacja_pluca hat folgendes geschrieben:
Diskutieren jetzt 6 Seiten, ist nun gut, wenn schälen Frau Kartoffeln? Lasse auch sie tragen Kartoffeln nach Hause. Bin stärker, ist leichter für mich, aber Frau dick. Gut für sie utilitaristisch wenn bisschen Bewegung bei Tragen und Schälen.



Für Frau wäre es utilitaristisch besser, so einem nyaff (just look it up in the dictionary) den Laufpass zu geben und zwar besser gestern als heute oder morgen. Wenn der Rausschmiss mit einem Tritt in den Allerwertesten des betreffenden Typen kombiniert wird, bekommt sie dadurch auch ein bisschen Bewegung... zynisches Grinsen
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step
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Beitrag(#2219226) Verfasst am: 02.08.2020, 11:42    Titel: Antworten mit Zitat

Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
In diesem Sinne waren Platon und Kant, und ist das heutige Grundgesetz, "weniger deontologisch" als die jeweils zuvor herrschenden Ideologien, ohne jedoch ihre jeweilige irrationale Rückbindung ganz aufzugeben.
Worin genau siehst du derartige Rückbindungen?

Bei Kant (nebem einigem Anderen) die Überzeugung, daß moralisches Handeln weder ohne Glauben an Gott noch ohne sog. Freien Willen möglich sei.
Beim GG neben der Gottesformel auch die bewußte Entscheidung der Autoren, die "Würde" als eine Art ontologische Eigenschaft des Menschen zu postulieren, statt ehrlicherweise von einer Zuweisung, einem Recht o.ä. zu sprechen.

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Wie genau lässt sich denn z.B. der Imperativ, den Menschen in der eigenen Person und der jedes anderen nie bloß als Mittel, sondern stets auch als Zweck zu behandeln, für den eigenen Machterhalt instrumentalisieren? Da wäre ich jetzt schon mal auf Beispiele gespannt.

Ich will jetzt keine große Kant-Diskussion aufmachen, aber nmV bleibt Kant letztlich stecken bei der Frage, was denn nun solche "Zwecke an sich" ausmache - er spricht von Zwecken, die keinerlei Bedürfnissen entsprechen und keine sinnlichen Aspekte, sondern nur einen "inneren Wert" hätten, die "Würde". Diese hänge mit Autonomie und dem sog. Freiem Willen zusammen. Die "praktische Vernunft" sei die einzige Quelle moralischer Sollensaussagen. Dies zusammen mit dem KI läßt nicht nur Einiges an Freiheitsgraden, etwa was ich als preußischer König zu "praktisch vernünftig" erkläre, sondern es fehlt auch eine klare Aussage dazu, wie gleichberechtigt die ethischen Subjekte überhaupt an der Gesetzgebung im "Reich der Zwecke" teilhaben und wann ihre (teils metaphysischen) Voraussetzungen zur Teilhabe erfüllt sind.

Wie gesagt, der KI formuliert immerhin auch so etwas wie eine Referenz auf Wohl und Willen der Anderen, dieser Aspekt ist dem Utilitarismus nicht unähnlich. Ein wesentlicher Unterschied liegt
- wie und zu welchem Ziel diese Maximen angewandt werden
- welche (teils metaphysischen) Voraussetzungen zugrundeliegen

Etwas böse könnte man sagen, Kants Ansatz ist das genaue Gegenteil von Skeptikers rein sinnlicher Bedürfnispyramide, der Utilitarismus liegt gewissermaßen dazwischen Smilie

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
(Dass das "Ziel der Geschichte" ein deontologischer Tropos sei und nicht ein teleologischer, ist hoffentlich auch deinerseits nur als Scherz gemeint. Mit den Augen rollen)

Da muß ich Dich enttäuschen - Teleologie ist mE nur eine Unterform deontologischer Ansätze, in allen Fällen wird von etwas (metaphysisch) Gegebenen ausgegangen, ob es nun in der Schöpfung, der determinierten Zukunft oder wo auch immer liegt.
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Zumsel
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Beitrag(#2219236) Verfasst am: 02.08.2020, 12:16    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
In diesem Sinne waren Platon und Kant, und ist das heutige Grundgesetz, "weniger deontologisch" als die jeweils zuvor herrschenden Ideologien, ohne jedoch ihre jeweilige irrationale Rückbindung ganz aufzugeben.
Worin genau siehst du derartige Rückbindungen?

Bei Kant (nebem einigem Anderen) die Überzeugung, daß moralisches Handeln weder ohne Glauben an Gott noch ohne sog. Freien Willen möglich sei.


Das zielt jetzt aber mehr auf tieferliegende Erklärungsversuche des Vorhandenseins moralischer Strebungen ab als auf die Formulierung dessen, was Moral überhaupt ist.

step hat folgendes geschrieben:
Beim GG neben der Gottesformel auch die bewußte Entscheidung der Autoren, die "Würde" als eine Art ontologische Eigenschaft des Menschen zu postulieren, statt ehrlicherweise von einer Zuweisung, einem Recht o.ä. zu sprechen.


Das hatten wir hier ja nun schon ausgiebig. Die Zuweisung von Rechten mit der Zuweisung von Rechten zu begründen, ist halt etwas Banane. Und dass ein Verfassungstext keine Interpretation seiner Entstehungsgeschichte beinhaltet, ist ja auch irgendwie klar. Allerdings gibt es außerhalb solcher Texte wesentlich bessere Erklärungsansätze als utilitaristische, deren Oberflächlichkeit übrigens schon Nietzsche sehr gut, wenn auch etwas polemisch dargestellt hat. Auch die Hegelsche Kritik der bürgerlichen Moral geht deutlich tiefer.
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Beitrag(#2219238) Verfasst am: 02.08.2020, 12:49    Titel: Antworten mit Zitat

Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Beim GG neben der Gottesformel auch die bewußte Entscheidung der Autoren, die "Würde" als eine Art ontologische Eigenschaft des Menschen zu postulieren, statt ehrlicherweise von einer Zuweisung, einem Recht o.ä. zu sprechen.
Die Zuweisung von Rechten mit der Zuweisung von Rechten zu begründen, ist halt etwas Banane.

Wenn einem keine Begründung einfällt, sollte man keine falsche erfinden, nur damit das Volk folkt. Man kann entweder die Zuweisung von Rechten wenigstens ehrlich als solche bezeichnen (ohne Begründung), oder eine Begründung angeben, z.B. den Versuch, Wohl und Interessen aller Personen gleich zu gewichten, weil dies etwas ist, worauf sich mutmaßlich alle einigen würden (wenn sie es schon nicht wirklich tun).

Zumsel hat folgendes geschrieben:
... bessere Erklärungsansätze als utilitaristische, deren Oberflächlichkeit übrigens ...

Manchmal scheint mir, viele Menschen, vor allem Intellektuelle, schämen sich für die letztliche Trivialität des Menschen und treiben allerhand Aufwand, um sich einen metaphysischen Glorienschein zu verpassen.
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Beitrag(#2219239) Verfasst am: 02.08.2020, 12:52    Titel: Antworten mit Zitat

Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Bei Kant (nebem einigem Anderen) die Überzeugung, daß moralisches Handeln weder ohne Glauben an Gott noch ohne sog. Freien Willen möglich sei.
Das zielt jetzt aber mehr auf tieferliegende Erklärungsversuche des Vorhandenseins moralischer Strebungen ab als auf die Formulierung dessen, was Moral überhaupt ist.

Naja, bei "de-ontologisch" geht es nunmal darum, woher etwas kommt - insofern hängt das eng zusammen. Auch bei Kant übrigens.
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Beitrag(#2219241) Verfasst am: 02.08.2020, 13:33    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
... Der französische Philosoph des späten 20. Jahrhunderts Michel Foucault bezeichnete dieses Ordnungsprinzip als Modell moderner Überwachungsgesellschaften und als wesentlich für westlich-liberale Gesellschaften, die er auch Disziplinargesellschaften nennt. In Anlehnung daran entwickelte er seinen Begriff des Panoptismus. ...

Ein Überwachungs- und Spitzelstaat mit Wegsperren abweichend denkender Menschen ist schlimm, und diese Gefahr sehe ich durchaus - ich frage mich allerdings schon, inwiefern die "Disziplinierungsgesellschaft" ein Merkmal des Utilitarismus oder westlicher Demokratien sein sollte.


Gemäß Bourdieu betrifft das westlich-liberale Gesellschaften. Und dazu passt aus seiner Sicht so eine Überwachungstechnik wie das Panoptikum eines ausgewiesenen Utilitaristen. Das ist nicht mein Gedanke, sondern der von Bourdieu. Und der war noch nicht mal so radikal, wie es Marxisten sind und kommt trotzdem zu der genannten Einschätzung.

Also, wie steht's mit deiner inhaltlichen Antwort zu Bourdieu?

step hat folgendes geschrieben:
Viel mehr sehe ich diese Gefahr in diktatorischen und in kollektivistischen / geleichgeschalteten Gesellschaften, am schlimmsten also in deren Kombination, der kommunistischen oder faschistischen Diktatur.


Wir ich dir schon schrieb, hat Kommunismus nichts mit Kollektivismus oder gar Gleichschaltung zu tun, sondern mit individuellen Fähigkeiten und Bedürfnissen, siehe mein Zitat. Und wieso du hier gar Kommunismus mit Faschismus gleichsetzt, das ist nun überhaupt nicht mehr nachzuvollziehen. Faschismus ist einfach nur ein politischer Überbau für Kapitalismus/Neoliberalismus und nichts weiter. Kommunismus - ist was ganz anderes und das gehört nun wirklich zum ABC der politischen Bildung.

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Einige Kritiker des Utilitarismus weisen auf den ins Auge fallenden Widerspruch zwischen individuellen Interessen und Kollektivinteressen hin ...

Was sind denn "Kollektivinteressen"? Sowas gibt es nicht - das einzige Kollektivinteresse ist, daß viele Personen mit individuellen Interessen zusammenleben wollen/müssen.


John Rawls und andere bekannte zeitgenössische Kritiker des Utilitarismus, insbesondere auch des Präferenzutilitarismus, weisen gerade darauf hin, dass diese Modelle individuelle Interessen selbst zwar in die große Rechenmaschine einspeisen, jedoch daraus ein ominöses Kollektivwohlergehen produzieren. Das individuelle Verhalten, so die Kritik Rawls, hat sich beim Präferenzutilitarismus nicht an individuellen Bedürfnissen auszurichten, sondern am Gesamt-Wohlergehen. Und was ist das anderes als die Auflösung des Individuums in ein abstraktes Kollektiv?

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
... Was mich aber schon wundert, ist eine gewisse Ignoranz unter Moralphilosophen und Utilitaristen gegenüber der Profitdominanz, obwohl z.B. unter diesen Bedingungen noch nicht mal ökologische Probleme gelöst werden können ...

Utilitaristen sehen grob gesagt immer dann Handlungsbedarf, wenn Wesen mehr leiden als nötig. Oft ist das der Fall bei ausbeuterischen Bedingungen (etwa Billiglöhner oder Tiere in der Massenhaltung) oder auch bei Umweltzerstörung (wegen ihrer späteren Folgen).


Kommunisten sind da radikaler. Sie sind der Meinung, dass es notwendig sei, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen Menschen und Tiere verächtliche und/oder verlassene Wesen sind und in denen die Natur nur eine Wegwerfressource ist, die man den künftigen Generationen ohne Skrupel rauben darf.

Kommunisten haben aber eine Analyse dieser Verhältnisse. Was haben Utilitaristen an dieser Stelle? Etwa nur eine Leerstelle?

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Etwas provokativ könnte man sagen, dass Elon Musk und Joe Kaeser ...

Das wären jetzt nicht meine Vorzeige-Utilitaristen. Du mußt an Deinen Strohmännern arbeiten, das ist eine echt schlimme Angewohnheit aus Agitatorenkreisen.


Elon Musk und Joe Kaeser sind auch nicht meine Vorzeige-Kommunisten. Trotzdem - oder gerade deswegen! - muss ich mich mit ihnen (und ihresgleichen) auseinandersetzen. Wo beibt die Auseinandersetzung von Utilitaristen mit den Präferenzen der Beiden?

Hat der Utilitarismus auch hier nichts beizutragen?

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Und möchten sie die Stufe N+1 erklimmen, bevor alle anderen die Stufe N erklommen haben?
Nein, sicher nicht. Es heißt ja nicht zufällig (leicht ergänzt): [i]"Jedes Individuum nach seinen Fähigkeiten, jedem Individuum nach seinen Bedürfnissen."
Tja, diese Maxime ist aus meiner Sicht zu schwach bzw. sie ignoriert einfach, daß das eigentliche Problem in den Interessenkonflikten liegt - dafür braucht es eine Maxime.


Da ich dir eben gezeigt habe, dass *der Kommunismus* gerade antagonistische Interessenlagen analysiert, wobei dies eine seiner Hauptstärken ist, wie kannst du nun behaupten, *der Kommunismus* würde die Interessenkonflikte innerhalb der Bevölkerung ignorieren?

Vor allem muss man unterscheiden zwischen antagonistischen und nicht-antagonistischen Interessen. Kann der Utilitarismus zwischen beiden Interessenarten unterscheiden?

Falls nicht, ist der Utilitarismus wohl entweder noch nicht ausgereift oder aber er blendet bereits in seinem Grundansatz die gesellschaftliche Realität aus. Diese zu berücksichtigen anstatt sich in einer völlig abgehobenen Formelhuberei zu verlieren, wäre wichtig, wenn man denn den Anspruch hat, Wesentliches an den zahlreichen Übeln dieser Gesellschaft ändern und verbessern zu wollen.

Dann reicht es eben nicht, auszurufen: "Shut up and calculate!"

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Zumsel
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Beitrag(#2219246) Verfasst am: 02.08.2020, 14:01    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Bei Kant (nebem einigem Anderen) die Überzeugung, daß moralisches Handeln weder ohne Glauben an Gott noch ohne sog. Freien Willen möglich sei.
Das zielt jetzt aber mehr auf tieferliegende Erklärungsversuche des Vorhandenseins moralischer Strebungen ab als auf die Formulierung dessen, was Moral überhaupt ist.

Naja, bei "de-ontologisch" geht es nunmal darum, woher etwas kommt - insofern hängt das eng zusammen. Auch bei Kant übrigens.


Die Herleitung des KI ist aber etwas anderes als dessen Einbettung in das Kantische Gesamtsystem. Und die Sache mit dem notwendigen Zusammenhang von Vernunft, Handlung und Freiheit ist ja so falsch nun auch nicht. Jedenfalls trifft jede Kritik am Freiheitsbegriff letztlich immer auch den Begriff der Vernunft und sogar den des Individuums überhaupt. Was nicht heißt, dass solche Kritik nicht angebracht wäre, aber das, was ich weiter oben über die unauflösliche Verstrickung von Konkretem und Allgemeinen geschrieben habe, gilt eben auch für das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft. Und diese Verstrickungen so gut wie möglich zu durchdringen, ist daher auch keine unnötige intellektuelle Verkomplizierung der Welt, sondern notwendige Voraussetzung ihres Verständnisses. In diesem Punkt über Kant hinauszugehen, indem man die Freiheit des Individuums immer auch im Kontext der jeweiligen sozialen Umstände begreifen muss, ist allerdings notwendig.
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Beitrag(#2219249) Verfasst am: 02.08.2020, 15:00    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Wir ich dir schon schrieb, hat Kommunismus nichts mit Kollektivismus oder gar Gleichschaltung zu tun ...

... mehr jedenfalls als Utilitarismus mit Profit und Elon Musk.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Das individuelle Verhalten, so die Kritik Rawls, hat sich beim Präferenzutilitarismus nicht an individuellen Bedürfnissen auszurichten, sondern am Gesamt-Wohlergehen.

Wenn sich das individuelle Verhalten an den individuellen Bedürfnissen aller einzelnen Anderen ausrichten würde, wäre das praktisch undurchführbar. Wenn man es aber doch macht, erfordert es eine irgendwie geartete "Aufsummierung" und man ist wieder beim greater good.

Du kannst ja mal mit Zumsel diskutieren, ob sich moralische Entscheidungen überhaupt an Bedürfnissen orientieren sollten Lachen

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Und was ist das anderes als die Auflösung des Individuums in ein abstraktes Kollektiv?

Nicht das Individuum wird aufgelöst, sondern seine Interessen bzw. Bedürfnisse gehen in eine Gesamtbetrachtung ein. Es ist eine sogenannte Abwägung. Weiß nicht, ob Dir dieses Wort schon mal begegnet ist.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Kommunisten haben aber eine Analyse dieser Verhältnisse. Was haben Utilitaristen an dieser Stelle?

Natürlich auch eine Analyse. Nämlich die, an welcher Stelle die Verhältnisse vom Greater Good abweichen, und was man tun muß, um das zu verbessern. Da kann auch rauskommen, daß der Kapitalismus als solcher im Wege steht. Die Analyse ist aber prinzipiell ergebnisoffen, anders als beim Kommunismus.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Wo beibt die Auseinandersetzung von Utilitaristen mit den Präferenzen der Beiden [Musk und Kaeser]?

Das geht ziemlich einfach - offensichtlich (a) zielt ihr Bestreben nicht auf das größtmögliche Gute für Alle, und (b) haben sie im ethischen Diskurs mehr Präferenzgewicht, als ihnen gerechterweise zusteht.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Da ich dir eben gezeigt habe, dass *der Kommunismus* gerade antagonistische Interessenlagen analysiert, wobei dies eine seiner Hauptstärken ist ...

Wie bitte? Du hast
- eine Bedürfnispyramide gepostet - die enthält keinerlei Interessenkonfikte
- weiter oben sogar explizit behauptet, Dein "Optimismus" beruhe darauf, daß es im Kommunismus keine Interessenkonflikte mehr gebe

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Vor allem muss man unterscheiden zwischen antagonistischen und nicht-antagonistischen Interessen. Kann der Utilitarismus zwischen beiden Interessenarten unterscheiden?

Ja selbstverständlich. Wenn Interessen sich gegenseitig nicht ausschließen, besteht das Greater Good natürlich darin, beide zu erfüllen. Das ist aber jetzt trivial. Das Problem liegt eher darin, daß Du die Existenz antagonistischer Interessen in Deiner Utopie einfach leugnest. Um es in Deinen eigenen Worten zu sagen:

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Ohne realistische Theorie keine sinnvolle Praxis.

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Beitrag(#2219250) Verfasst am: 02.08.2020, 15:02    Titel: Antworten mit Zitat

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Die Herleitung des KI ist aber etwas anderes als dessen Einbettung in das Kantische Gesamtsystem. Und die Sache mit dem notwendigen Zusammenhang von Vernunft, Handlung und Freiheit ist ja so falsch nun auch nicht. Jedenfalls trifft jede Kritik am Freiheitsbegriff letztlich immer auch den Begriff der Vernunft und sogar den des Individuums überhaupt. Was nicht heißt, dass solche Kritik nicht angebracht wäre, aber das, was ich weiter oben über die unauflösliche Verstrickung von Konkretem und Allgemeinen geschrieben habe, gilt eben auch für das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft. Und diese Verstrickungen so gut wie möglich zu durchdringen, ist daher auch keine unnötige intellektuelle Verkomplizierung der Welt, sondern notwendige Voraussetzung ihres Verständnisses. In diesem Punkt über Kant hinauszugehen, indem man die Freiheit des Individuums immer auch im Kontext der jeweiligen sozialen Umstände begreifen muss, ist allerdings notwendig.

Hmm ... da finde ich jetzt so direkt nix, wo ich widersprechen würde zwinkern
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Beitrag(#2219305) Verfasst am: 03.08.2020, 06:38    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Wir ich dir schon schrieb, hat Kommunismus nichts mit Kollektivismus oder gar Gleichschaltung zu tun ...

... mehr jedenfalls als Utilitarismus mit Profit und Elon Musk.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Das individuelle Verhalten, so die Kritik Rawls, hat sich beim Präferenzutilitarismus nicht an individuellen Bedürfnissen auszurichten, sondern am Gesamt-Wohlergehen.

Wenn sich das individuelle Verhalten an den individuellen Bedürfnissen aller einzelnen Anderen ausrichten würde, wäre das praktisch undurchführbar. Wenn man es aber doch macht, erfordert es eine irgendwie geartete "Aufsummierung" und man ist wieder beim greater good.

Du kannst ja mal mit Zumsel diskutieren, ob sich moralische Entscheidungen überhaupt an Bedürfnissen orientieren sollten Lachen

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Und was ist das anderes als die Auflösung des Individuums in ein abstraktes Kollektiv?

Nicht das Individuum wird aufgelöst, sondern seine Interessen bzw. Bedürfnisse gehen in eine Gesamtbetrachtung ein. Es ist eine sogenannte Abwägung. Weiß nicht, ob Dir dieses Wort schon mal begegnet ist.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Kommunisten haben aber eine Analyse dieser Verhältnisse. Was haben Utilitaristen an dieser Stelle?

Natürlich auch eine Analyse. Nämlich die, an welcher Stelle die Verhältnisse vom Greater Good abweichen, und was man tun muß, um das zu verbessern. Da kann auch rauskommen, daß der Kapitalismus als solcher im Wege steht. Die Analyse ist aber prinzipiell ergebnisoffen, anders als beim Kommunismus.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Wo beibt die Auseinandersetzung von Utilitaristen mit den Präferenzen der Beiden [Musk und Kaeser]?

Das geht ziemlich einfach - offensichtlich (a) zielt ihr Bestreben nicht auf das größtmögliche Gute für Alle, und (b) haben sie im ethischen Diskurs mehr Präferenzgewicht, als ihnen gerechterweise zusteht.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Da ich dir eben gezeigt habe, dass *der Kommunismus* gerade antagonistische Interessenlagen analysiert, wobei dies eine seiner Hauptstärken ist ...

Wie bitte? Du hast
- eine Bedürfnispyramide gepostet - die enthält keinerlei Interessenkonfikte
- weiter oben sogar explizit behauptet, Dein "Optimismus" beruhe darauf, daß es im Kommunismus keine Interessenkonflikte mehr gebe

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Vor allem muss man unterscheiden zwischen antagonistischen und nicht-antagonistischen Interessen. Kann der Utilitarismus zwischen beiden Interessenarten unterscheiden?

Ja selbstverständlich. Wenn Interessen sich gegenseitig nicht ausschließen, besteht das Greater Good natürlich darin, beide zu erfüllen. Das ist aber jetzt trivial. Das Problem liegt eher darin, daß Du die Existenz antagonistischer Interessen in Deiner Utopie einfach leugnest. Um es in Deinen eigenen Worten zu sagen:

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Ohne realistische Theorie keine sinnvolle Praxis.


Keine Antwort auf Bourdieu, keine Antwort auf Rawls, alles flach, verkürzt und falsch verstanden. Nebenbei billigste antikommunistische Propaganda und Klischees, auch aus Uninformiertheit und Unwissen Marke BILD. Du pickst dir einen Satz heraus, ignorierst die Zusammenhänge und die Gesamtaussage usw.

Auf nichts bist du in der Lage einzugehen.

So richtig doof ist z.B. die folgende ... äh ... Antwort:

Zitat:
Wie bitte? Du hast
- eine Bedürfnispyramide gepostet - die enthält keinerlei Interessenkonfikte
- weiter oben sogar explizit behauptet, Dein "Optimismus" beruhe darauf, daß es im Kommunismus keine Interessenkonflikte mehr gebe


Geht komplett an dem vorbei, was ich geschrieben und gemeint habe. Was "Antagonismus" in diesem Zusammenhang bedeutet, ist dir noch nicht mal ansatzweise klar usw.

Meinst du nicht doch, dass du lieber bei der Physik bleiben solltest? Da kannst du wenigstens rechnen. Cool
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Beitrag(#2219311) Verfasst am: 03.08.2020, 08:34    Titel: Antworten mit Zitat

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Keine Antwort auf Bourdieu, ...

Der Verweis auf einen anekdotischen Vorschlag eines Überwachungs-Schreckgespentes ist offensichtlich ungeeignet, das Prinzip des Greater Good zu kritisieren, denn eine solche Überwachung würde gegen die Interessen der Meisten verstoßen. Daher erschien mir hier keine Antwort nötig. Zudem sind westliche Demokratien zumindest in der bisherigen Geschichte der panoptischen Überwachung nicht gerade übermäßig hervorgetreten.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
keine Antwort auf Rawls, ...

Schau genau.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Meinst du nicht doch, dass du lieber bei der Physik bleiben solltest? Da kannst du wenigstens rechnen.

Leider kann ich es nicht mit meinem Wertesystem vereinbaren, das Feld der Ethik und Politik Dir zu überlassen.

PS: Du solltest doch diskutieren, ob bzw. warum sich moralische Entscheidungen überhaupt an Bedürfnissen orientieren sollten.
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Beitrag(#2219314) Verfasst am: 03.08.2020, 09:22    Titel: Antworten mit Zitat

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Hmm ... da finde ich jetzt so direkt nix, wo ich widersprechen würde zwinkern


Dann sind die Idee der Freiheit einerseits und die Analyse der die Interessen determinierenden gesellschaftlichen Zustände andererseits für dich also doch die primären Elemente der Ethik? Klingt aber nicht sehr utilitaristisch zwinkern
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Beitrag(#2219319) Verfasst am: 03.08.2020, 10:53    Titel: Antworten mit Zitat

Zumsel hat folgendes geschrieben:
step hat folgendes geschrieben:
Zumsel hat folgendes geschrieben:
Die Herleitung des KI ist aber etwas anderes als dessen Einbettung in das Kantische Gesamtsystem. Und die Sache mit dem notwendigen Zusammenhang von Vernunft, Handlung und Freiheit ist ja so falsch nun auch nicht. Jedenfalls trifft jede Kritik am Freiheitsbegriff letztlich immer auch den Begriff der Vernunft und sogar den des Individuums überhaupt. Was nicht heißt, dass solche Kritik nicht angebracht wäre, aber das, was ich weiter oben über die unauflösliche Verstrickung von Konkretem und Allgemeinen geschrieben habe, gilt eben auch für das Verhältnis von Individuum und Gesellschaft. Und diese Verstrickungen so gut wie möglich zu durchdringen, ist daher auch keine unnötige intellektuelle Verkomplizierung der Welt, sondern notwendige Voraussetzung ihres Verständnisses. In diesem Punkt über Kant hinauszugehen, indem man die Freiheit des Individuums immer auch im Kontext der jeweiligen sozialen Umstände begreifen muss, ist allerdings notwendig.
Hmm ... da finde ich jetzt so direkt nix, wo ich widersprechen würde zwinkern
Dann sind die Idee der Freiheit einerseits und die Analyse der die Interessen determinierenden gesellschaftlichen Zustände andererseits für dich also doch die primären Elemente der Ethik?

Nein, keineswegs. Ich stimme jedoch zu,
- daß Vernunft, Handlung und Freiheit nicht zusammenhanglos sind
- daß Individuum und Gesellschaft sowie Konkretes und Allgemeines durchaus verstrickt sind
- daß auch das Verständnis der sozialen Umstände wichtig ist

Das alles widerspricht in keiner Weise dem utilitaristischen Ansatz. Beispielsweise fühlen sich die allermeisten Menschen besser, wenn sie Handlungsfreiheit spüren, also wenn die Umstände zulassen, daß sie gemäß ihrer Präferenzen handeln, und es gleichzeitig zuzulassen scheinen, anders zu handeln, wenn ihre Präferenzen anders wären. Auch die Abstraktion von den eigenen sinnlichen Bedürfnissen zu vernünftigen Maximen ist bei utilitaristischen Abwägungen naturgemäß wichtig. Und als Determinist unterschätze ich die Rolle der sozialen Umstände nicht, im Gegenteil halte ich diese für eine wichtigen Stellschrauben des Greater Good.

Differenzen sehe ich bei folgenden Punkten (evtl. nicht vollständig):
- Konzept der Willensfreiheit
- moralisches Handeln sei unmöglich ohne Glauben an Gott
- Gesinnungsethik va. Konsequentialismus (wobei man das teilweise auflösen könnte - mir geht es nicht darum, daß eine Person für eine Handlung im Nachhinein nach den Konsequenzen beurteilt wird, sondern daß sie bei der Entscheidung die Konsequenzen bedenkt)
- was ist bei Kant überhaupt das Ziel der ganzen Übung? "was sollen wir" ist für mich eine gewissermaßen vorufgeklärte Frage, "was wollen wir" wäre zeitgemäß
- fehlendes Konzept des gleichberechtigten ethischen Diskurses
- ...
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smallie
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Beitrag(#2219321) Verfasst am: 03.08.2020, 12:05    Titel: Antworten mit Zitat

zelig hat folgendes geschrieben:
smallie hat folgendes geschrieben:
Du hast noch nichts zu den Neandertalern aus der Höhle von Shanidar gesagt. Woher hatten die ihre Version der Neandertaler-Rechte?


Als evolutionäre Fortentwicklung sozialen Verhaltens vielleicht.

So ungefähr. Aus zwei unterschiedlichen Warten betrachtet:

1) Als Neandertaler hast du so und so viel Risiko, invalide zu werden. Welchem Stamm schließt du dich an, wenn du die Wahl hast? Dem, in dem Invalide erschlagen werden, oder dem, der Invalide durchbringt? Ich denke, diese Wahl gab es.


2) Aus menschlicher Sicht ist das Sozialverhalten der Schimpansen ein Alptraum. Alle Weibchen stehen rangmäßig noch unter dem rangniedrigsten Männchen. Daß Schimpansenmütter ihre Säuglinge anderen Schimpansen nicht anvertrauen, hatte ich vor einer Weile erwähnt. Es muß erlösend sein, ohne Angst leben zu können, daß dein Säugling erschlagen wird, wenn du kurz nicht aufpasst.

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Deshalb kann ich mit Maslow nichts anfangen.

Skeptiker hat folgendes geschrieben:
Die wissenschaftliche Bedürfnispyramide ist keine Frage der Entscheidung oder gar Willkür, sondern das Ergebnis wissenschaftlicher Erforschung des Menschen:


Lebensumstände können krank machen. Zeremonielles Zitat:

    Ein rangniedriger Primat ist ein kranker Primat - Sapolsky

Diese Sicht findet in der Maslowschen Pyramide nicht statt.
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Marcellinus
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Beiträge: 7429

Beitrag(#2219323) Verfasst am: 03.08.2020, 12:39    Titel: Antworten mit Zitat

smallie hat folgendes geschrieben:
Als Neandertaler hast du so und so viel Risiko, invalide zu werden. Welchem Stamm schließt du dich an, wenn du die Wahl hast? Dem, in dem Invalide erschlagen werden, oder dem, der Invalide durchbringt? Ich denke, diese Wahl gab es.

Invalide wurden von ihrem Stamm durchgebracht, weil man in der Regel invalide wurde im Kampf für die Ernährung oder Verteidigung eben dieses Stammes. Aber eben nur, wenn der Stamm selbst dadurch nicht in Gefahr geriet.

Den Stamm zu wechseln konnte man in der Regel wohl nur durch Partnerwahl. Man brauchte jemanden, der einen aufnahm. Selbst wechseln konnte man wohl nicht. Frauen wurden nicht selten geraubt. Männer meistens getötet. Ob man als besonders geschickter Jäger eine Wahlmöglichkeit hatte, weiß ich nicht.

Aber die sozialen Regeln als Auswahlkriterium für eine Gruppenmitgliedschaft ist doch wohl zu sehr modern gedacht. Am Ende haben sich die Gruppen durchgesetzt, die am erfolgreichsten war, und das waren nicht selten die rücksichtslosesten.
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"Mangel an historischem Sinn ist der Erbfehler aller Philosophen ... Alles aber ist geworden;
es gibt keine ewigen Tatsachen: sowie es keine absoluten Wahrheiten gibt."

Friedrich Nietzsche
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Zumsel
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Beitrag(#2219329) Verfasst am: 03.08.2020, 15:19    Titel: Antworten mit Zitat

step hat folgendes geschrieben:
...Beispielsweise fühlen sich die allermeisten Menschen besser, wenn sie Handlungsfreiheit spüren,...


Freiheit ist hier aber keine Frage des "sich besser fühlens", so wie etwa, in welchen Klamotten man sich wohler fühlt o.ä., auch nichts, was einer Handlung von Außen als ein bloßes Gefühl irgendwie hinzugefügt werden könnte oder eben nicht, sondern notwendiger Bestandteil dessen, was mit dem Begriff der "Handlung" überhaupt gemeint ist und was ihn letztlich vom bloßen "Widerfahren" unterscheidet. Man kann das Tun nicht vollständig in einzelne kausale Ereignisse zerlegen, ohne dabei das Subjekt der Handlung selbst zu verlieren. Zur Idee des handelnden Subjekts gehört die Idee der Freiheit, anders lässt sie sich gar nicht denken. Dass das Subjekt Produkt von Umständen ist, ist irritierenderweise allerdings genauso wahr. Weder der Begriff der Freiheit noch der der Notwendigkeit ist verzichtbar und zwar nicht nur praktisch nicht, sondern schon theoretisch nicht. Kant hatte schon gute Gründe für seine Antinomienlehre, er hat sie vielleicht nur nicht konsequent genug zu Ende gedacht. Bezogen auf die Frage der Freiheit scheint mir die zeitgenössische Diskussion zwischen Kompatibilisten und Inkompatibilisten allerdings eine Sackgasse zu sein. Die Widersprüche, in die rationales Denken sich notwendig zu verstricken scheint, sind m.E. auch weder sprachphilosophisch, noch formallogisch, noch mit Hilfe solcher Konstrukte wie "notwendige Fiktion" oder dgl. auflzuösen.
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step
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Beiträge: 22767
Wohnort: Germering

Beitrag(#2219336) Verfasst am: 03.08.2020, 16:28    Titel: Antworten mit Zitat

@Zumsel, diese Diskussion ist eigentlich OT, da sie nichts mit utilitaristischer Ethik zu tun hat, sondern nur mit Kant's Prämissen für seine Moraltheorie.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Freiheit ist hier ... notwendiger Bestandteil dessen, was mit dem Begriff der "Handlung" überhaupt gemeint ist und was ihn letztlich vom bloßen "Widerfahren" unterscheidet.

Die "Notwendigkeit" eines solchen Freiheitsbegriffs entsteht nur durch das, was manche gern daraus ableiten möchten. Die Erkenntnis des (letztlich) bloßen Widerfahrens beleidigt uns.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Man kann das Tun nicht vollständig in einzelne kausale Ereignisse zerlegen, ohne dabei das Subjekt der Handlung selbst zu verlieren.

Das ist in gewisser Weise richtig, wie immer bei emergenten Phänomenen. Wenn ich einen Apfel in Atome zerlege, habe ich eine Auswahl von Atomen und keinen Apfel mehr. Der Begriff "Apfel" macht nur auf einer emergenten Ebene Sinn, etwa im funktionalen Zusammenhang eines Obstkorbes.

So ähnlich ist es auch beim "Subjekt" - der Begriff wird auf emergenter Ebene so verwendet, als sei es zumindest manchmal eine autonome Letztursache. Das ist zwar falsch - im Alltag ist es jedoch fast immer egal, ob eine Entscheidung von oder in einem Menschen getroffen wird - solange sie dem Menschen irgendwie zugerechnet werden kann.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Zur Idee des handelnden Subjekts gehört die Idee der Freiheit, anders lässt sie sich gar nicht denken. Dass das Subjekt Produkt von Umständen ist, ist irritierenderweise allerdings genauso wahr.

Der Widerspruch ist doch leicht aufzulösen: Autonomie ist eben keine libertaristische Letztursächlichkeit, sondern bedeutet nur, daß ein signifikanter Teil der Bewertung/Abwägung (auf die eine Entscheidung/Handlung folgt) in einem moralisch plastischen und mit eigener Handlungssteuerung ausgestatteten Individuum abläuft.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Weder der Begriff der Freiheit noch der der Notwendigkeit ist verzichtbar und zwar nicht nur praktisch nicht, sondern schon theoretisch nicht.

Das kommt bei mir an wie ein reines Postulat.

Zumsel hat folgendes geschrieben:
Die Widersprüche, in die rationales Denken sich notwendig zu verstricken scheint, sind m.E. auch weder sprachphilosophisch, noch formallogisch, noch mit Hilfe solcher Konstrukte wie "notwendige Fiktion" oder dgl. auflzuösen.

Das ist für mich ein Plädoyer für irrationales Denken, da bin ich nicht bereit mitzugehen, da es ja automatisch auch das Ende sinnvoller Diskussion bedeuten würde (ex falso quodlibet).
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