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Neoliberalismus und Faschismus

 
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Skeptiker
"I can't breathe!"



Anmeldungsdatum: 14.01.2005
Beiträge: 16834
Wohnort: 129 Goosebumpsville

Beitrag(#2226165) Verfasst am: 24.09.2020, 19:29    Titel: Neoliberalismus und Faschismus Antworten mit Zitat

Hiermit eröffne ich ein neues Thema mit einer Antwort auf folgenden Beitrag:

beachbernie hat folgendes geschrieben:
Skeptiker hat folgendes geschrieben:
beachbernie hat folgendes geschrieben:
Blitzstrahl hat folgendes geschrieben:
Stalin wollte sich durch den Pakt mit Hitler noch eine Verschnaufpause verschaffen. Wäre nicht passiert, wenn GB und Frankr. mit der sU paktiert hätten, nämlich kruz vor Ausbruch des WK II.


Dann haette es halt eine Verbindung zwischen Neoliberalismus (GB) und dem Sowjetkommunismus gegeben. Still proving my point. Schulterzucken


Die Alliierten waren ein Militärbündnis, mehr nicht.


Auch Bündnisse zwischen Neoliberalen und Faschisten sind Zweckbündnisse und keine Liebesheiraten.

Zunaechst mal gibt es den Gegensatz zwischen Neoliberalismus und Sozialismus als diametral entgegengesetzte Wirtschaftsideologien. Der Neoliberalismus lehnt staatliche Interventionen in das Wirtschaftsgeschehen prinzipiell ab, waehrend es sich beim Sozialismus eindeutig um eine staatsinterventionistische Ideologie handelt, die dem "freien Spiel der Marktkräfte" ganz grundsaetzlich misstraut.

Der Faschismus setzt im Zweifel auch eher auf Staatsintervention als auf freie Marktwirtschaft und steht dadurch zunaechst genauso im Gegensatz zum Neoliberalismus. Er zieht jedoch die Bevormundung der Kapitaleigner der Enteignung privaten Kapitals vor und laesst somit die Besitzverhältnisse ueberwiegend unangetastet (Er enteignet zwar auch, allerdings nur Minderheiten wie z.B. die Juden in Nazideutschland). Dadurch bietet sich der Faschismus aus neoliberaler Sicht als "kleineres Uebel" als Bündnispartner an. Insbesondere wenn es infolge von Krisen zur Radikalisierung breiter Bevoelkerungsschichten kommt und zunehmend nur noch "rot" oder "braun" als künftige Führung in Frage kommen. Fuer den Neoliberalen stellt das die Wahl zwischen Pest und Cholera dar. Allerdings laesst sich hinterher, nach einer faschistischen Episode, die Marktwirtschaft weitaus leichter wiederherstellen, weil die Unternehmerschaft weitgehend intakt geblieben ist. Nach einer sozialistischen Episode ist das weitaus schwieriger, weil sozialistische Regimes dazu tendieren das Unternehmertum als solches zu zerstören und dieses erst wieder neu aufgebaut werden muss. Man kann das recht gut am Beispiel (West-)Deutschlands nach 1945 sowie im Vergleich dazu die Sowjetunion nach 1990 erkennen. Das deutsche "Wirtschaftswunder" wurde auch deshalb so schnell moeglich, weil die Wirtschaftsbosse der Weimarer Republik immer noch an den Schalthebeln ihrer Unternehmen sassen, waehrend die postsozialistische Era auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion von Anfang an daran krankte, dass es keine richtigen Unternehmerpersönlichkeiten gab und deren Funktion von EX-kommisaren und Gestalten aus dem Halbweltmillieu übernommen wurde.

Dabei haben Sozialismus und Neoliberalismus durchaus auch Gemeinsamkeiten, die sie gleichermassen vom Faschismus unterscheiden, z.B. das egalitaere Menschenbild sowie den gemeinsamen Internationalismus (Globalismus) im Gegensatz zur abgeschotteten "Volksgemeinschaft" der Faschisten, waehrend der inhärente Individualismus den Neoliberalismus vom Kollektivismus wieder des Sozialismus und des Faschismus unterscheidet.


Zwischen Neoliberalismus und Faschismus gibt es stets fließende Übergänge:



Glückwunsch von Höcke an den vermeintlichen Ministerpräsidenten Kemmerich in Thüringen

Siehe dazu das Interview mit Andreas Kemper:

"Wir dürfen den Extremismus des Neoliberalismus nicht ausblenden"

Die Rede ist vom Extremismus der Mitte. Aus just dieser Mitte stammt auch der Anstreicher.

Hier einige Zitate des neoliberalen Hitler:

Zitat:
Entscheidend für den Zusammenhang dieser neoliberalen Entwicklungsvorstellung mit dem Rechtsextremismus ist die Idee der Aussiebung und Auslese.

Wie nah das beim traditionellen Faschismus liegt, können zwei Hitler-Zitate verdeutlichen: "Das hohe Maß an persönlicher Freiheit, das ihnen (Unternehmern und Arbeitern, H.S.) in ihrem Wirken dabei zugebilligt wird, ist durch die Tatsache zu erklären, dass erfahrungsgemäß die Leistungsfähigkeit des einzelnen durch weitgehende Freiheitsgewährung mehr gesteigert wird als durch Zwang von oben, und es weiter geeignet ist zu verhindern, dass der natürliche Ausleseprozeß, der den Tüchtigsten, Fähigsten und Fleißigsten befördern soll, etwa unterbunden wird."

Diesen Vorstellungen aus "Mein Kampf" bleibt Hitler nach 1933 treu, und auch dann, wenn Wirtschaftsplanung zur Produktions- und Effizienzsteigerung der deutschen Wirtschaft einstweilen unumgänglich erscheinen. Planmäßige Leitung sei ein "gefährliches Unternehmen, weil jeder Planwirtschaft nur zu leicht die Verbürokratisierung und damit die Erstickung der ewig schöpferischen privaten Einzelinitiative folgt". "Diese Gefahr wird noch erhöht durch die Tatsache, dass jede Planwirtschaft nur zu leicht die harten Gesetze der wirtschaftlichen Auslese der Besseren und der Vernichtung der Schwächeren aufhebt oder zumindest einschränkt zugunsten einer Garantierung der Erhaltung auch des minderwertigen Durchschnitts (...)."

Es ist dieser Auslesegedanke, der auch wesentlicher Bestandteil der neoliberalen Evolutionstheorie ist. Hayek sagt in einem Interview mit der Wirtschaftswoche: "Gegen die Überbevölkerung gibt es nur die eine Bremse, nämlich dass sich nur die Völker erhalten und vermehren, die sich auch selbst ernähren können." Das sei - so Hayek - kein Sozialdarwinismus, sondern "bei mir geht es um einen gesellschaftlichen Evolutionsprozeß".


https://www.linksnet.de/artikel/17635


Während beachbernie die Sache mit dem Faschismus so darstellt:

Der Faschismus ... zieht jedoch die Bevormundung der Kapitaleigner der Enteignung privaten Kapitals vor und laesst somit die Besitzverhältnisse ueberwiegend unangetastet ...

Muss man sich fragen, warum Hitler, Mussolini, Franco und Pinochet auf Wunsch und auf Initiative der Privatkapitalisten an die Macht geputscht wurden. Wollten die Kapitalisten gerne bevormundet werden?

Und warum der Beifall der neoliberalen Hayek-Schule, der "Chicago Boys" angesichts der rechten Putsche mit seinen anschließenden Staatsinterventionen?

Die Aussage, dass Neoliberalismus staatliche Interventionen ablehne, muss man einmal näher und bei Lichte betrachten.

Glaubt denn jemand mit ein wenig Vernunft und Logik im Leib ernsthaft, dass die Staatsaversion des Neoliberalismus so weit geht, dass dieser bei massenhaften und profitbedrohenden Arbeitskampfbewegungen oder anderen sozialen Bewegungen, welche das Streben nach Maximalprofit bedrohen, der Polizei und Armee empfiehlt, still zu halten und jene Bewegungen gewähren zu lassen?

Die *offene Gesellschaft* ist spätestens dort beendet, wo die geschlossene Gesellschaft der Kapitaleigner und Herrschaftsklassen in Gefahr gerät. Der Faschismus oder auch der neoliberale Polizeistaat ist die Kehrseite einer Eigentumsordnung, die zunächst auf versteckter Gewalt beruht, welche sich jedoch unmittelbar in offene Gewalt verwandelt, wenn die Kapitalherren ihre Stellung bedroht sehen.

Das ist auch empirisch genau so abgelaufen, wie es der Theorie nach - z.B. von Dimitroff - beschrieben wurde.



Wer finanzierte Hitler? - oder: Millionen standen hinter ihm!

Insofern ist der vermeintliche Gegensatz zwischen "marktkonformer Demokratie" (Zitat Merkel) und Faschismus oder auch zwischen Biden und Trump kein wirklicher Gegensatz. Denn gerade am neoliberalen Adenauer-Staat BRD seit 1945 kann man sehen, wie gerade die vermeintlich liberale "freie Marktwirtschaft" selbst den Boden bereitet für die Ausbreitung rechter Netzwerke im Staatsapparat, in den Medien und auch an Universitäten (Stichwort: Baberowski, der aber kein Einzelfall ist).

Dies als erster Input für die Diskussion.
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vrolijke
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Beitrag(#2226166) Verfasst am: 24.09.2020, 19:51    Titel: Antworten mit Zitat

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beachbernie
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Beitrag(#2226169) Verfasst am: 24.09.2020, 21:07    Titel: Antworten mit Zitat

Ich erläuterte bereits weshalb in bestimmten Situationen Neoliberale Faschisten unterstützen. Dann naemlich wenn die Gefahr besteht, dass "die Roten" an die Macht kommen und anfangen die Eigentumsverhaeltnisse umzustuerzen. Da zieht man gerne das "kleinere Uebel" vor. lieber laesst man sich vom Staat bevormunden als dass man im Gulag landet und alles weggenommen bekommt.

Hitlers Staatsdirigismus konnte keinem Neoliberalen gefallen. Als Hitler aus rein ideologischen Gründen z.B. beschloss, dass fuer jeden Volksgenossen ein "Volkswagen" gebaut werden soll, der preiswert sein soll, leicht zu unterhalten und in dem eine 5-köpfige Familie unterkommt, da nahm er eines der renommiertesten Automobliunternehmen Deutschlands, naemlich Porsche, einfach in die Pflicht und die gehorchten auch, wenn auch eher widerwillig, weil ein "Volkswagen" nicht gerade mit dem bisherigen Firmenimage kompatibel war. Daraufhin wurden ein extra Tochterunternehmen (VW) und sogar eine neue Stadt (Wolfsburg) gegründet. Alles auf Geheiss der Obrigkeit. Ein Vorgehen, das jedem aufrechten Neoliberalen die Zornesröte auf die Stirn treiben musste, weil es gegen so ziemlich alles Verstößt, woran Neoliberale so glauben. Der Trost war natuerlich, dass die Eigentumsverehaeltnisse unangetastet blieben und die Eigner spaeter, nach dem Krieg, sogar vom Konzept des "Volkswagen" profitieren konnten, weil das ihnen zusammen mit dem Unternehmen gehörte. Zumindest im Westen. Im Osten war das natuerlich anders, weil da wurden die Braunen von den Roten abgelöst und die beschlagnahmten erst mal alle Aktien und sonstigen privaten Unternehmensbeteiligungen, die sie in die Finger bekamen und sowas moegen Neoliberale nun mal noch viel weniger als blosse Bevormundung.


Der Neoliberalismus gesteht dem Staat als einzige wirkliche Aufgabe zu Ordnung und Frieden nach innen und nach aussen aufrechtzuerhalten, weil das braucht eine Marktwirtschaft um richtig blühen zu koennen. Dazu gehoert natuerlich auch die Aufrechterhaltung der Eigentumsordnung sowie die der "inneren Ordnung", was oft so eng interpretiert wird, dass jeder Protest auf der Strasse als Bedrohung gesehen wird. Dies hat allerdings recht wenig mit der Nichteinmischung in die Belange der Privatwirtschaft zu tun, sondern soll diese im Gegenteil vor Einmischung durch andere politische Kräfte schützen. Ansonsten ist der Neoliberalismus erstaunlich tolerant gegen Kritik, auch gegen sehr fundamentale Kritik. Bisher hat noch jeder marxistische Tagträumer in einer kapitalistischen Marktwirtschaft einen Verlag gefunden, der seine "kapitalismuskritischen" Träumereien verlegt und ihm sogar ermöglicht davon zu leben, vorausgesetzt es finden sich genuegend Käufer. Man stelle sich demgegenueber bloss mal vor ein "sozialismuskritischer" Autor, der theoretische Pläne schmiedet den Sozialismus abzuschaffen und stattdessen die Volkswirtschaft im Wesentlichen zu privatisieren, wuerde nach einer Moeglichkeit suchen dies im Sozialismus veröffentlicht zu kriegen. Der wuerde eher im Arbeitslager landen als dass er auch nur ein einziges Buch gedruckt kriegt. Sehr glücklich

Es gehoert naemlich zu dem dem Neoliberalismus zugrundeliegenden Individualismus unauflöslich dazu, dass jedem Menschen, einschliesslich dem ideologischen Gegner, sehr weitreichende Freiheiten gewährt werden, damit dessen kreative Fähigkeiten moeglichst unbehindert entfaltet werden koennen und da gehoert auch die Meinungsfreiheit mit dazu. Nur wo es nicht bei der blossen Meinung und deren Umsetzung im vorgegebenen politischen Rahmen bleibt, da wo Fensterscheiben klirren, wo wichtige Infrastruktur unterbrochen wird etc. da neigen Neoliberale dazu nach dem "starken Staat" zu rufen, weil das eben schlecht fuer's Geschäft ist, waehrend sich am 17. Aufguss marxistischer geistiger Unbeweglichkeit durchaus gut verdienen laesst. Das überzeugt denn auch den Neoliberalen. zwinkern


Das politische System, das mit dem Neoliberalismus noch am ehesten kompatibel ist und das deshalb von Neoliberalen bevorzugt wird, ist die parlamentarische Demokratie mit ihren zumeist eher reibungslosen Regierungswechseln, nicht der Faschismus und nicht die (Pseudo)Volksdemokratie, vor allem auch, weil die keinen reibungslosen Regierungswechsel vorsehen, sondern dort das Regime nur durch Aufstand und verbunden mit größeren Unruhen bzw. durch wirtschaftlichen und/oder militärischen Zusammenbruch abgelöst werden kann, was zunaechst mal schlecht fuer's Geschäft ist, weil das nun mal bei Ordnung und Frieden (zumindest nach innen) am Besten laeuft.
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Anmeldungsdatum: 22.07.2003
Beiträge: 15976
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Beitrag(#2226177) Verfasst am: 25.09.2020, 02:44    Titel: Antworten mit Zitat

Man könnte sogar diskutieren, daß es unterschiedliche Konzeptionen von "Neoliberalismus" zu geben scheint, die sich für ihre Behandler so stark voneinander unterscheiden, daß sie sich nicht unter diesen Begriff fassen ließen. Kann also sein, daß die Konzeption der "Chicago Boys", die dann letztlich nach Chile gingen, sich etwa davon unterscheidet, was Ludwig Erhard vorschwebte.

Wir können zumindest festhalten, daß es unterschiedliche Auffassungen geben kann, was das Verhältnis zwischen Wirtschaftssystem und politischen System angeht: Eine einschlägige schnelle Suche findet da etwa Schriften von einem Guenter Reimann (laut seinem Wikipedia-Artikel war das ein kommunistischer Ökonom, der im übrigen auch das sowjetische Wirtschaftsmodell kritisierte), der in den 1930er Jahren von der "Vampirökonomie" schrieb, die sich da im NS-Deutschland herausgebildet hatte. Oder eben auch einen Essay von Andrea Micocci und Flavia Di Mario, die vor ein paar Jahren über die "Fascist Nature of Neoliberalism" schrieben.

Es ist insofern noch die Frage, in wieweit "freies Wirtschaften" und Diktatur zueinander (in)kompatibel sind: Es mag ja vielleicht sein, daß ein diktatorisches Regime, das die Gewaltenteilung und die rechtliche Grundordnung aushebelt, prinzipiell auch ein Risiko für das Wirtschaften darstellt. Denn es können ja in einem solchen Staat Unsicherheiten bestehen, z.B. auf Gutdünken des Führers, der Staatspartei o.ä. sehr schnell Dinge kommen, die dem Unternehmer schaden: Preisfestsetzungen, Enteignungen, man kann aus fadenscheinigen Gründen mit Prozessen überzogen werden - oder eben auch nicht, ... .

Andererseits hindert das ja auch viele Unternehmer nicht daran, in solchen Staaten tätig zu sein oder zu werden, soweit sich die Interessen des Unternehmers und des jeweiligen Regimes decken bzw. die Vorteile eines solchen Handelns aus seiner Sicht überwiegen: Es ist doch für den Unternehmer auch gut, wenn z.B. der Staat Gewerkschaften zerschlägt und soziale Proteste unterdrückt, die Arbeiter dazu zwingt, mehr zu arbeiten, Arbeitsschutz-Richtlinien schleift, ... . Genauso kann es für ihn auch im Einzelfall nützlich sein, wenn er z.B. Abnahmepreise garantiert, ... .


Wenn man etwas tiefer bohrt, findet man bald Quellen, die aufzeigen, daß Hayeks Verständnis von Freiheit als auch von Demokratie eben etwas Anderes ist als was wir so aufs Tapet legen würden: Erstmal hatten die "Chicago Boys" und Hayek da ja weniger Berührungsängste, was wirtschaftspolitische Unterstützung für die Junta anging als andere Gruppen.

Die Leute um Pinochet hatten zunächst einmal gar keinen wirtschaftspolitischen Plan, hatten im eigenen Land erfolglos nach Unterstützung gesucht, weil z.B. die Christdemokraten eine Rückkehr zur politischen Freiheit und zu rechtsstaatlichen Verhältnissen forderten. Die "Chicago Boys" sahen Chile als willkommenes Testgelände für ihre wirtschaftspolitische Konzeption an, wo zu der Zeit fast der ganze Rest der Welt keynesianisch gewirtschaftet habe. Unter Pinochet wurde das Land dementsprechend zu einem "neoliberalen Musterland" umgebaut.


Patricio Meller ist beispielsweise der Auffassung, daß Hayek die Freiheit hauptsächlich als "Freiheit von etwas" sieht, während der Begriff der politischen Freiheit eine "Freiheit zu etwas" sei. Sei es insofern also möglich, die eine Freiheit zu haben, während die andere Freiheit nicht bestehe?

Zum anderen sei nach Hayeks Auffassung auch die Demokratie ein System, das letztlich Reichtum umverteile, dies beispielsweise mit der Herstellung der sozialen Gerechtigkeit rechtfertige. Menschen würden dadurch ungleich behandelt (denn wenn man Einem etwas gebe, müsse man dafür ja einem Anderen etwas wegnehmen), und das würde zu Einschränkungen der Freiheit führen, die denen in einer Despotie nicht unähnlich seien. Dadurch sei also nichts gewonnen, man habe einen Absolutismus nur durch einen anderen ersetzt. Hayek ist damit auch skeptisch gegenüber einer Demokratie, mindestens in soweit diese das ökonomische Handeln reglementiere. Natürlich sei Hayek für Freiheit - denn die Menschen sollten darüber mitbestimmen können, welche Spielregeln gelten sollten, und das sei nun einmal in einer Diktatur nicht gegeben (*).

Mindestens aber für ökonomische Freiheit, weil der individuelle Akteur eben befähigt sein müsse, seine Interessen zu maximieren - nach seiner Auffassung werde so auch das "gesellschaftliche Optimum" erreicht (vgl. Meller, "The Unidad Popular and the Pinochet Dictatorship - A Political Economy Analysis").


Bekanntermaßen endete die Diktatur irgendwann. Nun könnte man einerseits argumentieren, ob nicht möglicherweise der Umbau der Wirtschaft auch bewirkt habe, daß die politischen Verhältnisse sich letztendlich auch ändern mußten. Es wäre jetzt nicht klar, wie das zusammenhängt: Denn daß die Preise für Grundnahrungsmittel sich frei bewegten, verhinderte ja nicht, daß in den Gefängnissen des Regimes weiter gefoltert wurde. Andererseits hat dieser Umbau (auch in der Demokratie ab 1990) vielen Menschen keinen Wohlstand gebracht, hat sich vielmehr die Schere sehr breit geöffnet und sind heute selbst elementare Commodities für Viele schwer erschwinglich. Sie werden sich im neoliberalen System nicht als "frei" ansehen.

Ein anderes Beispiel, das man hernehmen könnte, ist vielleicht China. Noch zu Studienzeiten meinte mir gegenüber jemand mal grinsend, "die Chinesen (seien) die größten Kapitalisten Lachen": Und die dortige Führung hat ja ein "gemischtes Modell" relativ erfolgreich umgesetzt: Aufgrund der ökonomischen Entwicklung ist eine Mittelschicht entstanden, die die ganzen coolen Gadgets erwerben kann, die heute so zum Lifestyle dazu gehören, und diese Leute akzeptieren auch mehr oder weniger, daß es eine politische Repression gibt, in der Kritik am System bestraft wird. Eine wirtschaftliche Freiheit muß also nicht notwendigerweise mit einer politischen Freiheit einhergehen.



_______________

(*) führt uns letztlich auch hierher: Stimmt das denn?

Zitat Hayek: “I have certainly never contended that generally authoritarian governments are more likely to secure individual liberty than democratic ones, but rather the contrary. This does not mean, however, that in some historical circumstances personal liberty may not have been better protected under an authoritarian than democratic government."

Für Hayek waren "Freiheit" und "Diktatur" schlichtweg nicht Extrempunkte einer Achse, sondern zwei unterschiedliche Dimensionen: Eine Demokratie könne in dem Sinne "totalitär" sein, daß sie eine Politik betreibe, die die Wirtschaft behindere, während eine Diktatur durchaus auch ökonomische "Freiheit" ermöglichen könne. Zu dieser "ökonomischen Freiheit" könne es durchaus gehören, auch Interessengruppen zu reprimieren, etwa die Gewerkschaften, "die den Staat zu ihrer Beute machen und der vermögenden Minderheit damit eine sozial gerechte Umverteilungspolitik aufzwingen". "Politische Teilhabe sei im Gegensatz zu wirtschaftlicher oder rechtsstaatlicher Freiheit keine „echte“ Freiheit und, wie die Demokratie insgesamt, kein Wert an sich."

Hayek sieht in einer Demokratie die "liberalen Freiheitsrechte" latent bedroht, weil sich die Mehrheit ja dazu entschließen könne, Reichtum umzuverteilen. Als Alternative schwebt ihm ein System vor, das hauptsächlich von konservativen und "vernünftigen" Akteuren bevölkert zu sein scheint, die nicht bestrebt seien, die bestehende Ordnung zu verändern: "Allgemein betont Hayek, daß es kein Verstoß gegen die Rechtsgleichheit sei, etwa nur Leuten in einem Alter von mindestens 40 Jahren, nur Einkommensbeziehern, nur Haushaltsvorständen oder nur gebildeten Leuten das Wahlrecht zuzuerkennen. Solche Regelungen seien keine größere Verletzung des demokratischen Prinzips als die traditionellen Einschränkungen des Wahlrechts, etwa für Minderjährige oder Verbrecher. (...) Auch eine solcherart „gezügelte“ Demokratie könne man noch als „Demokratie“ bezeichen - denn die durch das allgemeine Wahlrecht manifestierte Volkssouveränität ist für Hayek gar kein unabdingbarer Bestandteil einer Demokratie."

Seine Konzeption von Staat und Wirtschaft erfordert gewissermaßen auch, daß Interessengruppen neutralisiert werden, die auf den Staat Einfluß ausüben: "Wie diese „Ausschaltung“ beispielsweise der Gewerkschaften sich in der Praxis darstellen kann, wird im Abschnitt über Pinochet-Diktatur zu betrachten sein. Für Hayek heben derartige Interessengruppen den Wettbewerb teilweise auf, womit sie die Marktwirtschaft bedrohen, die „kulturelle Evolution“ behindern und damit letztlich das Überleben der Menschheit riskieren".

Ob man andererseits nun für diese Vorstellungen eine Diktatur braucht, ist dann wieder eine andere Frage: Immerhin hatte Margaret Thatcher ja in den 80er Jahren auch eine neoliberale Politik umgesetzt und die Gewerkschaften bekämpft.

Andererseits hätten Hayek und Andere aber auch kein Problem mit einem "nicht-zu-totalitären System" gehabt: "As a means for the majority of citizens peacefully to rid a government they do not like, it is very valuable. But an unlimited democracy is one of the worst forms of government."

"Für die neoliberalen Theoretiker (ist) die Garantie der liberalen Freiheitsrechte entscheidend - nicht die universelle politische Teilhabe (-) und daher wird im Zweifelsfall eher für die Einschränkung des Wahlrechts plädiert, falls dies zur Sicherung der Wirtschaftsfreiheit notwendig erscheinen sollte."

Das geht in der Interpretation sogar so weit: "Friedrich August von Hayek verteidigte die chilenische Militärdiktatur vehement. Nach einem Chile-Besuch 1977, bei dem er auch von Pinochet empfangen wurde, schrieb er einen Aufsatz über seine Wahrnehmung der Situation in Chile, in dem er von „internationalem Rufmord“ spricht. 1977 waren die Menschenrechtsverletzungen in Chile von der UNO verurteilt worden. Später vermutete er sogar „systematisch geförderte sozialistische Verleumdungen“." ("Antidemokrat und Pinochet-Unterstützer"; Caldwell+Montes, "Friedrich Hayek and his visits to Chile"; Dittrich, "Neoliberalismus und Autoritarismus - ein symbiotisches Paar?")
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Dann bin ich halt bekloppt. Mit den Augen rollen

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Zumsel
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Beitrag(#2226256) Verfasst am: 26.09.2020, 10:19    Titel: Antworten mit Zitat

Das Thema hat viele Ebenen. Beachten muss man dabei natürlich auch die Widersprüche, die eine kapitalistische Gesellschaft notwendig selbst hervorbringt. Die Vorstellung des (gesellschaftlichen) Lebens als eines ständigen Konkurrenzkampfes, bei dem jeder in erster Linie seinen eigenen Vorteil sucht, steht letztlich konträr zu bürgerlichen Tugenden wie "Pflicht", "Verlässlichkeit" usw. Wer den bürgerlich-kapitalistisch Rationalitätsbegriff nur tief genug verinnerlicht hat, wird auch diese Tugenden bloß unter dem Gesichtspunkt betrachten, ob sie ihm gerade nützen. Niemand zeigt diesen Widerspruch übrigens besser auf als Donald Trump, er ist ja geradezu die Verkörperung einer Rationalität, die im Grunde gar kein anders Handeln mehr gelten lässt als eines, das auf die Maximierung des persönlichen Nutzens zielt (wer verlässlich ist zum eigenen Schaden, ist für ihn bloß ein "Idiot" oder "Loser") . Damit erodiert aber eben notwendig auch jene bürgerlich-konservative "Wertebasis", auf der die kapitalistischen Gesellschaft allein bestehen kann. Denn der Kapitalismus bedarf, um zu funktionieren, der Elemente, die ihm fremd sind: Z.B. das Engagement, das nicht nach dem "Interesse" fragt. Oder das Pathos des Versprechens. Oder die Achtung des Rechts, auch wenn man in der stärkeren Position ist usw. Wer dagegen offen diesen "Werten" ins Gesicht spuckt, bis zum Äußersten sein Partikularinteresse vertritt und damit Erfolg hat, entlarvt den Anspruch der bürgerlichen Rationalität auf Allgemeinheit als Illusion. "Der Ehrliche" steht dann offiziell als "der Dumme" fest. Und ja, der rohste Auswuchs dieser Entwicklung ist dann womöglich der Faschismus.
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Tarvoc
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Beitrag(#2226261) Verfasst am: 26.09.2020, 11:22    Titel: Antworten mit Zitat

Critic hat folgendes geschrieben:
"Für die neoliberalen Theoretiker (ist) die Garantie der liberalen Freiheitsrechte entscheidend - nicht die universelle politische Teilhabe (-) und daher wird im Zweifelsfall eher für die Einschränkung des Wahlrechts plädiert, falls dies zur Sicherung der Wirtschaftsfreiheit notwendig erscheinen sollte.

Nun kann aber z.B. im Falle des Pinochet-Regimes ja gar keine Rede davon sein, dass es die Freiheitsrechte garantiert hätte. Das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit war z.B. ebenso ausgehebelt wie das auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Um welche Rechte geht es also den neoliberalen Theoretikern? Offensichtlich ja nicht um alle. Welche Freiheitsrechte sollen damit gegen die Gefahren der Demokratie verteidigt werden?

Meine Hypothese dazu: Es geht diesen Leuten ausschließlich um ein einziges ganz bestimmtes Recht. Alle anderen Freiheitsrechte sind für diese Leute nicht nur verhandelbar, sondern - auch wenn sie das wohl nicht so offen zugeben würden - potenziell gefährlich. Und deshalb ist für sie der Faschismus auch eine Option und akzeptable Alternative, und zwar nicht nur zum Kommunismus, sondern unter Umständen durchaus auch zur Demokratie.
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Zuletzt bearbeitet von Tarvoc am 26.09.2020, 11:33, insgesamt einmal bearbeitet
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vrolijke
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Wohnort: Stuttgart

Beitrag(#2226262) Verfasst am: 26.09.2020, 11:33    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Critic hat folgendes geschrieben:
"Für die neoliberalen Theoretiker (ist) die Garantie der liberalen Freiheitsrechte entscheidend - nicht die universelle politische Teilhabe (-) und daher wird im Zweifelsfall eher für die Einschränkung des Wahlrechts plädiert, falls dies zur Sicherung der Wirtschaftsfreiheit notwendig erscheinen sollte.

Nun kann ja z.B. im Falle des Pinochet-Regimes aber gar keine Rede davon sein, dass es die Freiheitsrechte garantiert hätte. Das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit war ebenso ausgehebelt wie das auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Um welche Rechte geht es also den neoliberalen Theoretikern? Offensichtlich ja nicht um alle. Welche Freiheitsrechte sollen damit gegen die Gefahren der Demokratie verteidigt werden?

Meine Hypothese dazu: Es geht diesen Leuten ausschließlich um ein einziges ganz bestimmtes Recht. Alle anderen Freiheitsrechte sind für diese Leute nicht nur verhandelbar, sondern - auch wenn sie das nie so offen zugeben würden - potenziell gefährlich. Und genau deshalb ist für sie der Faschismus auch eine potenzielle Option und mögliche Alternative, und zwar nicht nur zum Kommunismus, sondern unter Umständen durchaus auch zur Demokratie.


Du insinuierst, dass Neoliberalen Theoretiker Pinochet an die Macht verholfen haben.
Als ob "Neoliberale Theoretiker" eine Einheit wären.
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Anmeldungsdatum: 01.03.2004
Beiträge: 44089

Beitrag(#2226263) Verfasst am: 26.09.2020, 11:39    Titel: Antworten mit Zitat

vrolijke hat folgendes geschrieben:
Du insinuierst, dass Neoliberalen Theoretiker Pinochet an die Macht verholfen haben. 

Das steht auch schon in tillichs Beitrag. Willst du das bestreiten? (Bzw. wohl weniger "zur Macht verholfen" als offen unterstützt und an der Macht gehalten.)

vrolijke hat folgendes geschrieben:
Als ob "Neoliberale Theoretiker" eine Einheit wären.
Das ist mir doch ein Spur zu "alles über einen Kamm scheren".

Quatsch. Mit den Augen rollen
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Pan narrans
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Beitrag(#2226270) Verfasst am: 26.09.2020, 13:13    Titel: Antworten mit Zitat

Eine weitere Ebene wäre, dass Faschismus (und auch gemäßigte Formen von Nationalismus und Tribalismus generell) auch eine Art Not-Mittel zur Besitzstandwahrung der Herrschenden ist bzw. eine Art Notfallprogramm des Kapitalismus (oder zumindest auch diese Funktion hat). Historisch zeigt sich das vor allem daran, dass Antikommunismus und Antimarxismus ein ganz zentraler Bestandteil des Faschismus war und auch ist.

Divide et impera+Sündenbockstrategie ist ja ein alter Hut und auch nicht spezifisch kapitalistisch, sondern eher ein allgemeines, uraltes Herrschaftsmittel, teils bewusst genutzt, überwiegend aber aus den Dynamiken von gesellschaftlichen Strukturen und Prozessen einfach „hervorgeqollen“. Also es ergibt sich auch aus bestimmten gesellschaftlichen Strukturen als eine Dynamik.

Gesellschaftliche Systeme haben nicht nur eine gewisse Trägheit bezüglich Änderungen, sondern auch Schutzmechanismen. Ein Schutzmechanismus von repressiven Herrschaftsstrukturen allgemein scheint mir das Teilen und Herrschen zu sein. Bei der derzeitigen Herrschaftsform, dem Kapitalismus, war und ist das nicht anders. Das sich in seinen Privilegien bedroht sehende Bürgertum greift zu jedem Strohalm und ich glaube nicht, dass sich da so viel dran geändert hat. Das Fressen kommt immer noch vor der Moral – egal, wie feingetunt und ausdifferenziert sie auch sein mag.

Die Rechten und die Konservativen könnten ohnehin wieder genauso auf drohende soziale Umwälzungen reagieren wie „damals“ und dabei die Faschisten wieder einmal gnadenlos unterschätzen. Das Unterschätzen hat im Grunde ja eine Tradition, die ungebrochen und ausdifferenziert ist: Von den übriggebliebenen Nazis, die noch lange im Bundestag saßen angefangen, Rechtsradikale im Staatsapparat, bei der Polizei, bei der Bundeswehr? Alles halb so wild, alles Einzelfälle! Tradierte Nationalsozialisten in der Afd? Nur ein kleiner Flügel, der wird ein bisschen gestutzt, alles kein Problem!

Das ist der Nährboden für den Faschismus oder besser: für die Faschisten, deren Interesse einfach nur ihre Ideologie und ihr Machtwille ist.

Der Neoliberalismus nun befördert nicht nur die Spaltung der Menschen, sondern auch die Verrohrung und die Dekadenz, das heißt: die geistige (also auch ethische) und emotionale Verarmung. Während bei „gemäßigteren“ Kapitalismusformen die angesprochenen Widersprüche noch ein wenig versöhnt zu werden scheinen, treten sie beim Neoliberalismus sehr deutlich zu Tage – etwa in Form eines Trumps, der da tatsächlich das Paradebeispiel ist – um nicht zu sagen, der fleischgewordene, höhnisch ausgestreckte Mittelfinger des Kapitals in Richtung Demokratie und humanistischem Gemeinschaftssinn.

Wenn die Menschen nun erst einmal gespalten, verloren und verarmt genug sind, werden sie reif für die Rattenfänger. Da dies herrschaftsstabilisierende Funktion hat, ist das in jedem Fall mehr im Interesse der oberen Zehntausend, als etwa eine soziale Revolution.


Über kurz oder lang stellt sich angesichts der fortschreitenden Zuspitzungen auf den Gebieten Klimawandel, Digitalisierung und Migration sowie der Erosion der sozioökonomischen Mittelschicht die Frage, ob dies durch eine (globale) Sozialpolitik aufgefangen wird, die enorme Umverteilungen und Umwälzungen impliziert – oder ob es nicht aufgefangen wird. In dem Fall halte ich zunächst einen Sieg der Rechten und schließlich auch der Faschisten für sehr wahrscheinlich.

Wir stehen also Am Scheideweg: Sozialismus oder Barbarei!

(Okay, bzw. extrem gezähmter und extrem regulierter Kapitalismus mit enormen Umwälzungen und quasi einem World-Marshall-Plan oder Barbarei)
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Critic
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Beitrag(#2226298) Verfasst am: 26.09.2020, 18:23    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Critic hat folgendes geschrieben:
"Für die neoliberalen Theoretiker (ist) die Garantie der liberalen Freiheitsrechte entscheidend - nicht die universelle politische Teilhabe (-) und daher wird im Zweifelsfall eher für die Einschränkung des Wahlrechts plädiert, falls dies zur Sicherung der Wirtschaftsfreiheit notwendig erscheinen sollte.

Nun kann aber z.B. im Falle des Pinochet-Regimes ja gar keine Rede davon sein, dass es die Freiheitsrechte garantiert hätte. Das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit war z.B. ebenso ausgehebelt wie das auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Um welche Rechte geht es also den neoliberalen Theoretikern? Offensichtlich ja nicht um alle. Welche Freiheitsrechte sollen damit gegen die Gefahren der Demokratie verteidigt werden?

Meine Hypothese dazu: Es geht diesen Leuten ausschließlich um ein einziges ganz bestimmtes Recht. Alle anderen Freiheitsrechte sind für diese Leute nicht nur verhandelbar, sondern - auch wenn sie das wohl nicht so offen zugeben würden - potenziell gefährlich. Und deshalb ist für sie der Faschismus auch eine Option und akzeptable Alternative, und zwar nicht nur zum Kommunismus, sondern unter Umständen durchaus auch zur Demokratie.


So in etwa habe ich das auch gelesen: Die "liberalen Rechte" sind nach dieser Auffassung primär Eigentumsrechte und das "Recht auf freies Wirtschaften", während politische Rechte, Meinungsfreiheit etc. auf einer anderen Schiene liegen.

Und vrolijke dürfte damit Recht haben, daß es auch unter den Neoliberalen Differenzen gab: Eine Gruppe sah halt Chile als Testfeld an. Vielleicht dachten Einige sogar, daß ein wirtschaftspolitisch liberales System sich zwangsläufig auch demokratisieren müsse, während andere da eher schmerzbefreit waren. Während Andere nicht mit der Diktatur zusammenarbeiten wollten und erst nach Chile gingen, als man dort nach 1989 zur Demokratie zurückkehrte.

In der Praxis gibt es natürlich auch heute genügend Akteure, die mit und in Diktaturen gute Geschäfte wähnen (und dann auch tätigen) und wo es für ihre Investitionsentscheidungen sich eher nachrangig darstellt, ob die dortige Regierung die Menschenrechte respektiert. (Mal so gefragt: Gibt es große Unternehmen, die z.B. nicht nach China gingen und sich diesen Absatzmarkt entgehen ließen, mit der Begründung der Menschenrechte?)
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Tarvoc
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Beitrag(#2226309) Verfasst am: 26.09.2020, 18:56    Titel: Antworten mit Zitat

Critic hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Critic hat folgendes geschrieben:
"Für die neoliberalen Theoretiker (ist) die Garantie der liberalen Freiheitsrechte entscheidend - nicht die universelle politische Teilhabe (-) und daher wird im Zweifelsfall eher für die Einschränkung des Wahlrechts plädiert, falls dies zur Sicherung der Wirtschaftsfreiheit notwendig erscheinen sollte.

Nun kann aber z.B. im Falle des Pinochet-Regimes ja gar keine Rede davon sein, dass es die Freiheitsrechte garantiert hätte. Das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit war z.B. ebenso ausgehebelt wie das auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Um welche Rechte geht es also den neoliberalen Theoretikern? Offensichtlich ja nicht um alle. Welche Freiheitsrechte sollen damit gegen die Gefahren der Demokratie verteidigt werden?

Meine Hypothese dazu: Es geht diesen Leuten ausschließlich um ein einziges ganz bestimmtes Recht. Alle anderen Freiheitsrechte sind für diese Leute nicht nur verhandelbar, sondern - auch wenn sie das wohl nicht so offen zugeben würden - potenziell gefährlich. Und deshalb ist für sie der Faschismus auch eine Option und akzeptable Alternative, und zwar nicht nur zum Kommunismus, sondern unter Umständen durchaus auch zur Demokratie.

So in etwa habe ich das auch gelesen: Die "liberalen Rechte" sind nach dieser Auffassung primär Eigentumsrechte und das "Recht auf freies Wirtschaften", während politische Rechte, Meinungsfreiheit etc. auf einer anderen Schiene liegen.

Also das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, i.e. auf Eigentum am eigenen Körper, ist ein politisches Recht und kein ökonomisches? Zumal das Pinochet-Regime auch sonst keineswegs immer persönliches Eigentum respektierte.

Mit "Recht auf Eigentum" ist das Recht, um das es diesen Leuten nur und ausschließlich geht, m.E. unzureichend beschrieben. Sachlich richtig wäre "Recht auf Privateigentum an Kapital".
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beachbernie
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Beitrag(#2226314) Verfasst am: 26.09.2020, 19:20    Titel: Antworten mit Zitat

Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Critic hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Critic hat folgendes geschrieben:
"Für die neoliberalen Theoretiker (ist) die Garantie der liberalen Freiheitsrechte entscheidend - nicht die universelle politische Teilhabe (-) und daher wird im Zweifelsfall eher für die Einschränkung des Wahlrechts plädiert, falls dies zur Sicherung der Wirtschaftsfreiheit notwendig erscheinen sollte.

Nun kann aber z.B. im Falle des Pinochet-Regimes ja gar keine Rede davon sein, dass es die Freiheitsrechte garantiert hätte. Das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit war z.B. ebenso ausgehebelt wie das auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Um welche Rechte geht es also den neoliberalen Theoretikern? Offensichtlich ja nicht um alle. Welche Freiheitsrechte sollen damit gegen die Gefahren der Demokratie verteidigt werden?

Meine Hypothese dazu: Es geht diesen Leuten ausschließlich um ein einziges ganz bestimmtes Recht. Alle anderen Freiheitsrechte sind für diese Leute nicht nur verhandelbar, sondern - auch wenn sie das wohl nicht so offen zugeben würden - potenziell gefährlich. Und deshalb ist für sie der Faschismus auch eine Option und akzeptable Alternative, und zwar nicht nur zum Kommunismus, sondern unter Umständen durchaus auch zur Demokratie.

So in etwa habe ich das auch gelesen: Die "liberalen Rechte" sind nach dieser Auffassung primär Eigentumsrechte und das "Recht auf freies Wirtschaften", während politische Rechte, Meinungsfreiheit etc. auf einer anderen Schiene liegen.

Also das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, i.e. auf Eigentum am eigenen Körper, ist ein politisches Recht und kein ökonomisches? Zumal das Pinochet-Regime auch sonst keineswegs immer persönliches Eigentum respektierte.

Mit "Recht auf Eigentum" ist das Recht, um das es diesen Leuten nur und ausschließlich geht, m.E. unzureichend beschrieben. Sachlich richtig wäre "Recht auf Privateigentum an Kapital".



Fuer neoliberale Theoretiker gibt es keinen Unterschied zwischen dem Recht auf "Privateigentum an Kapital" und dem Recht auf Eigentum an anderen Dingen. Dein Eigentum an Deinem Auto, an Deinem selbstgenutzten Haus ist denen genauso schützenswert wie Dein Eigentum an Deinen Aktien oder Deiner Brauerei, uebrigens auch wenn Du denen ideologisch feindselig gegenüberstehst.


Was die demgegenueber strikt ablehnen sind Prinzipien, nach denen die blosse Benutzung von Dingen irgendwelche Eigentumsrechte daran begründen koennen.


Was das Pinochet-Regime gemacht hat, tut dabei nichts zur Sache. Das war kein neoliberales Regime, sondern ein faschistisches, das den neoliberalen "Chicago-Boys" das Land Chile als Versuchslabor zur Verfügung gestellt hat, wohl auch um sich der unbedingten Unterstützung durch die USA zu versichern.
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Tarvoc
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Beitrag(#2226316) Verfasst am: 26.09.2020, 19:47    Titel: Antworten mit Zitat

beachbernie hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Critic hat folgendes geschrieben:
Tarvoc hat folgendes geschrieben:
Critic hat folgendes geschrieben:
"Für die neoliberalen Theoretiker (ist) die Garantie der liberalen Freiheitsrechte entscheidend - nicht die universelle politische Teilhabe (-) und daher wird im Zweifelsfall eher für die Einschränkung des Wahlrechts plädiert, falls dies zur Sicherung der Wirtschaftsfreiheit notwendig erscheinen sollte.

Nun kann aber z.B. im Falle des Pinochet-Regimes ja gar keine Rede davon sein, dass es die Freiheitsrechte garantiert hätte. Das Recht auf Meinungs- und Pressefreiheit war z.B. ebenso ausgehebelt wie das auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Um welche Rechte geht es also den neoliberalen Theoretikern? Offensichtlich ja nicht um alle. Welche Freiheitsrechte sollen damit gegen die Gefahren der Demokratie verteidigt werden?

Meine Hypothese dazu: Es geht diesen Leuten ausschließlich um ein einziges ganz bestimmtes Recht. Alle anderen Freiheitsrechte sind für diese Leute nicht nur verhandelbar, sondern - auch wenn sie das wohl nicht so offen zugeben würden - potenziell gefährlich. Und deshalb ist für sie der Faschismus auch eine Option und akzeptable Alternative, und zwar nicht nur zum Kommunismus, sondern unter Umständen durchaus auch zur Demokratie.

So in etwa habe ich das auch gelesen: Die "liberalen Rechte" sind nach dieser Auffassung primär Eigentumsrechte und das "Recht auf freies Wirtschaften", während politische Rechte, Meinungsfreiheit etc. auf einer anderen Schiene liegen.

Also das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, i.e. auf Eigentum am eigenen Körper, ist ein politisches Recht und kein ökonomisches? Zumal das Pinochet-Regime auch sonst keineswegs immer persönliches Eigentum respektierte.

Mit "Recht auf Eigentum" ist das Recht, um das es diesen Leuten nur und ausschließlich geht, m.E. unzureichend beschrieben. Sachlich richtig wäre "Recht auf Privateigentum an Kapital".



Fuer neoliberale Theoretiker gibt es keinen Unterschied zwischen dem Recht auf "Privateigentum an Kapital" und dem Recht auf Eigentum an anderen Dingen.


Offensichtlich haben sie das eben doch, angesichts der Tatsache, dass sie kein Problem damit haben, wenn z.B. Pinochet letztes verletzt, solange er ersteres schützt.

beachbernie hat folgendes geschrieben:
Was das Pinochet-Regime gemacht hat, tut dabei nichts zur Sache. Das war kein neoliberales Regime, sondern ein faschistisches, das den neoliberalen "Chicago-Boys" das Land Chile als Versuchslabor zur Verfügung gestellt hat, wohl auch um sich der unbedingten Unterstützung durch die USA zu versichern.


Ach soooo, also wenn neoliberale Vordenker in großer Mehrheit dieses Regime enthusiastisch begrüßen, es aktiv stützen und mit ihm zusammenarbeiten und es ihnen dafür von seinem Diktator als regelrechtes Versuchslabor zur Verfügung gestellt wird, dann hat das natürlich gar nichts mit Neoliberalismus zu tun. Schon klar. Ihre aktive Befürwortung und Unterstützung des Regimes hat klarerweise auch eigentlich gar nichts mit ihnen selbst zu tun.
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beachbernie
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Beitrag(#2226321) Verfasst am: 26.09.2020, 20:09    Titel: Antworten mit Zitat

Weshalb Neoliberale Faschisten gegenueber Sozialisten/Kommunisten/Marxisten bevorzugen habe ich bereits erläutert. Das bedeutet aber nicht, dass ihnen eine bürgerlich-parlametarische Demokratie nicht eigentlich lieber waere. Die ist halt mal besser fuer's Geschäft. Schulterzucken
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Tarvoc
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Beitrag(#2226323) Verfasst am: 26.09.2020, 20:12    Titel: Antworten mit Zitat

beachbernie hat folgendes geschrieben:
Weshalb Neoliberale Faschisten gegenueber Sozialisten/Kommunisten/Marxisten bevorzugen habe ich bereits erläutert.

Ich auch. Cool

beachbernie hat folgendes geschrieben:
Das bedeutet aber nicht, dass ihnen eine bürgerlich-parlametarische Demokratie nicht eigentlich lieber waere.

Klar ist ihnen das lieber! Aber nur solange nicht Sozialdemokraten wie Allende gewählt werden... Pfeifen
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